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Zahnbehandlung – Anforderungen an die ärztliche Aufklärung

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 12 U 128/19 – Beschluss vom 19.03.2020

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 24.07.2019 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az. 11 O 238/15, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Klägerin macht Ansprüche auf Ersatz materiellen Schadens und Schmerzensgeld wegen einer behaupteten fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung durch den Beklagten im Zeitraum von März 2006 bis Frühjahr 2011 geltend. Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit dem am 24.07.2019 verkündeten Urteil die Klage unter Aufrechterhaltung eines klageabweisenden Versäumnisurteils insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es, sachverständig beraten, ausgeführt, die Behandlung der Klägerin durch den Beklagten sei indiziert gewesen und lege artis durchgeführt worden. Zwar habe die Sachverständige aufgrund der zwischenzeitlichen Änderungen der Prothetik keine eigenen Feststellungen treffen können. Sie habe jedoch die ärztlichen Unterlagen der behandelnden Ärzte wie auch die bereits vorliegenden Sachverständigengutachten, insbesondere das im Parallelverfahren vor dem Landgericht Berlin eingeholte Gutachten des Oberarztes Dr. H…, ausgewertet. Aus der Abfolge der Diagnostik und Therapie sei kein Behandlungsfehler abzuleiten. Dies gelte auch hinsichtlich des wurzelkanalbehandelten Zahnes 26. Aus den vom Beklagten zunächst vorgelegten Röntgenaufnahmen von Zahn 26 seien nur zwei der drei Wurzeln zu sehen. Hinsichtlich dieser beiden Wurzeln sei klar erkennbar, dass keine apikale Lyse vorhanden sei. Jedoch sei auf einem von einem anderen Behandler gefertigten Röntgenbild, das der Beklagte eingelesen und vorgelegt habe, klar erkennbar, dass auch die dritte Wurzel keine apikale Lyse aufweise. Der Beklagte habe zudem überzeugend dargelegt, dass dieses weitere Röntgenbild nur von Dr. … aus Februar 2006 stammen könne. Die mehrere Jahre später festgestellten Lysen ließen keinen Rückschluss auf einen Behandlungsfehler des Beklagten zu.

Hinsichtlich der verwendeten Materialien sei ein Hinweis an die Klägerin mit der Erstellung des Heil- und Kostenplanes erfolgt. Die Klägerin habe sich erst ab 2013 auf eine Allergie testen lassen. Nur wenn tatsächlich der Verdacht einer Allergie bestünde, seien die zu verwendenden Materialien konkret zu benennen. Hierfür habe vorliegend kein Anlass bestanden.

Wegen der weiteren Entscheidungsgründe wird auf das Urteil verwiesen.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 13.08.2019 zugestellte Urteil am 02.09.2019 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 11.11.2019 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz begründet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, auch wenn die Sachverständige auf Seite 12 des Protokolls bekundet habe, dass sie für den Zahn 26 sicher sei, dass dieser in Ordnung war, habe ihr lediglich das vom Beklagten gefertigte Röntgenbild vorgelegen, dass nur zwei Wurzeln erkennen lasse. Die dritte Wurzel sei nur auf einem nicht durch den Beklagten erstellten Bild zu sehen, dessen Herkunft und Alter unklar und streitig sei. Die Sachverständige sei ohne Begründung von ihrer Forderung abgerückt, bezüglich des Zahnes 26 sei ein Einzelbild erforderlich. Auch der Beklagte habe lediglich eine Vermutung der Herkunft geäußert, die die Klägerin bestritten habe. Es sei ein leichtes gewesen, die Herkunft des Bildes zu ermitteln. Ein Behandlungsfehler liege bereits darin, dass es kein Einzelbild aller drei Wurzeln des Zahnes 26 gebe.

Zahnbehandlung - Anforderungen an die ärztliche Aufklärung
(Symbolfoto: Von maRRitch/Shutterstock.com)

Des Weiteren habe es einer besonderen Aufklärung hinsichtlich der verwendeten Materialien bedurft, weil die Klägerin ausdrücklich danach gefragt und um Aufklärung gebeten habe. Denn es hätte seitens des Beklagten darüber nachgedacht werden müssen, ob Titan verträglich sei oder ob die Konstruktion für eine Entzündung verantwortlich sei. Bereits im OPG 2006 zeige sich ein Knochenabbau am Implantat 46. Es sei trotzdem weiter versorgt worden; insoweit müsse sich der Beklagte die Frage stellen lassen, warum.

Sie hat angekündigt zu beantragen, das angefochtene Urteil abzuändern und das Versäumnisurteil des Landgerichts Potsdam vom 25.04.2018 zum Az. 11 O 238/15 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie

1. ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes, angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, mindestens jedoch einen Betrag von 60.000 € nebst Jahreszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.09.2014;

2. Verdienstausfall zu zahlen,

a) für den Zeitraum ab 01.07.2012 bis einschließlich 31.03.2018 i.H.v. 88.037,79 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.09.2014;

b) als monatliche Rente i.H.v. 1275,91 € April 2018 und zwar jeweils im Voraus zum Dritten eines Monats bis zum 01.11.2027;

3. eine Entschädigung für den Haushaltsführungsschaden zu zahlen,

a) für den Zeitraum vom 01.06.2012 bis zum 31.03.2018 i.H.v. 19.554,50 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit dem 27.09.2014;

b) ab April 2018 als monatliche Schadensrente i.H.v. 279,35 € und zwar jeweils im Voraus bis zum dritten Tag des laufenden Monats;

4. weitere 3.717,68 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.09.2014 zu zahlen;

5. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche weiteren zukünftigen materiellen und im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, welche aus der Behandlung in der Zeit vom April 2007 bis März 2011 in seiner Zahnarztpraxis entstanden sind und noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden;

6. den Beklagten zu verurteilen, ihr vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 3323,56 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.09.2014 zu zahlen.

Der Beklagte hat angekündigt zu beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Hinsichtlich des Zahnes 26 verkenne die Klägerin die ihr obliegende Beweislast. Im Übrigen habe die Sachverständige in der Anhörung deutlich gemacht, dass für den Fall, dass sich eine apikale Lyse am Zahn 26 entwickelt hätte, hierfür die alte Füllung herausgenommen und der Zahn insoweit versorgt werden müsse. Daraus folge allenfalls ein lokaler Schmerz wie ein punktueller Aufbissschmerz, nicht jedoch die von der Klägerin geschilderten Beeinträchtigungen. Hinsichtlich des weiteren Röntgenbildes habe sich in Übereinstimmung mit der Sachverständigen ergeben, dass es sich um das von Dr. E… am 16.02.2006 gefertigte handele. Schlussendlich zeige die Klägerin auch nicht auf, dass die von ihr beklagten Beschwerden oder andere Folgen auf die dritte Wurzelspitze des Zahnes 26 zurückzuführen seien.

Anhaltspunkte für eine allergische Reaktion oder eine allergische Disposition hätten nicht vorgelegen. Seitens des Beklagten habe deshalb keine Veranlassung bestanden, eine solche auszutesten oder weiter aufzuklären.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist offensichtlich unbegründet. Es geht weder um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Das Rechtsmittel bietet zudem schon aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung keine Aussicht auf Erfolg. Denn das Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten nach § 529 ZPO vom Senat seiner Entscheidung zu Grunde zu legenden Tatsachen eine abweichende Beurteilung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Ebenso wenig ist eine mündliche Verhandlung über die Sache gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO geboten.

Die Klage ist unbegründet. Ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld und Ersatz des materiellen Schadens aus §§ 280,249, 253 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien bestehenden Behandlungsvertrag bzw. aus §§ 823 Abs. 1, 253 BGB besteht nicht.

Das Landgericht hat unter Berufung auf die nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen einen Behandlungsfehler des Beklagten im Zusammenhang mit der Schienenbehandlung bzw. der Rekonstruktion der Zähne nicht festgestellt. Die Sachverständige hat aus den vorliegenden Dokumentationen und Unterlagen in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. H…, der die Arbeit des Beklagten im Rahmen einer gerichtlichen Gutachtenerstellung für das Landgericht Berlin zum Az. 6 O 110/09 begutachtet hat, die korrekte Behandlung durch den Beklagten dargestellt. In Übereinstimmung damit stehen die Angaben der Klägerin gegenüber anderen behandelnden Ärzten in dem Zeitraum, nach denen eine Besserung der Schmerzsituation erreicht werden konnte. Mit der Berufung stellt die Klägerin diese zutreffenden Ausführungen auch nicht mehr in Abrede. Soweit sie auf Seite 6 ihrer Berufungsbegründung ausführt, bereits im OPG 2006 sehe man den Knochenabbau am Implantat 46 und es habe trotzdem eine Weiterversorgung stattgefunden, wobei sich die Frage aufdränge, warum, liegt darin weder eine Auseinandersetzung mit den landgerichtlichen Feststellungen, noch lässt sich aus dem Vortrag im Gegensatz zu den sachverständigen Feststellungen ein Behandlungsfehler erkennen.

Mit der Berufung greift die Klägerin die erstmals in der mündlichen Verhandlung am 24.07.2019 diskutierte Frage der Behandlung des Zahnes 26 auf und sieht einen Behandlungsfehler darin, dass der Beklagte bei der Behandlung im Juli 2007 die Wurzeln des Zahnes 26 nicht vollständig röntgenologisch erfasst habe. Der Beklagte hätte ein Einzelbild aller Wurzeln des Zahnes anfertigen müssen. Dies trifft nach den sachverständigen Feststellungen jedoch nicht zu. So ist dem Vortrag der Sachverständigen nicht zu entnehmen, dass grundsätzlich nur ein Einzelbild des Zahnes eine fehlerfreie Behandlung darstelle. Vielmehr ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang, das nur für den Fall, dass die vorhandenen Röntgenbilder bezüglich des Zahnes 26 nicht deutlich seien, dieser nochmals röntgenologisch betrachtet werden muss. Selbst wenn man hier jedoch eine andere Auffassung vertritt, wäre der der Klägerin ebenfalls obliegende Nachweis der Kausalität zwischen einem Fehler bei der Befundung und einem Schaden nicht geführt, wenn wie hier aus den vorliegenden Röntgenaufnahmen deutlich wird, dass eine Lyse nicht vorgelegen hat. So hat die Sachverständige anhand der vorliegenden Röntgenbilder an allen Wurzeln des Zahnes keinen Anhaltspunkt für eine apikale Lyse festgestellt. Dabei ist unstreitig geblieben, dass die vorliegenden Röntgenbilder der Beklagte selbst am 31.07.2007 angefertigt hatte, mit Ausnahme eines Röntgenbildes, auf dem die palatinale Wurzel erkennbar wird. Das Landgericht geht insoweit nach Anhörung des Beklagten davon aus, dass es sich bei dieser weiteren Aufnahme um ein Röntgenbild des Dr. E… aus 2006 gehandelt hat, das nach den Äußerungen der Sachverständigen grundsätzlich für die Beurteilung im Juli 2007 ausreichend war. Zwar hat die Klägerin das Alter und die Herkunft des Röntgenbildes bestritten. Allerdings hat sich das Landgericht mit den Äußerungen des Beklagten und den Feststellungen der Sachverständigen auseinandergesetzt und im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung eine Überzeugung gebildet. Die Beweiswürdigung des Landgerichtes lässt Fehler nicht erkennen. Auch die Berufung zeigt solche nicht auf und stellt lediglich eine eigene Wertung den Ausführungen des Landgerichtes gegenüber. Im Übrigen obliegt der Klägerin die Beweislast für einen Behandlungsfehler, der mit bloßem Bestreiten nicht nachgewiesen werden kann.

Letztlich kommt es darauf auch deshalb nicht an, weil, wie der Beklagte mit der Berufungserwiderung zutreffend ausgeführt hat, mit den Röntgenaufnahmen die notwendigen Befunde erhoben wurden und allenfalls eine fehlerhafte Diagnose erstellt worden sein könnte. Dafür, dass hier ein grober Behandlungsfehler vorliegt, ist nichts erkennbar. Ein solcher wird auch von der Klägerin nicht behauptet. Mithin wäre es auch hier Sache der Klägerin, den Beweis für die Kausalität zwischen einem Behandlungsfehler und den Gesundheitsschäden zu führen. Dies ist ihr jedoch nicht gelungen. Insbesondere, was auch die Sachverständige in der Anhörung klar herausgearbeitet hat, lässt das spätere Auftreten einer Lyse keinen Rückschluss darauf zu, dass eine solche im Jahr 2007 bereits vorgelegen hätte.

Auch der weiter mit der Berufung vorgetragene Vorwurf einer Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten greift nicht. Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass ihr mit der Übersendung des Heil- und Kostenplanes auch Informationen über das verwendete Material zugegangen waren. Zu weitergehenden Informationen war der Beklagte, nachdem die Klägerin den Nachweis konkreter Nachfragen nicht geführt hat – mit dieser Feststellung setzt sich die Berufung ebenfalls nicht auseinander -, nicht verpflichtet. Denn zum Zeitpunkt der Behandlung durch den Beklagten gab es für diesen keinerlei Anhalt für eine allergische Belastung der Klägerin. Diese hat sich vielmehr erst ab dem Jahr 2013 ergeben. Eine Testung auf etwaige Allergien war nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen in der gegebenen Situation untunlich. Die Begutachtung durch Dr. M… ist in diesem Zusammenhang ebenfalls ohne Belang, da diese erst nach Abschluss der Behandlung durch den Beklagten erfolgte. Im Übrigen trägt die Klägerin nicht im Ansatz vor, inwieweit die behauptete Aufklärungspflichtverletzung für einen konkreten Schaden kausal geworden sei.

Die Berufung der Klägerin hat mithin insgesamt keine Aussicht auf Erfolg. Zur Reduzierung der Kosten wird daher angeregt, das Rechtsmittel zurückzunehmen.

 

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