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Darmoperation – Abgrenzung einfacher / grober Behandlungsfehler

OLG Koblenz – Az.: 5 U 321/12 – Beschluss vom 09.10.2012

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 15.02.2012, Aktenzeichen 10 O 19/10, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Koblenz ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 140.458,71 €.

Gründe

A. Seine Ankündigung, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen hat der Senat wie folgt erläutert:

„I. Der Kläger begehrt von der Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie die Feststellung der künftigen Ersatzpflicht wegen einer behaupteten fehlerhaften ärztlichen Aufklärung und Behandlung vor und nach einer Sigmaresektion vom 25.10.2007.

Der Kläger wirft der Beklagten vor, ihn ohne hinreichende Aufklärung operiert zu haben. Die Operation sei fehlerhaft ausgeführt und die sachgemäße Nachbehandlung in schlechterdings unverständlicher Weise unterlassen worden. Trotz alarmierender Laborbefunde (CRP-Wert 311) vom 27.10.2007 seien am 28.10.2007 keine klinischen Untersuchungen und Nachkontrollen der Laborwerte erfolgt. Der erst am 29.10.2007 erfolgte Revisionseingriff sei deshalb verspätet eingeleitet worden und habe zu erheblichen gesundheitlichen Schädigungen geführt.

Darmoperation - Abgrenzung einfacher / grober Behandlungsfehler
Symbolfoto: Von Casa nayafana /Shutterstock.com

Das sachverständig beratene Landgericht hat nach der Vernehmung von Zeugen und der Anhörung des Klägers die Klage abgewiesen. Der Kläger sei ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Dabei seien ihm insbesondere auch die Risiken der Operation vor Augen geführt worden. Die Operation am 25.07.2007 sei fehlerfrei erfolgt. Bis zum 27.10.2007 sei die Nachbehandlung nicht zu beanstanden gewesen. Für den 28.10.2007 sei zwar ein Befunderhebungsfehler festzustellen, weil die Beklagte keine klinische Untersuchung durchgeführt habe. Der Kläger habe aber nicht nachgewiesen, dass eine Untersuchung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einem reaktionspflichtigen Befund geführt hätte. Die unterlassene Untersuchung stelle auch für sich genommen kein grob fehlerhaftes ärztliches Verhalten dar, so dass dem Kläger keine Beweiserleichterungen zur Seite stünden. Die weiteren Eingriffe seien fehlerfrei erfolgt. Wegen der Begründung und der Klageanträge im Einzelnen wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Das Ergebnis der Beweisaufnahme habe eindeutig einen Aufklärungsmangel gezeigt. Eine Auseinandersetzung mit den dem gerichtlichen Gutachten widersprechenden außergerichtlichen Gutachten fehle. Insbesondere sei die Behauptung nicht nachvollziehbar, der CRP-Wert von 311 am 27.10.2005 habe keine weitergehende Befunderhebung erfordert. Die unterlassenen Nachuntersuchungen seien als grobe Behandlungsfehler zu werten.

Der Kläger beantragt, unter Änderung des angefochtenen Urteils,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 54.821,43 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.10.2010 (Rechtshängigkeit) zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 50.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.10.2010 (Rechtshängigkeit) zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vierteljährlich im Voraus eine Haushaltsführungsschadensrente von 1.062,72 EUR beginnend ab dem 01.01.2010 und zahlbar jeweils zum 5. Werktag des Beginns eines Kalendervierteljahres nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, verzinslich ab Fälligkeit zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vierteljährlich im Voraus eine Mehrbedarfsrente von 547,86 EUR beginnend ab dem 26.11.2009 und zahlbar jeweils zum 5. Werktag des Beginns eines Kalendervierteljahres bis zum 26.11.2011, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, verzinslich ab Fälligkeit zu zahlen;

5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, die ihm in Folge der fehlerhaften Behandlung ab dem 25.10.2007 entstanden sind oder noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden;

6. festzustellen, dass die Beklagte weiter verpflichtet ist, fällig werdende Steuern wegen des mit diesem Urteil zuerkannten Verdienstausfalles an die zuständige Finanzbehörde zu zahlen;

7. die Beklagte zu verurteilen, ihn von Gebührenansprüchen seiner Prozessbevollmächtigten gemäß der Honorarrechnung vom 07.01.2010 in Höhe eines Betrages von 3.796,10 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beweis für die ordnungsgemäße Aufklärung sei nach Maßgabe der von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen geführt. Im Übrigen sei der Einwand der mutmaßlichen Einwilligung beachtlich. Der CRP-Wert habe keine Veranlassung für eine weitergehende Befunderhebung gegeben. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie den erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung des Landgerichts sowie die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II. Der Senat ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand einstimmig der Überzeugung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 ZPO erfordern keine Entscheidung durch Urteil nach mündlicher Verhandlung. Eine solche ist auch nicht nach § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO geboten. Von ihr sind keine neuen Erkenntnisse zu erwarten. Der Kläger hat keine Gründe aufgezeigt hat, die eine mündliche Verhandlung ansonsten geboten erscheinen lassen.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen. Die dagegen erhobenen Angriffe der Berufung, die sich auf die behaupteten Aufklärungsmängel sowie die unterlassene Laborwertbestimmung und klinische Untersuchung am 28.10.2007 beschränken, überzeugen den Senat nicht. Hierzu Folgendes:

1. Aufklärungsrüge:

Mit seiner Aufklärungsrüge versucht der Kläger seine Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des Landgerichtes zu setzen. Damit hat er keinen Erfolg. Mängel in der Beweiswürdigung, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der festgestellten entscheidungserheblichen Tatsachen begründen könnten, sind mit der Berufung weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich. Das Berufungsgericht hat die Darlegungen des erstinstanzlichen Gerichts zu seiner Überzeugungsbildung nur daraufhin zu überprüfen, ob es alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstoßen hat (BGH NJW 2004, 1876; BGH NJW 1987, 1557; BGH NJW 1999, 3481). Daran gemessen, begegnet die Beweiswürdigung des Landgerichts keinen Bedenken.

Mit dem Landgericht hat der Senat keinen Zweifel daran, dass ein Aufklärungsgespräch stattgefunden hat. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass der Aufklärungsbogen einerseits die Unterschrift des Klägers, andererseits die handschriftlichen Anmerkungen des aufklärenden Arztes trägt. Gerade letzteres ergibt nur im Zusammenhang mit einem tatsächlich durchgeführten Aufklärungsgespräch Sinn. Diesen Umstand blendet die Berufungsbegründung aus und vermochte ihn auch nicht zu erklären. Ausgehend hiervon entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass sich ein aufklärender Arzt auf seine geübte ärztliche Routine berufen kann. Dass der Zeuge hiervon im konkreten Fall abgewichen ist, ist nicht ersichtlich.

Der Senat hat keine Bedenken, der Aussage des Zeugen mehr Glauben zu schenken als den Angaben des Klägers. Der Kläger konnte sich nach seinen Angaben an die Umstände vor seiner Operation genau erinnern, war dann aber gleichwohl nicht in der Lage zu bekunden, ob sich die handschriftlichen Eintragungen bereits auf dem Aufklärungsbogen befanden, bevor er diesen erhielt. Er wusste auch weder von wem der Aufklärungsbogen wieder abgeholt noch ob er ihm von dem Zeugen H. überreicht wurde. Bei welchen Untersuchungen er gewesen sein will, die eine Aufklärung gehindert hätten, wurde nicht näher dargelegt. Der Kläger behauptet schlicht, dass ein Aufklärungsgespräch nicht stattgefunden habe. Nachvollziehbare Tatsachen für diesen der von ihm unterzeichneten Urkunde widersprechenden Umstand trägt er nicht vor. Demgegenüber entspricht die Durchführung eines Aufklärungsgespräches geübter Praxis. Dass keinerlei Aufklärungsgespräch stattgefunden haben soll, ist außerordentlich ungewöhnlich. Der Zeuge hat bekundet, dass die Führung von Aufklärungsgesprächen zu seinen Aufgaben gehörte. Umstände, die im konkreten Einzelfall nachvollziehbar erscheinen lassen, warum davon abgesehen worden sein sollte, sind nicht ersichtlich. Die handschriftlichen Anmerkungen auf dem Aufklärungsbogen stellen letztlich ein überzeugendes und tragendes Indiz dafür dar, dass das Gespräch stattgefunden hat.

2. Der Kläger wirft dem Landgericht vor, die Privatgutachten nicht hinreichend berücksichtigt zu haben. Dabei stellt die Berufungsbegründung allein auf den Umstand ab, dass der behandelnde Arzt auf den CRP-Wert von 311 sofort habe reagieren müssen und die Nichtreaktion als grober Behandlungsfehler zu werten sei. Der Senat vermag dem nicht zu folgen. Der Kläger übersieht, dass das Landgericht aufgrund der defizitären Überwachung des Klägers am 28.10.2007 von einem Behandlungsfehler ausgeht. Das allein genügt aber nicht, um den Anspruch auf materiellen und immateriellen Schadensersatz zu begründen.

Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat, anders als die Berufung Glauben machen möchte, nicht behauptet, der CRP-Wert von 311 erfordere generell keine weitere Befunderhebung und sei irrelevant. Hiervon ist auch das Landgericht nicht ausgegangen. Vielmehr hat der Sachverständige Prof. Dr. L. das Zusammenspiel mehrerer Umstände und Feststellungen für das weitere Vorgehen hervorgehoben. Der festgestellte CRP-Wert ist dabei nur ein zu berücksichtigender Umstand. In der unterlassenen klinischen Untersuchung, als Ausgangspunkt für eine weitere Bestimmung von Laborwerten hat er dementsprechend nach den Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht einen Behandlungsfehler gesehen.

Der CRP-Wert von 311 wurde am 27.10.2005 festgestellt. Nach Ansicht der Privatgutachter handelte es sich um einen pathologischen Wert, der unbedingt kontrolliert werden musste. Diese Kontrolle ist mit der klinischen Untersuchung am 27.10.2005 erfolgt und vor dem Hintergrund der fehlenden klinischen Untersuchung am 28.10.2005 als (einfacher) Behandlungsfehler vom Landgericht qualifiziert worden. Die verschiedenen Gutachter stimmen in diesem entscheidenden Punkt also überein. Dass am 28.10.2005 zumindest eine weitere klinische Untersuchung veranlasst war, konnte mit den Privatgutachtern unterstellt werden. Es bedurfte deshalb für die Feststellung eines (einfachen) Behandlungsfehlers keiner vertiefenden Auseinandersetzung mit den Privatgutachten.

Dass sich aus einer weiteren Befunderhebung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiger Befund ergeben hätte, wird mit der Berufungsbegründung nicht (mehr) behauptet. Das liegt angesichts des Umstandes, dass der Röntgenbefund im Laufe des 29.10.2007 unauffällig war und die Fibrinbeläge bei der Operation vom 29.10.2007 leicht abstreifbar waren, auch nicht nahe. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat aufgezeigt, dass die Fibrinbeläge problemlos von der Darmserosa abstreifbar waren und dass dies dafür spricht, dass die Perforation noch nicht lange bestanden hatte, mithin erst am 29.10.2007 aufgetreten ist. Allein die Möglichkeit, dass es auch anders gewesen sein könnte, begründet keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die abweichende Behauptung des Klägers. Die Privatgutachten zeigen keine andere Tatsachenlage auf.

Abgestellt wird von der Berufungsbegründung deshalb auch allein darauf, dass es sich bei der unterlassenen Laborwertbestimmung und klinischen Untersuchung am 28.10.2007 um einen groben Behandlungsfehler gehandelt habe. Dass das Landgericht mit dem gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht von einem groben Behandlungsfehler ausgeht, ist indes nicht zu beanstanden. Ein grober Behandlungsfehler setzt ein Fehlverhalten des Arztes voraus, dass eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstößt. Er muss einen Fehler begangen haben, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (BGH VersR NJW 1995, 778; BGH VersR 1983, 729; BGH VersR 1986, 366, 367; BGH VersR 1992, 238).

Die Behauptung in der medizinischen Stellungnahme des Dr. B., dass die Nichterhebung von Befunden über zumindest einen kompletten Behandlungstag (28.10.2007) als ein schlechterdings nicht nachvollziehbares Versäumnis zu werten sei, entspricht nicht den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung, denen der Senat folgt. Es wird nicht dargelegt, woraus sich die ärztlichen Behandlungsregeln ergeben und gegen welche gesicherten medizinischen Erkenntnisse verstoßen sein soll. Dass die von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen herausgearbeiteten Aspekte die Entscheidung der Behandlungsseite, am 28.10.2007 keine klinische Untersuchung sicherzustellen, zwar als fehlerhafte Nachbehandlung zu werten sind, aber nicht schlechterdings unverständlich erscheinen, wird nicht problematisiert. Der MDK – Gutachter sieht demgegenüber – wie nicht selten bei Stellungnahmen des MDK – allein die belastenden, nicht aber die entlastenden Umstände bei der Unterscheidung zwischen einem einfachen und einem groben Behandlungsfehler. Das Gutachten von Dr. D. leidet schon an dem Umstand, dass ihm wesentliche Unterlagen, insbesondere auch die Pflegedokumentation nicht vorlagen. Die Einschätzung, dass ein „grober ärztlicher Behandlungsfehler bzw. Sorgfaltsmangel“ vorliege, lässt sich schon nicht allein der beanstandeten Nichtreaktion auf den CRP-Wert zuordnen. Vielmehr wird dieses Urteil wohl auf eine Gesamtschau der – teilweise nur vermuteten – Behandlungsfehler gestützt. Eine Abgrenzung zwischen einem einfachen ärztlichen Fehler und einem groben Behandlungsfehler im vorbezeichneten Sinne fehlt auch hier. Insbesondere nennt Dr. D. – anders als von der Berufung behauptet – weder eine Leitlinie oder Richtlinie, aus der sich ergibt, ob und in welcher Weise zwingend auf einen CRP-Wert von 311 zu reagieren ist. Es fehlt also an der Darstellung der „bewährten elementaren Behandlungsregeln“, aus der sich das Erfordernis einer zwingenden Nachkontrolle eines CRP – Wertes von 311 ergeben soll. Die im Literaturverzeichnis einzig zitierte Leitlinie wird nur im Zusammenhang mit den Untersuchungen nach dem invasiven Eingriff vom 29.10.2007 herangezogen. Auch werden keine Literaturstellen angegeben, die eine weitergehende Befunderhebung – in welcher Form auch immer – als Reaktion auf den CRP-Wert von 311 als zwingenden ärztlichen Standard aufgrund „gesicherter grundlegender Erkenntnisse der Medizin“ ansehen. Es lässt sich den Privatgutachten nicht entnehmen, dass sie nach Maßgabe der höchstrichterlichen Definition des groben Behandlungsfehlers erstattet wurden.

In der ergänzenden ärztlichen Stellungnahme vom 30.09.2011 sprechen Prof. K. und Dr. D. widersprüchlich zunächst nur noch von einem „klaren Behandlungsfehler“, den CRP-Wert nicht weiter kontrolliert zu haben. Später dann wieder von einem groben medizinischen Fehler. Eine Begründung anhand der Kriterien der höchstrichterlichen Rechtsprechung erfolgt in beiden Fällen nicht.

Von den vom gerichtlich bestellten Sachverständigen in der mündlichen Erläuterung seiner schriftlichen Stellungnahmen angeführten Umständen, die gegen eine Überbewertung des CRP-Wertes sprachen, berücksichtigen die Privatgutachter nur den Aspekt, dass der CRP-Wert bereits operationsbedingt ansteigt. Dabei hatte Prof. H. auch darauf hingewiesen, dass ein solcher Wert nicht regelmäßig, aber gelegentlich zu beobachten ist, ohne dass die Privatgutachter dem widersprochen haben. Die weiteren Umstände des Einzelfalles – aus der ex – ante – und nicht der ex-post-Sicht – bleiben unberücksichtigt. Dass die Operation an sich Schmerzen verursacht und auch verschiedene Schmerzquellen in Betracht kommen, auf die Patienten unterschiedlich reagieren und diese in unterschiedlicher Intensität empfinden, bleibt ebenso unberücksichtigt, wie der Umstand, dass ein druckschmerzhaftes Abdomen nicht behauptet wird. Erst ab dem 29.10.2007 ist hier ein diffuser Druckschmerz beschrieben. Unter der Bewegung hatte sich der Zustand des Klägers zwischenzeitlich gebessert. Für den 27.10.2007 ist weiter dokumentiert, dass der Bauch weich erschien und die am 26.10. 2007 geklagten Bauschmerzen vollständig abgeklungen waren. Es gab also auch Indizien für einen unproblematischen Verlauf, die den CRP-Wert relativierten und dessen Absinken erwarten ließen. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der fallenden Leukozyten. Auf eine ärztliche Untersuchung hat der Kläger am 27. und 28. 10. 2007 nicht gedrungen, was bei „unerträglichen Schmerzen“ jedoch zu erwarten gewesen wäre. Dass am 28.10.2007 eine hinreichende Mobilität gegeben war, bestreitet er nicht. Der Schmerzmittelbedarf des Klägers hatte die Stufe II nicht überschritten, was gegen „unerträgliche Schmerzen“ spricht. Die Blutdruck- und Herzfrequenzwerte waren ab dem 27.10. normal und auch am 28.10. unverändert. Der Schockindex aus Körpertemperatur, Blutdruck und Frequenz indizierte keinen Handlungsbedarf. Auch wird nicht gesehen, dass der CRP-Wert „nachlaufend“ ist, d.h. schon vor dem 27.10. die Perforation vorgelegen haben müsste. Das behauptet aber nicht einmal der Kläger. Die bereits genannten Indikatoren sprechen eindeutig dagegen. Den Widerspruch zu dem dokumentierten klinischen Bild, erklären die Privatgutachten nicht. Auch die Berufung schließt diese Argumentationslücke nicht.

Vor diesem Hintergrund sieht der Senat keinen Anlass für eine weitere Begutachtung. Die Voraussetzungen des § 412 ZPO sind nicht gegeben. Die fachliche Qualifikation und Erfahrung des Sachverständigen stehen außer Frage. Die zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen hat der Sachverständige ausgeschöpft. Die einschlägige Literatur ist von ihm berücksichtigt worden. Be- oder Entlastungseifer hat der Sachverständige nicht gezeigt. Vielmehr hat er seine erste Auffassung, dass kein Behandlungsfehler vorliegt, später revidiert, dabei seine Einschätzung, dass aber kein grober Behandlungsfehler vorliegt, bekräftigt. Er hat sich, insbesondere in seinem Ergänzungsgutachten, ausführlich mit den Privatgutachten auseinandergesetzt. Dass ein anderer Sachverständiger über weiterführende Erkenntnisse verfügt, liegt fern und ist von der Berufung auch nicht dargetan. Allein der Umstand ärztlicher Kontroversen, die nahezu alle Arzthaftungsprozesse prägen, erfordert keine erneute Begutachtung.

Mit dem gerichtlichen Sachverständigen, der die Behandlungsunterlagen vollständig ausgewertet und seine Schlussfolgerungen nachvollziehbar und überzeugend dargestellt hat, ist der Senat überzeugt, dass zwar ein Behandlungsfehler vorliegt, der aber nicht im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung als grober Behandlungsfehler zu qualifizieren ist.

Damit obliegt dem Kläger der Nachweis (§ 286 ZPO), dass die am 27.10.2007 unterlassenen Untersuchungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einem anderen Verlauf geführt hätten. Diesen Beweis hat der Kläger nicht geführt. Das behauptet die Berufung auch nicht, so dass der Senat auf die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichtes verweisen kann.“

B. Daran ist festzuhalten. Nach weiterhin einstimmiger Auffassung des Senats hat das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg; auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO sind gegeben.

Was der Kläger dagegen im Schriftsatz vom 04.10.2012 vorbringt, ermöglicht keine andere Sicht der Dinge.

Mit dem erstmals in der ergänzenden Stellungnahme und außerhalb der Berufungsbegründungsfrist erhobenen Einwand, die Qualifikation des aufklärenden Arztes sei durch das Landgericht nicht hinterfragt worden, kann der Kläger nicht mehr gehört werden, §§ 529, 531, 520 ZPO. Es bedarf deshalb keiner näheren Ausführungen, dass der Einwand in der Sache ohne Substanz ist.

Dem Landgericht ist auch kein Verfahrensfehler vorzuwerfen, weil es den vorgenannten Einwand nicht von Amts wegen erkannt und verfolgt hat. Der im Schriftsatz vom 04.10.2012 nun vorgetragene, aus den Krankenunterlagen ersichtliche Sachverhalt, gab keinen Anlass diese Frage aufzuwerfen. Auch er Kläger benennt außer dem – sicher nicht maßgeblichen – Alter des aufklärenden Arztes dafür keine tragfähigen Gründe. Warum das Landgericht diesen Aspekt als Ansatz für eine fehlerhafte Aufklärung hätte erkennen müssen, ist nicht dargetan. Auch dem anwaltlich beratenen Kläger war dieser Umstand in erster Instanz keine Nachfrage wert. Die zitierten Entscheidungen sind allesamt nicht einschlägig.

Es liegt zur Überzeugung des Senates auch im Lichte der ergänzenden Stellungnahme kein grober Behandlungsfehler vor. Es ist eben gerade kein „zweifelsfrei gebotener Befund“ nicht erhoben worden. Dies hat der Senat in seinem Hinweisbeschluss ausführlich begründet. Die Angriffe dagegen sind formelhaft, wiederholen einzelne Aspekte der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung, ohne diese aber auf den konkreten Einzelfall zu beziehen. Der Senat hat in seinem Hinweisbeschluss eine Vielzahl von Indizien aufgezeigt, die die Bedeutung des CRP-Wertes relativierten.

Der Senat hat weiter im Einzelnen begründet, weshalb keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass eine frühere Befunderhebung zu einem reaktionspflichtigen Ergebnis geführt hätte. Es ist deshalb unzutreffend, wenn der Kläger in seiner Stellungnahme behauptet, der Senat habe die Möglichkeit der Beweiserleichterungen nicht gesehen und die Frage der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines reaktionspflichtigen Befundergebnisses nicht aufgeworfen und geklärt. Auf den Hinweisbeschluss kann insoweit verwiesen werden. Richtig ist allerdings – wie dort ausgeführt -, dass die Berufungsbegründung dies nicht problematisiert und behauptet hat. Es fehlt deshalb auch an einer diesbezüglichen Berufungsrüge.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 3 ZPO bestimmt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Streitwertfestsetzung durch das Landgericht Bezug genommen.

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