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Beweisrechtliche Folgen eines knappen Operationsberichts

OLG Koblenz – Az.: 5 U 273/11 – Beschluss vom 27.09.2011

In dem Rechtsstreit … weist der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz den Kläger darauf hin, dass beabsichtigt ist,  seine Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen   (§ 522 Abs. 2 ZPO).

Gründe

Die Berufung ist ohne Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Was die Berufung dagegen vorbringt, ist nicht stichhaltig.

1. Der 1935 geborene Kläger nimmt die Klinik (Erstbeklagte) und den dort tätigen Arzt (Zweitbeklagter) auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 25.000 € sowie 980,90 € Schadensersatz in Anspruch. Ein Rektumkarzinom wurde zwischen dem 3. und 10. März 2003 stationär nachbehandelt.  Der künstliche Darmausgang wurde rückverlagert, sodann entfernte der Zweitbeklagte einen rechts (für die Chemotherapie) verlegten Portschlauch, den er dabei versehentlich durchtrennte. Postoperativ klagte der Patient über neurologische Ausfälle und Beschwerden in Schulter und Arm rechts. Nach verschiedenen Befunderhebungen, auch durch Konsiliarärzte, wurde eine  Schmerztherapie veranlasst.

Beweisrechtliche Folgen eines knappen Operationsberichts
Symbolfoto: Von TippaPatt/Shutterstock.com

Der Kläger hat vorgetragen, der Zweitbeklagte habe vor Operationsbeginn die genaue Lage des Portschlauchs feststellen müssen. Die unter der Operation verursachte Plexuslähmung beruhe auf fehlerhafter Lagerung während des Eingriffs oder auf einer indirekten Schädigung des nervus brachialis. Beides sei vermeidbar gewesen. Rechte Schulter und Arm seien dauerhaft beeinträchtigt, was eine Depression hervorgerufen habe. Zuvor ausgeübter Freizeitsport (Tennis, Skilanglauf) sei nicht mehr möglich.  All das sei den Beklagten anzulasten.

Die Beklagten haben erwidert, ihnen seien keinerlei Versäumnisse oder Fehler bei Planung und Durchführung des Eingriffs unterlaufen, insbesondere sei die Lage des Portschlauchs röntgenologisch gesichert gewesen. Die versehentliche Durchtrennung des Schlauchs mit der Schere, sei ohne jede Bedeutung für den postoperativen Befund. Die Lagerung des Patienten auf dem Operationstisch sei sachgemäß erfolgt.

2. Das Landgericht hat Zeugen- und Sachverständigenbeweis erhoben. Der Eingriff sei mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt worden, der Bericht über die Implantation des Portschlauches habe nicht zwingend angefordert und ausgewertet werden müssen. Die Durchtrennung des Schlauchs könne vorkommen, ohne dass dies als Fehler zu werten sei. Hinsichtlich des behaupteten Lagerungsschadens hätten sich die insoweit beweispflichtigen Beklagten entlastet.

3. Mit seiner Berufung wiederholt der Kläger die Anträge erster Instanz.  Das Landgericht habe der in Arzthaftungssachen gesteigerten Aufklärungspflicht nicht genügt, insbesondere sei es Lücken, Unklarheiten und Widersprüchen in der Dokumentation und den medizinischen Gutachten nicht hinreichend nachgegangen. Den Ausführungen des vom Kläger konsultierten Privatsachverständigen sei nicht die erforderliche Beachtung geschenkt worden.  Angesichts der diffusen Faktenlage sei ein Obergutachten unerlässlich. Letztlich begegne auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich des behaupteten Lagerungsschadens durchgreifenden Bedenken.

Die Beklagten verteidigen die Entscheidung des Landgerichts. Auch sie wiederholen und vertiefen den erstinstanzlichen Prozessvortrag.

4.  Das Rechtsmittel erscheint aussichtslos. Die angefochtene Entscheidung hält den Berufungsangriffen stand.

a. Versehentliche Durchtrennung des Portschlauchs und Entfernung des Schlauchrestes:

Dass der Portschlauch entfernt werden musste, steht außer Frage. Dass er versehentlich durchtrennt wurde, stellen die Beklagten nicht in Abrede. Unmittelbar ist dem Kläger daraus kein Schaden entstanden. Dass der Schlauchrest gesucht, freipräpariert und entfernt werden musste, ist unzweifelhaft.

Die von der Berufung wiederholte These, dabei sei der Nervschaden vorwerfbar verursacht worden, hat keine gesicherte Beweisgrundlage. Dem Kläger kommen insoweit auch keine Beweiserleichterungen wegen der behaupteten Dokumentationslücken und -mängel zugute.

Die Dokumentation dient weder dazu, ärztliches Handeln lückenlos in sämtlichen Details festzuhalten, noch dazu, die tatsächlichen Grundlagen eines Haftpflichtprozesses gegen den Arzt zu schaffen oder zu erschüttern. Die Dokumentation richtet sich an den nachbehandelnden Arzt, dem durch Aufzeichnung der behandlungsrelevanten medizinischen Fakten verdeutlicht werden soll, ob und gegebenenfalls welche Auffälligkeiten und Besonderheiten aufgetreten sind, die von Einfluss auf die Gesundheit des Patienten sein können und daher in die Überlegungen zum weiteren Behandlungskonzept einbezogen werden müssen.

Gemessen daran liegt hier keine Dokumentationslücke vor, die eine Beweiserleichterung oder gar eine Beweislastumkehr rechtfertigt. Die mit verständlicher Emotionalität vorgetragene Berufungsthese, dem narkotisierten, nach dem Eingriff mit einer Nervschädigung belasteten Patienten, dürfe nicht zugemutet werden, zum für ihn nicht wahrnehmbaren konkreten Operationsverlauf vorzutragen, ist richtig, greift indes zu kurz. Sie berücksichtigt nämlich nicht, dass nahezu jeder ärztliche Eingriff risikobehaftet ist, weshalb es trotz aller ärztlichen Sorgfalt zu einer von allen Beteiligten unerwünschten Schädigung des Patienten kommen kann.  Für die genaue Ursachenermittlung ist in diesen Fällen meist ein möglichst detaillierter Operationsbericht hilfreich. Nur das bringt der vom Sachverständigen geäußerte Vorbehalt gegen den recht knappen Operationsbericht des Zweitbeklagten zum Ausdruck. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, unter der Operation müsse es zu dokumentationspflichtigen Zwischenfällen oder Ereignissen gekommen sein, die der Bericht verschweige.

Gab es bei Bewältigung des Problems, den Schlauchrest zu entfernen, keine nennenswerten Auffälligkeiten und Besonderheiten, musste der Zweitbeklagte den gewöhnlichen Ablauf der Dinge auch nicht dokumentieren.

Der Kläger folgert Dokumentationspflichtiges aus dem eingetretenen Schaden. Das ist nachvollziehbar, aber deshalb nicht tragfähig, weil es auch bei umfassend sachgemäßem Vorgehen ohne jedwede Zwischenfälle und Komplikationen zu Nervschädigungen kommen kann.  Das weiß der Senat aus anderen Verfahren, die durchweg ebenfalls dadurch gekennzeichnet waren, dass sich aus den jeweiligen Operationsberichten keinerlei Auffälligkeiten ergaben.

Den in diesem Zusammenhang aufklärungsbedürftigen Fragen ist das Landgericht nachgegangen. Dass es sich hiernach nicht hat überzeugen können, dass dem Zweitbeklagten ein Fehlverhalten anzulasten ist, begegnet keinen Bedenken. Mit seinen abweichenden Überlegungen versucht der Kläger, die allein maßgeblichen, trotz Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen fortbestehenden richterlichen Zweifel  durch seine eigene Überzeugung zu ersetzen.  Damit kann die Berufung nicht durchdringen.

Es besteht auch kein weiterer und/oder ergänzender Aufklärungsbedarf. Die mündliche Sachverständigenanhörung hat in Verbindung mit den schriftlichen Gutachten eine hinreichende Beweisgrundlage geschaffen. Die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen zur Aufklärung der medizinischen Gegebenheiten ein weiteres Gutachten eingeholt werden muss (von der Berufung als Obergutachten bezeichnet), liegen nicht vor. Der Senat wird daher diesem Berufungsantrag nicht entsprechen.

b. Lagerungsschaden:

Der Senat hat bereits entschieden, dass die Behandlungsseite die Darlegungs- und Beweislast für die technisch richtige Lagerung des Patienten auf dem Operationstisch während des gesamten Eingriffs und in der postoperativen Aufwachphase trifft (Senatsurteil 5 U 662/08 vom 22. Oktober 2009 in NJW 2010, 1759 m.w.N.)

Davon ist das Landgericht auch ausgegangen. An den Nachweis dürfen aber keine  überspannten Anforderungen gestellt werden, handelt es sich doch um jahrzehntelang eingespielte Routinevorgänge, die dauerhaft nur dann in konkreter Erinnerung haften, wenn es Abweichungen vom Gewöhnlichen gab.

Der Senat hat auch insoweit das vom Landgericht gewonnene Beweisergebnis geprüft und teilt die Würdigung, die es in der angefochtenen Entscheidung erfahren hat. c. auf die weithin zutreffenden Ausführungen der Berufungserwiderung wird ergänzend Bezug genommen.

5. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Ebenso wenig erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.

Die Berufung sollte kostensparend zurückgenommen werden.

Frist zur Stellungnahme:  28. Oktober 2011

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