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Gleiteisunfall – Umfang der Untersuchungspflicht des Arztes

Arzt nicht verpflichtet, nach Unfallfolgen zu suchen, wenn Patient keine Schmerzen äußert

Das Gericht hat entschieden, dass ein Arzt nicht verpflichtet ist, ohne spezifische Schmerzäußerungen des Patienten nach Unfallfolgen außerhalb des unmittelbar betroffenen Gelenkbereichs zu suchen. Im vorliegenden Fall wurde die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil abgewiesen, da kein Behandlungsfehler seitens des Arztes festgestellt wurde, insbesondere nicht bei der Nicht-Diagnose einer Schulterverletzung nach einem Sturz, bei dem der Patient lediglich Knieprobleme angab.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 U 1081/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Ein Arzt ist nicht verpflichtet, ohne spezifische Schmerzäußerungen nach Unfallfolgen außerhalb des direkt betroffenen Bereichs zu suchen.
  2. Die Berufung des Klägers wurde abgewiesen, da kein Behandlungsfehler nachgewiesen werden konnte.
  3. Das Gericht stützte sich auf das Gutachten eines Sachverständigen, welches die Vorgehensweise des Arztes als standardgemäß bewertete.
  4. Schmerzen im Schulterbereich, die der Kläger angeblich hatte, wurden weder während der Behandlung geäußert noch waren sie dokumentiert.
  5. Die Röntgenaufnahme und konservative Behandlung mit Schmerzmitteln wurden als ausreichend angesehen.
  6. Supraspinatussehnenrupturen sind oft degenerativ und nicht zwangsläufig auf Unfälle zurückzuführen.
  7. Der Kläger konnte keinen Beweis für einen direkten Kausalzusammenhang zwischen dem Sturz und den später diagnostizierten Verletzungen erbringen.
  8. Das Gericht riet dem Kläger zur Berufungsrücknahme, um Kosten zu sparen.

Untersuchungspflichten bei Gleitunfällen: Rechte und Pflichten von Arzt und Patient

Bei einem Gleitunfall können verschiedene Verletzungen auftreten, von Prellungen und Verstauchungen bis hin zu Knochenbrüchen und inneren Verletzungen. Die Untersuchungspflicht des Arztes richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Er muss eine sorgfältige Anamnese erheben und eine körperliche Untersuchung durchführen. Dabei muss er auch auf mögliche Vorerkrankungen oder Risikofaktoren achten.

Je nach den Ergebnissen der Anamnese und der körperlichen Untersuchung kann der Arzt weitere Untersuchungen anordnen, wie z. B. Röntgenaufnahmen oder Laboruntersuchungen. Bei einem Gleitunfall muss der Arzt insbesondere auf mögliche Verletzungen des Bewegungsapparats achten.

Der Sturz auf Glatteis und seine Folgen

Im Januar 2017 erlitt ein Patient nach einem Sturz auf Glatteis starke Schmerzen am linken Kniegelenk, woraufhin er stationär in einem Krankenhaus aufgenommen wurde. Trotz der durchgeführten körperlichen Untersuchung und einer Röntgenaufnahme, die keine knöcherne Verletzung am Knie offenbarte, klagte der Patient später über nicht diagnostizierte Verletzungen, darunter einen Einriss am Fibulaköpfchen und eine Läsion der Supraspinatussehne. Diese Verletzungen wurden erst bei späteren Untersuchungen durch ein MRT und eine Sonographie festgestellt. Der Patient war der Auffassung, dass die medizinischen Untersuchungen während seines Aufenthaltes nicht ausreichend waren und wichtige Diagnosen verpasst wurden.

Medizinische Untersuchungspflicht in der Diskussion

Die zentrale Frage des Falls drehte sich um die Untersuchungspflicht des Arztes und ob dieser verpflichtet gewesen wäre, ohne spezifische Schmerzäußerungen des Patienten weitere Untersuchungen vorzunehmen, insbesondere außerhalb des unmittelbar betroffenen Bereichs. Der Patient argumentierte, dass eine gründlichere Untersuchung, einschließlich eines MRTs, erforderlich gewesen wäre, um die tatsächlichen Verletzungen zu diagnostizieren. Die Verteidigung hielt dagegen, dass die initialen Untersuchungen dem medizinischen Standard entsprachen und ohne konkrete Hinweise keine Veranlassung für weiterführende Untersuchungen bestanden habe.

Rechtliche Bewertung und Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Dresden und der beratende Sachverständige Prof. Dr. B… kamen zu dem Schluss, dass die medizinische Behandlung und die durchgeführten Untersuchungen angemessen und dem medizinischen Standard entsprechend waren. Es wurde festgestellt, dass ohne spezifische Schmerzäußerungen oder Hinweise keine Pflicht für den Arzt bestand, nach weiteren Unfallfolgen zu suchen. Diese Entscheidung stützt sich auf die Bewertung, dass die initiale medizinische Versorgung und Diagnostik adäquat waren und den üblichen medizinischen Praktiken entsprachen.

Kausalität und Schadensersatzforderungen

Die Argumentation des Klägers bezüglich Schmerzensgeld und Schadensersatz stieß auf Schwierigkeiten, da der Beweis für einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen dem behaupteten Behandlungsfehler und den später diagnostizierten Verletzungen nicht erbracht werden konnte. Das Gericht folgte der Einschätzung des Sachverständigen, dass die beschriebenen Verletzungen nicht zwingend auf den initialen Sturz zurückzuführen waren und dass die medizinische Behandlung im Krankenhaus den Anforderungen entsprach. Die Berufung des Klägers bot offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, und es wurde ihm empfohlen, diese zurückzunehmen.

Fazit: Das Urteil des Landgerichts Dresden bestätigt die Auffassung, dass Ärzte ohne spezifische Hinweise von Patienten nicht verpflichtet sind, Untersuchungen über den zunächst betroffenen Bereich hinaus durchzuführen. Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung klarer Kommunikation zwischen Patienten und medizinischem Personal sowie die Notwendigkeit, medizinische Entscheidungen auf der Grundlage vorhandener Symptome und Standards zu treffen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was versteht man unter der Untersuchungspflicht eines Arztes?

Unter der Untersuchungspflicht eines Arztes versteht man die Verpflichtung, im Rahmen der Patientenversorgung diagnostische Tätigkeiten und Verfahren durchzuführen und zu veranlassen. Diese Untersuchungen dienen dazu, den Gesundheitszustand des Patienten zu beurteilen, eine Diagnose zu stellen und eine entsprechende Behandlung einzuleiten. Die Untersuchungspflicht umfasst sowohl die körperliche Untersuchung des Patienten, die mit einfachen Instrumenten wie Stethoskop, Reflexhammer oder Pupillenleuchte durchgeführt wird, als auch erweiterte diagnostische Maßnahmen wie Labordiagnostik, bildgebende Verfahren (z.B. Röntgen, Sonografie, Computertomografie) und spezielle Tests (z.B. Elektrokardiogramm, Endoskopie).

Die Untersuchungspflicht eines Arztes ist nicht auf die medizinische Praxis beschränkt, sondern kann auch im Rahmen von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen relevant sein. Diese Untersuchungen können vom Arbeitgeber veranlasst werden, um die Eignung eines Arbeitnehmers für bestimmte Tätigkeiten zu überprüfen oder um gesundheitliche Risiken am Arbeitsplatz zu minimieren. Hierbei sind Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorge zu unterscheiden, wobei die Pflichtvorsorge vor Aufnahme der Tätigkeit und in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden muss.

Für Jugendliche, die eine Ausbildung beginnen, ist eine ärztliche Untersuchung nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz vorgeschrieben. Diese Erstuntersuchung dient dem Schutz der Jugendlichen, indem sie sicherstellt, dass die beabsichtigte Beschäftigung keine Gesundheitsgefährdung darstellt oder die Entwicklung des Jugendlichen beeinträchtigt.

Insgesamt ist die Untersuchungspflicht des Arztes ein wesentlicher Bestandteil der medizinischen Versorgung und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz sowie im Jugendarbeitsschutz. Sie dient der Früherkennung von Krankheiten, der Vermeidung von Gesundheitsgefahren und der Förderung der Gesundheit.

Inwiefern beeinflusst das Fehlen von Schmerzäußerungen des Patienten die ärztliche Untersuchungspflicht?

Das Fehlen von Schmerzäußerungen des Patienten kann die ärztliche Untersuchungspflicht in mehrfacher Hinsicht beeinflussen.

Erstens kann es die Diagnosestellung erschweren. Schmerz ist ein häufiges Symptom vieler Erkrankungen und Verletzungen und dient als Warnsignal des Körpers. Wenn ein Patient keine Schmerzen äußert, kann dies dazu führen, dass bestimmte Zustände oder Verletzungen übersehen werden. Dies ist besonders bei Patienten mit angeborener Schmerzunempfindlichkeit der Fall, bei denen Verletzungen, Verbrennungen und Knochenbrüche oft spät erkannt werden und schlecht heilen.

Zweitens kann das Fehlen von Schmerzäußerungen die Kommunikation zwischen Arzt und Patient beeinträchtigen. Ärzte sind darauf angewiesen, dass Patienten ihre Symptome genau beschreiben, um eine genaue Diagnose stellen zu können. Wenn ein Patient keine Schmerzen äußert, kann dies die Fähigkeit des Arztes, eine genaue Diagnose zu stellen und eine angemessene Behandlung zu planen, beeinträchtigen.

Drittens kann das Fehlen von Schmerzäußerungen rechtliche Auswirkungen haben. Ärzte haben eine Behandlungspflicht, die auch eine ausreichende Befunddokumentation einschließt. Wenn ein Patient keine Schmerzen äußert, kann dies die Fähigkeit des Arztes, eine angemessene Dokumentation zu erstellen, beeinträchtigen. Dies könnte in bestimmten Fällen zu rechtlichen Konsequenzen führen, insbesondere wenn der Patient später behauptet, dass der Arzt einen Behandlungsfehler begangen hat.

Es ist daher für Ärzte von entscheidender Bedeutung, sich bewusst zu sein, dass das Fehlen von Schmerzäußerungen nicht unbedingt bedeutet, dass kein medizinisches Problem vorliegt. Sie müssen weiterhin ihre Untersuchungspflicht erfüllen und alle notwendigen Untersuchungen durchführen, um eine genaue Diagnose zu stellen und eine angemessene Behandlung zu planen.


Das vorliegende Urteil

LG Dresden – Az.: 4 U 1081/23 – Beschluss vom 17.11.2023

Der aufgesuchte Arzt ist ohne eine entsprechende Schmerzäußerung des Patienten nicht verpflichtet, nach Unfallfolgen außerhalb des unmittelbar betroffenen Gelenkbereichs (hier: Schulterverletzung bei angegebener Knieprellung) zu fahnden.

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 05.12.2023 wird aufgehoben.

4. Es ist beabsichtigt, den Gegenstand des Berufungsverfahrens auf 23.000,00 EUR festzusetzen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Schmerzensgeld sowie Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung in der Zeit vom 19.01. bis 21.01.2017.

Der am 07.10.1962 geborene Kläger ist im Februar 2016 im Hause der Beklagten am linken Kniegelenk operiert worden (Umstellungsosteotomie). Am 19.01.2017 stürzte er wegen Glätte und wurde vom Notarzt wegen starker Schmerzen am linken Kniegelenk und Bewegungseinschränkungen zur Beklagten verbracht, wo er stationär aufgenommen wurde. Nach der durchgeführten körperlichen Untersuchung sowie einer Röntgenaufnahme des linken Kniegelenkes wurde von den Behandlern der Beklagten keine knöcherne Verletzung festgestellt. Er wurde konservativ mit Schmerzmitteln behandelt und am 21.01.2017 mit Unterarmgehstützen entlassen. Am 20.02.2017 wurde beim Kläger im …haus E… das Osteosynthesematerial entfernt. Eine MRT-Befundung des linken Kniegelenkes vom 08.03.2017 ergab eine Infraktion (unvollständige Fraktur) ohne Knochenmarksödem am Fibulaköpfchen (Wadenbein). Am 14.08.2017 stellte sich der Kläger bei einem Facharzt für Orthopädie vor, wobei ein kleiner Riss im Bereich der Supraspinatussehne in der Sonographie diagnostiziert wurde.

Der Kläger behauptet, während des stationären Aufenthaltes nach seinem Sturz hätten weitere Untersuchungen stattfinden müssen, wie z.B. ein MRT. Dann wäre der Einriss im Fibulaköpfchen, der durch den Sturz entstanden sei, diagnostiziert worden sei. Des Weiteren habe er Schmerzen an der Schulter geäußert, dem sei nicht nachgegangen worden. Bei sachgerechter Befunderhebung wäre der Einriss der Supraspinatussehne, der ebenfalls auf den Sturz zurückzuführen sei, festgestellt und frühzeitig behandelt worden. Er hätte nicht entlassen werden dürfen.

Die Beklagte hat behauptet, weder der Einriss des Fibulaköpfchens noch die Läsion der Supraspinatussehne hätten zum Zeitpunkt der stationären Behandlung schon vorgelegen. Die Röntgenaufnahme sei ausreichend gewesen, um knöcherne Verletzungen auszuschließen. Es habe keine Veranlassung für weitergehende Untersuchungen bestanden. Unabhängig davon wäre ein MRT wegen der Metallartefakte nicht aussagekräftig gewesen. Schmerzen im Schulterbereich habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt geäußert. Supraspinatusläsionen seien im Übrigen häufig degenerativer Natur und unabhängig von einem Unfallereignis.

Das Landgericht hat ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B… eingeholt und die Klage mit Urteil vom 08.05.2023 – auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird – abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er meint, für die Beklagte hätte sich anhand des Unfallgeschehens erschließen können, dass bei einem Sturz auf Eis nicht nur das Knie verdreht und verletzt worden sei. Der Umstand, dass der Kläger selbst keine unmittelbare Erinnerung an Schmerzäußerungen im Schulterbereich gehabt habe, liege daran, dass ihm starke Schmerzmittel verabreicht worden seien. Darüber hinaus habe die Lebensgefährtin des Klägers auf Beschwerden in der Schulter hingewiesen. Hinsichtlich der Schädigung des Fibulaköpfchens hätten sowohl der Gutachter als auch das Landgericht die Kausalzusammenhänge nicht sorgfältig bewertet. Es sei nicht ersichtlich, wo und wann sich der Kläger diese Verletzung zugezogen haben sollte, wenn nicht bei dem Sturzereignis. Die Entlassung des Klägers mit einer derartigen starken Schmerzmedikation sei ein grober Fehler in der ärztlichen Behandlung.

Der Kläger beantragt,

1. Das Urteil des Landgerichtes Chemnitz wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, künftigen materiellen Schaden zu bezahlen, der aus der Behandlung vom 19. bis 21.01.2017 resultiert.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.

II.

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz gemäß §§ 630a ff., 823, 253 BGB zu.

Dem Kläger ist der Beweis für einen Behandlungsfehler der Beklagten während seines stationären Aufenthaltes vom 19.01. bis 21.01.2017 nicht gelungen.

Das Landgericht hat Behandlungsfehler auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B… verneint. Die hiergegen gerichteten Angriffe des Klägers im Berufungsverfahren verfangen nicht. Der Senat ist an die Feststellungen des Landgerichtes gemäß § 529 ZPO gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dies ist nicht der Fall. Die bloße Behauptung eines Behandlungsfehlers entgegen den erstinstanzlichen Feststellungen auf der Grundlage eines nachvollziehbaren und gut begründeten Sachverständigengutachtens genügt nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 11.01.2020 – 4 U 1885/20 – juris; vgl. Senat, Beschluss vom 07.08.2020 – 4 U 1285/20 – juris). Zwar ist eine Partei grundsätzlich nicht verpflichtet, bereits in erster Instanz ihre Einwendungen gegen ein Gerichtsgutachten auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf Sachverständigenrat zu stützen oder selbst oder durch Dritte in medizinischen Bibliotheken Recherchen anzustellen, um Einwendungen gegen ein medizinisches Sachverständigengutachten zu formulieren (vgl. Senat, Beschluss vom 11.12.2020 – 4 U 1885/20 – juris). Anders ist es hingegen in der Berufungsinstanz. Würde man auch hier einen Patienten gestatten, ohne nähere Angaben seine eigene Meinung zu medizinischen Kausalzusammenhängen derjenigen eines gerichtlichen Sachverständigen entgegenzustellen, liefe dies auf eine Umgehung der in § 529 ZPO geregelten grundsätzlichen Bindung an das erstinstanzliche Ergebnis der Beweisaufnahme hinaus (vgl. Senat, Urteil vom 05.07.2022 – 4 U 657/21, Rn. 18 – juris). Weil der Patient in Arzthaftungssachen regelmäßig über keine medizinische Sachkunde verfügt, kann er ohne konkrete Anhaltspunkte, die in medizinischer Hinsicht Zweifel an der erstinstanzlichen Beweiswürdigung wecken sollen, nur dadurch vortragen, dass ein Privatgutachten vorlegt, zumindest aber selbst auf medizinische Fundstellen oder Leitlinien zurückgreift, die für seine Behauptung streiten (vgl. Senat a.a.O.). Entspricht der Vortrag diesen Anforderungen nicht und fehlt es auch im Übrigen an Anhaltspunkten dafür, dass das Gutachten in sich widersprüchlich oder der Sachverständige erkennbar nicht sachkundig ist, kommt eine Wiederholung der Beweisaufnahme nicht in Betracht (vgl. Senat, Urteil vom 05.07.2022 – 4 U 657/21, Rn. 8 – juris).

Entgegen der Auffassung des Klägers waren die Behandler der Beklagten nicht verpflichtet, nach der Untersuchung des Klägers und der Anfertigung von Röntgenbildern des linken Knies noch weitere Untersuchungen zu veranlassen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen waren die Untersuchungen ausreichend und entsprachen dem medizinischen Standard. Hiergegen hat der Kläger in erster Instanz nichts eingewandt. Nach Auffassung des Sachverständigen sei zum Zeitpunkt des stationären Aufenthaltes eine Metallentfernung der Platte an der Innenseite des Kniegelenkes noch nicht indiziert gewesen. Es sei auch nicht gesichert, sondern eher fraglich, dass das Metall die Beschwerde verursacht habe, sondern eher die Verdrehung des Kniegelenkes. Der Sachverständige hat auch die Entlassung des Klägers aus der stationären Behandlung für vertretbar gehalten. Mit diesen Ausführungen hat sich der Kläger nicht auseinandergesetzt.

Ebenso wenig ist dem Kläger der Beweis dafür gelungen, dass ein Behandlungsfehler hinsichtlich der Behandlung der Supraspinatussehne vorliegt. Der Sachverständigen hat eingeschätzt, es spreche nichts dafür, dass die Läsion anlässlich des Unfalles entstanden sei. Eine Supraspinatussehnenruptur rufe ein sofortiges Schmerzbild mit Einschränkung der Beweglichkeit der betroffenen Schulter hervor, in der Regel sei die Armabhebung nicht mehr möglich. Dies sei nicht eingetreten und auch nicht nachgewiesen.

Schließlich hat der Kläger im Rahmen seiner Anhörung vor dem Landgericht eingeräumt, nicht mehr zu wissen, ob er überhaupt Schmerzen an der Schulter gegenüber den Behandlern der Beklagten angegeben hat. Er hat eine diesbezügliche Frage vielmehr explizit verneint. Er habe höllische Schmerzen im Bein gehabt, darauf habe der Fokus gelegen.

Das Landgericht hatte auch keine Veranlassung, die Lebensgefährtin des Klägers als Zeugin zu der Frage zu hören, ob der Kläger über Schmerzen in der Schulter geklagt hat. Selbst wenn dies zugunsten des Klägers als wahr unterstellt wird, waren weitere Untersuchungen nicht veranlasst, denn der Kläger hat als Patient gegenüber den Ärzten der Beklagten jedenfalls keinerlei Schmerzen geschildert. Unabhängig davon führen – wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat – Kontusionen der Schulter nicht zu Rupturen der Supraspinatussehne. Diese resultieren vielmehr aus einer Zugbelastung. Darüber hinaus seien die Risse oft degenerativ und entstünden spontan infolge von Überbeanspruchung, Verschleiß und Durchblutungsstörungen.

Zudem hat der Sachverständige die Kausalität zwischen der behaupteten fehlerhaften Behandlung und den Beschwerden des Klägers eindeutig verneint. Die Beschwerden gehen hinsichtlich des Knies auf eine korrekt indizierte und ausgeführte Tibiakopfosteotomie mit Plattenimplantat und hinsichtlich der Schulter auf eine verschleißbedingte Rotatorenmanschettenläsion der rechten Schulter zurück.

Der Kläger hat sich weder in der ersten Instanz noch im Berufungsverfahren mit den gut begründeten und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen auseinandergesetzt.

Unabhängig davon ist der Kläger mit Einwendungen gegen die Feststellungen des Gutachters gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Den Parteien wurde mit Beschluss des Landgerichtes vom 08.02.2023 eine Frist von vier Wochen zur Stellungnahme zu dem gerichtlichen Sachverständigengutachten gesetzt. Der Kläger hat weder binnen der gesetzten Frist noch bis zum Erlass des Urteils eine Stellungnahme abgegeben. Soweit er in der Berufung nunmehr unter anderem meint, der Gutachter habe sich nicht mit der Kausalität des Unfalls für die Verletzung des linken Knies und damit der Frage auseinandergesetzt, woher der Einriss am Fibulaköpfchen stammen könne, ist er ausgeschlossen. Der Kläger hat nicht dargelegt, weshalb es ihm nicht möglich gewesen ist, dazu bereits in erster Instanz Stellung zu nehmen.

Der Senat rät zur Berufungsrücknahme, die zwei Gerichtsgebühren erspart.

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