Skip to content
Menu

Behandlungsfehler bei Implantation einer Totalendoprothese des Hüftgelenks

Hüftprothesen-OP: Gericht bestätigt Behandlungsfehler-Ansprüche

Im vorliegenden Fall, OLG Frankfurt Az.: 8 U 116/12, wurde die Berufung der Beklagten gegen das erste Urteil abgewiesen, wobei festgestellt wurde, dass die Beklagten dem Kläger Schadensersatz für sowohl materielle als auch immaterielle Schäden, verursacht durch Behandlungsfehler während einer Hüftgelenk-Operation, schulden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 8 U 116/12 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Der Kläger litt unter Komplikationen infolge einer Hüftgelenk-Operation, darunter eine Schaftsprengung und Verbrennungen, die auf Behandlungsfehler zurückgeführt wurden.
  2. Das Landgericht hat dem Kläger ein Schmerzensgeld von 25.000 Euro zugesprochen, und die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz bestätigt.
  3. Das OLG Frankfurt bestätigte das Urteil und wies die Berufung der Beklagten zurück, bestehende und zukünftige Schäden zu ersetzen.
  4. Die Verletzungen des Klägers inkludierten auch einen Meniskusschaden und anhaltende Schmerzen nach der Operation.
  5. Die Beklagten argumentierten, dass die Komplikationen schicksalhaft und nicht vermeidbar gewesen seien, doch das Gericht folgte dieser Argumentation nicht.
  6. Es wurde eine erneute Operation zur Behebung der Hüftprobleme durchgeführt, woraufhin sich der Zustand des Klägers verbesserte.
  7. Die Gerichtsentscheidung beruhte auch auf medizinischen Sachverständigengutachten, die die Ansprüche des Klägers unterstützten.
  8. Die Beklagten haben die Möglichkeit, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, wenn der Kläger nicht zuvor Sicherheit leistet.
  9. Das Gericht ließ keine Revision zu, womit die Entscheidung rechtskräftig wurde.
  10. Der Kläger erhielt zusätzlich die Bestätigung der Haftung der Beklagten für zukünftige immaterielle Schäden, deren Eintritt zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbar war.

Hüftimplantate: Für ein Leben ohne Schmerzen

Endoprothetische Hüftimplantate sind weitverbreitete Maßnahmen, um die Bewegungsfreiheit und Lebensqualität von Patienten mit Hüftgelenksbeschwerden wiederherzustellen. Doch wie bei jedem operativen Eingriff bergen sie auch Komplikationsrisiken. Behandlungsfehler können schwerwiegende Folgen für die Betroffenen haben und zu Schmerzensgeldforderungen sowie Schadensersatzansprüchen führen.

Eine professionelle und sorgfältige Durchführung seitens der Ärzte und Kliniken ist unerlässlich, um eine optimale Versorgung zu gewährleisten. Medizinrechtliche Aspekte spielen hier eine zentrale Rolle für die Wahrung der Patientenrechte und die Klärung von Haftungsfragen.

➜ Der Fall im Detail


Fallübersicht: Behandlungsfehler bei Implantation einer Hüftendoprothese

Im Januar 2010 unterzog sich der Kläger, geboren im Jahr 193…, einer Operation zur Implantation einer zementfreien Hüftgelenk-Endoprothese links in einer Klinik.

Hüftgelenk Röntgenbild
(Symbolfoto: ChooChin /Shutterstock.com)

Während des Eingriffs traten Komplikationen auf: eine periprothetische Fraktur durch das Einschlagen einer Geradschaftsprothese sowie eine großflächige Verbrennung an der rechten Gesäßhälfte, verursacht durch den Einsatz eines Elektrokauters. Diese Verbrennung wurde erst am Tag nach der Operation entdeckt und behandelt. Die postoperativen Folgen für den Kläger waren erheblich; er litt unter starken Schmerzen und war in seiner Mobilität stark eingeschränkt.

Juristische Grundlage und Anspruch

Der Kläger erhob Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz materieller und immaterieller Schäden. Er argumentierte, dass die Verbrennungen bei Beachtung der geltenden Sicherheitsvorschriften vermeidbar gewesen wären und dass sowohl die Fraktur als auch ein Meniskusschaden durch den Eingriff verursacht worden seien. Die Beklagten wiesen diese Behauptungen zurück, indem sie auf die Standardprozeduren und unvermeidbare Risiken hinwiesen.

Entscheidung des Landgerichts

Das Landgericht Wiesbaden sprach dem Kläger ein Schmerzensgeld von 25.000 Euro zu und bestätigte die Verpflichtung der Beklagten, für die entstandenen und zukünftig entstehenden Schäden aufzukommen. Das Gericht stützte sich dabei auf ein orthopädisches Sachverständigengutachten, das die Ansicht des Klägers weitgehend bestätigte.

Berufungsverfahren vor dem OLG Frankfurt

Die Beklagten legten gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein, die jedoch vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main abgewiesen wurde. Das OLG bestätigte die Feststellungen des Landgerichts hinsichtlich der Schadensersatzpflicht für materielle und immaterielle Schäden. Es wurde klargestellt, dass die Beklagten auch für zukünftig nicht vorhersehbare Schäden haften, soweit diese auf den genannten Behandlungsfehlern beruhen.

Konsequenzen und Vollstreckbarkeit des Urteils

Das OLG urteilte, dass das angefochtene Urteil und das Berufungsurteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sind. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Des Weiteren wurde die Revision nicht zugelassen, was die Endgültigkeit der Entscheidung unterstreicht.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Wie wird ein Schmerzensgeld bei Behandlungsfehlern berechnet?

Die Höhe des Schmerzensgeldes bei einem Behandlungsfehler hängt von verschiedenen Faktoren ab und muss im Einzelfall individuell bemessen werden. Entscheidend sind dabei vor allem die Art und Schwere des Behandlungsfehlers, die Intensität und Dauer der erlittenen Schmerzen sowie bleibende körperliche und seelische Beeinträchtigungen.

Gerichte orientieren sich bei der Bemessung an vergleichbaren Fällen in der Rechtsprechung. Sogenannte Schmerzensgeldtabellen können eine grobe Orientierung bieten, sind aber nicht verbindlich. Jeder Fall weist individuelle Besonderheiten auf, die zu berücksichtigen sind.

Neben dem Ausmaß der Verletzungen spielen auch die Umstände der Behandlung eine Rolle. War der Fehler grob fahrlässig oder vorsätzlich, kann dies den Anspruch erhöhen. Auch Einschränkungen bei Hobbys und Freizeitaktivitäten sowie psychische Folgen wie Depressionen fließen in die Bemessung ein.

In der Regel erfolgt die Zahlung des Schmerzensgeldes als Einmalzahlung. Bei schweren Dauerschäden ist in Ausnahmefällen auch eine zusätzliche monatliche Schmerzensgeldrente möglich, wenn dies ausdrücklich beantragt wird.

Um eine angemessene Entschädigung zu erhalten, sollten Betroffene die Hilfe eines spezialisierten Anwalts für Medizinrecht in Anspruch nehmen. Dieser kann den Einzelfall umfassend prüfen, Befunde auswerten und auf Basis der aktuellen Rechtsprechung die Höhe des Anspruchs einschätzen. So lässt sich eine Forderung stellen, die von der Gegenseite nicht als überhöht zurückgewiesen wird.

Welche Fristen müssen bei der Geltendmachung von Schadensersatz nach einem Behandlungsfehler beachtet werden?

Bei der Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen nach einem Behandlungsfehler müssen Patienten unbedingt die geltenden Verjährungsfristen beachten. Grundsätzlich gilt eine regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren.

Die Frist beginnt aber nicht automatisch mit dem Zeitpunkt des Behandlungsfehlers zu laufen. Entscheidend ist vielmehr, wann der Patient Kenntnis von dem Fehler und dem dadurch verursachten Schaden erlangt hat. Die dreijährige Verjährungsfrist startet dann erst mit dem Ende des Jahres, in dem diese Kenntnis vorlag.

Um die erforderliche Kenntnis zu erlangen, muss der Patient als medizinischer Laie nicht nur die wesentlichen Umstände des Behandlungsverlaufs kennen. Er muss auch wissen, dass der Arzt vom üblichen medizinischen Standard abgewichen ist und dies ursächlich für den eingetretenen Schaden war. Oft ergibt sich dies erst aus einem Gutachten.

Solange ernsthafte Verhandlungen zwischen Patient und Arzt bzw. Haftpflichtversicherung über den Anspruch geführt werden, ist die Verjährung nach § 203 BGB gehemmt. Sie läuft erst weiter, wenn eine Partei die Verhandlungen abbricht.

In Ausnahmefällen kann eine längere Verjährungsfrist von bis zu 30 Jahren gelten, wenn der Geschädigte keine Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen hatte. Unabhängig davon tritt aber spätestens nach 10 Jahren die absolute Verjährung ein.

Um sicherzugehen, dass Ansprüche nicht verjähren, sollten sich Patienten bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler möglichst frühzeitig anwaltlich beraten lassen. Der Anwalt kann die Verjährungsfristen im Einzelfall prüfen und durch geeignete Maßnahmen wie Verhandlungen oder Klageerhebung eine drohende Verjährung verhindern.

In welchen Fällen können zukünftige Schäden bei Behandlungsfehlern geltend gemacht werden?

Nach einem Behandlungsfehler können Patienten nicht nur bereits entstandene, sondern auch zukünftig noch entstehende materielle und immaterielle Schäden geltend machen. Dies ist vor allem in Fällen relevant, in denen sich der Gesundheitsschaden noch weiterentwickeln kann und die Folgen nicht abschließend absehbar sind.

Voraussetzung für die Geltendmachung künftiger Schäden ist, dass bereits ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff in Form eines Behandlungsfehlers vorliegt, der grundsätzlich zu möglichen weiteren Schäden führen kann. Es reicht aus, wenn der Eintritt eines künftigen Schadens zumindest möglich erscheint. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich.

Typische Beispiele, in denen Feststellungsanträge zu künftigen Schäden bedeutsam sind, sind Geburtsschäden bei Kindern. Hier zeigt sich das Ausmaß bleibender Beeinträchtigungen oft erst im Laufe der Entwicklung. Auch dauerhafte Gesundheitsschäden, die zu einem späteren Zeitpunkt zu Erwerbsminderung oder Pflegebedürftigkeit führen können, kommen in Betracht.

Um künftige Ansprüche zu sichern, müssen Patienten einen Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht stellen. Dies kann gerichtlich im Wege einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO oder außergerichtlich durch eine entsprechende Erklärung des Schädigers erfolgen. Wichtig ist, dass der Antrag innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist ab Kenntnis des Behandlungsfehlers gestellt wird.

Wird die Ersatzpflicht für künftige Schäden festgestellt, können Ansprüche noch bis zu 30 Jahre nach dem Urteil oder der Erklärung geltend gemacht werden. Patienten müssen dann nicht befürchten, dass ihnen ein Ausgleich späteren Folgeschäden verwehrt bleibt. Die Feststellung künftiger Ersatzpflicht dient somit der Absicherung auf Lebenszeit.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  1. § 823 Abs. 1 BGB (Deliktische Haftung) Regelt die Haftung für die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, des Eigentums oder eines sonstigen Rechts. Im vorliegenden Fall bezieht sich dies auf die körperliche Integrität des Klägers, die durch die medizinischen Komplikationen während der Operation verletzt wurde.
  2. § 249 Abs. 1 BGB (Art und Umfang des Schadensersatzes) Beschreibt, dass der Schädiger verpflichtet ist, den Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Dies betrifft sowohl materielle als auch immaterielle Schäden durch die Behandlungsfehler.
  3. § 253 Abs. 2 BGB (Immaterieller Schaden) Ermöglicht den Anspruch auf Schmerzensgeld bei Körper- und Gesundheitsverletzungen, was im Falle der erlittenen Schmerzen und der erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen des Klägers relevant ist.
  4. § 280 Abs. 1 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung) Legt die Verpflichtung zum Schadensersatz bei Pflichtverletzungen im Rahmen von Vertragsverhältnissen dar. Dies ist relevant für die Haftung der Klinik und des behandelnden Arztes gegenüber dem Kläger.
  5. § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB (Haftung für den Verrichtungsgehilfen) Betrifft die Haftung des Arbeitgebers für unerlaubte Handlungen, die von Angestellten in Ausführung ihrer Verrichtungen begangen werden. Im konkreten Fall könnte dies auf das Klinikpersonal zutreffen, das während der Operation assistierte.
  6. § 611 BGB (Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag) Definiert die Pflichten aus einem Dienstvertrag, unter den auch der Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient fällt. Relevant für die Beurteilung der vertraglichen Ansprüche des Klägers gegenüber dem Arzt und der Klinik.


Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt – Az.: 8 U 116/12 – Urteil vom 28.01.2014

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 13.4.2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Feststellungsausspruch wie folgt neu gefasst wird:

a) Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch haftend verpflichtet sind, dem Kläger alle gegenwärtigen und künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm durch die Verbrennungen infolge des Einsatzes eines Elektrokauters während der am 13.1.2010 durchgeführten Operation und/oder die ihm infolge der Verkennung der auf den Röntgenbildern vom 18.1. und 15.2.2010 erkennbaren Typ III – Fraktur mit kompletter Schaftsprengung im Sinne einer periprothtischen Fraktur entstanden sind und noch entstehen werden.

b) Des Weiteren wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch haftend verpflichtet sind, dem Kläger alle immateriellen Schäden zu ersetzen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz noch nicht eingetreten waren und deren Eintritt objektiv nicht vorhersehbar war, soweit die Verletzungsfolgen durch die in lit. a) genannten haftungsbegründenden Tatbestände verursacht worden sind.

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Das angefochtene Urteil und das Berufungsurteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt 30.000.- €.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten mit der Behauptung ärztlicher Behandlungsfehler auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz materieller und weiterer immaterieller Schäden in Anspruch.

Der im Jahre 193… geborene Kläger litt unter einer Coxarthrose des linken Hüftgelenkes. Er hielt sich vom …1.2010 bis zum …1.2010 stationär in der Klinik der Beklagten zu 2) auf. Am 13.1.2010 implantierte der Beklagte zu 2) eine zementfreie Hüftgelenk-Endoprothese links. Im Verlauf des Eingriffs kam es beim Einschlagen einer Geradschaftsprothese zur Sprengung des Schaftes. Es wurde ein Titanband als Cerclage eingesetzt. Ferner erlitt der Kläger anlässlich dieser Operation eine großflächige Verbrennung an der rechten Gesäßhälfte.

Als der Kläger am 14.1.2010 von der Intensiv – auf die Normalstation verlegt wurde, wurde die großflächige Verletzung an seiner rechten Gesäßhälfte von dem Pflegepersonal bemerkt und ab dem 15.1.2010 mit Salbe und Verband behandelt. Infolge der Hüft-Totalendoprothesen-Operation durfte der Kläger nur auf dem Rücken liegen oder sitzen. In dem unstreitigen Teil des Tatbestandes des angefochtenen Urteil ist festgehalten, dass der Kläger postoperativ unter starken Schmerzen an der rechten Gesäßhälfte litt.

Am 18.1. und 21.1.2010 wurden Röntgenkontrollaufnahmen gefertigt. Hierüber verhalten sich die Befundberichte der Gemeinschaftspraxis für Radiologie und Nuklearmedizin, Stadt1, vom 19.1.2010 und vom 22.1.2010 (Hülle Bl. 134 d. A.).

Der Kläger hielt sich sodann in der Zeit vom …1. bis zum …2.2010 zur Anschlussheilbehandlung in der Rehabilitationsklinik1 in Stadt1 auf. Dort wurde die Verbrennungswunde gezielt behandelt. Laut dem unstreitigen Teil des Urteilstatbestandes des Landgerichts war dies erheblich schmerzhaft, eine Wassertherapie konnte wegen der Wunde nicht durchgeführt werden, das Sitzen auf dem Ergometer war nur unter großen Schmerzen auszuhalten, die allgemeine Krankengymnastik erwies sich wegen der Verbrennungswunde als schwierig und schmerzhaft.

Am 15.2.2010 wurde in der Klinik der Beklagten eine erneute Röntgenkontrolle durchgeführt. In dem Kurzbericht des Beklagten zu 1) vom 15.2.2010 wurde eine unveränderte Situation der Frakturstellung beschrieben. Hieran solle der Patient weitere 3 ½ Monate jegliche Belastung vermeiden.

Eine weitere Untersuchung ergab, dass das Implantat 2 cm in den Schaft hineingerutscht war.

Eine am 4.5.2010 durchgeführte MRT – Untersuchung des linken Knies zeitigte den Befund eines breiten Innenmeniskusrisses und einer zweitgradigen Chondropathie.

Die Fraktur des Oberschenkelknochens war inzwischen verheilt, der Stand der Hüfte indessen nicht zufriedenstellend; das linke Bein war verkürzt.

Der Kläger unterzog sich am 12.5.2010 einer Operation am linken Kniegelenk.

Er stellte sich am 19.5.2010 bei A, Klinik2, Stadt2, vor, der einen Prothesenwechsel empfahl. Auch B, Gelenkzentrum …, stellte eine Indikation für eine Revisionsoperation, die der Kläger am 22.6.2010 in der Klinik2 in Stadt2 durchführen ließ. Er war in der Zeit ab dem 22.6.2010 für die Dauer von 6 Wochen auf einen Rollstuhl angewiesen, denn er durfte das linke Bein nicht belasten.

Vom …8. bis zum …8. 2010 hielt er sich zur Anschlussheilbehandlung in der Rehaklinik 3, Stadt2, auf (Bericht vom 14.9.2010, Bl. 37 – 39 d. A.).

Am 27.8. und 8.12.2010 nach einer Anschlussheilbehandlung gefertigte Röntgenaufnahmen zeigten einen guten Heilungsverlauf nach durchgeführtem Prothesenwechsel. Der Kläger leidet seit der am 22.6.2010 durchgeführten Revisionsoperation nicht mehr unter Schmerzen in der linken Hüfte. Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts war die Verbrennung an der rechten Gesäßhälfte des Klägers Ende August 2010 verheilt, aber schmerzhaft bei Druckbelastung im Sitzen und Liegen.

Der Kläger hat ein ihm nach seiner Auffassung zustehendes Schmerzensgeld mit mindestens 25.000.- € beziffert.

Er hat behauptet:

Der Beklagte zu 1) habe die Verbrennungen an der rechten Gesäßhälfte intraoperativ durch unsachgemäßes Arbeiten mit dem Elektrokauter verursacht. Bei Beachtung der Sicherheitsvorschriften betr. die feuchtigkeitspräventive und isolierte Lagerung während der Operation sei das Auftreten von Verbrennungen ausgeschlossen.

Ein weiterer Behandlungsfehler liege darin, dass im Verlauf der am 13.1.2010 durchgeführten Operation die periprothetische Fraktur und auch der Meniskusschaden im linken Knie verursacht worden seien.

Darüber hinaus sei die Fraktur nicht standardgemäß behandelt worden. Um eine möglichst rasche Mobilisierung zu ermöglichen, sei eine operative Therapie angezeigt gewesen.

Die infolge der Verbrennung an seiner rechten Gesäßhälfte verbliebene Narbe sei weiterhin insbesondere beim Sitzen sehr schmerzempfindlich.

Im Hinblick auf die Schwere der Verletzungen sei mit Spätfolgen zu rechnen.

Die Parteien haben die in dem Urteil des Landgerichts wiedergegebenen Anträge gestellt.

Die Beklagten haben Behandlungsfehler in Abrede gestellt.

Der Kläger sei während der Operation ordnungsgemäß, nämlich so wie in dem „standardisierten Lagerungssystem“ vom 9.4.2008 dargestellt (Bl. 140 d. A.) gelagert gewesen. Die „sonstigen im Rahmen der Einweisung in das Gerät der Firma C erwähnten Kautelen“ seien „eingehalten“ worden. Auf die Vermeidung von Lücken in der Abdeckung sei geachtet, es seien zusätzliche Klebefolien und Tapes verwendet worden, um ein Ablaufen von Desinfektionsmittel oder Spüllösungen zu verhindern. Bei der Brandwunde handele es sich nicht um die Folge eines Behandlungsfehlers, sondern um eine bekannte Komplikation, eine schicksalhafte Verletzung durch Kontakt von Flüssigkeitsansammlungen und Kriechströmen, die bei jeder Operation auftreten könne. Auch bei Wahrung aller Sicherheitsvorkehrungen seien erhöhte Flüssigkeitsansammlungen, z. B. in Form von Urinabgang oder erhöhten Schweißabsonderungen, im Verlauf von Operationen nicht immer vermeidbar. Während des Eingriffs sei wegen der sterilen Abdeckung des Patienten eine Kontrolle nicht möglich.

Eine periprothetische Fraktur könne selbst bei noch so vorsichtigem Vorgehen, wie es bei dem Kläger beachtet worden sei, nicht immer zu 100% ausgeschlossen werden. Der Beklagte zu 1) habe sich intraoperativ für die Versorgung der Fraktur mit einer Titancerclage entschieden, um das Trauma möglichst gering zu halten und um anschließend durch Entlastung eine Konsolidierung der Fraktur herbeizuführen.

Es wäre medizinisch nicht vertretbar gewesen, am 15.2.2010 bereits einen Schaftwechsel vorzunehmen. Eine Konsolidierung der Fraktur sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu erwarten gewesen, die Stabilität der Prothese habe noch nicht endgültig beurteilt werden können. Wegen der zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeheilten Glutealläsion habe auch ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko bestanden.

Der Kläger habe bereits präoperativ an einer altersbedingten Meniskusdegeneration gelitten; ein kausaler Zusammenhang zwischen dem am 13.1.2010 durchgeführten Eingriff und dem Meniskusschaden sei zu verneinen.

Die Beklagten haben sich zur Höhe des geforderten Schmerzensgeldes eingelassen, dieses sei übersetzt.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen orthopädischen Sachverständigengutachtens des SV1 nebst mündlicher Erläuterung des Gutachtens.

Es hat dem Kläger durch Urteil vom 13.4.2012 ein Schmerzensgeld von 25.000.- € zuerkannt und dem Feststellungsbegehren entsprochen. Die weitergehende Klage auf Erstattung vorprozessualer Kosten ist abgewiesen worden.

Gegen dieses Urteil wenden die Beklagten sich mit ihrer Berufung.

Sie beanstanden:

Die Ausführungen des Sachverständigen ließen den Schluss, dass die Verbrennung im Gesäßbereich des Klägers auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen sei, nicht zu. Das Landgericht habe ihre Behauptungen zur Lagerung des Klägers auf dem Operationstisch und zur „Einweisung in den Elektrokauter“ einer Beweisaufnahme zuführen müssen. Die im Rahmen der Einweisung in das Gerät der Firma C erwähnten Anforderungen seien eingehalten worden. Eine Verbrennung im Zusammenhang mit einem operativen Eingriff sei nicht immer zu vermeiden.

Eine etwa fehlerhafte Bewertung der am 18.1.2010 gefertigten Röntgenbilder sei dem Bereich des Diagnoseirrtums zuzurechnen. Ein haftungsrechtlich relevanter Diagnosefehler sei indessen nur dann anzunehmen, wenn Krankheitserscheinungen in völlig unvertretbarer, der Schuldmedizin entgegenstehender Weise gedeutet würden.

Des Weiteren habe das Landgericht ohne Beweisaufnahme streitige Beschwerden des Klägers unterstellt; der ausgeurteilte Schmerzensgeldbetrag sei auch deshalb zu hoch. Auch sei der Hautdefekt nach den Feststellungen des Sachverständigen sehr viel früher abgeheilt gewesen als vom Landgericht angenommen mit der Folge, dass von weiteren Beschwerden im Bereich der Verbrennung nach der Revisionsoperation nicht auszugehen sei.

Die Beklagten beantragen, das angefochtene Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 13.4.2010, Az. 3 O 86/11, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Die intraoperative Verbrennung sei entweder durch fehlerhafte Bedienung des Gerätes oder durch eine fahrlässig entstandene Feuchtigkeitsbrücke verursacht worden. Dem Beklagten zu 1) sei ein intraoperativer Befunderhebungsfehler vorzuwerfen, denn er habe die Schaftsprengung nach ihrem Erkennen mittels Durchleuchtung kontrollieren müssen. Ein deutlicher und gravierender Befund wäre dann hinreichend wahrscheinlich gewesen; dessen Verkennung wäre als fundamental, eine Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft zu bewerten. Jedenfalls hätte aber auf der Grundlage der am 18.1.2010 durchgeführten Röntgenkontrolle eine Revisionsoperation vorgenommen werden müssen. Im Ergebnis habe er über mindestens 4 Monate einen schmerzhaften und nicht sachgerechten Zustand ertragen müssen. Die großflächige Verbrennung sei auch in der Zeit nach der Revisionsoperation, als er 6 Wochen im Rollstuhl habe verbringen müssen, erheblich schmerzhaft gewesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die erforderliche Abänderung zum Feststellungsausspruch ist nur redaktioneller Art und führt nicht zu einem teilweisen Unterliegen des Klägers.

A. Die Beklagte zu 2) ist verpflichtet, dem Kläger gemäß §§ 611, 280 Abs. 1, 278, 831 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1, 253, 421, 840 Abs. 1 BGB wegen fehlerhafter Heilbehandlung Schadensersatz zu leisten, während der Beklagte zu 1) nur aus Delikt haftet, §§ 823 Abs. 1, 249, 253, 840 Abs. 1 BGB.

a) Dem Beklagten zu 1) ist im Verlauf der am 13.1.2010 durchgeführten Implantation einer Totalendoprothese des linken Hüftgelenks des Klägers ein Behandlungsfehler unterlaufen, welcher eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten für daraus entstandene Schäden begründet.

aa) Es ist nicht zweifelhaft, dass in der Implantation einer Totalendoprothese des linken Hüftgelenks mit Schaftsprengung ein Eingriff in die körperliche Integrität des Klägers liegt.

Der Eingriff war indessen nicht behandlungsfehlerhaft. Das Landgericht hat auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen festgestellt, eine Schaft-sprengung sei ein der hier durchgeführten Operation immanentes Risiko. Diese Tatsachenfeststellung hat der Senat seiner Entscheidung nach § 529 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO zugrunde zu legen. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Es fehlt auch jeglicher Anhalt dafür, der Beklagte zu 1) habe dieses Risiko behandlungsfehlerhaft verwirklicht.

bb) Eine Gesundheitsverletzung des Klägers liegt des Weiteren darin, dass die von dem Sachverständigen als ausgedehnt bezeichnete periprothetische Fraktur in der Zeit vom 13.1.2010 bis zur Durchführung der Revisionsoperation am 22.6.2010 unbehandelt blieb.

1. Ein Grund hierfür liegt darin, dass der Beklagte zu 1) am 13.1.2010 intraoperativ das Ausmaß der Fraktur des Schaftes nicht erkannte, die nicht lediglich den Bereich des Trochanters major erfasste, sondern den gesamten proximalen Schaft. Die Fehlinterpretation als Schaftsprengung in Höhe des trochantären Absetzungsrandes ist ein Diagnosefehler. Der Kläger hat jedoch nicht bewiesen, dass diese Deutung des Beklagten zu 1) in der gegebenen Situation nicht vertretbar war. Zwar hat der Sachverständige SV1 in seinem schriftlich erstatteten Gutachten „beanstandet“, dass die Schaftsprengung intraoperativ nicht korrekt diagnostiziert worden sei. Diese „Beanstandung“ enthält aber nicht zugleich die Aussage, die Deutung sei nicht nur objektiv fehlerhaft, sondern auch vorwerfbar. Anlässlich der mündlichen Gutachtenerläuterung hat der Sachverständige ausgeführt, der Umstand, dass das Ausmaß der Fraktur intraoperativ nicht festgestellt worden sei, begründe keinen groben Behandlungsfehler. Diese Einschätzung impliziert, dass jedenfalls ein einfacher Behandlungsfehler zu bejahen sei. Aus den nachfolgend protokollierten Erläuterungen des Sachverständigen folgt jedoch, dass er die Bewertung des Nichterkennens des Umfangs der Fraktur als behandlungsfehlerhaft nicht auf eine Sichtprüfung ohne weitere Befunderhebung bezog, sondern darauf, dass zur Überprüfung der Diagnose einer biomechanisch stabilen proximalen Schaftsprengung im Sinne eines Trochanterabrisses während der Operation eine erforderliche Befunderhebung mittels Durchleuchtung nicht erfolgte.

2. Die von dem Sachverständigen als einfacher Behandlungsfehler bewertete, intraoperativ unterlassene Befunderhebung kann einen Verstoß gegen den am ärztlichen Sollstandard ausgerichteten Sorgfaltsmaßstab begründen. Der Sachverständige hat ausgeführt, da intraoperativ eine Komplikation aufgetreten sei, hätte eine Kontrolle mittels einer Durchleuchtung vorgenommen werden sollen.

Der Kläger hat indessen den ihm obliegenden Beweis nicht geführt, dass bei rechtzeitiger Befunderhebung im Sinne einer Durchleuchtung bereits am 13.1.2010 das Ausmaß der Fraktur festgestellt worden wäre. Der Sachverständige hat einen dahingehenden sicheren Schluss (vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl. 2009, Anm. B. 296) nicht bejaht, sondern ausgeführt, mit Wahrscheinlichkeit hätte der Umfang der Schaftsprengung mittels einer Durchleuchtung festgestellt werden können. Wahrscheinlichkeit genügt indessen für das Kausalitätsband zum Primärschaden nicht. Des Weiteren hat der Sachverständige ausgeführt, eine genauere Festlegung sei ihm hier nicht möglich. Aus seinen nachfolgend protokollierten Erwägungen, möglicherweise sei eine entsprechende Fraktur bei einer Durchleuchtung nicht so einfach zu erkennen, wenn noch keine Verschiebung stattgefunden habe, hier sei allerdings bereits bei der Operation eine Verschiebung zum Gelenk hin festgestellt worden, hat er keine abweichende Schlussfolgerung dahin gezogen, eine Durchleuchtung hätte mit hinreichender oder überwiegender Wahrscheinlichkeit das Ausmaß der Schaftsprengung gezeigt.

cc) Die im Verlauf der Operation am 13.1.2010 aufgetretene Verbrennung an der rechten Gesäßhälfte des Klägers ist jedoch behandlungsfehlerhaft herbeigeführt worden.

1. Der Kläger, der beim Einsatz eines Hochfrequenzchirurgiegeräts (Elektrokauter) eine großflächige Verbrennung erlitten hat, hat nicht bewiesen, dass diese Verletzung durch einen schuldhaften Behandlungsfehler verursacht wurde. Der Sachverständige SV1 hat in seinem schriftlich erstatteten Gutachten ausgeführt, mit hoher Wahrscheinlichkeit sei bei der Benutzung des Elektrokauters Strom in die rechte Gesäßhälfte des Klägers geleitet worden. Dies geschehe nur dann, wenn in diesem Bereich Feuchtigkeit vorliege, wobei mit hoher Wahrscheinlichkeit als Ursache solcher Feuchtigkeitsansammlungen Desinfektionsmittel oder intraoperative Spülungen in Betracht kämen. (GA. S. 14). Anlässlich der mündlichen Gutachtenerläuterung hat er sich zur Vermeidbarkeit der Verletzung des Klägers geäußert. Schlussfolgerungen hinsichtlich eines Verstoßes gegen den ärztlichen Soll-Standard ergeben sich hieraus nicht.

2. Ein schuldhafter Behandlungsfehler ist nicht nach den Grundsätzen des voll beherrschbaren Risikos zu vermuten. Der Kläger hat auch nicht bewiesen, dass sich sein Gesundheitsschaden in einem Bereich ereignete, der von dem Klinikpersonal voll beherrscht werden konnte und musste, dass z. B der bei der Operation eingesetzte Elektrokauter mangelhaft war und/oder dass der Primärschaden in dem Risikobereich der Lagerung auf dem Operationstisch gesetzt wurde.

3. Zu Gunsten des Klägers greift jedoch der Beweis des ersten Anscheins.

Er hat im Verlauf der Operation am 13.1.2010 infolge des Einsatzes des Elektrokauters Verbrennungen an der rechten Gesäßhälfte erlitten. Dies ist unstreitig. Dieser Tatbestand weist nach der Lebenserfahrung auf einen fehlerhaften Einsatz des Gerätes hin (vgl. BGH, VersR 1955, 573, 574; OLG Saarbrücken, VersR 1991, 1289, 1290; OLG Zweibrücken, VersR, 1997, 1281, 1282).

Dem BGH war bereits im Jahre 1955 ein Sachverhalt unterbreitet, in dem gut-achterlich festgestellt worden war, dass bei vorschriftsmäßiger Bedienung eines Thermokauters Verbrennungen nicht auftreten können (BGH, a. a. O.). Zu verweisen ist des Weiteren auf den in MedR 2009, 83 – 85, abgedruckten Aufsatz von Riedel, Die Haftung für Verbrennungen bei Anwendung von Elektro – Chirurgie – Geräten; auf diesen Aufsatz hat sich der Kläger schriftsätzlich bezogen. Der Autor setzt sich hier u. a. mit den medizinisch – physikalischen Grundlagen der Hochfrequenzchirurgie auseinander und gelangt zu dem Ergebnis, bei ordnungsgemäßer Anwendung eines Elektrokauters unter Beachtung der bestehenden Vorschriften sei das Auftreten von Verbrennungen nahezu ausgeschlossen. Damit übereinstimmend führt auch der Sachverständige SV1 in seinem schriftlichen Gutachten (GA S. 19) aus, eine Verbrennung bei dem Einsatz eines Elektrokauters sei, nicht wie von den Beklagten behauptet, eine häufig vorkommende und typische Komplikation einer Hüftgelenkoperation, sondern eine außergewöhnliche Komplikation. Dies hat er anlässlich der Gutachtenerläuterung dahin bestätigt, dass eine solche Komplikation nur sehr selten auftrete.

Die Beklagten haben keinen Sachverhalt dargetan, aus dem die ernsthafte Möglichkeit eines von ihnen nicht verschuldeten Geschehensablaufs herzuleiten ist.

Zwar kann eine Verbrennung als Folge unerwünschter Stromableitung auch durch körpereigene Feuchtigkeitsansammlungen entstehen. Eine solche Konstellation würde schon nicht notwendig auf eine Ursache außerhalb des Verantwortungsbereichs der Beklagten hinweisen, denn Feuchtigkeit, beispielsweise durch Urineinnässen oder starkes Schwitzen, welche sich üblicherweise an dem unteren Körperteil ansammelt (GA S. 13, 14), kann durch feuchtigkeitspräventive Einlage von Zellstoffzwischenlagen begegnet werden (Riedel, a. a. O., S. 83). Jedenfalls liegen aber keine Anhaltspunkte für eine Ansammlung körpereigener Flüssigkeit des Klägers als Ursache seiner Verbrennungen vor. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei einer knapp über 2 Stunden dauernden Operation – wie hier vorliegend – sei es unwahrscheinlich, dass der Patient beispielsweise durch Urineinnässen oder starkes Schwitzen selbst einen Feuchtigkeitsfilm bilde (GA S. 14).

Ferner weist eine Lagerung so, wie in dem „standardisierten Lagerungssystem“ vom 9.4.2008 (Bl. 140 d. A.) dargestellt, nicht auf die ernsthafte Möglichkeit hin, dass die Verbrennung des Klägers nicht durch einen Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Anwendung des Hochfrequenz – Chirurgie – Geräts verschuldet wurde. Dieses Schema lässt nicht einmal den Schluss zu, dass der Patient isoliert von allen Metallteilen und leitfähigen Schläuchen auf dem Operationstisch gelagert wird.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht von einer Beweisaufnahme über die weitere Einlassung der Beklagten, die „sonstigen im Rahmen der Einweisung in das Gerät der Firma C erwähnten Kautelen“ seien eingehalten worden, abgesehen. Dieses unter Bezug auf eine zwei DIN A 4 – Seiten umfassende Gebrauchsanweisung der Herstellerin des Gerätes (Bl. 138, 139 d. A.) erfolgte Vorbringen ist substanzlos und nicht einlassungsfähig.

b) Ein Verstoß gegen den ärztlichen Soll-Standard liegt ferner darin, dass die nach den Feststellungen des Sachverständigen vorliegende Typ III- Fraktur mit kompletter Schaftsprengung in der Zeit ab dem 18.1.2010 bis zur Durchführung der Revisions-operation am 22.6.2010 unbehandelt blieb.

Das Landgericht ist sachverständig beraten zu dem Ergebnis gelangt, auf den Röntgenbildern vom 18.1.2010 sei die komplette Schaftsprengung zu erkennen gewesen. Nach § 529 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO hat der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung diese vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellte Tatsache zugrunde zu legen. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung ergeben sich nicht daraus, dass der Beklagte zu 1) die Erkennbarkeit der kompletten Schaftsprengung auf den am 18.1.2010 gefertigten Röntgenbildern weiterhin bestreitet. Es handelt sich um einen Diagnosefehler, nämlich um eine vorwerfbar fehlerhafte Deutung, denn der Sachverständige hat dargelegt, die komplette Schaftsprengung im Sinne einer periprothetischen Fraktur sei auf der Röntgenaufnahme vom 18.1.2010 bereits unzweifelhaft erkennbar (GA S. 14).

Die Einlassung der Beklagten im zweiten Rechtszug, ein haftungsrechtlich relevanter Diagnosefehler sei nur anzunehmen, wenn Krankheitserscheinungen in völlig unvertretbarer, der Schulmedizin entgegenstehender Weise gedeutet würden, ist unerheblich. Es ist nicht nachvollziehbar, dass das Nichterkennen einer unzweifelhaft erkennbaren Fraktur vertretbar sein und der Schulmedizin nicht entgegenstehen könnte.

Auf dieser Grundlage war ein Zuwarten nicht sachgerecht, eine Revisionsoperation angezeigt (GA S. 14; Prot. vom 23.3.2012, S, 3), denn die komplette Schaft-sprengung stellte eine für die Prothese instabile Situation dar (GA. S. 18).

c) Ein weiterer vorwerfbarer Diagnosefehler liegt darin, dass die am 15.2.2010 vorliegende Situation anhand der Röntgenbilder verkannt wurde. Der Sachverständige SV1 hat ausgeführt, nunmehr habe erwartungsgemäß ein deutliches Einsinken des Schaftes mit Beinverkürzung, Fehlrotation und Impingement vorgelegen, eine Schaftlockerung sei eindeutig nachweisbar gewesen (GA. S. 15, 17). Dem Operateur habe spätestens zu diesem Zeitpunkt bewusst werden müssen, dass hier eine komplette Schaftsprengung vorgelegen habe, worauf mit einer 3 ½ monatigen Entlastung zu reagieren fehlerhaft gewesen sei (GA. S. 17).

Auch diesen Darlegungen sind die Beklagten in der Berufung nicht konkret entgegengetreten. Ihre abstrakte Einlassung zur Vorwerfbarkeit von Diagnosefehlern lässt nicht den Schluss zu, es sei vertretbar gewesen und stehe in Einklang mit der Schulmedizin, eindeutig nachweisbare Anzeichen einer kompletten Schaftsprengung zu verkennen.

d) Der Kläger kann wegen der dargestellten Körper- und Gesundheitsverletzungen nach § 253 Abs. 2 BGB Ersatz seines immateriellen Schadens fordern. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass ein dem Kläger zuzuerkennendes Schmerzensgeld mit 25.000.-€ zu bemessen ist. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der in Schmerzensgeldtabellen zusammengestellten Rechtsprechung (vgl. z. B. OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.11.1996, 8 U 166/95, juris, VersR 1998, 55 ff; OLG Naumburg, VersR 2008, 415; OLG Saarbrücken, VersR 1991, 1289 ff). Diese Tabellen bieten eine Orientierungshilfe, entbinden aber nicht von einer eigenständigen Würdigung des konkreten Falles.

Einzubeziehen sind eine etwa 4 – 5 Monate unbehandelt gebliebene instabile Schaftsprengung mit eingesunkenem Schaft, Beinverkürzung, Impingement sowie die großflächige Verbrennung an der rechten Gesäßhälfte des Klägers. Aus dieser Verletzung resultierende Schmerzen und Beeinträchtigungen sind von ihm erstinstanzlich dahin vorgetragen worden, dass er postoperativ unter starken Schmerzen an der rechten Gesäßhälfte gelitten habe, dass er während des Aufenthalts in der Rehabilitationsklinik1 wegen von der großflächigen offenen Wunde ausgehender erheblicher Schmerzen an der Wassertherapie und auch an allgemeiner Krankengymnastik nur eingeschränkt habe teilnehmen können, dass die Brandwunde erst Ende August 2010 abgeheilt, aber vernarbt gewesen sei und weiterhin schmerzhaft bei Druckbelastung im Sitzen und im Liegen. Der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils beweist, dass die genannten Beschwerden und Beeinträchtigungen im ersten Rechtszug unstreitig waren; sie sind dort als unstreitig dargestellt. Die Beklagten haben keinen Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320 ZPO gestellt mit der Folge, dass ihr Bestreiten im zweiten Rechtszug neu und nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist, die nicht vorgetragen worden sind.

Zu gegenwärtig noch andauernden Beeinträchtigungen aufgrund der verbliebenen Vernarbung ist der Kläger informatorisch angehört worden. Er hat glaubhaft geschildert, dass die Verletzungsfolgen im Alltag für ihn noch immer schmerzlich spürbar sind.

Auf der Grundlage einer Abheilung der Brandwunde erst Ende August 2010 und weiter gegebener Druck- und Belastungsschmerzen war bei der Schmerzens-geldbemessung auch zu berücksichtigen, dass der Kläger nach der am 22.6.2010 durchgeführten Revisionsoperation über eine Dauer von 6 Wochen auf einen Rollstuhl angewiesen war, was im Hinblick auf die noch nicht abgeheilte Brandwunde mit zusätzlichen Schmerzen verbunden war.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass mehrere schuldhafte Behandlungsfehler ein höheres Schmerzensgeld rechtfertigen, ferner auch das Regulierungsverhalten der Beklagten im Zusammenhang mit der dem Kläger zugefügten Verbrennung. Ihre nach der Einschätzung des Senats wider besseres Wissen aufgestellte Behauptung, es handele sich bei der Brandwunde um eine bekannte Komplikation, eine schicksalhafte Verletzung, die bei jeder Operation auftreten könne, bezweckt, eine Regulierung hinauszuzögern. Ferner folgt schon aus der Lebenserfahrung, dass eine großflächige und tiefgehende Verbrennung, wie sie der Kläger ausweislich der Lichtbilder erlitten hat, und deren Abheilung mit erheblichen Schmerzen verbunden ist, so dass das Bestreiten der Beklagten von daher kaum verständlich ist.

e) Der Antrag auf Feststellung ist zulässig und begründet. Redaktionelle Änderungen der hinsichtlich des haftungsbegründenden Tatbestandes zu weiten Fassung des Antrags und des Urteilstenors führen nicht zu einer Teilabweisung.

Haftungsbegründend ist nicht die Operation vom 13.1.2010 an sich, sondern die dem Kläger im Verlauf dieser Operation am 13.1.2010 infolge des Einsatzes des Elektro-kauters zugefügte Verbrennung an der rechten Gesäßhälfte, des Weiteren die Verkennung einer auf den Röntgenbildern vom 18.1. und 15.2.2010 erkennbaren Typ III- Fraktur mit kompletter Schaftsprengung im Sinne einer periprothetischen Fraktur.

aa) Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben.

Ein materieller Schaden war zur Zeit der Klageerhebung noch in der Entwicklung, so dass die Feststellungsklage insgesamt zulässig ist. Künftige Schadensfolgen sind möglich; der Kläger hat anlässlich seiner informatorischen Anhörung glaubhaft geschildert, dass er auch heute noch unter Schmerzen/Beschwerden im Bereich der nach der Verbrennung verbliebenen Vernarbung leidet.

Des Weiteren sind Verletzungsfolgen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz noch nicht eingetreten waren und deren Eintritt objektiv nicht vorhersehbar war, von dem uneingeschränkten Schmerzensgeldbegehren nicht umfasst.

bb) Der in zulässiger Weise gestellte Feststellungsantrag ist begründet. Die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs liegen vor; die Beklagten haben haftungsrechtlich relevant in ein deliktsrechtlich absolut geschütztes Rechtsgut des Klägers eingegriffen, was zu für die Zukunft befürchteten Schäden führen kann.

B. Die Kosten des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen den Beklagten nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die gesetzlichen Zulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Die Wertfestsetzung beruht auf dem von dem Kläger geforderten Mindestbetrag eines Schmerzensgeldes und auf der Bemessung des Feststellungsantrages mit 5.000.- €.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Medizinrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Medizinrecht und Arzthaftungsrecht.  Gerne beraten und vertreten wir Sie in medizinrechtlichen Angelegenheiten.

Rechtsanwälte Kotz Medizinrecht - Kreuztal

Urteile und Rechtstipps aus dem Medizinrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!