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Übersehen einer Fraktur durch Berufsanfänger

Abgrenzung Diagnosefehler – Diagnoseirrtum

OLG Hamm – Az.: I-26 U 56/18 – Urteil vom 13.11.2018

Die Berufung der Beklagten gegen das am 6. März 2018 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass im Feststellungsausspruch nur das Datum des 08.10.2012 gilt.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Beklagten auferlegt.

Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen einer vermeintlich fehlerhaften Behandlung in der Zeit vom 08.10.2012 bis zum 13.12.2013 auf Schmerzensgeld (mind. 10.000,00 EUR), Feststellung zukünftiger Schadensersatzpflicht und Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (1.680,28 EUR) in Anspruch.

Der am 18.07.1964 geborene Kläger stellte sich nach einem am 07.10.2012 erlittenen Treppensturz wegen anhaltender Beschwerden am Abend des 08.10.2012 in der Notaufnahme des St. Vincent Krankenhauses in Menden vor, dessen Trägerin die Beklagte ist. Nach einer klinischen Untersuchung und Anfertigung von Röntgenbildern stellte der behandelnde Unfallchirurg die Diagnose einer Distorsion des oberen linken Sprunggelenks. Er versorgte den Kläger mit einem Voltarensalbenverband und der Empfehlung einer lokalen Kühlung sowie Schonung entließ ihn wieder nach Hause.

In den folgenden Wochen ging der Kläger weiter seiner beruflichen Beschäftigung nach und verbrachte einen Urlaub in Polen.

Am 08.11.2012 stellte sich der Kläger aufgrund fortbestehender Beschwerden und einer Schwellung des Unterschenkels erneut notfallmäßig im Hause der Beklagten in Menden vor, wo entsprechend des Überweisungsauftrags eine Thrombose im linken Unterschenkel ausgeschlossen wurde. Eine Röntgenkontrolle erfolgte an diesem Tag nicht.

Die ambulante Weiterbehandlung des Klägers erfolgte bei dem niedergelassenen Orthopäden Dr. N.. Nach anfänglicher konservativer Therapie zeigte sich auf einem am 25.11.2012 erstellten Röntgenbild eine distanzierte Pilon-Tibiafraktur des linken oberen Sprunggelenks.

Mit den Röntgenaufnahmen stellte sich der Kläger am 26.11.2012 erneut im Hause der Beklagten vor, wo die Diagnose nach Anfertigung von CT-Aufnahmen bestätigt wurde. Am 30.11.2012 erfolgte sodann die offene Reposition der Fraktur mit Plattenosteosynthese der distalen Tibiafraktur. Eine Revisionsoperation zur Korrektur der Stellschraube und zur Durchführung einer Plattenosteosynthese der Fibula fand am 06.12.2012 statt. Die Entfernung des Osteosynthesematerials erfolgte im Dezember 2013.

Der Kläger hat behauptet, die am Vortag erlittene Fraktur im linken oberen Sprunggelenk sei im Krankenhaus der Beklagten behandlungsfehlerhaft nicht erkannt worden. Weiterhin sei behandlungsfehlerhaft trotz fortbestehender Beschwerden am 08.11.2012 keine weitere Bildgebung durchgeführt worden. Bei der Operation am 30.11.2012 hätte bereits primär eine Osteosynthese am Wadenbein durchgeführt werden müssen. Das Nichterkennen der Fraktur am 08.10.2012 habe zu einem Dauerschaden am linken Bein geführt. Weil er sein linkes Bein nach dem 08.10.2012 zunächst voll belastet habe, sei es in der Folge zu der grob dislozierten Fraktur des linken oberen Sprunggelenks in Luxationsfehlstellung des Talus und einer sekundären Fraktur des Fibulaschaftes gekommen. Er sei arbeitslos und könne behandlungsfehlerbedingt seinen bisherigen Beruf als Maurer bzw. Produktionshelfer nicht mehr ausüben.

Übersehen einer Fraktur durch Berufsanfänger
(Symbolfoto: Von create jobs 51/Shutterstock.com)

Das Landgericht hat der Klage gestützt auf ein fachorthopädisches Gutachten stattgegeben. Es sei behandlungsfehlerhaft am 08.10.2012 eine nicht dislozierte Fraktur im Bereich der distalen Tibia des linken oberen Sprunggelenkes übersehen worden. Die Diagnose einer Prellung sei wegen der im gefertigten Röntgenbild erkennbaren Frakturlinien fehlerhaft gewesen. Ein Facharzt hätte die Frakturlinien auf der Röntgenaufnahme vom 08.10.2012 sehen müssen, so dass von einem einfachen Diagnosefehler auszugehen sei. Demgegenüber seien ein Befunderhebungsfehler am 08.10.2012 durch die unterbliebene Anfertigung eines CT sowie Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der operativen Versorgung der Fraktur am 30.11.2012 und 06.12.2012 nicht festzustellen. Es könne dahinstehen, ob sich möglicherweise weitere Behandlungsfehler aus einer unterbliebenen Nachbefundung der Röntgenbilder vom 08.10.2012 oder einer unterlassenen Befunderhebung durch Anfertigung bzw. Auswertung von Röntgenaufnahmen am 08.11.2012 ergeben würden, da bereits der festgestellte Diagnosefehler kausal für die vom Kläger erlittenen Beeinträchtigungen sei. Wäre die Fraktur sogleich am 08.10.2012 erkannt worden, hätte die Möglichkeit bestanden, diese entweder konservativ mittels Gipsverband und Ruhigstellung oder operativ durch Verplattung zu behandeln. Bei beiden Alternativen wäre von einer Heilungsdauer von etwa drei Monaten auszugehen. Bei einer sofortigen operativen Versorgung wäre diese wesentlich einfacher und weniger umfassend erforderlich geworden, als die am 30.11.2012 tatsächlich erfolgte Operation. Bei dem Kläger liege beruhend auf dem Diagnosefehler ein starker Verschleiß in dem betroffenen Sprunggelenk vor. Der Rückfuß stehe schräg und die Gehfähigkeit des Klägers sei eingeschränkt. Die Beweglichkeit des oberen linken Sprunggelenks sei praktisch aufgehoben. Es sei zwar theoretisch möglich, dass diese negativen Folgen auch bei einer sofortigen, behandlungsfehlerfreien Frakturversorgung aufgetreten wären. Es bestehe aber eine weit über 50 % liegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese Folgen auf dem Behandlungsfehler in Form des Nichterkennens der Fraktur beruhten. Das Risiko, dass solche Folgen auch ohne Behandlungsfehler aufträten, sei nach vorsichtiger Schätzung mit 10-20 % zu bemessen. Die massiven negativen Folgen rechtfertigten ein Schmerzensgeld i.H.v. 10.000 EUR. Der Anspruch des Klägers sei nicht durch Mitverschulden zu kürzen. Dem Kläger könne nicht vorgeworfen werden, dass er in Unkenntnis der im Krankenhaus der Beklagten übersehenden Fraktur in der Zeit nach dem 08.10.2012 sein Bein voll belastet und damit rein tatsächlich zur Verschiebung des Bruchs beigetragen habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und vollständige Abweisung der Klage begehren. Es liege kein vorwerfbarer Behandlungsfehler bei der ambulanten Notfallversorgung vor. Insoweit habe das Landgericht verkannt, dass Diagnoseirrtümer, die objektiv auf eine Fehlinterpretation der Befunde zurückzuführen seien, nur mit äußerster Zurückhaltung überhaupt als vorwerfbare Behandlungsfehler zu werten seien. Eine derartig eindeutige Situation habe hier am 08.10.2012 wieder klinisch noch radiologisch vorgelegen. Es hätten allenfalls Frakturlinien als Anhaltspunkte für eine Fraktur erkannt werden können. Insoweit habe das Landgericht auch unberücksichtigt gelassen, dass zwei von dem Kläger eingeholte vorgerichtliche Sachverständigengutachten ebenfalls nicht vom Vorliegen eines Behandlungsfehlers ausgegangen seien. Die Gutachten seien vom Kläger trotz entsprechender Aufforderung nicht vorgelegt worden. Selbst bei Annahme eines vorwerfbaren Diagnosefehlers könne jedenfalls nicht mit erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass gerade das Verkennen der Fraktur kausal zu den vom Landgericht unterstellten Schäden geführt habe. Das Landgericht habe insoweit nur auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit abgestellt und sei daher von einem unzutreffenden Beweismaßstab für die haftungsbegründende Kausalität ausgegangen. Der Zusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Schadenseintritt sei jedoch nach § 286 Abs. 1 ZPO zu beweisen. Weiter habe das Landgericht zu Unrecht ein Mitverschulden des Klägers verneint. Dieser sei trotz heftigsten Schmerzen über mehrere Wochen seiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen und sogar in den Urlaub gefahren. Insoweit dürfte aber auch einem Laien einleuchten, dass er sich bei mehrwöchiger Schmerzpersistenz erneut ärztlich vorzustellen habe. Dass dieser sich trotz entsprechend schmerzhafter Fraktur mehrere Wochen selbst einer vollständigen Belastung auch unter Arbeitsbedingungen unterzogen habe, könne jedenfalls nicht der Beklagten zur Last gelegt werden. Schließlich sei im Feststellungsantrag zu Unrecht eine Haftung für künftige Schäden aus der Behandlung bis zum 13.12.2013 zugesprochen worden. Es könne allenfalls eine Erstattungspflicht aufgrund eines etwaigen Fehlers am 08.10.2012 zugesprochen werden.

Die Beklagte beantragt, die Urteile des Landgerichts Arnsberg vom 08.03.2018 und 15.05.2018 (Az. 3 O 6/16) abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen; hilfsweise, die Urteile des Landgerichts Arnsberg vom 08.03.2018 und 15.05.2018 (Az. 3 O 6/16) aufzuheben und an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung. Nachdem die gefertigte Röntgenaufnahme primär der Abklärung einer Fraktur gedient habe, habe das Landgericht angesichts der für einen Facharzt eindeutig erkennbaren Fraktur zu Recht einen vorwerfbaren Diagnosefehler angenommen. Zudem habe die Beklagte fehlerhaft eine Nachbefundung durch einen Radiologen unterlassen, die aber dem medizinischen Facharztstandard entsprochen hätte. Entweder habe ein Facharzt die Bildgebung fehlerhaft ausgewertet oder die Beklagte habe durch ein Organisationsverschulden die geforderte Nachbefundung der Aufnahme unterlassen. Es liege auch ein kausaler Schaden aufgrund des Diagnosefehlers vor. Das Ergebnis sei wesentlich schlechter, als es bei einer sofortigen Versorgung gewesen wäre. Nachdem am 08.10.2012 unmissverständlich mitgeteilt worden sei, dass keine Fraktur vorliege, scheide ein Mitverschulden aus. Er – der Kläger – habe nichts getan, wozu ihm die Ärzte nicht geraten hätten.

Der Senat hat den Kläger erneut persönlich angehört. Ferner hat der Sachverständige Dr. M sein Gutachten mündlich erläutert und ergänzt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 13.11.2018 verwiesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere des genauen Wortlautes der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird auf die angefochtene Entscheidung und die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber im Wesentlichen nicht begründet.

Zu Recht hat das Landgericht der Klage weitgehend stattgegeben. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 10.000,00 EUR und Feststellung zukünftiger Ersatzpflicht gemäß §§ 611, 278, 280 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB sowie gemäß §§ 823 Abs. 1, 831, 249, 253 Abs. 2 BGB zu. Der Antrag auf Feststellung zukünftiger Ersatzpflicht ist lediglich insoweit geringfügig einzuschränken, als dass allein Schäden aus der fehlerhaften Behandlung vom 08.10.2012 zu ersetzen sind.

Der Senat stützt sich dabei aus den nachfolgenden Gründen auf die erstinstanzliche Begutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr. M sowie dessen umfassenden Ausführungen bei seiner Anhörung vor dem Senat. Der Sachverständige hat sich bereits erstinstanzlich dezidiert mit den vorhandenen Krankenunterlagen und dem zu begutachtenden Sachverhalt auseinandergesetzt. Er hat auch im Rahmen seiner ergänzenden Anhörung durch den Senat seine Feststellungen und fachlichen Beurteilungen unter Berücksichtigung sämtlicher Befunde überzeugend vertreten.

Es verbleibt nach der ergänzenden Beweisaufnahme auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens dabei, dass der Beklagten eine fehlerhafte Behandlung des Klägers in Form eines Diagnosefehlers im Rahmen der Erstbehandlung vom 08.10.2012 zur Last zu legen ist. Die Ärzte der Beklagten haben in vorwerfbarer Weise eine Fraktur des linken oberen Sprunggelenks übersehen und entsprechend die medizinisch gebotene Behandlung des Klägers unterlassen.

1.

Die Annahme eines (einfachen) Diagnosefehlers im Rahmen der Erstversorgung des Klägers ist seitens des Senats nicht zu beanstanden.

Das Landgericht ist gestützt auf das orthopädisch/unfallchirurgische Gutachten des Sachverständigen Dr. M zu der Feststellung gelangt, dass seitens der behandelnden Ärzte der Beklagten behandlungsfehlerhaft am 08.10.2012 eine nicht dislozierte Fraktur im Bereich der distalen Tibia des linken oberen Sprunggelenkes des Klägers übersehen worden ist. Auf den Röntgenbildern (OSG in 2 Ebenen) erkennt man nach Angabe des Sachverständigen Frakturlinien im Bereich der distalen Tibia, ohne dass hier bereits eine Dislokation der Knochenfragmente vorgelegen hat. Die seinerzeit gestellte Diagnose einer Prellung ist danach wegen der im gefertigten Röntgenbild erkennbaren Frakturlinien objektiv fehlerhaft gewesen.

Der Sachverständige ist entgegen der Auffassung der Beklagten zu der eindeutigen Wertung gelangt, dass das Verkennen der Fraktur nicht allein als bloßer Diagnoseirrtum einzustufen ist, sondern als einfacher Diagnosefehler. Er hat insoweit dargelegt, dass allenfalls ein Berufsanfänger diese „schon schwer zu erkennenden“ Frakturlinien hätte übersehen können. Dagegen hätte ein Unfallchirurg oder Orthopäde mit der entsprechenden Berufserfahrung diese Frakturlinien sehen und eine entsprechende weitere Diagnostik einleiten müssen. Vor allem hätte die Fraktur spätestens bei einer Nachbefundung oder in der Röntgenbesprechung (Oberarzt/Chefarzt oder Radiologe) auffallen müssen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war die seinerzeitige Diagnose einer Prellung auch aus ex ante Sicht aufgrund der gefertigten Röntgenaufnahmen aus medizinischer Sicht nicht vertretbar. Soweit sie sich nunmehr darauf beruft, dass auch im Rahmen einer Nachbesprechung und Nachbewertung der Röntgenbilder am 09.10.2012 durch einen Facharzt der Orthopädie und Unfallchirurgie keine Fraktur erkannt worden sei, hat der Sachverständige ausdrücklich daran festgehalten, dass auch einem Oberarzt oder einem Chefarzt bei einer Nachbefundung am nächsten Tag die Frakturlinien oder zumindest Auffälligkeiten hätten auffallen müssen. Er hat insoweit dargelegt, dass er selbst die Frakturlinien bei der Befundung sofort erkannt hat und dass er zudem die Röntgenbilder zur Vorbereitung des Senatstermins zwei Chefärzten für Unfallchirurgie – kommentarlos – gezeigt hat, die beide die Frakturlinien erkannt oder zumindest gesehen haben, dass etwas nicht in Ordnung ist. Mit dem Röntgenbild sollte hier aus medizinischer Sicht am 08.10.2012 gerade eine Fraktur ausgeschlossen werden. Auch aus fachärztlicher ex ante Betrachtung durfte die Fraktur somit nicht übersehen werden, so dass vorliegend von einem einfachen Diagnosefehler auszugehen ist.

2.

Erfolglos wendet sich die Beklagte auch gegen die Annahme eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden des Klägers.

Wäre die Fraktur bereits am 08.10.2012 diagnostiziert worden, hätte nach Angabe des Sachverständigen entweder die Möglichkeit bestanden, diese konservativ mittels Gipsverbands und Ruhigstellung zu behandeln oder operativ durch Verplattung. Bei beiden Alternativen, die gleichwertig nebeneinander bestanden hätten, wäre von einer Heilungsdauer von etwa drei Monaten auszugehen gewesen.

a) Der Primärschaden liegt vorliegend darin, dass aufgrund des Behandlungsfehlers die medizinisch gebotene sofortige Behandlung der Fraktur unterblieben ist und bis zur Operation vom 30.11.2012 eine etwa siebenwöchige Verzögerung eingetreten ist. Vor allem aber musste dann eine schwierige operative Versorgung einer älteren, nunmehr dislozierten Fraktur stattfinden.

Es ist erst im weiteren Verlauf zu einer Dislokation der Frakturteile und zu einer Destruktion des oberen Sprunggelenks gekommen. Dies ist der Beklagten ohne weiteres als auf dem Behandlungsfehler beruhende Schädigung zuzurechnen. Es bestand nach Angabe des Sachverständigen am 30.11.2012 eine „desolate Ausgangssituation“ für den operativen Eingriff. Man konnte zu diesem Zeitpunkt nur noch versuchen „zu retten was noch zu retten war“. So konnte die Operation zu diesem Zeitpunkt allenfalls noch als „Therapieversuch“ eine Hinauszögerung des Auftretens einer posttraumatischen Arthrose bewirken. Dagegen wäre eine operative Versorgung am 08.10.2012 wesentlich einfacher und weniger umfassend gewesen.

b) Das Landgericht ist dabei entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht von einem unzutreffenden Beweismaßstab für die haftungsbegründende Kausalität ausgegangen.

Zwischen den Parteien sind die vom Sachverständigen bestätigten Beeinträchtigungen des Sprunggelenks im Berufungsverfahren nicht mehr streitig. Bei dem Kläger hat sich eine Arthrose entwickelt aufgrund derer er aktuell nur noch sehr eingeschränkt schmerzfrei stehen und gehen kann. Arbeiten und Stehen unter Belastung sind dem Kläger nur noch kurzzeitig möglich. Er ist nicht mehr in der Lage, in seinem Beruf als Maurer zu arbeiten. Der Sachverständige hat im Senatstermin ausdrücklich bestätigt, dass diese schwerwiegende Arthrose auf die nicht regelgerechte Versorgung der Fraktur zurückzuführen ist.

Es kommt vorliegend auch nicht darauf an, ob man – wie die Beklagte – in der bestehenden Beeinträchtigung in Form von starkem Verschleiß in dem betroffenen Sprunggelenk, schräg stehendem Rückfuß und Einschränkung der Gehfähigkeit sowie praktisch aufgehobener Beweglichkeit des oberen linken Sprunggelenks einen Primärschaden sieht, der nach § 286 ZPO zu beweisen ist. Sämtliche Beeinträchtigungen sind nach Angabe des Sachverständigen eindeutig kausal auf den nunmehr dislozierten Bruch zurückzuführen. Es liegt entweder ein Primärschaden oder ein typischer Folgeschaden der verzögert behandelten Fraktur vor.

c) Die Frage, ob sich diese Beeinträchtigungen auch bei regelgerechter sofortiger Frakturversorgung eingestellt hätten, ist allenfalls eine Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens und damit allein von Beklagtenseite zu beweisen.

Diesen Beweis kann die Beklagte nicht führen, da derartig schwere Folgen nach vorsichtiger Schätzung des Sachverständigen ohne Behandlungsfehler allenfalls in 10 bis 20 % aller Fälle auftreten. Der Sachverständige hat im Senatstermin nochmals dargelegt, dass bei sofortigem fachgerechtem Vorgehen im Regelfall mit einer Heilung zu rechnen gewesen wäre und der Kläger sodann nur den üblichen negativen Folgen einer derartigen Fraktur ausgesetzt gewesen wäre. Die Chance einer regelrechten Heilung hätte danach im Falle einer ab dem 08.10.2012 erfolgten Behandlung bei 80 bis 90 % gelegen.

3.

Der Senat vermag auch kein Mitverschulden des Klägers zu erkennen.

Das Landgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass dem Kläger nicht ernsthaft vorgeworfen werden kann, dass er in Unkenntnis der im Krankenhaus der Beklagten übersehenden Fraktur in der Zeit nach dem 08.10.2012 sein Bein voll belastet und damit rein tatsächlich zur Verschiebung des Bruchs beigetragen hat. Zudem hat sich der Kläger am 08.11.2012 erneut mit Beschwerden im Krankenhaus der Beklagten vorgestellt. Dort ist dann durch die Allgemeinchirurgen lediglich ein etwaiger Thromboseverdacht ausgeschlossen, die Fraktur aber erneut übersehen worden. Auch wenn es zudem nach den Ausführungen des Sachverständigen ungewöhnlich ist, dass der Kläger zunächst mit einer dislozierten Fraktur weiter gearbeitet hat, sind ihm durchaus derartige Fälle aus seiner bisherigen eigenen Praxis bekannt. Der Sachverständige hat insoweit darauf verwiesen, dass es Patienten gibt, die mehr oder weniger Schmerzen verspüren und dass insbesondere Patienten, die wie der Kläger eine Diabetes Mellitus Erkrankung haben, häufig ein anderes Schmerzempfinden haben.

4.

Verbleibt es danach bei einem vorwerfbaren Behandlungsfehler der Ärzte der Beklagten, ist das erstinstanzlich zugesprochene Schmerzensgeld von 10.000,00 EUR angesichts der massiven und dauerhaften gesundheitlichen Folgen für den Kläger seitens des Senats nicht zu beanstanden. Ob es nicht höher anzusetzen wäre, ist – mangels Anschlussberufung – vom Senat nicht zu entscheiden. Die Höhe wurde von der Beklagten mit der Berufung ebenso wenig angegriffen, wie die Höhe der zu zahlenden vorgerichtlichen Anwaltskosten (1.266,16 EUR).

5.

Das erstinstanzliche Urteil war allein hinsichtlich des Feststellungsausspruchs geringfügig abzuändern.

Die Beklagte moniert insoweit zutreffend, dass der Feststellungsausspruch vom Landgericht zu weitgehend gefasst worden ist, da hierin eine Haftung für alle Schäden aus der fehlerhaften Behandlung „vom 08.10.2012 bis zum 13.12.2013“ festgestellt worden ist. Dem Kläger kann lediglich eine Erstattungspflicht aufgrund des festgestellten Behandlungsfehlers vom 08.10.2012 zugesprochen werden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.

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