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Zahnarzthaftung – Verwendung von Titan-Implantaten gegen Patientenwillen

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 12 U 173/20 – Beschluss vom 27.05.2021

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das am 8. Juli 2020 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az. 11 O 144/15, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen des Vorwurfs von Behandlungsfehlern, u.a. einer Behandlung entgegen ihres ausdrücklich erklärten Wunsches auf den Verzicht von der Verwendung von Metall beim Einsatz von Zahnimplantaten auf Rückzahlung des an den Beklagten gezahlten Zahnarzthonorars, auf die Zahlung von Schmerzensgeld und auf Feststellung einer Ersatzpflicht für zukünftige Schäden in Anspruch. Die Klägerin befand sich in der Zeit von Juni 2010 bis zum 10. Oktober 2011 in zahnärztlicher Behandlung bei dem Beklagten. In der Zeit vom 21. Oktober 2010 bis zum 10. Oktober 2011 entfernte der Beklagte zunächst zwei kariöse Zähne (Zahn 26 und 27) und nahm sodann nach Augmentation des Kieferkammes mit körperfremdem Material die Implantation von zwei Backenzähnen (Zahn 25 und 26) im linken Oberkiefer der Klägerin vor. Bei den Implantaten handelte es sich um zwei Ankylos-Implantate, die ausschließlich aus Titan bestehen und mit Vollkeramikabutments und Vollkeramikkronen versorgt wurden.

Zahnarzthaftung - Verwendung von Titan-Implantaten gegen Patientenwillen
(Symbolfoto: wutzkohphoto /Shutterstock.com)

Die Klägerin hat Behandlungsfehler des Beklagten behauptet und vorgetragen, dass sie ausdrücklich gewünscht habe, dass kein weiteres Metall in den Kiefer eingesetzt werde, weil sie bereits zuvor unter elektrisierenden Schmerzen gelitten habe. Diesen Wunsch habe sie auch in zwei Briefen vom 1. Juli 2010 und vom 15. September 2010 an den Beklagten zum Ausdruck gebracht, wobei der Beklagte den Erhalt dieser beiden Schreiben in Abrede stellt. Entgegen dieses ausdrücklichen Wunsches habe der Beklagte Implantate mit Titan verwendet. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrages wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 Euro, weitere 5.569,34 Euro sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 Euro jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Dezember 2013 zu zahlen. Das Landgericht hat zudem festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden, die ihr in Zukunft aus der Behandlung im Jahre 2011 entstehen, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld aus dem mit ihm geschlossenen Behandlungsvertrag gemäß §§ 630a, 280 Abs. 1, 253 BGB sowie gemäß §§ 823 Abs. 1, 253 BGB. Ein Anspruch der Klägerin wegen der Behandlung im Jahre 2010 bestehe allerdings nicht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Landgerichts fest, dass der Beklagte durch das Einsetzen von Titanimplantaten bei den Behandlungen am 29. März 2011, 31. August 2011 sowie am 10. Oktober 2011 dem ausdrücklichen Wunsch der Klägerin auf Verzicht von Metall widersprochen und damit das Selbstbestimmungsrecht der Klägerin verletzt habe. Die Klägerin habe in ihren Schreiben vom 1. Juli 2010 und 15. September 2010 dargelegt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen kein weiteres Metall bei den Implantaten wünsche. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Klägerin unter einer Titanunverträglichkeit tatsächlich leide, unter Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts eines Patienten sei dieser Wunsch von einem Arzt zu akzeptieren. Dies gelte insbesondere dann, wenn die von dem Patienten gewünschte Maßnahme ebenfalls dem ärztlichen Standard entspreche. Dies sei hier nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen gegeben. Das Landgericht ist zudem davon überzeugt gewesen, dass die beiden Schreiben der Klägerin vom 1. Juli 2010 und 15. September 2010 dem Beklagten auch zugegangen seien. Die Klägerin habe glaubhaft und schlüssig dargelegt, dass sie aufgrund der erheblichen Entfernung ihres Wohnortes von der Praxis des Beklagten alle aus ihrer Sicht für eine Behandlung notwendige Aspekte habe vorab klären wollen. Dagegen sei das pauschale Bestreiten des Beklagten, diese Schreiben nicht erhalten zu haben, unbeachtlich. Beide Schreiben seien zu unterschiedlichen Zeiten versandt worden, selbst wenn ein Brief verloren gehe, sei es doch sehr unwahrscheinlich, dass beide auf dem Postwege abhanden gekommen seien. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung sei dem Gericht nicht möglich gewesen, weil der Beklagte der mündlichen Verhandlung trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens unentschuldigt fernblieb. Der Beklagte habe der Klägerin wegen der gegen den ausdrücklichen Willen durchgeführten Behandlung die mit Rechnungen vom 30. März 2011 in Höhe von 2.203,80 Euro, vom 1. September 2011 in Höhe von 120 Euro und vom 11. Oktober 2011 in Höhe von 3.621,98 Euro in Rechnung gestellten Kosten zu erstatten. Die Klägerin müsse sich allerdings den Erstattungsbetrag der Krankenkasse für die Behandlung bei dem Beklagten in Höhe von 376,44 Euro anrechnen lassen. Die Klägerin habe dagegen keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der Rechnungen vom 22. Oktober 2010, weil nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen bei der Behandlung im Oktober 2010 vorrangig kariöse Backzähne entfernt worden seien, wofür eine medizinische Notwendigkeit bestanden habe. Die Klägerin habe gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 Euro. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Behandlung des Beklagten zwar dem medizinischen Stand entsprochen habe, wobei sich der Beklagte allerdings über den ausdrücklichen Wunsch der Beklagten hinweggesetzt habe. Die Klägerin leide dauerhaft unter den von ihr beschriebenen Beschwerden des Galvanismus. Zwar habe der Sachverständige ausgeführt, dass sich das von der Klägerin beschriebene Phänomen nicht objektiv verifizieren lasse, dies wissenschaftlich auch nicht messbar sei. Allerdings werde in der Praxis täglich ein derartiges Geschehen durch Patienten beklagt. Der zugesprochene Schmerzensgeldbetrag bewege sich auch in dem Rahmen, der bisher in der Rechtsprechung für vergleichbare Fälle zugesprochen worden sei. Ansprüche der Klägerin seien nicht verjährt, die Verjährungseinrede habe der Beklagte nur für die Behandlung im Jahre 2010 erhoben, die Rückzahlungsansprüche des Honorars seien aber bereits aus anderen Gründen nicht gerechtfertigt, das Schmerzensgeld sei für die Behandlung im Jahr 2011 zugesprochen worden.

Gegen dieses Urteil, das seinen Prozessbevollmächtigten am 17. Juli 2020 zugestellt worden ist, hat der Beklagte mit am 5. August 2020 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 2. September 2020 eingegangenem Schriftsatz begründet. Zur Begründung hat der Beklagte ausgeführt, das Landgericht habe wesentliche Feststellungen im Rahmen der Urteilsbegründung nicht bzw. falsch gewürdigt. So habe es das Gericht fehlerhaft unterlassen, die Verjährung der Ansprüche aus dem Behandlungsgeschehen des Jahres 2010 zu prüfen. Zudem gehe das Landgericht davon aus, dass die Behandlung dem ausdrücklichen Wunsch der Klägerin widersprochen habe. Dabei habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die Klägerin durch den Beklagten über die Verwendung von Titanimplantaten aufgeklärt worden sei. Dies ergebe sich aus der Behandlungsdokumentation, die formell und materiell ordnungsgemäß erfolgt sei, so dass das Landgericht dieser bis zum Beweis des Gegenteils Glauben zu schenken habe. Die Eintragungen der Patientenakte seien nicht zum Gegenstand des Urteils gemacht worden. Soweit das Landgericht die beiden Briefe der Klägerin herangezogen habe, sei der Zugang der Briefe bestritten worden. Möglicherweise habe die Klägerin schlüssig dargelegt, dass sie diese Schreiben verfasst und abgesendet habe, sie habe aber nicht bewiesen, dass diese auch tatsächlich dem Beklagten zugegangen seien, eine tatsächliche Vermutung dafür bestehe nicht. Die Klägerin habe damit gerade nicht den Beweis erbracht, dass sie auch für die Implantatversorgung Keramik gewünscht habe. Zwischen den Parteien sei lediglich vereinbart worden, dass für den Implantataufbau und für die Kronen Keramik verwendet werden solle. Unabhängig davon habe der Beklagte die Klägerin auch darüber aufgeklärt, welches Material für das Implantat verwendet werde und dies auch schriftlich dokumentiert. Das Landgericht habe es unterlassen, auch die Behandlungsdokumentation des Beklagten zu würdigen, sondern fehlerhaft lediglich auf den – bestrittenen Zugang – zweier Schreiben der Klägerin abgestellt.

Der Beklagte hat angekündigt zu beantragen, das am 8. Juli 2020 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam, Az.: 11 O 144/15 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat angekündigt zu beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die Berufung hat in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Da die Sache im Übrigen auch nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und auch ansonsten eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, ist die Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO beabsichtigt.

Die Klage ist im erkannten Umfang begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1.500 Euro und Rückzahlung der Honorare in Höhe von insgesamt 5.569,34 Euro aus den Rechnungen vom 29. März 2011, 31. August 2011 und 10. Oktober 2011 sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Feststellung der Einstandspflicht für zukünftige Schäden aus §§ 280 Abs. 1, 253, 611 BGB in Verbindung mit dem im Juni 2010 zwischen den Parteien geschlossenen Behandlungsvertrag und aus §§ 823 Abs. 1 und Abs. 2, 253 BGB, § 229 StGB zu. Das Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Die Regelungen über den Behandlungsvertrag gemäß §§ 630a ff. BGB gelten erst für nach dem Inkrafttreten des PatRG am 26. Februar 2013 geschlossene Verträge und sind damit für auf den zwischen den Parteien im Jahre 2010 abgeschlossenen Vertrag nicht anwendbar.

Zunächst greift der Einwand des Beklagten, das Landgericht habe in unzutreffender Weise die von ihm erhobene Einrede der Verjährung nicht berücksichtigt, nicht durch. Das Landgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die Behandlung der Klägerin im Jahre 2010 durch den Beklagten nicht behandlungsfehlerhaft erfolgt sei und die beiden kariösen Zähne hätten entfernt werden müssen. Dieser Eingriff war auch durch die Einwilligung der Klägerin gerechtfertigt. Aus diesem Grunde hat die Klägerin gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Rückzahlung des Zahnarzthonorars für die Behandlung vom 20. Oktober 2010, so dass es auf die Einrede der Verjährung, die ausdrücklich nur für die Behandlung im Jahre 2010 erhoben worden ist, nicht ankam. Auch hat das Landgericht bei der Schmerzensgeldbemessung lediglich auf die Behandlung im Jahre 2011 abgestellt.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 Euro. Die Feststellungen des Landgerichts sind für den Senat gemäß § 529 Abs. 1 ZPO bindend, weil Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit nicht bestehen. Es steht daher fest, dass der Beklagte der Klägerin bei der Behandlung am 29. März 2011 entgegen ihrem ausdrücklichen Wunsch Implantate eingesetzt hat, die Titan und damit Metall enthalten. Damit erfolgten die Eingriffe des Beklagten ohne Einwilligung der Klägerin und waren damit rechtswidrig. So folgt der Wunsch der Klägerin, metallfreie Implantate zu erhalten, aus den von der Klägerin eingereichten Schreiben vom 1. Juli 2010 und 2. September 2010. Zwar hat der Beklagte pauschal in Abrede gestellt, diese Schreiben der Klägerin erhalten zu haben. Dies greift allerdings nicht durch. Anhaltspunkte dafür, dass den Beklagten Post generell nicht erreichte, ergeben sich nicht. Er hat auch den Zugang zweier weiterer Briefe der Klägerin vom 4. und 7. Juni 2010 nicht in Abrede gestellt. Damit steht aber zum einen fest, dass die Klägerin dem Beklagten gegenüber ihre Behandlungswünsche auch in Briefen zum Ausdruck brachte, diese Kommunikationsform also zwischen den Parteien nicht unüblich war. Dies erscheint auch plausibel, weil für die in Leipzig wohnende Klägerin der Anfahrtsweg zur Praxis des Beklagten nach Kleinmachnow mit erheblichen Aufwand verbunden war. Zum anderen wird dadurch belegt, dass Post der Klägerin den Beklagten auch tatsächlich erreicht hat. Der Senat hat daher keinen Zweifel daran, dass auch die Briefe der Klägerin vom 1. Juli 2010 und vom 15. September 2010 dem Beklagten zugegangen sind. Zwar ist der Berufung darin zuzustimmen, dass es keinen Beweis des ersten Anscheins dahingehend gibt, dass ein zur Post gegebener Brief den Empfänger auch tatsächlich erreicht (BGH, Urteil vom 21. Januar 2009, VIII ZR 107/08, Rn. 11, beck-online; BGH, Urteil vom 24. April 1996, VIII ZR 150/95, beck-online; Ellenberger in Palandt, BGB, 80. Auflage, § 130, Rn. 21 m.w.N.). In einer Gesamtschau der Umstände ist es allerdings unwahrscheinlich, dass gleich zwei Briefe der Klägerin an den Beklagten auf dem Postwege verloren gegangen sein sollen, während zwei andere Briefe der Klägerin ebenso wie die übrige Post den Beklagten erreicht haben.

Bereits aus dem Schreiben der Klägerin vom 7. Juni 2010 – das den Beklagten unstreitig erreicht hat – ergibt sich, dass sie sich darüber freue, dass der Beklagte „bereit“ sei, „Keramik-Abutments für alle 8 Zähne“ im Oberkiefer einzusetzen. Damit steht unstreitig fest, dass die Klägerin jedenfalls großen Wert auf die Verwendung von Keramik legte. Zwar ergibt sich aus dem Brief der Klägerin vom 7. Juni 2010 noch nicht in der Deutlichkeit wie im Schreiben vom 1. Juli 2010, dass die Klägerin auf Vollkeramikimplantate bestand, in Zusammenschau mit den Schreiben vom 1. Juli 2010 und vom 15. September 2010 hat aber auch der Senat keinen Zweifel, dass die Verwendung von Vollkeramik dem ausdrücklichen und dem Beklagten gegenüber erklärten Willen der Klägerin entsprach. So kommt im Schreiben der Klägerin vom 1. Juli 2010 klar zum Ausdruck, dass die Klägerin „Keramik-Abutments bzw. Vollkeramikkronen auf Camlog-Vollkeramikabutments“ wünschte. Die Klägerin legt auch die Gründe für diesen Wunsch in dem Schreiben dar. So erklärte sie, „aus gesundheitlichen Gründen (täglich spontan auftretendes starkes Elektrisieren seit nunmehr 15 Jahren und seit einem halben Jahr auch spontan heiß werdender roter Kopf oft beim Trinken von fruchtsäurehaltigen Getränken sowie beim Zähneputzen) kein weiteres Metall, auch kein Edelmetall im Oberkiefer verarbeitet haben möchte.“ Die Klägerin nimmt zudem Bezug auf einen von dem Beklagten erstellten Kostenvoranschlag vom 8. Juni 2010, der nur keramisch verblendete Kronen vorsah, und teilt mit, dass sie auf die handschriftlichen Änderungen auf diesem Kostenvoranschlag hinsichtlich Vollkeramikkronen bestehen müsse. Im Schreiben vom 15. September 2010 nimmt die Klägerin auf ein Gespräch mit dem Beklagten Bezug, dass „alle Einzelzähne mit metallfreien Implantaten (auch kein Titan) implantiert“ werden. Zudem ergibt sich auch aus den durch den Sachverständigen ausgewerteten Behandlungsunterlagen, dass die Klägerin von dem Beklagten zu Vollkeramikabutments beraten wurde. So ist am 23. Juni 2010 in der Behandlungsdokumentation vermerkt: „Ausstellung eines schriftlichen Kostenplans mit Vollkeramikkronen Camlog auf Vollkeramikabutments“.

Gegen den ausdrücklichen Wunsch der Klägerin nach Verwendung metallfreier Implantate hat der Beklagte durch die Verwendung von Ankylos-Implantaten verstoßen, denn nach den Feststellungen des Sachverständigen handelt es sich bei diesen Implantaten um reine Titanimplantate.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Behandlungsunterlagen des Beklagten.

Für eine ordnungsgemäße Aufklärung ist der Beklagte beweisbelastet. Unter Berücksichtigung dessen ergibt sich aus der Behandlungsdokumentation des Beklagten eine Einwilligung der Klägerin zu den verwendeten Titan-Implantaten nicht. Dass der Beklagte der Klägerin während der Behandlung mitgeteilt hat, dass er der Klägerin Titanimplantate einsetzen werde, ist aus der Behandlungsdokumentation nicht ersichtlich. Zwar ergibt sich aus der durch den Sachverständigen ausgewerteten Behandlungsdokumentation am 1. Dezember 2010 die Übergabe einer „Friadenbroschüre“ sowie ein „ausführliches Beratungsgespräch über das Einsetzen von Ankylosimplantaten“. Ebenfalls stellen die Behandlungsunterlagen des Beklagten für den 29. März 2011 eine Operation zur Implantatinsertion bei 25 und 26 dar, wobei dokumentiert wurde, dass die „Patientin heute nochmals ausführlich aufgeklärt“ sei, „dass wie besprochen Ankylos Implantate gesetzt worden“ seien. Ein Hinweis darauf, dass die verwendeten Implantate Titan enthalten, ergibt sich daraus nicht. Ebenfalls ist nicht belegt, dass der Beklagte der Klägerin gegenüber erwähnt hat, dass es sich entgegen dem Wunsch der Klägerin bei den von ihm verwendeten Implantaten um solche aus Metall handelt. Auch unter Berücksichtigung der unter dem 23. Juni 2010 dokumentierten Beratung zu Vollkeramikkronen Camlog auf Vollkeramikabutments – bei denen es sich nach der Auskunft des Sachverständigen um Titanimplantate handelt – ist eine ausdrückliche Aufklärung darüber, dass dabei Titan zu Anwendung kommen solle, nicht dokumentiert. Eine Einwilligung der Klägerin ergibt sich aus der Behandlungsdokumentation des Beklagten vom 26. August 2010 nur wie folgt: „Suprakonstruktion mit Keramikabutments und Keramikkronen – Patientin einverstanden“. Einer ausdrücklichen Erwähnung der Verwendung von Titan hätte es aber unter Berücksichtigung des ausdrücklichen und dem Beklagten bekannten Wunsches der Klägerin auf Verzicht von Titan unter Verwendung von Implantaten aus Vollkeramik bedurft. Weitere Feststellungen zum konkreten Inhalt der Aufklärungsgespräche konnte das Landgericht nicht treffen, weil der Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne Entschuldigung dem Termin zur mündlichen Verhandlung fernblieb. Damit ist dem Beklagten aber nicht der Beweis gelungen, dass die Klägerin der Verwendung von Titanimplantaten zugestimmt hat. Eine ausdrückliche Aufklärung darüber, dass bei den von dem Beklagten verwendeten Implantaten auch Titan verwendet wird, findet sich in der Behandlungsdokumentation ebenso wenig wie ein unterschriebener Aufklärungsbogen.

Der Wille des Patienten ist für einen Arzt grundsätzlich bindend. Dies ist Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts des Patienten. Zwar darf ein Arzt einem Patienten, der mit einer bestimmten Vorstellung einer ganz bestimmten medizinischen Versorgung – hier der Verwendung von Vollkeramikimplantaten – nicht ohne eigene sachkundige Prüfung die gewünschte Behandlungsweise angedeihen lassen, denn er schuldet eine Behandlung de lege artis (Wagner in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 630a, Rn. 149). Es werden aber nach den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Vollkeramikimplantate seit mehr als 20 Jahren in der Zahnmedizin verwendet. Zwar gebe es noch keine hinreichenden Langzeiterfahrungen, allein deswegen unterschreite aber eine derartige Behandlung auf Wunsch des Patienten nicht den ärztlichen Standard. Grundsätzlich wäre es möglich gewesen, auch bei der Klägerin Implantate ohne Metall zu verwenden.

Die Höhe des durch das Landgericht ausgesprochenen Schmerzensgeldes ist auch nach Auffassung des Senats angemessen. Der Beklagte hat die Eingriffe zwar lege artis durchgeführt, aber gegen den ausdrücklichen Willen der Klägerin.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Schadensersatz in Form der Rückzahlung des Zahnarzthonorars aus den Rechnungen vom 30. März 2011, 1. September 2011 und 11. Oktober 2011 gemäß §§ 611, 280, 249 BGB. Die Behandlung der Klägerin erfolgte eigenmächtig gegen ihren ausdrücklich erklärten Willen betreffend das zur Anwendung gelangte Material des Implantats. Eine sachgerechte Aufklärung hierüber kann, wie ausgeführt, nicht festgestellt werden, sodass sich der Eingriff mangels wirksamer Einwilligung der Klägerin als rechtswidrig darstellt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin die Behandlung jedenfalls nicht in der zur Ausführung gelangten Variante hätte durchführen lassen, die nicht als die geschuldete Behandlungsleistung angesehen werden kann und somit auch nicht honorarpflichtig ist (vgl. Saarländisches OLG, Urteil vom 21.04.1999, Az.: 1 U 615/98; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.03.2002, Az.: 8 U 117/01 und vom 20.03.2003, Az.: 8 U 18/02).

Da weitere Schäden nicht auszuschließen sind, ist auch das Feststellungsbegehren der Klägerin zulässig und begründet.

Die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten errechnen sich bei einem berechtigten Anspruch der Klägerin von 7.069,34 Euro unter Berücksichtigung einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr (592,80 Euro), der Auslagenpauschale (20 Euro) sowie 19% Umsatzsteuer (116,43 Euro) auf 729,23 Euro. Die geltend gemachten Zinsen sind unter Verzugsgesichtspunkten gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt, weil sich der Beklagte nach der Mahnung und Fristsetzung mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12. November 2013 mit Ablauf des 1. Dezember 2013 in Verzug befand.

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

 

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