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Wurzelkanalbehandlung in einzelner Sitzung – Schadensersatz

Wurzelkanalbehandlung und Schadensersatz: Ein Blick auf das LG Cottbus-Urteil

In einem jüngsten Fall vor dem Landgericht Cottbus ging es um die Frage, ob eine Wurzelkanalbehandlung, die in einer einzigen Sitzung durchgeführt wurde, zu Schadensersatzansprüchen führen kann.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 O 370/14 >>>

Hintergrund des Falles

Der Kläger verklagte die Beklagten aufgrund von angeblich fehlerhaften zahnärztlichen Behandlungen, die von zwei der Beklagten durchgeführt wurden. Diese beiden Beklagten betrieben gemeinsam eine Zahnarztpraxis. Der Hauptvorwurf des Klägers war, dass die durchgeführte Behandlung nicht den universitären Standards entsprach und fachlich nicht nachvollziehbar war. Insbesondere wurde kritisiert, dass ein in den Zahn eingesetzter Stift nicht ausreichend im Wurzelkanal verankert war.

Die Position der Beklagten

Die Beklagten verteidigten sich gegen die Vorwürfe und behaupteten unter anderem, dass sie routinemäßige Vitalitätsprüfungen durchgeführt hätten, die jedoch unauffällig waren und daher nicht dokumentiert wurden. Sie argumentierten auch, dass man nicht automatisch davon ausgehen könne, dass eine bestimmte Erkrankung bereits zum Zeitpunkt der Behandlung bestanden habe, nur weil sie später diagnostiziert wurde.

Beweisaufnahme und Sachverständigengutachten

Das Gericht zog einen medizinischen Sachverständigen hinzu, um die Behauptungen beider Parteien zu überprüfen. Der Sachverständige kam zu dem Schluss, dass bestimmte Aspekte der Behandlung, insbesondere die Verankerung des Stifts im Wurzelkanal, nicht den medizinischen Standards entsprachen. Allerdings konnte der Sachverständige nicht definitiv feststellen, ob diese Fehler direkt zu den vom Kläger behaupteten Schäden führten.

Das Urteil

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass zwar mehrere Behandlungsfehler vorlagen, aber nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte, dass diese Fehler direkt zu den Schäden des Klägers führten. Das Gericht betonte, dass es für die Beweisführung nicht ausreicht, dass eine Ursache wahrscheinlicher ist als eine andere. Es muss eine sichere Überzeugung des Gerichts geben, dass die vom Kläger behauptete Ursache zutrifft. In diesem Fall fehlte es an dieser Überzeugung, insbesondere weil andere mögliche Ursachen für die Schäden nicht ausgeschlossen werden konnten.

Schlussbemerkungen

Dieser Fall zeigt die Komplexität und die Herausforderungen, die sich bei medizinischen Haftungsfällen ergeben können. Während bestimmte Behandlungsfehler offensichtlich waren, war der kausale Zusammenhang zwischen diesen Fehlern und den behaupteten Schäden nicht klar. Das Urteil unterstreicht die Bedeutung von Sachverständigengutachten in solchen Fällen und die hohen Anforderungen an die Beweisführung für Kläger.


Das vorliegende Urteil

LG Cottbus – Az.: 3 O 370/14 – Urteil vom 25.03.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 19.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Wurzelkanalbehandlung in einzelner Sitzung - Schadensersatz
Wurzelkanalbehandlung und Haftung: Ein aktueller Fall verdeutlicht die Beweislast und die Bedeutung von Sachverständigengutachten bei medizinischen Schadensersatzklagen. (Symbolfoto: alphaspirit.it /Shutterstock.com)

Der Kläger nimmt die Beklagten wegen behaupteter fehlerhafter zahnärztlicher Behandlungen durch die Beklagte zu 1.) und den Beklagten zu 3.) auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagten zu 2.) und 3.) führten zum Zeitpunkt der Behandlung des Klägers gemeinsam eine Zahnarztpraxis mit dem Namen „…………“. Diese war als Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert. Den Beklagten zu 2.) nimmt der Kläger daher als Mitgesellschafter dieser Gesellschaft in Anspruch, die heute nach dem Ausscheiden des Beklagten zu 3.) am 13.02.2013 nicht mehr existiert.

Der am 20.10.1957 geborene Kläger befand sich seit dem 16.06.2008 in Behandlung der Beklagten zu 1.) Bei dieser erhielt er im Juli 2011 nach deren Beratung eine festsitzende Versorgung seiner Zähne 14, 15 und 17, da der Zahn 16 fehlte. Am 20.09.2011 gliederte die Beklagte zu 1.) die zwischenzeitlich gefertigte prothetische Versorgung (Brücke) ein. Zehn Tage später kontrollierte die Beklagte zu 1.) noch einmal diese Arbeit und befand sie für gut.

Der Kläger ließ sich jedoch ab dem Jahr 2012 in der damaligen Praxis der Beklagten zu 2.) und 3.) weiterbehandeln. Dort klagte er am 03.08.2012 über Schmerzen im Bereich des Zahns 14. Der Beklagte zu 3.) fertigte Röntgenaufnahmen, die eine apikale Parodontitis bei dem Zahn 14 zeigten. Am 16.08.2012 stellt der Beklagte zu 3.) durch Einsatz eines bildgebenden Verfahrens bei dem Kläger eine massive Schädigung der Zahnsubstanz infolge Karies fest. Er nahm daraufhin in Lokalanästhesie eine Trepanation, Wurzelkanalaufbereitung und Wurzelspitzenresektion bei Zahn 14 vor. In der Nachbehandlung wurde der Wundstatus für gut befunden. Am 17.09.2012 führte der Beklagte zu 3.) eine intrakanaläre Stiftverankerung bei Zahn 14 durch, um den Zahn zu stabilisieren. Am 25.09.2012 setzte er den Stift ein.

Am 11.06.2013 stellte sich der Kläger wieder bei der Beklagten zu 1.) vor mit der Bitte um Begutachtung und Nachbehandlung der Arbeit des Beklagten zu 3.). Nach Auffassung der Beklagten zu 1.), die sie in einem Schreiben vom 17.06.2013 an die ……. in ……. – der Krankenversicherungsträger des Klägers – festhielt, wies der Zahn 14 einen vestibulären Knochenabbau mit Pusanaustritt und starken Entzündungen auf. Im Röntgenbild sei eine Via falsa Richtung Vestibulum nicht auszuschließen und die Erhaltungswürdigkeit des Zahns sei in Frage gestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die vom Kläger eingereichte Anlage A 3 (Bl. 23 d.A.) Bezug genommen.

Zur Prüfung von Regressansprüchen der gesetzlichen Krankenversicherung beauftragte die ……. bei dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen Bayern ein Sachverständigengutachten, welches von dem ………… am 27.11.2013 gefertigt wurde. Dieser stellte einen Behandlungsfehler der Beklagten zu 1.) fest, der darin zu sehen sei, dass vor deren Behandlung des Klägers im Jahr 2011 keine Vitalitätsprüfungen und Röntgenaufnahmen gefertigt worden seien. Eine Indikation für die Wurzelkanalbehandlung bei Zahn 14 sei bereits zum Zeitpunkt der Brückeneingliederung am 20.09.2011 gegeben gewesen, denn die am 03.08.2012 durch den Beklagten zu 3.) röntgenologisch festgestellte ausgeprägte apikale Aufhellung beider Wurzeln müsse, wegen der starken Ausprägung, zu einem viel früheren Zeitpunkt ihren Ursprung gehabt haben. Es habe daher der Zahn 14 vor Eingliederung der Brücke beseitigt werden müssen. Im Hinblick auf die Behandlung durch den Beklagten zu 3.) kam der Sachverständige ………… zu dem Ergebnis, dass der von jenem vorgenommene Stiftaufbau zu dem Zeitpunkt nicht notwendig gewesen sei und der Zahn 14 dadurch unnötig geschwächt worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen ………… wird auf die von dem Kläger eingereichte Anlage A 7 (Bl. 34 ff. d.A.) Bezug genommen.

Da der Berufshaftpflichtversicherer der Beklagten zu 1.) im außergerichtlichen Verfahren einen Behandlungsfehler verneinte und unter Übersendung von Röntgenbildern am 22.07.2014 behauptete, dass von der Beklagten zu 1.) Röntgenaufnahmen der Zähne 14 und 15 gefertigt worden seien, nahm der Sachverständige ………… hierzu am 12.09.2014 ergänzend Stellung. Dieser vertrat in seiner ergänzenden Stellungnahme die Auffassung, dass keine Röntgenbilder der Zähne 14 und 15 vom 06.07.2011 vorlägen. Es seien lediglich nicht brauchbare Papier-Kopien von Zahnfilmen vorgelegt worden, die noch nicht einmal bezüglich der regio (Lokalisation) beschriftet worden seien. Außerdem seien die Unterlagen lediglich mit dem Ausdruckdatum vom 27.08.2014 datiert. Auch eine Vitalitätsprüfung sei der Krankenkartei nicht zu entnehmen, lediglich eine Prüfung des (nicht relevanten) Zahns 24 am 30.09.2011. Zu der Behandlung durch den Beklagten zu 3.) erklärte der Sachverständige ………… ergänzend, dass der von diesem vorgenommene Stiftaufbau nicht der universitären Lehre entspreche sowie fachlich nicht nachvollziehbar sei, weil der insgesamt 8 mm lange Stift sich nur 3 mm im Wurzelkanal befinde. Eine dauerhafte Verankerung eines solchen Stiftaufbaus sei damit nicht zu erwarten. Außerdem sei aus einer Röntgenaufnahme vom 25.09.2012 zu erkennen, dass der Stiftaufbau nicht dem natürlichen Verlauf des Wurzelkanals folge und auch eine Wurzellängsfraktur nicht auszuschließen sei. Wegen der Einzelheiten der diesbezüglichen Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen ………… wird auf dessen gutachterliche Stellungnahme vom 12.09.2014 (Anlage A 10, Bl. 62 f. d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagten sind mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 06.03.2014 zur Anerkennung ihrer Haftung unter Fristsetzung bis zum 30.03.2014 aufgefordert worden. Dieser Aufforderung kamen sie nicht nach.

Der Kläger macht sich die Ausführungen des Sachverständigen ………… zu eigen und behauptet unter Berufung auf dessen Ausführungen, den Beklagten zu 1.) und 3.) seien die dort aufgeführten Behandlungsfehler unterlaufen. Der Kläger bestreitet, dass die Beklagte zu 1.) vor der Eingliederung der Brücke eine Vitalitätsprüfung des Zahnes 14 vorgenommen habe. Sie habe auch keine Röntgenaufnahme dieses Zahnes angefertigt.

Der Zustand des Zahnes 14 habe sich verschlimmert und im späteren Verlauf sei es zu dessen Verlust gekommen. Hierfür seien sowohl die fehlerhafte Behandlung der Beklagten zu 1.) als auch die fehlerhafte Behandlung des Beklagten zu 3.) ursächlich.

Der Kläger behauptet weiter, er habe seit Mitte 2012 unter Schmerzen gelitten, die im August 2012 unerträglich geworden seien. Der Schmerz habe sich bis in die Nasennebenhöhlen erstreckt. Normales Kauen sei nicht mehr möglich gewesen. Es sei zu einem „Suppen“ gekommen.

Bei Behandlung des kranken Zahnes zu einem früheren Zeitpunkt, wären dem Kläger die Schmerzen erspart geblieben.

Durch die fehlerhafte Stifteinsetzung des Beklagten zu 3.) habe der Kläger nochmals unter Schmerzen gelitten Die Wunde habe permanent gesuppt. Die Einnahme der täglichen Mahlzeiten sei zu einer Tortur geworden.

Die ständigen Schmerzen hätten den Kläger auch in seinem allgemeinen Wohlbefinden beeinträchtigt und den ganzen Tag über eingeschränkt sowie zu einer depressiven Stimmungslage des Klägers geführt.

Auch heute leide der Kläger noch unter erheblichen Schmerzen in dem betroffenen Bereich. Auch heute „suppe“ es noch.

Der Kläger bestreitet hinsichtlich der Behandlung durch die Beklagten zu 2.) und 3.) eine OP-Aufklärung. Er sei auch nicht auf alternative, konservative Therapiemöglichkeiten hingewiesen worden.

Der Kläger meint, für die erlittenen Schmerzen sei ein Schmerzensgeld von mindestens 15.000,00 € angemessen. Dabei sei auch die Dauer der Erkrankung von über 2 Jahren zu berücksichtigen. Er beruft sich insoweit auf die Schmerzensgeldtabelle von Hacks/Wellner/Häcker, 32. Aufl., Nr. 1065.

Ferner behauptet er, es wäre ohne die fehlerhafte Behandlung der Beklagten zu 1.) nicht zu einer Eingliederung der Brücke gekommen. Jedenfalls seien die dafür von der Beklagten zu 1.) in Rechnung gestellten Beträge von 340,43 € aus der Rechnung vom 15.08.2011 (Anlage A 13, Bl. 79 f. d.A.) und von 26,93 € aus der Rechnung vom 08.08.2011 (Anlage A 14, Bl. 72 d.A.) unnütz aufgewandt worden, weil die eingegliederte Brücke von Zahn 17 auf Zahn 15/14 durch eine Brücke von Zahn 17 auf Zahn 15 und Zahn 13 ersetzt werden müsste. Die Beklagte zu 1.) habe daher dem Kläger diesen Betrag zu erstatten.

Ebenso seien die auf die Rechnung der Beklagten zu 2.) und 3.) vom 25.09.2012 gezahlten 62,18 € (Anlage A 15, Bl. 74 f. d.A.) unnütz gewesen, weil eine dauerhafte Verankerung eines solchen Stiftaufbaus nicht erwartet werden könne, so dass der Sinn und Zweck dieser Behandlung nicht erreicht worden sei und eine Neubehandlung notwendig werde. Die Beklagten zu 2.) und 3.) hafteten daher als Gesamtschuldner für die Rückzahlung dieses unnötig aufgewandten Betrages.

Sämtliche Beklagten müssten darüber hinaus gesamtschuldnerisch für die ihm zustehende Unkostenpauschale von 25,00 € aufkommen.

Der Kläger behauptet des Weiteren, durch die fehlerhafte Behandlung des Zahns 14 seien auch die anliegenden Zähne gefährdet worden, dies habe dazu geführt, dass die Zähne 15, 16 und 17 später entfernt werden mussten.

Schließlich müssten die Beklagten auch für die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten eintreten. Die geltend gemachten Kosten seien unter Zugrundelegung eines Streitwerts von 18.454, 54 € und unter Berücksichtigung einer 1,3 Geschäftsgebühr in Höhe von 961,28 € gerechtfertigt.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber 15.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte zu 1.) zu verurteilen, an den Kläger 367,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. die Beklagten zu 2.) und 3.) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Klägerin 62,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 25,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

5. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden, die aus den fehlerhaften Behandlungen seit dem 20.09.2011 künftig entstehen, zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen,

6. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 961,28 € an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1.) behauptet, am 06.07.2011 Röntgenbilder angefertigt zu haben, die keine apikale Parodontitis zeigten. Zwar treffe es zu, dass die außergerichtlich von ihr zur Verfügung gestellten Röntgenbilder kein Datum auswiesen. Die Röntgenbilder würden aber in der Praxis der Beklagten zu 1.) digital erstellt und mit der verwendeten Software unter dem Datum der Erstellung abgespeichert. Das einzelne Röntgenbild könne dann über eine Liste aufgerufen werden. Die Liste sei chronologisch aufgebaut und weise das Datum der Erstellung auf. Nachträgliche Änderungen hieran seien nicht möglich. Ferner beruft sich die Beklagte zu 1.) auf ihre als Anlage MK1 (Bl. 96 d.A.) vorgelegte Abrechnungsdokumentation, der eine Abrechnung von Röntgenleistungen zu entnehmen sei.

Die Beklagte zu 1.) behauptet weiter, eine Vitalisierungsprüfung routinemäßig vorgenommen zu haben. Der Befund sei unauffällig gewesen und daher nicht dokumentiert worden.

Ferner könne auch kein Rückschluss gezogen werden auf eine zum Zeitpunkt der Eingliederung bestehende apikale Parodontitis durch deren Vorliegen allein aufgrund des Umstandes, dass eine solche mehr als 11 Monate später gezogen werden diagnostiziert wurde. Eine apikale Parodontitis könne sich innerhalb von dieser 11 Monaten bilden erst entwickelt haben.

Selbst wenn zum Zeitpunkt Juli 2011 eine apikale Parodontitis hätte festgestellt werden können, wäre die nachfolgende Therapie nicht anders gewesen. Auch dann hätte eine Wurzelkanalbehandlung durchgeführt werden müssen.

Die Beklagten zu 2.) und 3.) behaupten, der bei dem Kläger vorgefundene „verfaulte Stumpf“ habe überhaupt nur mit einem Stift wiederhergestellt und der weitere Verbleib/Verbund der Krone mit der Zahnwurzel sichergestellt werden können. Eine andere Möglichkeit habe es nicht gegeben. Ferner stelle es keinen Behandlungsfehler dar, wenn der Beklagte zu 3.) eine via falsa gelegt haben sollte. Das könne auch bei einer lege artis erfolgenden Behandlung passieren.

Sie behaupten, die in der Zahnwurzel vorhandene radikuläre Zyste habe unbedingt entfernt werden müssen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 04.05.2016 Beweis durch Einholung eines schriftlichen technischen Sachverständigengutachtens erhoben über die Behauptung der Beklagten zu 1.), sie habe am 06.07.2011 Röntgenaufnahmen der von ihr über Grundzähne den streitbetroffenen Zähnen angefertigt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme insoweit wird auf das Gutachten des ………… vom 24.03.2017 (Bl. 218ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Weiter hat das Gericht aufgrund des genannten Beschlusses Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachtens zu den behaupteten Behandlungsfehlern sowie durch mündliche Anhörung des Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme insoweit wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten des ………… vom 25.06.2017 (Bl. 375ff. der Gerichtsakte) dessen schriftliche Ergänzung vom 25.09.2018 (Bl. 491ff. der Gerichtsakte) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2020 (Bl. 552ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gegenüber der Beklagten zu 1 unbegründet.

Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus Verletzung der Pflichten aus Behandlungsvertrag (§ 280 BGB i.V.m. § 611 BGB – § 603 a ff. traten erst seit dem 20.02.2013 in Kraft) oder aus unerlaubter Handlung ( § 823 BGB), nämlich dass eine Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht bei der Behandlung und/oder Befunderhebung kausal die von dem Kläger behaupteten gesundheitlichen Nachteile verursacht hätte, sind nicht zur sicheren Überzeugung des Gerichts bewiesen.

1. Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass die Beklagte zu 1 es unterlassen hat, vor der Eingliederung der Brücke eine Vitalitätsprüfung des Zahnes 14 vorzunehmen. Zwar hat sie die Durchführung einer solchen Vitalitätsprüfung nicht dokumentiert, daraus lässt sich jedoch nicht der hinreichend sichere Schluss ziehen, dass eine Vitalitätsprüfung tatsächlich auch nicht erfolgt ist. Dies kann lediglich vermutet werden, wenn die Durchführung der Vitalitätsprüfung hätte dokumentiert werden müssen (vgl. BGH, NJW 2015, 411). Dabei ist darauf hinzuweisen, dass sich dies vorliegend noch nicht aus § 630h Abs. 3 BGB ergibt, denn diese Vorschrift war im Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Behandlung noch nicht in Kraft getreten. Die Vermutung ist daher, soweit sie besteht, lediglich eine tatsächliche Vermutung, keine gesetzliche Vermutung.

Voraussetzung der Vermutung ist allerdings, dass die in Rede stehende Behandlungsmaßnahme, hier die Durchführung der Vitalitätsprüfung, nach den Regeln der ärztlichen Kunst hätte dokumentiert werden müssen. Dies ist nur dann der Fall, wenn es im Rahmen der weiteren Behandlung durch den gleichen oder einen anderen Arzt erforderlich ist, zu wissen, dass und mit welchem Ergebnis eine Vitalitätsprüfung durchgeführt wurde. Diese Erforderlichkeit hat der Sachverständige ………… jedenfalls für eine positive Vitalitätsprüfung nicht bestätigt.

Grundsätzlich ist es Sache des klagenden Patienten, einen von ihm behaupteten Behandlungsfehler des Arztes nachzuweisen. Allerdings kommen nach der Rechtsprechung zugunsten eines Patienten Beweiserleichterungen in Betracht.

Dies gilt etwa für den Fall, dass die gebotene ärztliche Dokumentation lückenhaft bzw. unzulänglich ist. Nach gefestigter Rechtsprechung begründet das Fehlen der Dokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme die Vermutung, dass die Maßnahme unterblieben ist. Der Behandlungsseite obliegt es dann, die Vermutung zu widerlegen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2019 – VI ZR 71/17 –, Rn. 8 – 12 mit weiteren Nachweisen zur ständigen Rspr., veröffentlicht u.a. in juris; Unterstreichungen und Fettdruck durch die Kammer; vgl. auch Pauge/Offenloch, Arzthaftungsrecht, 14. Aufl., Rn. 514; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., B Rn. 247; jeweils mwN; vgl. auch § 630h Abs. 3 BGB).

Art, Umfang und Inhalt der Dokumentation bestimmen sich nach dem Dokumentationszweck.

Zweck der Dokumentationspflicht ist die Sicherstellung wesentlicher medizinischer Daten und Fakten für den Behandlungsverlauf, nicht dagegen die Sicherung von Beweisen für einen späteren Haftungsprozess des Patienten. Deshalb ist, wie der BGH mehrfach ausgesprochen hat, eine Dokumentation, die aus medizinischer Sicht nicht erforderlich ist, auch aus Rechtsgründen nicht geboten (BGH, Urteil vom 06. Juli 1999 – VI ZR 290/98 –, Rn. 13, juris; BGH Urt. v. 24. Januar 1989 – VI ZR 170/88 – VersR 1989, 512, 513 und vom 23. März 1993 – VI ZR 26/92 – VersR 1993, 836, 837). Im übrigen wäre eine unvollständige oder auch nur lückenhafte Dokumentation keine eigenständige Anspruchsgrundlage und würde auch grundsätzlich nicht unmittelbar zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs führen. Dazu kann es vielmehr nur kommen, wenn die Dokumentationslücke einen groben Behandlungsfehler indiziert, der als solcher die Grundlage für Beweiserleichterungen bildet. (BGH, Urteil vom 06. Juli 1999 – VI ZR 290/98 –, Rn. 13, juris).

Für den hier zu entscheidenden Fall folgt daraus:

Das Fehlen einer Dokumentation eines Vitalitätstestes und dessen Ergebnisses wäre nur dann ein Dokumentationsmangel, wenn die Dokumentation auch eines positiven Vitalitätstestes aus medizinischer Sicht erforderlich wäre. d.h. wenn der gleiche oder ein anderer Behandler für die Fortsetzung der Behandlung auf diese dokumentierte Angabe zurückgreifen müsste.

Anders als noch in dem Hinweisbeschluss der Kammer vom 09.04.2018 (Bl. 464 d.A.) angenommen, ist das aber nach den Angaben des Sachverständigen insbesondere im Rahmen der Anhörung in der letzten mündlichen Verhandlung nicht der Fall: Aus medizinischer Sicht war wichtig, dass der Zahn nicht avital war, weil man auf den avitalen Zahn keine Brücke aufbauen dürfte.

War der Zahn dagegen vital, hat der damalige Test und dessen Ergebnis für die Behandlung nach Einbringen der Brücke keine Bedeutung mehr. Vielmehr kann der Zahn beim Einbringen der Brücke, bei dem u.a. Zahnschmelz abgeschliffen wird, avital geworden sein. Der Arzt, der den Patienten nach Einbringen der Brücke weiterbehandelt, muss also nach dem überzeugenden und widerspruchsfreien gerichtlichen Sachverständigengutachten – insbesondere nach den eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen in der Anhörung (Vgl. Bl. 522 R) – später wissen, ob der Zahn auch nach dem Einbringen der Brücke (noch) vital ist. Der vor dem Einbringen der Brücke durchgeführte Vitalitätstest mit positivem Ergebnis hat für die weitere Behandlung keine Relevanz (Bl 522. R unten und Bl. 523 oben).

Damit war das Ergebnis eines positiven Vitalitätstestes durch die Beklagte zu 1 vor Einbringen der Brücke medizinisch für die weitere Behandlung nach Einbringen der Brücke nicht relevant, folglich auch nicht dokumentationspflichtig.

Das OLG Hamm hat zwar in einer Entscheidung aus 2013 ausgeführt, dass „Ergebnisse einer Vitalitätsprüfung und ein positiver Perkussionsbefund dokumentationspflichtig“ seien (OLG Hamm, Urteil vom 08. November 2013 – I-26 U 51/13 –, Rn. 5, juris). Dies aber ohne nähere Begründung und ohne auf die vom BGH in ständiger Rechtsprechung zur Erforderlichkeit der Dokumentation aufgestellten Grundsätze einzugehen.

Unabhängig davon könnte das Unterlassen der Vitalitätsprüfung einen Schadensersatzanspruch des Klägers nur dann begründen, wenn dies zu kausalen negativen Folgen für den Kläger geführt hätte, d. h. wenn die Durchführung dieser Vitalitätsprüfung einen Befund erbracht hätte, aufgrund dessen sich die weitere Behandlung des Klägers anders hätte gestalten müssen und anders gestaltet hätte. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Vitalitätsprüfung negativ gewesen wäre, d. h. wenn der Zahn 14 des Klägers im Zeitpunkt der Eingliederung der Brücke bereits avital war. Dies vermag das Gericht jedoch nicht festzustellen. Der Sachverständige ………… hat vielmehr zur Überzeugung des Gerichts ausgeführt, dass dies im Nachhinein nicht mehr feststellbar ist.

Es kann auch nicht entsprechend der heute geltenden gesetzlichen Regelung des § 630h Abs. 5 S. 2 BGB vermutet werden, dass der Zahn bereits im Zeitpunkt der Eingliederung der Brücke avital war. Dies würde nämlich unter anderem voraussetzen, dass die Durchführung der Vitalitätsprüfung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zur Feststellung der Avitalität geführt hätte. Die Annahme einer dahingehenden hinreichenden Wahrscheinlichkeit setzt zwangsläufig voraus, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass der Zahn bereits avital war. Diese setzt nach hier vertretener Auffassung mindestens voraus, dass eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass deshalb der Zahn bereits avital war, als für das Gegenteil. Dies vermag das Gericht jedoch aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen ………… nicht festzustellen. Diese Ausführungen geben keinen Anlass zu der Annahme einer höheren für als gegen die Avitalität sprechenden Wahrscheinlichkeit.

2. Das Gericht ist auch nicht davon überzeugt, dass die Beklagte zu 1 es unterlassen hat, die gebotene Röntgenaufnahme anzufertigen.

Der Sachverständige ………… hat ausweislich seines schriftlichen Sachverständigengutachtens festgestellt, dass sich auf dem Computer der Beklagten zu 1 mehrere digitale Röntgenaufnahmen befinden, die nach den Angaben im zugehörigen Computerprogramm am 06.07.2011 angefertigt wurden und die dem Kläger zugeordnet sind. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist es ausgesprochen unwahrscheinlich dass diese Zuordnung (Datum und/oder Patient) nachträglich manipuliert wurde.

Einwände gegen diese Feststellungen des Sachverständigen wurden nicht vorgebracht.

Die Kammer ist deshalb davon überzeugt, dass die Beklagte zu 1 am 06.07.2011 – also im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Vorbereitung der Eingliederung der Brücke – Röntgenaufnahmen von einigen Zähnen des Beklagten gemacht hat. Der Kläger behauptet auch nicht, es seien lediglich andere Zähne als der Zahn 14, nicht aber dieser, geröntgt worden. Vielmehr behauptet er ausdrücklich, es seien „keine Röntgenaufnahmen“ gefertigt worden. Angesichts dessen besteht kein Grund zu der Annahme, dass die Röntgenaufnahmen nicht (jedenfalls auch) vom Zahn 14 angefertigt wurden.

3. Schließlich vermag die Kammer nicht festzustellen, dass es seitens der die Beklagten zu 1 fehlerhaft war, aus der Röntgenaufnahme nicht den Schluss zu ziehen, dass vor der Eingliederung der Brücke weitere Behandlungsmaßnahmen am Zahn 14 erforderlich sind. unterlassen hat. Der Sachverständige ………… hat im Gegenteil ausgeführt, dass auf dem ihm zur Verfügung gestellten Röntgenbild kein Anhaltspunkt für die Annahme ersichtlich ist, dass der Zahn nicht vital gewesen wäre. Damit ist kein Umstand bewiesen, der eine weitere Behandlung vor Eingliederung der Brücke erforderlich gemacht hätte.

II. Die Klage ist auch gegenüber dem Beklagten zu 2 und zu 3 unbegründet.

1. Zur sicheren Überzeugung der Kammer liegen zwar gleich mehrere Behandlungsfehler der Beklagten zu 2 und 3 vor, allerdings ist nicht zur sicheren Überzeugung der Kammer bewiesen, dass genau diese Fehler auch kausal zu den hier vom Kläger behaupten gesundheitlichen nachteiligen Folgen führten.

a) Fehler:

aa) Die Wurzelkanalbehandlung bei Zahn 14 am 16.08.2012 in einer einzigen Sitzung war nach dem Sachverständigen fehlerhaft (vgl. Erstgutachten Bl. 375 ff., 389; Ergänzungsgutachten Bl 491 ff., 494; Anhörung Bl 552 ff.).

Den insoweit überzeugenden Ausführungen folgt die Kammer. Es ist gerade das Ziel der mehrzügigen Behandlungsweise, möglichst alle Risiken, die durch eine bakterielle Kontamination im Behandlungsgebiet begründet sind, durch Antibiotikabehandlung, Abwarten und Kontrolle so weit zu minimieren, dass im Moment der chirurgischen Wurzelbehandlung annähernd ausgeschlossen werden kann, dass in dem zu verschließenden Wurzelkanal noch bakterieller Befall vorhanden ist.

Es war auch fehlerhaft, sofort die chirurgische Wurzelkanalbehandlung durchzuführen und nicht erst die nach dem Sachverständigen auch damals noch mögliche und erfolgversprechende sowie weniger invasive konservative Wurzelbehandlung durchzuführen.

Auch insoweit folgt die Kammer dem überzeugenden und widerspruchsfreien Gutachten des Sachverständigen.

bb) Weiterer Behandlungsfehler war die Einbringung des Stiftes bei Zahn 14 am 07.09.2012, weil dies zum damaligen Zeitpunkt nicht indiziert war und zudem handwerklich fehlerhaft durchgeführt wurde. Die Kammer folgt auch insoweit den überzeugenden und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen. (vgl. Erstgutachten Bl. 375 ff., 389,390; Ergänzungsgutachten Bl 491 ff., 494; Anhörung Bl 552 ff.).

b) kausale Folgen

Allerdings vermochte der Kläger nicht zu beweisen, dass diese Fehler auch kausal wurden für konkrete negative gesundheitliche Folgen für den Kläger.

aa) (1) Die Wurzelkanalbehandlung zum Zahn 14 am 16.08.2012 in nur einer einzigen Sitzung anstelle einer mehrzügigen Behandlung mit Antibiotikabehandlung, Abwarten, Kontrolle und dann erst anschließender Schließung des Wurzelkanals hat in dem hier vorliegenden Fall nicht zur sicheren Überzeugung des Gerichts zu den vom Kläger behaupteten gesundheitlichen Nachteilen geführt.

Der Sachverständige hat gerade keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Behandlung des Zahns 14 am 16.08.12 und den später am Zahn 14 oder den umliegenden Zähnen 15 und 17 bestätigt. Er betont zwar mehrfach und eindrücklich, dass die mehrzügige Behandlung gerade das Risiko, das sich hier evtl. realisiert hat, verhindern soll. Das führt aber in rechtlicher Hinsicht nur dazu, dass ein Behandlungsfehler anzunehmen ist (s.o.).

Für die Kausalität ist erforderlich, dass diese Abweichung der tatsächlichen von der gebotenen Behandlung auch zu einem Nachteil führte, d.h. gerade die einzügige Behandlung am 16.08.12 dazu führte, dass die später aufgetretenen Probleme mit Zahn 14 entstanden. Genau das ist nicht zur sicheren Überzeugung der Kammer bewiesen.

Nach der Behandlung am 16.08.2012 wurde Zahn 14 am 25.09.12 noch einmal geröntgt, dann aber erst wieder ab dem 10.04.2013 wegen einer Abszesseröffnung von den Beklagten zu 2 und 3 behandelt, nachdem die Beklagte zu 1, bei der der Kläger erschienen war, am 11.03.2013 dokumentierte, dass der Kläger über Probleme i.V.m. Zahn 14 berichtet habe. (Vgl. zu den zeitlich geordneten dokumentierten Einträgen der Krankenakten die Zusammenstellung des Sachverständigen im 1. Gutachten Bl 382).

Zwar spricht der Umstand, dass der Kläger erst so spät nach dem 16.8.12 über Probleme mit Zahn 14 klagte, nicht gegen einen Kausalzusammenhang, vielmehr muss die Fortdauer der bakteriellen Kontamination und eine so verursachte chronische Entzündung nicht immer sofort zu Schmerzen führen (Bl. 557). Ebenso spricht der Umstand, dass am 10.04.2013 ein Abszess bei Zahn 14 eröffnet wurde, nach dem Sachverständigen eher für einen kausalen Zusammenhang als dagegen (Bl. 557 Mitte).

Für die Beweisführung ist aber nicht ausreichend, dass mehr dafür als dagegen spricht. Für die Beweisführung ist eine sichere Überzeugung des Gerichts erforderlich. Dazu ist zwar nicht erforderlich, dass nur die vom Kläger angenommene Kausalkette naturwissenschaftlich möglich ist, aber die Kammer muss bei mehreren naturwissenschaftlich möglichen Kausalverläufen die Überzeugung gewinnen, dass der vom Kläger behauptete Kausalverlauf zutrifft.

Daran fehlt es hier insbesondere deshalb, weil der Sachverständige auch andere mögliche Ursachen für den bakteriellen Befall und den dadurch ggf. hervorgerufenen Abszess am 10.04.2013 nennt, nämlich konkret die unzureichende Mundhygiene des Klägers. Zwar wäre verständlich – darauf weist der Sachverständige auch hin – dass der Kläger gerade wegen der Schmerzen die Zähne nicht in der objektiv notwendigen Weise putzt. Die fehlende Mundhygiene ist aber auch bereits in anderen Zusammenhängen in den Krankenakten dokumentiert.

Da somit die fehlende Mundhygiene auch als eine Ursache für die vom Kläger behaupteten gesundheitlichen Probleme in Betracht kommt, ist der vom Kläger behauptete Ursachenzusammenhang nicht zur sicheren Überzeugung der Kammer bewiesen.

(2) Auch einen Kausalzusammenhang zwischen fehlerhafter chirurgischer Wurzelkanalbehandlung gegenüber der konservativen Behandlung und den behaupteten Folgen konnte der Kläger nicht beweisen.

Auch wenn es aus ex ante Sicht fehlerhaft war, den Wurzelkanal chirurgisch zu behandeln und nicht zunächst konservativ zu behandeln, hat sich dieser Fehler nicht kausal ausgewirkt, weil – aus ex-post-Sicht – die durchgeführte Behandlung ohnehin erforderlich gewesen wäre.

In seiner Gutachterlichen Stellungnahme zu den Einwänden der Beklagten hat der Sachverständige zwar noch ausgeführt, dass die von den Beklagten angeführte Zyste erst ex post bekannt wurde, folglich die Behandlung ex ante fehlerhaft war. In der mündlichen Verhandlung hatte die Kammer allerdings darauf hingewiesen, dass es für die Frage der Kausalität auf die ex post Sicht ankommt.

Daraufhin erläuterte der Sachverständige, dass im Falle des Klägers tatsächlich ex post epitheliale Zellen bzw. eine Zyste festgestellt wurde und aus medizinischer Sicht streitig ist, wie solche Zellen zu behandeln sind, jedenfalls im Falle solcher Zellen nicht als falsch bezeichnet werden kann, wenn diese – wie hier mit der Behandlung am 16.08.2012 – chirurgisch entfernt werden (Bl 555).

(bb) Dass das Einsetzen des Stiftes in Zahn 14 am 07.09.2012 zu einem nachteiligen kausalen gesundheitlichen Schaden für den Kläger geführt hätte, vermochte dieser ebenfalls nicht zu beweisen.

Der Umstand, dass der Stift nicht indiziert war, führt allein nicht zu kausalen Folgen. Der Sachverständige führt aus, dass der Zahn 14 unstreitig behandlungsbedürftig war. Eine Behandlung des Zahnes wäre also ohnehin erfolgt.

Damit kommt ein kausaler Schaden nur in Betracht, wenn der eingesetzte Stift auch zu einem gesundheitlichen Nachteil führte. Davon ging die Kammer zunächst auch in dem Hinweisbeschluss vom 09.04.2018 (Bl 464 ff. d.A.) aus, weil der Sachverständige in seinem Erstgutachten (Bl. 375 ff.) angab, dass die Wurzelbehandlung und der eingesetzte Stift dazu geführt hätten, dass der Zahn 14 seit 2012 „suppt“ (Bl 389,390).

In seinem Ergänzungsgutachten (Bl 491 ff.) schreibt der Sachverständige noch, dass die Wurzelverletzung bei Zahn 14 durch den Stift „hoch wahrscheinlich“ sei und gemeinsam mit der „offenbar fehlenden Keimfreiheit“ die Hauptursache für Schäden an Zahn 14 und an den angrenzenden Strukturen darstelle (Bl 496).

Innerhalb der Anhörung hat der Sachverständige allerdings seine Aussagen relativiert: Auf Vorhalt der Beklagten, dass entgegen der Annahme des Sachverständigen auf den Röntgenbildern gar keine via falsa oder Fraktur der Wurzel erkennbar sei, erläuterte der Sachverständige, dass es richtig sei, dass auf den Röntgenbildern keine eindeutige Fraktur gesehen werden könne und auch nicht sichtbar sei, dass der Stift die Wurzelwand durchstoßen habe (Bl 555R letzter Absatz).

Insgesamt ist daher die Kammer nicht der sicheren Überzeugung, dass die hier bewiesenen und in Frage kommenden Behandlungsfehler kausal zu gesundheitlichen Nacheilen des Klägers führten.

Eine Beweislastumkehr zugunsten des Klägers besteht insoweit nicht. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ………… sind die ist der (hier angenommene) Behandlungsfehler nicht so schwerwiegend, dass er sie rechtlich als eine Beweislastumkehr begründender grober Behandlungsfehler zu qualifizieren wären.

Das Gericht vermag auch nicht im Wege eines Anscheinsbeweises festzustellen, dass der (hier angenommene) Behandlungsfehler in der Praxis der Beklagten zu 2 und 3 zum Verlust der Zähne geführt hat. Dagegen spricht schon, dass auch eine schlechte Mundhygiene als Ursache ernsthaft in Betracht kommt.

Was der Sachverständige hinsichtlich des Verlustes der Nachbarzähne ausgeführt hat, gilt nach Überzeugung des Gerichts auch für den Zahn 14 selbst. Wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Ausbreitung von Keimen, die zum Verlust der Nachbarzähne geführt hat, nicht darauf zurückzuführen ist, dass es den Beklagten nicht gelungen ist, Keime aus der Wurzel des Zahnes 14 vollständig zu entfernen, dann kann für den Verlust des Zahnes 14 selbst nichts anderes gelten.

2. Der Sachverständige bezeichnet es in seinem schriftlichen Gutachten als unverständlich, dass die fast neuwertige Brückenversorgung durch die Beklagten 2 und 3 „ohne Aufklärung des Patienten über mögliche Gewährleistungsnachteile sowie ohne Rücksprache mit“ der Beklagten zu 1 beschädigt wurde. Hieraus lassen sich jedoch die geltend gemachten Ansprüche nicht herleiten. Zum einen waren die Beklagten zu 2 und 3 nicht verpflichtet, den Kläger über etwaige Gewährleistungsansprüche zu informieren, sodass es nicht darauf ankommt, ob sie zu einer solchen (Rechts)Beratung überhaupt berechtigt waren. Es ist auch nicht erkennbar, was Gegenstand einer Rücksprache mit der Beklagten hätte sein sollen. Insbesondere aber ist nicht erkennbar, dass und inwiefern sich der weitere Verlauf für den Kläger günstiger gestaltet hätte, wenn eine solche Beratung bzw. Rücksprache erfolgt wäre.

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO und § 709 ZPO.

 

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