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Zahnarztvertrag – fehlerhafte Planung von Zahnersatz

LG Aachen – Az.: 11 O 257/15 – Urteil vom 04.10.2017

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2005,43 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21.08.2015 zu zahlen.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte C2 in Höhe von 334,75 EUR freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 65 %, der Beklagte zu 35 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagtenseite zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die am 23.10.1944 geborene Klägerin stellte sich am 30.11.2011 beim Beklagten in seiner Zahnarztpraxis vor. Es sollte eine Behandlung im Bereich des Unterkiefers erfolgen.

Am 16.01.2012 wurde eine Orthopantomogramm-Aufnahme gefertigt, wobei wurzelbehandelte Zähne identifiziert und seitens des Beklagten geprüft wurden. Am 27.01.2012 wurde die Planung des Zahnersatzes im Unterkiefer erstellt. Der Beklagte riet im Bereich des Unterkiefers zu einer teleskopierenden Brücke. Die Erstellung der Prothese erfolgte extern bei einem Zahntechniker. Die Eingliederung des Zahnersatzes sollte am 16.04.2012 erfolgen. Dies geschah jedoch nicht, da die Prothese zunächst zurück zum Zahntechniker geschickt wurde, um die Frontzähne zu kürzen. Der so gefertigte Zahnersatz, eine über Teleskopkronen verankerte herausnehmbare Prothese, wurde am 15.05.2012 integriert. Auf einen Sublingualbügel zur Stabilisierung der Prothesenbasis wurde dabei verzichtet.

Für die Behandlung durch den Beklagten wurde der Klägerin unter dem 23.05.2012 ein Betrag von 2005,43 EUR – entsprechend ihrem Eigenanteil – in Rechnung gestellt, den diese beglich.

In der Folgezeit erschien die Klägerin mehrfach bei dem Beklagten. Am 17.09.2012 wurde sie bei ihm vorstellig und beanstandete einen zu lockeren Sitz der Prothese. Der Beklagte bearbeitete die Unterkieferprothese, so dass sich ein fester Sitz einstellte. Am 18.02.2013 erschien die Klägerin erneut beim Beklagten, der einen Defekt der Unterkieferprothese beseitigte. Am 06.03.2013 wurde die Prothese zur Reinigung und Kontrolle dem Beklagten übergeben und am 08.03.2013 der Klägerin ohne Befund wieder eingegliedert. Am 26.06.2014 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass die Prothese gebrochen sei. Auch am 27.06.2014 gab es eine Korrespondenz zwischen den Parteien.

Die Klägerin ließ sich im Weiteren durch den Zahnarzt Herrn Dr. Q aus X behandeln. Dieser fertigte eine neue Prothese an. Laut dessen Kostenzusammenstellung für Zahnersatz vom 15.01.2015 sollte der Eigenanteil der Klägerin für die Behandlung voraussichtlich 5715,66 EUR betragen. Durch anwaltliches Schreiben vom 14.04.2015 ließ die Klägerin den Beklagten zur Zahlung des Betrages von 5715,66 EUR bis zum 30.04.2015 auffordern. Unter dem 22.06.2015 wurde der Klägerin von den Gesamtkosten der Behandlung bei Dr. Q in Höhe von 7040,34 EUR entsprechend ihrem Eigenanteil ein Betrag von 4969,20 EUR in Rechnung gestellt, den sie beglich.

Die Klägerin behauptet unter Berufung auf ein von ihr über ihre Krankenversicherung eingeholtes Sachverständigengutachten, die Teleskopprothese habe eindeutige Mängel aufgewiesen, die bei ihr fortlaufend Beschwerden verursacht und eine Neuanfertigung der Versorgung erforderlich gemacht hätten. Es sei bereits auffällig, dass bei dem herausnehmbaren Zahnersatz ein Sublingualbügel zur Stabilisierung der Prothesenbasis und als Verbindungselement zwischen den Prothesen fehle. Sie behauptet weiter, die Frontzähne der Prothese seien ursprünglich viel zu groß gewesen, weswegen diese am 16.04.2012 nicht habe eingegliedert werden können.

Seit Eingliederung der Prothese am 15.05.2012 habe diese im Unterkiefer nicht gehalten und nicht gesessen. Auch nach dem Behandlungstermin am 17.09.2012 habe die Klägerin fortlaufend Probleme gehabt. Sie habe dem Beklagten gegenüber stets dargelegt, dass der Zahnersatz zu fest sei, sie teilweise die Prothese nicht herausbekäme und auch entsprechende Druckstellen habe. Im Juni 2014 sei eine Fraktur des rechtsseitigen, einige Wochen später eine solche des linksseitigen Prothesensattels aufgetreten. Am 27.06.2014 sei sie zu dem Beklagtem gefahren und habe den Defekt aufgezeigt. Dieser habe gesagt, er könne es so nicht machen, wie sie es sich vorstelle.

Die Klägerin beantragt,

Zahnarztvertrag - fehlerhafte Planung von Zahnersatz
(Symbolfoto: Von FS Stock/Shutterstock.com)

1.) den Beklagten zu verurteilen, an sie 5715,66 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2.) den Beklagten zu verurteilen, sie von den außergerichtlichen Kosten der Rechtsanwälte C & S. in Höhe von 571,44 EUR freizustellen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, er habe der Klägerin ausdrücklich davon abgeraten, die Frontzähne zu kürzen. Die Klägerin habe allerdings auf der Durchsetzung ihrer Vorstellung beharrt. Auch habe die Beklagte selbst anlässlich des Termins am 17.09.2012 den nunmehr von ihr beanstandeten festeren Sitz der Prothese im Unterkiefer ausdrücklich haben wollen. In der Folgezeit sei ihrerseits nie geäußert worden, dass es für sie problematisch gewesen wäre, den Zahnersatz herauszunehmen. Ein möglicher Mangel einer zu hohen Friktion sei ihm gegenüber nie angezeigt worden. Am 27.06.2014 habe die Klägerin einen bereits vereinbarten Termin abgesagt. Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die am 30.07.2015 erhobene und am 31.07.2015 bei Gericht eingegangene Klage ist dem Beklagten am 20.08.2015 zugestellt worden.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 29.12.2015 (Bl. 50 ff. d.A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. B vom 30.04.2016 (Bl. 95 ff. d.A.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2017 (Bl. 192 ff. d.A.), in der der Sachverständige sein Gutachten mündlich erläutert hat, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus §§ 280 Abs. 1 und 3, 281, 611, 249 BGB einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 2005,43 EUR.

1.

Die Parteien waren durch einen Dienstvertrag gem. § 611 BGB miteinander verbunden. § 630a BGB ist insoweit nicht anwendbar, da der Vertragsschluss vor Einführung des Patientenrechtegesetz geschlossen wurde.

Der Vertrag war zwischen den Parteien beendet, sodass – entgegen des Beklagtenvortrags – nicht § 628 BGB, sondern die §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB Anwendung finden. Denn spätestens mit Wiedereingliederung der Prothese ohne Befund am 08.03.2013 war der Vertrag zwischen den Parteien abgeschlossen, sodass für eine Kündigung kein Raum mehr ist. Die von der Klägerin bemängelte Prothese war zwar zunächst noch Gegenstand von Revisionsbemühungen. Aber diese reichten nicht über den 08.03.2013 hinaus (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 5 U 1505/11 -, Rn. 14).

2.

Die Kammer ist vom Vorliegen eines Behandlungsfehlers des Beklagten im Sinne eines Abweichens von zahnmedizinischen Standards überzeugt.

Der Begriff des zahnärztlichen Behandlungsfehlers bezeichnet im umfassenden Sinn das nach dem jeweiligen Stand der Medizin unsachgemäße und schädigende Verhalten des Zahnarztes. Ein Behandlungsfehler kann danach in einem fehlerhaften Tun wie in einem Unterlassen, in der Vornahme einer nicht indizierten wie auch in der Nichtvornahme einer medizinisch notwendigen Behandlung, in Fehlmaßnahmen und unrichtigen Dispositionen des Zahnarztes in jedem Stadium der Behandlung oder sonstigen zahnärztlichen Betreuung liegen. Insbesondere hat ein Zahnarzt insoweit bei seiner Berufsausübung von dem anerkannten Fachwissen und den empirisch gesicherten Standards der zahnmedizinischen Wissenschaft seines Fachbereiches auszugehen und diese anerkannten Standards zu beachten und bei seinem zahnärztlichen Tun zugrunde zu legen. Der Standard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Zahnarzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der zahnärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des zahnärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 22.12.2015 – VI ZR 67/15, mit weiteren Nachweisen).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist insgesamt ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen des Beklagten festzustellen. Der Sachverständige Dr. B gelangt in seinem Gutachten vom 30.04.2016 zu dem Ergebnis, dass der Beklagte die Prothese behandlungsfehlerhaft geplant hat. Die Kammer folgt bei ihrer Beurteilung den Ausführungen des Sachverständigen, weil dieser seine Feststellungen ausführlich, umfassend und gut nachvollziehbar sowie unter sorgfältiger Auswertung der Krankenunterlagen und unter eingehender Auseinandersetzung mit den Einwendungen der Parteien überzeugend begründet hat.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

a.)

Der Beklagte hat die zahnprothetische Versorgung der Klägerin nicht dem zahnärztlichen Standard entsprechend geplant.

Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten überzeugend ausgeführt, dass die Planung einer Zahnprothese mit Verzicht auf einen Sublingualbügel ohne eine entsprechende Anpassung der Gestaltung des Zahnersatzes behandlungsfehlerhaft sei.

Er hat in seinem schriftlichen Gutachten plausibel dargelegt, dass sich die Ausgangssituation für den Beklagten aufgrund der Verteilung der Zähne der Klägerin, der Wertigkeit der Unterkieferzähne sowie der Atrophie des Kieferknochens auf beiden Seiten des Unterkiefers als schwierig gestaltet habe. Insbesondere die Verteilung der Zähne – im Unterkiefer waren nur noch die Frontzähne 43-33 vorhanden – habe hohe Ansprüche an die Konstruktion und technische Ausführung eines Zahnersatzes gestellt, um eine Überlastung der anatomischen Strukturen des Unterkiefers zu vermeiden und eine ausreichende Stabilität der technischen Konstruktion des Zahnersatzes zu erreichen. Zudem sei der Kieferknochen stark reduziert und der Alveolarkamm in seiner Breite deutlich verschmälert. Dies habe zur Folge, dass es eine geringere Fläche zur Lagesicherung der Prothese, eine erhöhte Belastung des Kieferkammes pro Flächeneinheit, eine Übertragung erhöhter Kräfte auch auf die Verbindungselemente wie Sublingualbügel oder Verbindungsstellen sowie eine Kipp/Schub-Belastung der Konuskronen gebe. Aufgrund dieser Gegebenheiten habe bei der Planung des Zahnersatzes eine ausreichende Stabilität berücksichtigt werden müssen. Dies betreffe insbesondere die Verbinder, also die Sublingualbügel.

Dies ist dem Beklagten zur Überzeugung der Kammer nicht gelungen. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten zwar ausgeführt, dass die Wahl der Konuskronen regelrecht und zweckmäßig erfolgt sei. Jedoch sei die Planung der technischen Ausführung der speziellen Konstruktionselemente und der Kronendicke der Außenteleskopkronen behandlungsfehlerhaft erfolgt.

Zwar stellt der Verzicht auf Sublingualbügel an für sich noch keinen Behandlungsfehler dar. Jedoch wurde vorliegend kein ausreichender Ersatz zur Gewährleistung der Stabilität geplant. Der Sachverständige hat diesbezüglich dargelegt, dass sich hierfür die Einlagerung eines fortlaufenden Bügels auf der Lingualfläche oder eine Ausdehnung des kleinen Verbinders zwischen Modellguss und Außenteleskopkronen 43, 33 angeboten hätte. Derartige Elemente zur Ersetzung des Sublingualbügels habe der Beklagte nicht verwendet. Stattdessen habe der Beklagte so genannte „kleine Verbinder“, also die Verlötung/Verschweißung des Modellguss an der distalen Seite der Außenteleskopkrone 43/33, gewählt. Hierzu hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ergänzt, dass ein solcher kleiner Verbinder aus drei Komponenten bestehe: Der Ansatz am Prothesenteil, der Ansatz an der distalen Seite der Krone und zwischen dem Lötstück bzw. dem Schweißstück. Diese drei Punkte müssten ausreichend dimensioniert sein, um einen hinreichenden Kraft- und Druckabtrag zu gewährleisten. Die vom Beklagten gewählten Verbinder seien weder breit noch hoch genug. Sie entsprächen nicht den wissenschaftlichen Standards. Es sei nicht die gesamte, zur Verfügung stehende distale Fläche genutzt worden. Dies habe dazu geführt, dass die gesamte Belastung auf einen extrem kleinen Verbindungsquerschnitt ausgeübt worden sei.

Darüber hinaus hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass die Metalldicke der Außenteleskopkrone am Übergang zum kleinen Verbinder mit einer Dicke von 200 bis 350 Mikrometer zu gering sei. Er habe bei der Firma E, die die vorliegend verwendete Remanium-Legierung hergestellt hat, bezüglich einer Mindeststärke nachgefragt. Es gebe lediglich eine Mindeststärke bei der Herstellung von festsitzendem Zahnersatz in einer Größenordnung von 400 Mikrometer. Jedoch habe der Kundenservice angegeben, dass klar sein müsse, dass das Material bei herausnehmbarem Zahnersatz stärker beansprucht werde als bei festsitzendem und damit die für festsitzenden Zahnersatz vorgegebene Dicke von 400 Mikrometer übersteigen müsse. Da die Bereiche der Krone nicht nachgiebig seien – so der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung -, wirkten in diesem Übergang die Kräfte am massivsten. Aus diesem Grund müssten diese Stellen auch besonders tragkräftig und widerstandsfähig ausgestaltet werden.

Dass die Planung dieser technischen Ausführung auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin erfolgte, ist von den Parteien nicht vorgetragen worden. Dagegen spricht auch der Gesichtspunkt, dass die neue Prothese der Klägerin einen sehr massiven, regelrechten Sublingualbügel hat.

b.)

Ob darüber hinaus die Planung bezüglich der Materialauswahl sowie der Ausführung der Prothesensättel behandlungsfehlerhaft erfolgte und weitere Behandlungsfehler durch die Größe der Frontzähne der Unterkieferprothese nach der Kürzung, durch eine zu lockere Befestigung am 15.05.2012 oder einen zu festen Sitz der Prothese am 17.09.2012 vorliegen, kann aufgrund der bereits festgestellten Planungsfehler dahinstehen. So hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass der Verzicht auf eine Edelmetall-Legierung und die Wahl einer Stahllegierung ohne mögliche zusätzliche Friktionselemente zumindest das Risiko einer mangelhaften Prothesenfunktion erhöhe. Der Sachverständige kann nunmehr, da der Zahnersatz sich nicht mehr Mund befindet, nicht überprüfen, ob die streitgegenständliche Prothese nur eine sehr schmale Auflagefläche beider Sättel mit der Folge einer geringen Belastung oder einen zu festen bzw. zu lockeren Sitz hat. Die vorhandenen Unterlagen sind diesbezüglich auch nicht aussagekräftig.

2.

Entgegen des Beklagtenvortrags hat der Beklagte diesen Planungsfehler zu vertreten. Denn der Beklagte war – anders als ein Zahntechniker – nicht mit der bloßen Anfertigung eines Zahnersatzes nach einem vorgegebenen Abdruck beauftragt, sondern mit der Herstellung einer Prothese betraut, die nach der individuellen Situation der Klägerin konzipiert und in Würdigung eben dieser Situation eingepasst werden musste (OLG Koblenz, Urteil vom 08. Oktober 2014 – 5 U 624/14 -, Rn. 9, juris). So hat auch der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung ausgeführt, dass der Zahnersatz vor Eingliederung durch den Zahnarzt zu überprüfen sei. Dieser müsse gegebenenfalls feststellen, ob die Leistung des Zahntechnikers ausreichend und angemessen für den konkreten Zahnersatz ist (vgl. LG Arnsberg, Urteil vom 26. Juni 2014 – 5 O 21/06 -, Rn. 39, 41; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 25. November 2005 – 1 U 6/05 -, Rn. 20). Dieser Pflicht ist der Beklagte nicht nachgekommen.

3.

Der Klägerin ist durch den Behandlungsfehler auch ein Schaden entstanden. Zwar kann der Sachverständige nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass die zu schwache Gestaltung der Funktionselemente der Prothese die Ursache für die Fraktur gewesen sei. Er hat im Rahmen seiner mündlichen Anhörung ausgeführt, dass neben der fehlerhaften Ausführung auch äußere Einflüsse, wie etwa ein Unfall, ursächlich gewesen sein könnten.

Jedoch steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die streitgegenständliche Prothese aufgrund der Planungsfehler für die Klägerin von Anfang an unbrauchbar war. Der Sachverständige hat hierzu in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass wegen der fehlerhaften Planung und der daraus folgenden Instabilität nur die Möglichkeit einer Neuanfertigung bestanden habe. Er hat im Rahmen seiner mündlichen Anhörung ergänzt, dass nur eine gesamte Neuerstellung eine ausreichende Friktion und Funktion herstellen könne. Insbesondere gestalte sich die Erhaltung der Innenteleskope aufgrund der Art des gewählten Metalls schwierig. Zudem seien die Kronen dünn, so dass ein Löten oder Schweißen nicht sinnvoll sei. Es würden weiterhin Schwachstellen an den Reparaturpunkten verbleiben.

5.

Dem Beklagten war im Rahmen einer Fristsetzung gem. § 281 BGB auch nicht eine erneute Möglichkeit der Nachbesserung durch Neuanfertigung einzuräumen. Denn die Klägerin hat dem Beklagten bereits mehrfach die Möglichkeit der Nachbesserung eingeräumt, die jedoch fehlgeschlagen ist. Am 17.09.2012, am 18.02.2013, am 06.03.2013 sowie am 08.03.2013 begab die Klägerin sich in Behandlung des Beklagten, damit dieser die bemängelten Defekte der Zahnprothese beheben konnte. Hierbei ist es nicht maßgebend, dass die Prothese zu diesem Zeitpunkt noch nicht gebrochen war, da sie bereits fehlerhaft geplant und daher instabil war.

Eine Behebung des Defektes ist dem Beklagten trotz Kontrolle, Säuberung und Herstellung eines festeren Sitzes jedoch nicht gelungen. Darüber hinaus hat er nicht erkannt, dass die Prothese bereits zu instabil geplant war, da er im Rahmen des letzten Behandlungstermins die Prothese ohne Befund wiedereingliederte. Die Kammer ist aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen davon überzeugt, dass lediglich die Neuanfertigung der Zahnprothese zielführend gewesen wäre. Eine derartige Neuanfertigung hat der Beklagte der Klägerin im Rahmen der Nachbehandlung zu keinem Zeitpunkt angeboten. Insoweit war es der Klägerin auch nicht zumutbar, dem Beklagten erneut die Möglichkeit einer Nachbesserung einzuräumen.

Insoweit sind auch die vom Beklagten zitierten Entscheidungen nicht vergleichbar, da dem hiesigen Beklagten bereits mehrfach die Möglichkeit einer Nachbesserung eingeräumt wurde (OLG Dresden, Beschluss vom 06. Dezember 2016 – 4 U #####/#### -, juris). Insbesondere ist das vom Beklagten angeführte Urteil des OLG Naumburg nicht einschlägig, da die dortige Klägerin dem beklagten Zahnarzt keine Nachbesserung einräumen musste, da der Zweck der Nachbesserung bei der Eingliederung einer Prothese – ein Vortasten bei Passgenauigkeiten und Beweglichkeit – nicht erreicht werden konnte (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. Juni 2009 – 1 U 27/09 -, Rn. 21, juris). So liegt der Fall auch hier.

6.

Die Kammer ist überzeugt, dass der Klägerin ein Schaden in Höhe von 2005,43 EUR entstanden ist. Hierbei handelt es sich um den Betrag, den die Klägerin aufgrund der behandlungsfehlerhaft geplanten Prothese zu viel aufgewendet hat und gerade nicht – wie vom Beklagten vorgetragen – um eine Rückerstattung des Honorars des Beklagten.

Ein Schaden in Höhe des mit dem Antrag zu 1) geltend gemachten Betrags in Höhe von 5715,66 EUR ist vorliegend bereits nicht ersichtlich, da der Eigenanteil der Klägerin an der Neuanfertigung der Zahnprothese durch den Zahnarzt Dr. Q ausweislich der Rechnung vom 22.06.2015 lediglich 4969,20 EUR beträgt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung dieses gesamten Eigenanteils, da er in dieser Höhe sowieso angefallen wären. Zwar ist die Kammer nach den Feststellungen des Sachverständigen davon überzeugt, dass die für die Neuanfertigung entstandenen Kosten erforderlich waren und innerhalb der üblichen Spanne liegen. Denn der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten überzeugend ausgeführt, dass die höheren Kosten der Neuanfertigung darauf zurückzuführen sind, dass vorliegend eine Metall-Legierung gewählt worden sei. Jedoch hat der Sachverständige darüber hinaus im Rahmen seiner mündlichen Anhörung ergänzt, dass keine Leistungen abgerechnet worden seien, die allein deshalb zahnärztlich notwendig geworden seien, weil es sich um eine neue Erstellung nach bereits erfolgter Behandlung handle. Somit wären die Kosten für einen ordnungsgemäßen Zahnersatz ohnehin in dieser Höhe angefallen. Da die Klägerin darüber hinaus jedoch bereits den Eigenanteil des Beklagten in Höhe von 2005,43 EUR bezahlt hat, verbleibt dieser Betrag als zu viel auf aufgewendet und damit als Schaden im Sinne des § 249 BGB.

7.

Entgegen des Beklagtenvortrags ist der Anspruch auch nicht verjährt. Da nach Überzeugung der Kammer vorliegend ein Behandlungsfehler im Rahmen des Dienstvertrages festzustellen war, findet die kurze Verjährungsfrist des § 634a BGB keine Anwendung. Vielmehr finden die allgemeinen Verjährungsvorschriften (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) Anwendung. Die dreijährige Verjährungsfrist ist vorliegend nicht abgelaufen.

II.

Auf Basis der unter I. getroffenen Feststellungen und damit einem Gegenstandswert in Höhe von 2005,43 EUR hat die Klägerin gegen den Beklagten gem. §§ 280 Abs.1, 3, 281, 611, 249, 257 BGB einen Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 EUR.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.

III.

Der Klägerin war auf Antrag kein Schriftsatznachlass gem. § 283 ZPO zu gewähren, da das Vorbringen des Beklagten nicht entscheidungserheblich war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 1 und S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 5.715,66 EUR festgesetzt.

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