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Pflicht zur Aufklärung über ärztliche Behandlungskosten

LG Berlin – Az.: 6 S 9/17 – Urteil vom 07.02.2019

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Mitte vom 15.11.2017, 15 C 161/17, wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Dieses Urteil und die angefochtene Entscheidung sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt aus abgetretenem Recht das von seiner Ehefrau (im Folgenden: Patientin) für eine Krampfadertherapie gezahlte ärztliche Behandlungshonorar wegen der Verletzung der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht aus dem Behandlungsvertrag mit dem Beklagten.

Die Patientin ließ von dem Beklagten am 10.12.2013 eine Behandlung ihrer Krampfadern nach dem „VenaSeal closure System“ durchführen. Zuvor unterzeichnete sie die in der Anlage B 2, Bl. 43 d. A., ersichtliche Einverständniserklärung vom 20.11.2013, die unter anderem einen Hinweis darauf enthält, dass die private Krankenversicherung unter Umständen nicht alle Gebührenziffern der analogen GoÄ-Rechnung anerkennen werde. Die Patientin zahlte für die Behandlung 3.517,50 € an die XXXX GmbH, an die der Beklagte die Honorarforderung abgetreten hatte. Die private Krankenversicherung der Patientin, die XXXX Krankenversicherung a. G., lehnte anschließend eine Kostenerstattung ab, da die abgerechnete Therapie ein nicht wissenschaftlich etabliertes Verfahren darstelle und eine medizinische Notwendigkeit nicht erkennbar sei. Das Amtsgericht Mitte wies nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens mit rechtskräftigem Urteil vom 20.01.2017 die gegen die private Krankenversicherung gerichtete Klage auf Kostenerstattung mit der Begründung ab, die durchgeführte Behandlung sei zum Behandlungszeitpunkt nicht überwiegend schulmedizinisch anerkannt gewesen und könne mangels vergleichbarer Langzeitergebnisse auch nicht in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt angesehen werden. Der Beklagte war dem Rechtsstreit aufseiten der Klägerin nach Streitverkündung als Nebenintervenient beigetreten. Auf den weiteren Inhalt des Urteils des Amtsgerichts Mitte zum Aktenzeichen 118 C 294/14 wird ergänzend Bezug genommen (Bl. 10-16 d. A.).

Das Amtsgericht hat den Beklagten zur (Rück-)Zahlung des streitgegenständlichen Behandlungshonorars verurteilt. Es hat ausgeführt, dass der Beklagte die aus dem Behandlungsvertrag resultierende Informationspflicht nach § 630c Abs. 3 BGB nicht hinreichend erfüllt habe. Aufgrund des Inhalts der Einverständniserklärung vom 20.11.2013 sei dem Beklagten bewusst gewesen, dass die vollständige Kostenübernahme durch die private Krankenversicherung der Patientin nicht gesichert sei. Des Weiteren sei der Beklagte für seine Behauptung beweisfällig geblieben, die Patientin hätte die Behandlung auch bei ausreichender wirtschaftlicher Aufklärung ggf. auf eigene Kosten durchführen lassen.

Der Beklagte verfolgt mit der Berufung seinen Klageabweisungsantrag weiter und macht geltend, er habe keine positive Kenntnis von der Unsicherheit der Übernahme der Kosten durch den privaten Krankenversicherer der Patientin gehabt. Dies sei entgegen der Würdigung durch das Amtsgericht erst dann anzunehmen, sofern der behandelnde Arzt aus eigener Erfahrung oder durch verlässliche Informationen eines Dritten von der Unsicherheit der konkreten Behandlungskostenübernahme habe Kenntnis nehmen können. Dies sei hier nicht der Fall. In diesem Zusammenhang habe das Amtsgericht verkannt, dass die Information in dem Aufklärungsbogen vom 20.11.2013 nur vorsorglich und damit überobligatorisch erfolgt sei. Des Weiteren hätten auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestanden, dass eine Kostenübernahme nicht gesichert sei. Insbesondere könne dies nicht daraus abgeleitet werden, dass für das hier angewendete Behandlungsverfahren eine Analogabrechnung nach GOÄ erfolgt sei. Zu Unrecht habe das Amtsgericht ferner verkannt, dass seine Behauptung, die Patientin hätte sich auch in Kenntnis der voraussichtlichen Kosten für die Behandlung bei dem Beklagten entschieden, nach § 138 Abs. 3 ZPO bereits als unstreitig zu behandeln sei. Im Übrigen sei er hinsichtlich der Kausalität rechtlich fehlerhaft als beweisbelastet angesehen worden.

Der Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des am 15.11.2017 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Mitte, Az: 15 C 161/17, abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil mit den darin ausgeführten Gründen. Er nimmt insbesondere darauf Bezug, dass bereits die eigenen Veröffentlichungen des Beklagten vom März 2009 und Februar 2011 nahelegten, dass eine Kenntnis von der zumindest zweifelhaften Bereitschaft der privaten Krankenversicherungen zur Kostenübernahme vorgelegen habe.

Wegen des weiteren entscheidungserheblichen Sachverhalts nimmt die Kammer auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Bezug (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

II.

Pflicht zur Aufklärung über ärztliche Behandlungskosten
(Symbolfoto: Von fizkes/Shutterstock.com)

Die Berufung des Beklagten ist gem. §§ 511 ff. ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt und rechtzeitig begründet worden.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht eine Verletzung der Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung nach § 630c Abs. 3 BGB und ebenso zutreffend die Kausalität dieser Pflichtverletzung für die Vornahme der Heilbehandlung sowie die Zahlung des Behandlungshonorars angenommen.

1. Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Behandlungshonorars folgt aus §§ 280 Abs. 1, 249, 398 BGB.

a) Der Beklagte hat die Patientin entgegen seiner Verpflichtung nach § 630c Abs. 3 S. 1 BGB nicht vor Behandlungsbeginn in Textform über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung informiert und damit seine Pflicht zur sog. wirtschaftlichen Aufklärung verletzt. In Übereinstimmung mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (z. B. BGH, Urt. v. 09.05.2000, VI ZR 173/99, NJW 2000, 3429, 3431; Urt. v. 01.02.1983, VI ZR 104/81, NJW 1983, 2630, 2631 OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 27.05.2004, 3 U 82/03, NJW-RR 2004, 1608) erstreckt die Norm die Aufklärungspflicht in die wirtschaftliche Sphäre, in dem der Arzt dazu verpflichtet wird, den Patienten darüber zu informieren, dass die Übernahme der Behandlungskosten durch Dritte (i. d. R. durch die gesetzliche oder private Krankenversicherung) nicht oder nicht in vollem Umfang gesichert ist. Erforderlich ist ein Informationsvorsprung des Arztes gegenüber dem Patienten (MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl. 2016, BGB, § 630c Rn. 52). Während im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung der Vertragsarzt die maßgeblichen Kostensätze kennt, die der Patient regelmäßig nicht beurteilen kann, hat der Arzt bei Patienten mit privater Krankenversicherung regelmäßig keine Kenntnis über den Inhalt und Umfang des mit der Versicherung abgeschlossenen Vertrages. Die vertraglichen Ausgestaltungsmöglichkeiten in der privaten Krankenversicherung sind so vielfältig, dass es dem Arzt nicht zugemutet werden kann, im Einzelfall zu prüfen, ob die Versicherungsbedingungen eine Übernahme der entstehenden Behandlungskosten zulassen. Bei privat krankenversicherten Patienten liegt es daher grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Patienten, Kenntnisse über den Inhalt und Umfang des abgeschlossenen Versicherungsvertrages zu haben (Begr. zum RegE zu § 630c Abs. 3 BGB, BT-Drs. 17/10488, S. 22 Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 5. Auflage 2018, Rn A 791 mwN). Eine Aufklärungspflicht des Arztes über die wirtschaftlichen Folgen der Behandlung eines privat versicherten Patienten besteht nach § 630 c Abs. 3 S. 1 BGB jedoch dann, wenn er positiv weiß, dass eine vollständige Kostenübernahme nicht gesichert ist oder sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte ergeben.

aa) Zu Recht wendet sich der Beklagte dagegen, dass das Amtsgericht der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt hat, es sei ihm bei Vornahme die Behandlung bewusst gewesen, dass die vollständige Kostenübernahme nicht gesichert sei. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts bestehen keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte positive Kenntnis davon hatte, dass die Kostenübernahme durch die Krankenversicherung der Patientin nicht erfolgen werde. Davon könnte ausgegangen werden, wenn dem Beklagten die Nichtanerkennungspraxis der privaten Krankenversicherung, zumindest der XXXX, von vornherein bekannt gewesen wäre. Dahingehendes kann bereits dem Vortrag des Klägers nicht entnommen werden. Allein der Inhalt der Einverständniserklärung vom 20.11.2013 genügt nicht, um eine solche positive Kenntnis des Beklagten anzunehmen. Denn diese enthält lediglich den pauschalen Hinweis darauf, dass die Behandlung analog den GOÄ-Gebührenziffern abgerechnet und die PKV möglicherweise nicht alle Gebührenziffern der analogen Abrechnung anerkennen werde. Die Kenntnis über eine konkrete Abrechnungspraxis kommt darin nicht zum Ausdruck.

bb) Die Pflichtverletzung des Beklagten folgt hingegen daraus, dass er die Patientin nicht über die voraussichtlichen Behandlungskosten informierte, obwohl er hinreichende Anhaltspunkte dafür haben musste, dass die Übernahme der Kosten durch ihre private Krankenversicherung nicht gesichert ist. Eine Aufklärungspflicht entsteht in diesem Zusammenhang dann, wenn dem Arzt begründete Zweifel an der Kostenübernahme aufkommen müssen (Spickhoff/Spickhoff, 3. Aufl. 2018, BGB, § 630c Rn. 36).

(1) Entgegen der Auffassung des Klägers waren Zweifel an der Kostenübernahme noch nicht deshalb begründet, weil dem Beklagten bekannt war, dass für die streitgegenständliche Behandlung eine sog. Analogabrechnung nach der GOÄ stattfindet. Eine solche ist in § 6 Abs. 2 GOÄ ausdrücklich vorgesehen, um der ständigen Fortentwicklung der medizinischen Wissenschaft Rechnung zu tragen (vgl. Spickhoff/Spickhoff, 3. Aufl. 2018, GOÄ, § 6 Rn. 3).

(2) Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch die private Krankenversicherung der Patientin nicht gesichert ist, mussten sich für den Beklagten jedoch daraus ergeben, dass die angewendete Behandlungsmethode von der Schulmedizin nicht überwiegend anerkannt war und sich in der Praxis auch noch nicht als ebenso erfolgversprechend bewährt hatte. Eine Leistungspflicht besteht in solchen Fällen grundsätzlich weder in der gesetzlichen noch in der privaten Krankenversicherung (vgl. § 4 Abs. 6 MB/KK 2009). Genau davon ist bezüglich der hier streitgegenständlichen Behandlung nach der rechtskräftigen Entscheidung des Amtsgerichts Mitte vom 20.01.2017, 118 C 294/14, auszugehen: Das Amtsgericht Mitte stellte nach Einholung eines schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachtens fest, dass bei der von dem Beklagten verwendeten Behandlungsmethode – das Verkleben der Venen mit dem „VenaSeal closure System“ – neben der fehlenden schulmedizinischen Etablierung keine ausreichenden Langzeiterfahrungen vorgelegen hätten, um eine zuverlässige Prognose über den Erfolg der Behandlung stellen zu können. Diese Bewertung kann der Beklagte in dem hiesigen Rechtsstreit nicht mehr infrage stellen. Wegen der Interventionwirkung aufgrund des Streitbeitritts in dem Vorprozess zwischen der Patientin und ihrer Versicherung ist der Beklagte hinsichtlich der die Entscheidung tragenden tatsächlichen Feststellungen und deren rechtliche Beurteilung nunmehr gem. § 68 ZPO gebunden.

(3) Entgegen der Ansicht des Beklagten führt die Pflicht zur Information über die voraussichtlichen Behandlungskosten in der vorliegenden Konstellation nicht zu einer – nach § 630 c Abs. 3 S. 1 BGB anerkanntermaßen nicht geschuldeten – allgemeinen wirtschaftlichen Beratungspflicht des Arztes. Vielmehr ist die Hinweispflicht des Beklagten auch hierbei lediglich auf den Umfang seines Informationsvorsprungs beschränkt. Es ist wiederholt obergerichtlich entschieden worden und auf Zustimmung in der Literatur gestoßen, dass bei Zweifeln an der medizinischen Wirksamkeit bzw. Notwendigkeit einer ambulanten oder stationären Behandlung durch den Arzt auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen für den betroffenen Patienten aufzuklären ist (BGH, Urt. v. 01.02.1983, VI ZR 104/81, NJW 1983, 2630, 2631; OLG Köln, Urt. v. 18.09.2013, 5 U 40/13, BeckRS 2013, 16964; OLG Stuttgart, Urt. v. 16.04.2002, 14 U 71/01, BeckRS 2002, 30471642; OLG Hamm, Urt. v. 14.03.2001, 3 U 197/00, NJW 2002, 307; BeckOGK/Walter, 01.07.2017, BGB, § 630c Rn. 53; Palandt/Weidenkaff, 77. Auflage 2018, BGB, § 630c Rn. 9 mwN). Im Gegensatz zu der Patientin musste der Beklagte Kenntnis über den wissenschaftlichen Diskussionsstand hinsichtlich des durchgeführten neuen Therapieverfahrens und die zum Behandlungszeitpunkt noch fehlenden Langzeitergebnisse aus Studien haben, was sich zwanglos aus den Publikationen in der Anlage K 2 ergibt, die der Beklagte zum Teil selbst im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Instituts SAPHENION veröffentlicht hat. Zudem folgt dies aus den von ihm veröffentlichten Ergebnissen im Rahmen einer Verlaufsstudie über 18 Monate (Sachverständigengutachten vom 13.08.2015 im Verfahren Amtsgericht Mitte, 221 C 129/14, Anlage K 9). Aus seiner Sicht musste daher eine Kostenübernahme zweifelhaft sein. Er war verpflichtet, durch eine entsprechende Information über die voraussichtlichen Kosten die Patientin hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen der beabsichtigten Behandlung zu sensibilisieren und es ihr zu ermöglichen, die Kostenübernahme auf der Grundlage einer entsprechenden Kostenberechnung bei ihrer privaten Krankenversicherung abzuklären. Eine weitergehende wirtschaftliche Beratung der Patientin wäre damit nicht verbunden gewesen und steht auch nicht im Streit.

(4) Der Vortrag des Beklagten, es fehlten nicht nur hinreichende Anhaltspunkte, an der Erstattungsfähigkeit der Behandlungskosten zu zweifeln, er habe vielmehr im Gegenteil Kenntnis von der Praxis der Krankenversicherung der Klägerin gehabt, derartige Kosten zu ersetzen, verhilft der Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg. Abgesehen davon, dass der Beklagte für diese (bestrittene) Behauptung keinen Beweis angetreten hat, steht sie auch im offensichtlichen Widerspruch zu der Einlassung im Schriftsatz vom 28.08.2017, Seite 3, wonach ihm die Erstattungspraxis der XXXX erst im Jahr 2016 zur Kenntnis gelangt sei und keinesfalls bereits zum Zeitpunkt der Behandlung der Patientin. Auch aus dem Schreiben der Abrechnungsgesellschaft XXXXe Bank GmbH vom 15.09.2017 (Anlage B 3) ergibt sich für den Beklagten nichts Günstiges. Es ist bereit nicht der Rückschluss zulässig, dass alles, was der Abrechnungsgesellschaft bekannt war, auch dem Beklagten zum Zeitpunkt der Behandlung im Oktober 2013 bekannt gewesen ist. Auch kann die Abrechnungsgesellschaft nicht verlässlich über die Fälle Auskunft geben, in denen die Patienten – so wie im vorliegenden Fall – erst nach der Bezahlung der Honorarrechnung mit der Nichterstattung durch die private Krankenversicherung konfrontiert werden. Aber selbst dann, wenn der Beklagte konkret darüber informiert gewesen sein sollte, dass die XXXX die Behandlungskosten für das VenaSeal closure System bisher im Einzelfall übernommen hatte, musste er zugleich davon ausgehen, dass aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage allenfalls eine Regulierung auf Kulanz erfolgte und eine Änderung der Erstattungspraxis jederzeit eintreten konnte, worauf die Patientin unter Angabe der voraussichtlichen Behandlungskosten hätte hingewiesen werden müssen. Dies gilt erst recht, wenn die Kammer den weiteren Vortrag des Beklagten zu Grunde legt, wonach nämlich Ärzte über derartige Änderungen in der Erstattungspraxis nicht verständigt würden, da sie keine Vertragspartner der privaten Krankenversicherung seien (Schriftsatz vom 28.08.2017, Seite 3).

b) Die Pflichtverletzung des Beklagten hat adäquat-kausal dazu geführt, dass die Patientin die streitgegenständliche Behandlung vornehmen ließ; dadurch ist ein Vermögenschaden entstanden, indem sie die von dem Beklagten an die Abrechnungsgesellschaft abgetretene Honorarforderung beglichen hat, ohne ihrerseits eine Erstattung von der privaten Krankenversicherung erlangen zu können. Das Amtsgericht hat den Beklagten hinsichtlich seines Einwands, derselbe Schaden wäre auch eingetreten, wenn er pflichtgemäß aufgeklärt hätte, zutreffend als beweisfällig angesehen.

aa) Der Vortrag des Beklagten, die Patientin hätte sich auch in Kenntnis der Kosten für eine Behandlung mittels VenaSeal closure System entschieden, ist entgegen der Berufung nicht bereits als unstreitig nach § 138 Abs. 3 ZPO zu behandeln. Der Kläger hat den entsprechenden Vortrag des Beklagten mit Schriftsatz vom 04.09.2017 (Bl. 61 d. A.) ausreichend konkret bestritten.

bb) Die Frage, wer im Falle einer Aufklärungspflichtverletzung nach § 630 c Abs. 3 BGB die Beweislast für die Kausalität der unterlassenen Aufklärung für den geltend gemachten Schaden trägt, wird nicht einheitlich beurteilt. Unstreitig ist jedenfalls, dass der Patient die Voraussetzungen einer Aufklärungspflichtverletzung darzutun und zu beweisen hat; § 630h Abs. 2 BGB findet insoweit keine Anwendung (vgl. Begr. zum RegE zu § 630c Abs. 3 BGB, BT-Drs. 17/10488, S. 22 BeckOK BGB/Katzenmeier, 48. Ed. 01.11.2018, BGB, § 630c Rn. 21 MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl. 2016, BGB § 630c Rn. 65). Der Sache nach handelt es sich um eine Nebenpflichtverletzung, die nach § 280 Abs. 1 BGB einen Schadensersatzanspruch begründen kann, der auf Befreiung von der Honorarverbindlichkeit bzw. auf Rückzahlung des geleisteter Honorars gerichtet ist. Für die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsnorm, zu denen auch die haftungsbegründende Kausalität zählt, trägt dabei grundsätzlich der Patient die Beweislast (Palandt/Weidenkaff, 77. Auflage 2018, BGB, § 630c Rn. 12; NK-BGB/Tobias Voigt, 3. Aufl. 2016, BGB § 630c Rn. 34 MüKoBGB/Wagner, a. a. O.). Unter dem Blickwinkel einer Haftung wegen der Verletzung der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit einer Krankenhausbehandlung erwägt das OLG Stuttgart (Urt. v. 08.01.2013, 1 U 87/12, NJW-RR 2013, 1183, 1185) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 08.05.2012, XI ZR 262/10, NJW 2012, 2427, 2429 mwN) zur Kausalitätsvermutung in Kapitalanlagefällen eine Umkehr der Beweislast zugunsten des Patienten. Auch das OLG Hamm (Urt. v. 14.03.2001, 3 U 197/00, NJW 2002, 307, 308) nimmt im Falle der Verletzung der Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung der Behandlungseite zugunsten des Patienten die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens an. Dagegen hat das OLG Köln (Urt. v. 21.04.2008, 5 U 116/07, BeckRS 2008, 18582) entschieden, dass die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden nach allgemeinen Grundsätzen vom Patienten zu beweisen sei und die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens jedenfalls dann nicht eingreife, sofern mehrere gleichwertige Verhaltensalternativen infrage kämen.

cc) Die Kammer hält es für überzeugend, die vom BGH entwickelte Rechtsprechung zur Kausalitätsvermutung in Kapitalanlagefällen auf den Fall der Verletzung der Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung nach § 630c Abs. 3 BGB zu übertragen, mit der Folge, dass der Behandler beweispflichtig dafür ist, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Patient den Hinweis auf die Behandlungskosten also unbeachtet gelassen hätte. Allgemein gilt nach der Rechtsprechung des BGH, dass derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, die Beweislast für die Nichtursächlichkeit seiner Pflichtverletzung trägt (so bereits BGH, NJW 1973, 1688 bei Werbeberatung, BGH, NJW 1975, 824 zur Beratungspflicht des Verkäufers und BGH, NJW 1985, 2595, 2596 zur Beratungspflicht des Versicherungsmaklers). Anders als im Falle streitiger Risikoaufklärung kommt es dabei für die Beweislastumkehr nicht darauf an, ob bei ordnungsgemäßer wirtschaftlicher Aufklärung vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative bestanden hätte, sich der Vertragspartner also nicht in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte. Das Abstellen auf das Fehlen eines Entscheidungskonflikts ist mit dem Schutzzweck der Beweislastumkehr nicht zu vereinbaren. Die Beweislastumkehr greift daher bereits bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung ein (BGH, Urt. v. 08.05.2012, XI ZR 262/10, NJW 2012, 2427, 2430). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der Zweck der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht des behandelnden Arztes – wie bei anderen vertraglichen Aufklärungs- und Beratungspflichten –, nämlich dem Ersatzberechtigten eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen, nur erreicht wird, wenn Unklarheiten, die durch eine Aufklärungspflichtverletzung bedingt sind, zu Lasten des Aufklärungspflichtigen gehen, dieser die Nichtursächlichkeit seiner Pflichtverletzung also zu beweisen hat. Dem Ersatzberechtigten wäre wenig damit gedient, wenn er seinen Vertragsgegner zwar an sich aus schuldhafter Verletzung einer solchen Aufklärungspflicht in Anspruch nehmen könnte, aber regelmäßig daran scheitern würde, den Beweis zu erbringen, wie er auf den Hinweis, wenn er denn gegeben worden wäre, reagiert hätte. Der Aufklärungspflichtige dagegen hätte wenig zu befürchten, wenn er sich bei Verletzung seiner Hinweispflicht darauf zurückziehen könnte, dass kaum zu beweisen sei, was der andere Teil auf den Hinweis hin getan hätte. Dadurch würde der mit der Aufklärungspflicht verfolgte Schutzzweck verfehlt (so BGH a. a. O). Die Beweislastumkehr im Falle der Verletzung der Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung nach § 630c Abs. 3 S. 1 BGB beruht somit nicht auf der Vermutung, der Patient hätte sich in einer bestimmten Art und Weise verhalten, sondern ist durch den besonderen Schutzzweck der Aufklärungspflicht gerechtfertigt.

dd) Zutreffend hat das Amtsgericht daher den Beklagten hinsichtlich einer mangelnden Kausalität der unterlassenen Aufklärung für die Vornahme der Behandlung für beweisbelastet gehalten. Der Beklagte ist für seinen dahingehenden Vortrag beweisfällig geblieben, nachdem er auch mit der Berufung keinen Beweis für seine Behauptung angeboten hat, obwohl das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich auf die Beweislastverteilung und den fehlenden Beweisantritt hingewiesen hatte.

c) Das für eine Haftung des Beklagten erforderliche Vertretenmüssen der Pflichtverletzung liegt ebenfalls vor. Der Beklagte hat den ihm obliegenden Entlastungsbeweis nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht geführt. Nach dem Vorstehenden (II. 1. b. bb) fällt dem Beklagten im Hinblick auf die zweifelhafte Kostenübernahme jedenfalls Fahrlässigkeit zur Last (§ 276 Abs. 2 BGB).

2. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Kammer hat die Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen. Die Entscheidung hat über den vorliegenden Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich der Frage, wann gem. § 630c Abs. 3 S. 1 BGB nach den Umständen hinreichende Anhaltspunkte für den Behandelnden dafür vorliegen, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist und wer in einem solchen Falle den Nachweis der Kausalität der Pflichtverletzung für die Durchführung der Behandlung zu erbringen hat, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. In Anbetracht der unterschiedlichen obergerichtlichen Entscheidungen erscheint zudem eine Revisionsentscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, § 543 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 ZPO.

4. Eine Erklärungsfrist auf die Ausführungen der Kammer im Termin war dem Beklagten nicht mehr zu bewilligen. Die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte sind Gegenstand der angefochtenen Entscheidung und zudem schriftsätzlich hinreichend diskutiert worden. Der Beklagtenvertreter hatte im Termin Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Ausführungen der Kammer und machte hiervon auch Gebrauch. Für eine Schriftsatzfrist besteht daher keine Notwendigkeit.

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