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Offene Forderung Zahnarzthonorar bei Schmerzensgeldforderung an Zahnarzt

AG Hamburg-Blankenese, Az.: 531 C 147/16, Urteil vom 23.01.2019

1. Die Klage wird abgewiesen (Klageforderung vom 26.04.2016/22.08.2016).

2. Auf die Widerklage hin werden die Drittwiderbeklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagte/Drittwiderklägerin 2.579,56 € (zweitausendfünfhundertneunundsiebzig 56/100 EURO) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.01.2018 zu zahlen.

3. Die Drittwiderbeklagten haben der Drittwiderklägerin/Beklagten den weiteren Schaden aus der fehlerhaften Zahnbehandlung (Ober- und Unterkieferprothese) zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Dritte/Sozialversicherungsträger übergegangen ist.

4. Im Übrigen wird die Drittwiderklage abgewiesen.

5. Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin 15 % und die Beklagte/Drittwiderklägerin 60 % sowie die Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner 25 %.

Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt diese 50 % selbst, 50 % trägt die Beklagte.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten/Drittwiderklägerin trägt die Klägerin 15 %, die Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner 25 %, die Drittwiderklägerin selbst 60 %.

Von den außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten tragen die Beklagte/Drittwiderklägerin 60 %, die Drittwiderbeklagten selbst 40 %.

6. Das Urteil ist hinsichtlich Kosten und Zahlung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages für den Vollstreckungsgläubiger vorläufig vollstreckbar.

7. Der Streitwert wird festgesetzt auf 21.340,11 €.

Tatbestand

Offene Forderung Zahnarzthonorar bei Schmerzensgeldforderung an Zahnarzt
Symbolfoto: FreedomTumZ/Bigstock

Die Klägerin, ein Abrechnungsunternehmen, macht aus abgetretenem Recht restliches Zahnarzthonorar gegenüber der Beklagten geltend. Die Beklagte macht als Widerklägerin Schmerzensgeld und Schadensersatzforderung sowie einen Feststellungsantrag gegenüber den behandelnden Zahnärzten/Drittwiderbeklagten/Zedenten der Klägerin geltend.

Die Drittwiderbeklagten zu 2) und 3) betreiben eine Zahnarztpraxis in Hamburg. Die Beklagte war deren Patientin und ließ sich unter anderem eine totale Prothese im Unterkiefer (UK) sowie eine partielle Prothese zum Ersatz von 8 fehlenden Zähnen im Oberkiefer (OK) einbauen einschließlich Nebenarbeiten, Provisorien etc.. Insoweit wird verwiesen auf die Liquidationen vom 09.06.2015, 10.11.2015 und 17.11.2015 (Anlagen K 2, K 3 und K 4, Bl. 18 f. d. A.).

Die Beklagte, von Beruf Postbotin, ist Kassenpatientin und wurde vorab über den Eigenanteil zumindest in Grundzügen informiert. Wegen des Heil- und Kostenplanes (HKP) wird auf die Anlage K 5 (Bl. 24 d. A.) verwiesen.

Die Beklagte leistet Teilzahlungen an die Drittwiderbeklagten (vgl. Schriftsatz vom 26.04.2016, S. 7, Schriftsatz vom 22.08.2016, S. 7/8).

Ausweislich der Rechnung der Firma S GmbH (Bl. 25 d. A.) vom 26.10.2015 wurde in China hergestelltes Material verwendet.

Gegenüber der restlichen Zahnarzthonorarforderung erklärte die Beklagte am 20.06.2016 – wiederholt am 19.02.2018 – die bloße Hilfsaufrechnung zuerst mit dem Schmerzensgeldanspruch aus der Drittwiderklage, weiter hilfsweise mit dem Anspruch auf Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigungsmaßnahmen und wiederum hilfsweise mit dem Kostenerstattungsanspruch und der Schadensersatzleistung aus der Drittwiderklage (Bl. 49 d. A.).

Die zahnärztlichen Leistungen der Drittwiderbeklagten wurden mehrfach begutachtet.

Wegen des Gutachtens Dr. B wird auf die Anlage B 1 (Bl. 54 d. A.) verwiesen.

Wegen des Obergutachtens des Dr. N wird auf die Anlage B 2 (Bl. 55/56 d. A.) verwiesen.

Zum Inhalt der Karteikarte für die Beklagte (geboren … 1956) wird auf die Anlage DWB 1 (Bl. 81 f. d. A.) verwiesen.

Außerdem stellte die Beklagte den Antrag, im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens (vgl. Bl. 48 d. A.) einzelne Beweisfragen separat zu klären.

Wegen des Inhaltes der Factoringvereinbarung wird auf die Anlage K 14 (Bl. 102 d. A.) verwiesen.

Die Klägerin und die Drittwiderbeklagten sind der Auffassung, dass nach prothetischer Versorgung notwendige Nachbesserungsmaßnahmen nicht auf eine fehlerhafte zahnärztliche Behandlung schließen ließen. Die Drittwiderbeklagten und die Klägerin tragen vor, dass sämtliche Maßnahmen im Rahmen der zahnärztlichen Behandlung entsprechend dem fachzahnärztlichen Standard durchgeführt wurden.

Der Gebisszustand sei bei der Beklagten beim erstmaligen Vorstellen in der Praxis am 23.04.2015 „sehr desolat“ gewesen, diverse Zähne fehlten und die Zähne 22 und 33 waren abgebrochen.

Bedingt durch das vollständige Fehlen der Backenzähne im OK und UK auf der rechten Seite beziehungsweise der unteren auf der linken Seite sei überhaupt keine Abstützung der Bisslage vorhanden gewesen. Außerdem habe die Beklagte eine negative Einstellung durch ihr Verhalten zum Ausdruck gebracht. Auch die Zahnhygiene ließ zu wünschen übrig.

Die Beklagte habe am 17.11.2015 beim Anprobieren der OK- und UK-Prothesen ausführlich im Spiegel den Zahnersatz hinsichtlich Zahnfarbe, Zahnform, Passgenauigkeit, Bisssituation analysiert und ihr Einverständnis gegeben, dass der Zahnersatz endgültig eingegliedert werden könne.

Die Beklagte sei eine schwierige Patientin gewesen. Bereits bei der Bezahlung der Interimsversorgung seien Schwierigkeiten aufgetreten.

Die Beklagte hätte Vorstellungen und Wünsche geäußert, die sich zahntechnisch nicht bei ihr realisieren ließen. Letztlich sei die Beklagte „viele Jahre mit einem völlig desolaten Gebiss herumgelaufen“.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.925,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.01.2016 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 179,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.01.2016 abzüglich am 19.01.2016 gezahlter 17,01 € zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10,00 € Mahnkosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Gleichzeitig erhebt die Beklagte Drittwiderklage gegen die behandelnden Zahnärzte – Drittwiderbeklagte zu 2) und 3) – mit folgenden Anträgen,

1. die Drittwiderbeklagten hätten der Beklagten/Drittwiderklägerin gesamtschuldnerisch ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe vom Gericht bestimmt wird, mindestens jedoch in Höhe von 3.500,00 € einschließlich einer Verzinsung von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit,

2. – nach Klagänderung – die Drittwiderbeklagten zu verurteilen, zu Händen der Beklagten/Drittwiderklägerin gesamtschuldnerisch 7.060,99 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner der Beklagten den weiteren Schaden aus der fehlerhaften Zahnbehandlung (Ober- und Unterkieferprothese) zu ersetzen haben, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist.

Die Drittwiderbeklagten beantragen, die Drittwiderklage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet:

Die Beurteilungen durch die Gutachter Dr. B (Anlage B 1, Bl. 24 d. A.) und Dr. N (Anlage B 2, Bl. 55 d. A.) seien zutreffend.

Es seien die oberen Frontzähne offenbar zu groß geraten, so dass eine Gesichtsumformung im Bereich der Oberlippe eingetreten sei. Zudem stünden die Frontzähne unten über, das heißt sie seien länger als die daneben stehenden Zähne. Auch die Eckzähne seien zu lang. Die Zähne drückten im Bereich der Bügel und würden auch in das Zahnfleisch einschneiden. Die Frontzähne wiesen im oberen Bereich einen ungewöhnlichen, schrägen Zuschnitt „Kerbe“ auf, zudem sei die Zahnfarbe zu gelblich und hebe sich deutlich ungünstig von der Umgebung ab. Die unteren Zähne säßen schief. Die Beklagte habe einen starken Metallgeschmack im Mund und spüre die Metallbügel unangenehm; sie könne wegen der Prothese nicht richtig sprechen, sondern müsse lispeln und nuscheln; ein richtiger Biss sei derzeit nicht möglich. Zudem zeige sich noch eine besondere Kälteempfindlichkeit wegen der Metallbügel.

Die vorstehenden Umstände beruhten auf einem Behandlungsfehler des Drittwiderbeklagten zu 2) im Rahmen der streitgegenständlichen Behandlung.

Ergänzend wird verwiesen auf den Beweisbeschluss vom 31.05.2017 (Bl. 204 d. A.).

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines zahnmedizinischen Sachverständigengutachtens des Dr. M vom 12.04.2017 (Bl. 166 f. d. A.), eines ersten Ergänzungsgutachtens vom 04.12.2017 (Bl. 238 f. d. A.) sowie eines zweiten Ergänzungsgutachtens vom 09.07.2018 (Bl. 298 d. A.).

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Erörterungen im Termin zur mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

1. Zur Zahlungsklage aus abgetretenem Recht.

Der Klägerin stehen aufgrund wirksamer Hilfsaufrechnung keine Zahlungsansprüche aus den § 630 a Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 398 BGB gegenüber der Beklagten zu.

Der Zahnarztvertrag ist generell als Dienstvertrag einzustufen, allenfalls mit der Ausnahme, dass hinsichtlich der technischen Herstellung des Zahnersatzes ein werkvertragliches Element angenommen werden kann (vgl. LG Saarbrücken, Urteil v. 26.07.2017, Az. 16 O 10/15).

Richtigerweise ist der gemischte Vertrag jedoch einheitlich nach Dienstvertragsrecht zu beurteilen, auch wenn er werkvertragliche Nebenleistungen enthält.

Letztlich kann auch diese Frage hier jedoch offenbleiben, da es vorliegend nicht um zahnlabortechnischen Verarbeitungsfehler geht, sondern um Planungsfehler der Drittwiderbeklagten zu 2) und 3). Die Beklagte rügt hier nämlich in erster Linie spezifisch zahnärztliche Planungs- und Gestaltungsfehler hinsichtlich der OK- und UK-Prothetik.

Der klägerische Anspruch aus dem Dienstvertrag gemäß § 630 a BGB reduziert sich bei fehlerhafter Behandlung nicht analog § 536 BGB kraft Gesetzes, ebenso wenig kann die Beklagte erfolgreich mit einem „Anspruch auf Kostenvorschuss für die Mangelbeseitigungsmaßnahmen“ aufrechnen (Bl. 49 d. A.). Bereits das OLG Koblenz (Medizinrecht 2010, 263) hat entschieden:

„Da eine § 637 Abs. 3 BGB entsprechende Vorschrift dem Recht des Dienstvertrages fremd ist, steht dem Patienten kein Anspruch auf Kostenvorschuss für die anderweitige geplante Revisionsbehandlung zu.“

Dem ist zu folgen.

Da die Beklagte – trotz gerichtlicher Nachfrage – keine Primäraufrechnung erklärt hat, sondern nur hilfsweise in erster Linie mit Schmerzensgeldansprüchen aufrechnet, weiter hilfsweise mit Ansprüchen auf Kostenvorschüsse und weiter hilfsweise mit Kostenersatzansprüchen und Schadensersatzansprüchen aus der Drittwiderklage, war vom Gericht diese Reihenfolge zu beachten. Ohne Aufrechnung besteht generell ein Vergütungsanspruch.

Zum Schmerzensgeldanspruch

Aufgrund der gutachterlichen Stellungnahmen Dr. B und Dr. N sowie des gerichtlichen Sachverständigengutachtens Dr. M inklusive zweier Ergänzungen steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Behandlung durch die Drittwiderbeklagten zu 2) und 3) nicht lege artis erfolgte. Die Beklagte Patientin hat auch zeitnah Funktion, Form, Farbe und Ästhetik der OK- und UK-Prothesen moniert. Bereits Dr. B stellte fest, dass im Vergleich zum Interimsersatz die jetzigen Kronenzähne deutlich größer, länger und dicker waren. Außerdem verweist er darauf, dass eine Brückenkonstruktion hier zwar nicht alternativlos aber besser gewesen wäre. Die Zähne im OK erschienen dem Gutachter ungenügend geschliffen in Länge und Umfang.

Auch im UK sei in der Front der Zahnbogen nicht beachtet worden, die Front stehe zu weit lingual. Das sei Ursache für die Sprachprobleme der Beklagten. Bereits Dr. B empfahl, im UK-Bereich eine Unterfütterung, eine Neuanfertigung der OK-Prothese als wurde als notwendig angesehen.

Auch der Obergutachter Dr. N stellte fest, dass die Prothesenzähne und die Verblendung sich stark in der Farbgestaltung unterschieden.

Die Arbeiten der Drittwiderbeklagten seien nicht frei von Mängeln und bereiteten der Beklagten in der Funktion Probleme. Dem Vorgutachten Dr. B stimmte der Obergutachter ausdrücklich zu. Bei der UK-Prothese sei eine Unterfütterung ein normaler Vorgang nach multiplen Extraktionen von Zähnen. Die OK-Versorgung sei komplett zu erneuern, die Gestaltung der Basis mit den dicken Bügelverbindungen bei den ersetzten Zähnen 12 und 22 stelle eine große Sprachbehinderung für die Patientin dar und sei unter parodontologischen Gesichtspunkten nicht empfehlenswert. Die von den Drittwiderbeklagten monierte mangelnde Mundhygiene der Beklagten wird vom Obergutachter Neven ausdrücklich als nicht kausal für die geschilderten Probleme eingestuft.

Auch das gerichtliche zahnärztliche Sachverständigengutachten Dr. M bestätigt Behandlungsfehler des Drittwiderbeklagten Dr. S.

Der Gutachter setzte sich im Einzelnen mit den Beurteilungen der Vorgutachter Dr. B und Dr. N auseinander. Auch er gelangt zu dem Ergebnis, dass die Mängel der OK-Versorgung nur durch eine Neuanfertigung der Teleskopprothese behoben werden könnten. Insbesondere wurde moniert, dass die Metallbasis im Kieferbereich der Zähne 22, 23 bis 27 nicht richtig anliegt.

Dies hätte wiederum Probleme der Beklagten mit der Phonetik und der Hygienefähigkeit des Zahnersatzes verursacht. Mit Unterfütterungsmaßnahmen sei dieses nicht zu beheben, das Metallgerüst müsste komplett erneuert werden.

Die Oberkieferfrontzähne (Zahn 11 zu Zahn 21) sind unterschiedlich breit.

Selbst wenn auf Wunsch der Beklagten/Patientin im Nachhinein die Zähne hinsichtlich der Größe beschliffen wurden, sei es jedenfalls nicht lege artis, dass alle Verblendungen der Teleskopkronen farblich gelblich von den übrigen Prothesenzähnen abwichen.

Auch die Unterkieferprothese ist mängelbehaftet, da die Prothese im Bereich der Zähne 35/36 und 42 bis 32 nicht dem Kieferkamm anliegt und die Zähne nach links ansteigend aufgestellt wurden.

Im Gegensatz zum OK-Zahnersatz ist hier eine Neuanfertigung nicht zwingend nötig. Die festgestellten Mängel könnten durch Unterfütterungsmaßnahmen und Neuaufstellung der Zähne in gerader Form mit gleicher Farbgestaltung behoben werden. Die Kosten für eine Nachbesserung schätzt der Gutachter auf ca. 1.250,00 €, während eine Neuanfertigung bei ca. 2.100,00 € liegen soll (Bl. 242 d. A.).

Gemäß dem § 630 a BGB in Verbindung mit § 253 BGB steht der Beklagten ein immaterieller Schadensersatzanspruch in Höhe von 3.000,00 € zu. Der Betrag wurde vom Gericht gemäß § 287 ZPO in Anlehnung an die Entscheidung OLG Köln Medizinrecht 2015, 419 geschätzt. Auch im dortigen Fall ging es um die Unbrauchbarkeit der prothetischen Versorgung. Das OLG sah den vom Landgericht angenommenen Schmerzensgeldbetrag von 3.000,00 € als angemessen an (OLG Köln a.a.O. juris Rn. 25).

Die Gesamtforderung der Klägerin (Anlagen K 2 bis K 4) beläuft sich auf 3.114,51 €.

Abzüglich des Schmerzensgeldes von 3.000,00 € ergibt sich eine Restforderung von 114,51 €. In Höhe dieser Restforderung greift erst die die dritte Hilfsaufrechnung der Beklagten – da aus Rechtsgründen der 2. Anspruch beim Dienstvertrag nicht besteht – nach der ihr insgesamt Schadensersatzansprüche in Höhe von 2.579,56 € gegenüber den Drittwiderbeklagten zustehen. Die Hilfsaufrechnungen sind gestützt auf § 406 BGB auch gegenüber der Klägerin als Abtretungsempfängerin möglich (vgl. Müller in PWE § 406 Rn. 3).

2. Zur Drittwiderklage.

Die Drittwiderklage ist lediglich in Höhe von 2.465,05 € begründet (2.579,56 € abzüglich 114,51 € wegen erfolgreicher Hilfsaufrechnung).

Dass die ursprünglich auf Kostenvorschuss gestützte zweite Hilfsaufrechnung ins Leere ging, ergibt sich bereits aus der Entscheidung OLG Stuttgart VersR 2002, 1287, auf die verwiesen wird.

Die Schmerzensgeldforderung der Beklagten ist mit 3.000,00 € in voller Höhe durch Hilfsaufrechnung gegen den Honoraranspruch aus der Anspruchsbegründung erloschen/untergegangen.

Dasselbe gilt für den Differenzbetrag von 114,51 €.

Die Gesamtforderung in Höhe von 2.579,56 € berechnet sich aus den Gesamtkosten (Anlage K 2 bis K 4) in Höhe von 3.429,56 € abzüglich 850,00 € als Differenz zwischen der Neuanfertigung des Unterkiefers und der Nachbesserung des Unterkiefers laut Gutachten Dr. M.

Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 19.01.2018 (Bl. 255 d. A.) einen nicht näher dargelegten HKP über Kosten von 10.329,35 € zuzüglich Nebenkosten erwähnt, ist bereits aufgrund der Beträge evident, dass hier Äpfel und Birnen verglichen werden. Zutreffend schreibt der Sachverständige Dr. M (Bl. 301 d. A.): „Die Kosten, die nunmehr von der Beklagten angeführt werden, sind nicht mit den Kosten der von den Drittwiderbeklagten durchgeführten Arbeit vergleichbar. Die Art der Neuversorgung im Oberkiefer macht den Preisunterschied nicht aus, jedoch die Wahl des Materials (Nichtedelmetall/Edelmetall).“

Einfacher gesagt: Die Beklagte kann nicht auf diesem Wege Chinaware (Bl. 22 d. A.) gegen Edelmetall „eintauschen“. Insoweit liegt kein kausaler Schadensersatzposten vor. Im Übrigen fehlt es auch an entsprechendem prozessualem Vortrag.

Abschließend lässt sich zu den zahnärztlichen Leistungen der Drittwiderbeklagten feststellen:

Die Beklagte hat als Patientin bei der Einprobe bereits ihre Unzufriedenheit dokumentiert mit der Gestaltung von OK und UK (Bl. 85/86 d. A.).

Auch wenn der Drittwiderbeklagtenvertreter dem keine Bedeutung beimisst, ist auffallend, dass bei Zahnarztprozessen unzureichende Dokumentationen oft mit Behandlungsfehlern einhergehen, ebenso wie minderwertige Software zu unzureichenden Heil- und Kostenplänen führt (vgl. dazu AG Hamburg-Blankenese, Urteil v. 29.06.2016, Az. 531 C 241/15, abrufbar bei juris).

Im vorliegenden Falle ist aus der unzureichenden Dokumentation nicht hinreichend klar der Ausgangsbefund erkennbar. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob eine Extraktion in vollem Umfang nötig war. Außerdem fehlt ein detaillierter Zahnstatus für die verbliebenen Zähne, desgleichen ein parodontaler Befund.

Auch die Aufklärung der Beklagten als Patientin ist sehr mangelhaft dokumentiert, die vom Gutachter Dr. B angemahnte Alternative (Brücke etc.) wird in der Dokumentation nicht dargelegt. Auch wurde die Beklagte nicht darüber aufgeklärt, dass hier die billige Nichtedelmetall-Lösung (NEL) aus China gewählt wurde anstatt eines möglichen Edelmetalles. Hierzu hätten die Behandler der Beklagten die Vor- und Nachteile inklusive der Mehrkosten darzulegen gehabt. Auch die Behandlung selbst ist schlecht dokumentiert, Gesichtsregistrate und Bissnahme sind nicht erkennbar.

Die Drittwiderbeklagten können auch nicht damit gehört werden, dass es nach Extraktion zahlreicher Zähne zu einer Kieferkammatropie kommen muss.

Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass die Drittwiderbeklagten trotz dreier gutachtlicher Stellungnahmen, die ihnen jeweils Behandlungsfehler attestierten, jedwede Selbstkritik an der eigenen zahnärztlichen Leistung vermissen lassen. Das medizinische Sachverständigengutachten Dr. M, einschließlich der beiden Ergänzungen, ist dagegen voll überzeugend und keinesfalls tendenziell zu Lasten der Drittwiderbeklagten erstellt. So hat der Gutachter Dr. M eine Neuanfertigung des Unterkiefers als nicht zwingend notwendig eingestuft, während die übrigen Arbeiten als nicht lege artis mit überzeugender Begründung bezeichnet wurden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 100 ZPO hinsichtlich der Kosten und auf § 709 ZPO hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit.

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