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Abbruch Zahnarztbehandlung durch Patienten wegen fehlerhaften Zahnersatzes

Zahnarzt entgeht Schmerzensgeldklage: Patientin brach Behandlung eigenverantwortlich ab

Das Landgericht Münster wies die Klage einer Patientin gegen ihren Zahnarzt zurück, der umfangreiche Zahnersatzmaßnahmen durchgeführt hatte. Die Klägerin brach die Behandlung ab und verlangte Schmerzensgeld wegen angeblich fehlerhaften Zahnersatzes und Behandlungsmängeln. Das Gericht entschied, dass der Klägerin keine Ansprüche zustehen, da sie dem Zahnarzt keine Möglichkeit zur Nachbesserung gab und eigenverantwortlich die Behandlung abbrach.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 111 O 26/12 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Klageabweisung: Das LG Münster wies die Klage der Patientin ab.
  2. Keine Schmerzensgeldansprüche: Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schmerzensgeld, da sie die Behandlung eigenverantwortlich abbrach.
  3. Fehlende Nachbesserungsmöglichkeit: Die Klägerin gab dem Zahnarzt keine Gelegenheit zur Nachbesserung des Zahnersatzes.
  4. Eigenverantwortlicher Behandlungsabbruch: Die Klägerin entschied sich selbstständig, die Behandlung abzubrechen, ohne dem Zahnarzt eine Chance zur Korrektur zu geben.
  5. Kronenränder und Zahnersatz: Trotz möglicher Mängel bei den Kronenrändern und dem Zahnersatz wurde keine Unzumutbarkeit einer Nachbesserung festgestellt.
  6. Zahnärztliche Behandlung: Das Gericht betonte, dass eine zahnärztliche Behandlung nicht mit dem ersten Einsetzen des Zahnersatzes abgeschlossen ist.
  7. Rechtsprechung und Patientenrechte: Das Urteil stützt sich auf ständige Rechtsprechung bezüglich der Rechte und Pflichten von Patienten und Zahnärzten.
  8. Keine Haftung des Beklagten: Das Gericht sah keine Haftungsgrundlage für den beklagten Zahnarzt.

Fehlerhafte Zahnarztbehandlungen können für Patienten nicht nur schmerzhaft, sondern auch rechtlich komplex sein. Wenn ein Patient aufgrund eines fehlerhaften Zahnersatzes die Behandlung abbricht, muss er bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um Schadensersatz oder Schmerzensgeld zu fordern.

(Symbolfoto: studio2sim /Shutterstock.com)

Dabei ist es wichtig, den Behandlungsvertrag zu kennen und dem Zahnarzt eine Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben, sofern dies möglich ist. Sollte keine Einigung erzielt werden, kann der Patient den Zahnarzt verklagen, wobei bestimmte Voraussetzungen wie ein Behandlungsfehler oder eine Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht erfüllt sein müssen. In einigen Fällen kann auch Schmerzensgeld verlangt werden, abhängig von der Schwere der Fehler und den daraus resultierenden Folgen für den Patienten. Es ist ratsam, im Falle eines fehlerhaften Zahnersatzes zunächst das Gespräch mit dem Zahnarzt zu suchen und eine Lösung zu finden. Sollte dies nicht möglich sein, kann eine rechtliche Beratung oder Unterstützung in Betracht gezogen werden.

Der Beginn einer juristischen Auseinandersetzung: Zahnarztbehandlung und fehlerhafter Zahnersatz

Im Dezember 2010 begann eine zahnärztliche Behandlung, die in eine rechtliche Kontroverse münden sollte. Die Klägerin erhielt umfangreiche Zahnersatzmaßnahmen im Oberkiefer durch den Beklagten, einen Zahnarzt. Dabei wurden eine Brücke und mehrere Kronen provisorisch eingesetzt. Probleme traten auf, als die Klägerin eine Zahnfleischentzündung entwickelte und ein Gutachten auf Mängel am Zahnersatz hinwies. Die Klägerin bemängelte insbesondere die Bissungenauigkeit und zu dicke Kronenränder, die zu Entzündungen führten. Trotz mehrfacher Versuche des Zahnarztes, die Situation zu verbessern, blieben die Probleme bestehen, und die Klägerin wechselte schließlich den Behandler.

Rechtliche Grundlage der Klage: Schmerzensgeld und Ersatzpflicht

Die Klägerin erhob Klage mit der Forderung nach Schmerzensgeld und der Feststellung der weiteren Ersatzpflicht des Beklagten. Sie verlangte 2.500,00 EUR für die erlittenen Schmerzen und die durch die Behandlung entstandenen Unannehmlichkeiten. Die Klägerin argumentierte, dass der Beklagte die Kronenränder zu dick angefertigt habe, was zu den Entzündungen geführt habe. Der Beklagte wiederum behauptete, dass eine zerstörungsfreie Entfernung oder Korrektur der Überkronung möglich gewesen wäre und die Klägerin keine Nachbesserungsmöglichkeit eingeräumt habe.

Die Entscheidung des Gerichts: Abwägung von Patientenrechten und zahnärztlichen Pflichten

Das Landgericht Münster wies die Klage der Patientin ab. Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin die Behandlung abgebrochen hatte, ohne dem Beklagten eine Möglichkeit zur Nachbesserung zu geben. Es wurde hervorgehoben, dass zahnärztliche Behandlungen oft nicht mit dem ersten Einsetzen des Zahnersatzes abgeschlossen sind und Korrekturmaßnahmen erforderlich sein können. Das Gericht folgte der obergerichtlichen Rechtsprechung, wonach der Patient dem Zahnarzt die Möglichkeit zur Nachbesserung geben muss, um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend machen zu können.

Der Abschluss des Falles: Keine Schadensersatzpflicht des Beklagten

Das Gericht betonte, dass der provisorische Charakter der Versorgung und die fehlende Unzumutbarkeit einer Nachbesserung entscheidend waren. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Klägerin die Behandlung jederzeit hätte abbrechen können, jedoch keine Ansprüche aufgrund von Mängeln an der noch nicht abgeschlossenen Versorgung geltend machen könne. Die Klägerin trug die Kosten des Rechtsstreits und das Urteil war vorläufig vollstreckbar.

✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt

Welche rechtlichen Pflichten hat ein Patient, wenn er eine zahnärztliche Behandlung abbricht?

Wenn ein Patient eine zahnärztliche Behandlung abbricht, hat er bestimmte rechtliche Pflichten und Konsequenzen zu beachten.

Zunächst einmal ist zu beachten, dass der Patient das Recht hat, die Behandlung jederzeit abzubrechen. Dies ist im Behandlungsvertrag verankert, der stillschweigend eingegangen wird, sobald der Patient eine zahnärztliche Behandlung beginnt.

Bei einem Abbruch der Behandlung muss der Patient jedoch die Kosten für die bereits erbrachten Leistungen tragen. Wenn der Patient trotz fehlender Mitarbeit den Abschluss der Behandlung wünscht, obwohl der Abbruch bereits gemeldet wurde, dann muss er die Kosten ab dem Zeitpunkt des Abbruchs selbst tragen.

Darüber hinaus kann ein vorzeitiger Abbruch der Behandlung zu gesundheitlichen Komplikationen führen. Beispielsweise können bei einer kieferorthopädischen Behandlung unerwünschte Nebenwirkungen oder Komplikationen auftreten, wenn die Behandlung vorzeitig abgebrochen wird.

Es ist auch zu beachten, dass der Patient eine Mitwirkungspflicht hat. Dies bedeutet, dass er den Zahnarzt zutreffend über seine gesundheitliche Situation informieren muss, um ihm die Möglichkeit zu geben, die Behandlung entsprechend darauf auszurichten.

Schließlich ist zu beachten, dass der Patient bei einem Wechsel des Zahnarztes mitten in einer laufenden Behandlung möglicherweise Schwierigkeiten haben könnte, einen neuen Zahnarzt zu finden, der die Behandlung fortsetzt.

Es ist daher ratsam, vor einem Abbruch der Behandlung die möglichen Konsequenzen sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls rechtlichen Rat einzuholen.

Was sind die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen in der Zahnmedizin?

Die Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen in der Zahnmedizin setzt voraus, dass ein Behandlungsfehler vorliegt, der Schmerzen oder einen Gesundheitsschaden verursacht hat. Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Zahnarzt gegen den in seinem Fachkreis geltenden Standard verstoßen hat.

Die Beweislast für den Behandlungsfehler und den daraus resultierenden Schaden liegt beim Patienten. Es ist jedoch zu beachten, dass nicht jeder Fehler beim Zahnarzt eine Pflicht zum Schadensersatz auslöst.

Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von der Art und Schwere der verursachten Verletzung ab und wird in der Regel von den Gerichten anhand von Schmerzensgeldtabellen bestimmt.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass wenn ein Zahnarzt das Recht zur Nachbesserung hat, weder Schadenersatz noch Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht werden können.

Die Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen ist ein komplexer Prozess und es wird empfohlen, einen Fachanwalt für Medizinrecht zu konsultieren, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen.

Inwiefern sind Nachbesserungsmöglichkeiten bei zahnärztlichen Behandlungen relevant für Schadensersatzansprüche?

Die Möglichkeit zur Nachbesserung bei zahnärztlichen Behandlungen spielt eine wichtige Rolle bei der Beurteilung von Schadensersatzansprüchen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass einem Zahnarzt bei fortdauerndem Behandlungsverhältnis ein Nachbesserungsrecht zusteht. Dies bedeutet, dass der Zahnarzt die Möglichkeit hat, eventuell aufgetretene Mängel oder Fehler bei der Behandlung zu korrigieren.

Wenn ein Patient einen Schadensersatzanspruch geltend machen möchte, muss er nachweisen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dass dieser Fehler zu einem Schaden geführt hat. Wenn jedoch Nachbesserungsmöglichkeiten bestehen und der Zahnarzt bereit und in der Lage ist, diese zu nutzen, kann dies die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erschweren.

Es gibt jedoch auch Situationen, in denen eine Nachbesserung nicht ausreichend ist. Beispielsweise wenn die Mängel trotz ausreichender Nachbesserungsmöglichkeiten nicht beseitigt werden können oder wenn eine Neuversorgung des Patienten erforderlich ist. In solchen Fällen kann der Patient möglicherweise Schadensersatzansprüche geltend machen.

Es ist auch zu berücksichtigen, dass die Zumutbarkeit der Nachbesserung eine Rolle spielt. Wenn beispielsweise eine Vielzahl von erfolglosen Nachbesserungsversuchen stattgefunden hat, kann es nachvollziehbar sein, wenn der Patient eine Weiterbehandlung durch den Behandler ablehnt.

Insgesamt hängt die Relevanz von Nachbesserungsmöglichkeiten bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab. Es wird empfohlen, in solchen Situationen rechtlichen Rat einzuholen.


Das vorliegende Urteil

LG Münster – Az.: 111 O 26/12 – Urteil vom 18.12.2014

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 25 % abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 25 % leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld und die Feststellung der weiteren Ersatzpflicht des Beklagten im Zusammenhang mit einer zahnärztlichen Behandlung.

Der Beklagte nahm im Dezember 2010 umfangreiche Zahnersatzmaßnahmen im Oberkiefer der Klägerin vor. Im Bereich der Zähne 23, 25 und 27 setzte er eine Brücke ein, die Zähne 13 bis 16 sowie die Zähne 11 und 21 versorgte er mit Kronen. Der Einsatz des definitiven Zahnersatzes erfolgte zunächst provisorisch mit entsprechend begrenzt haltbarem Befestigungszement. Am 23.12.2010 und am 03.01.2011 wurde die Versorgung kontrolliert. Der Klägerin, die sich mehrmals im Jahr für mehrere Monate in den USA aufhält, gab der Beklagte für den Fall, dass sich Materialen lockern würden, das provisorische Einsetzmaterial „Temp Bond“ mit. Am 14.04.2011 stellte sich die Klägerin bei dem Beklagten wieder vor. Hierbei wurde eine Zahnfleischentzündung im Bereich 13 festgestellt und zunächst medikamentös behandelt. Am 02.05.2011 entfernte der Beklagte dann per Laser hyperplastisches Gewebe im Brückengliedbereich 12/13, um bessere Hygienebedingungen zu schaffen. Bei einem weiteren für den 19.05.2011 geplanten Termin sollte der Bereich 13 kontrolliert und die gesamte Arbeit auf mögliche Irritationen durch Zementreste oder Kronenränder geprüft werden. Diesen Termin nahm die Klägerin nicht wahr.

Auf Veranlassung der gesetzlichen Krankenversicherung der Klägerin erstellte Frau Dr. C aus N sodann unter dem 28.06.2011 ein Gutachten, nach dem die vorgenannten Kronen mangelbehaftet sind und mangels Korrekturmöglichkeit eine Neuanfertigung erforderlich ist. Ferner kam sie zu dem Ergebnis, dass an den Zähnen 13, 11, 21 und 22 unvollständige Wurzelfüllungen vorliegen. Am 12.08.2011 fand in der Praxis des Beklagten ein Gespräch mit der Klägerin statt, in welchem der Beklagte eine Überprüfung und ggf. Nachbesserung anbot. Die Klägerin verweigerte eine weitere Behandlung durch den Beklagten. Im November 2011 begab sie sich stattdessen in Behandlung von Prof. Dr. Dr. U aus N, der eine Wurzelbehandlung durchführte.

Die Klägerin behauptet, die Kronenränder seien von dem Beklagten teilweise zu dick angefertigt worden, so dass es zu Entzündungen des Zahnfleischs gekommen sei. Sie habe schon beim Einsetzen des Zahnersatzes eine Bissungenauigkeit bemängelt. Gleichwohl seien die Kronen im Mund belassen worden. Mehrfach habe der Beklagte erfolglos eine Nachbesserung versucht, wobei u.a. am 03.01.2011 der Versuch einer Lösung der Kronen im Frontzahnbereich selbst unter dem Einsatz „großer Gewalt“ misslungen sei. Sie habe über einen längeren Zeitraum mit den Backenzähnen nicht beißen können. Jedenfalls nach der Begutachtung der Behandlung durch Dr. C habe sie das Vertrauen in den Beklagten endgültig verloren und deshalb den Behandler gewechselt. Der gesamte vom Beklagten angefertigte Zahnersatz müsse nun entfernt und zunächst durch eine provisorische Versorgung ersetzt werden, um die Zahnfleischentzündung abklingen zu lassen, bevor dann ein neuer endgültiger Zahnersatz einzusetzen sei. Aufgrund der Behandlung des Beklagten bestehe eine erhebliche Bissempfindlichkeit. Die Klägerin behauptet, sie habe ab September 2011 bis zur Nachbehandlung durch Prof. Dr. Dr. U unter erheblichen Schmerzen gelitten. Sie ist der Auffassung, ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500,00 EUR sei angemessen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche materielle sowie weitergehende immaterielle Schäden, die ihr in Folge der im Januar 2011 bei dem Beklagten erfolgten zahnärztlichen Behandlung entstanden sind bzw. entstehen werden, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, vor dem Hintergrund des provisorischen Charakters der Versorgung sei auch eine zerstörungsfreie Entfernung bzw. Korrektur der Überkronung ohne weiteres möglich. Nach Eingliederung des Zahnersatzes am 20.12.2010 habe die Klägerin im Kontrolltermin am 03.01.2011 über keinerlei Probleme geklagt. Es sei auch nicht versucht worden, die Kronen im Frontzahnbereich mit großer Gewalt zu entfernen; vielmehr sei insoweit nur die Festigkeit des Zahnersatzes überprüft worden. Anhaltspunkte für einen Vertrauensverlust lägen nicht vor, so dass ein Behandlerwechsel nicht erforderlich gewesen sei. Er ist unter Berufung auf obergerichtliche Rechtsprechung der Auffassung, die Klägerin könne keine Schadensersatzansprüche geltend machen, da ihm keine Nachbesserungsmöglichkeit eingeräumt worden sei, sondern die Klägerin die Behandlung eigenverantwortlich abgebrochen habe. Schließlich meint er, einem Schmerzensgeldanspruch stehe ebenfalls entgegen, dass sich die Klägerin – die von ihr vorgetragenen Schmerzzustände als richtig unterstellt – nicht hat (von ihm) behandeln lassen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Krankenunterlagen, durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. X vom 27.01.2013 (Bl. 65 ff. d.A.), der das Gutachten mündlich erläutert hat. Die Parteien wurden persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 30.10.2014 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht gemäß §§ 280 Abs. 1, 611 Abs. 1, 253 Abs. 2, 823 Abs. 1 BGB zu.

Es kann dahinstehen, ob der provisorische Einsatz des Zahnersatzes am 20.12.2010 zunächst pflichtwidrig erfolgt ist, weil bereits zu diesem Zeitpunkt teilweise nicht akzeptable Kronenrandüberstände bestanden haben. Auch braucht nicht entschieden zu werden, welcher konkrete Überstand erforderlich ist, um einen Verstoß gegen den Standard zu begründen. Schließlich kommt es nicht darauf, ob die von der Klägerin dargelegten Beschwerden durch Kronenränder zumindest mitverursacht worden sind. Den geltend gemachten Ansprüchen steht jedenfalls entgegen, dass die Klägerin die Behandlung abgebrochen hat, ohne dem Beklagten eine Möglichkeit zur Nachbesserung eingeräumt zu haben.

Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, hat der Patient es dem Zahnarzt bei einer prothetisch noch nicht beendeten Behandlung zu gestatten, durch geeignete Korrekturmaßnahmen einen funktionstüchtigen und beschwerdefrei zu tragenden Zahnersatz herzustellen. Zahnärztliche Behandlungen sind nicht mit dem ersten Einsetzen des Zahnersatzes abgeschlossen. Vielmehr müssen nicht selten Korrekturmaßnahmen durchgeführt werden. Aus diesem Grund wird der Zahnersatz – wie hier – zunächst häufig nur provisorisch eingesetzt. Weigert sich ein Patient nach der Eingliederung von Zahnersatz, zumutbare Korrekturmaßnahmen des Arztes hinzunehmen, kommen insofern Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nicht in Betracht, wobei selbst die Neuanfertigung einer Prothese zumutbar sein kann (vgl. nur: OLG Hamm, Urteil vom 03.12.2002, Az. 3 U 33/02, Rn. 7; Urteil vom 06.06.2014, Az.: 26 U 14/13, Rn. 19 – möglicher Verstoß gegen Schadensminderungspflicht – beide zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 17.12.2012, Az. 5 U 126/12, Rn. 3, zitiert nach juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 01.06.2010, Az.: 8 U 126/09, Rn. 21, zitiert nach juris; OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13.12.2007, Az. 1 U 10/07, Rn. 22 f., zitiert nach juris; OLG Dresden, NJW-RR 2009, 30; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.02.2007, Az.: 7 U 224/06, Rn. 6 m.w.Nachw., zitiert nach juris).

Hier war die prothetische Versorgung nach dem provisorischen Einsatz im Dezember 2010 unstreitig noch nicht abgeschlossen. Nachdem die Klägerin von ihrem längeren Auslandsaufenthalt im Frühjahr 2011 zurückgekehrt war, folgte im Bereich 13 die Behandlung einer Zahnfleischentzündung, die dann bei einem weiteren für den 19.05.2011 geplanten Termin kontrolliert werden sollte. An diesem Tage sollte auch die gesamte Arbeit auf mögliche Irritationen durch Zementreste oder Kronenränder geprüft werden. Den Termin hat die Klägerin nicht mehr wahrgenommen und auch eine vom Beklagten im August 2011 angebotene Nachbesserung abgelehnt.

Eine solche Weiterbehandlung durch den Beklagten war der Klägerin indes nicht unzumutbar. Dass vor ihrer Entscheidung, die Behandlung bei dem Beklagten abzubrechen, bereits mehrfach vergebliche Nachbesserungsversuche statt gefunden haben, hat die Klägerin schon nicht substantiiert vorgetragen. Ein entsprechender Sachverhalt lässt sich auch nicht den Krankenunterlagen entnehmen. Im Übrigen widerspricht dieses schriftsätzliche Vorbringen auch dem Inhalt der persönlichen Anhörung der Klägerin, wonach sie auf die Frage, ob sie dem Beklagten eine Möglichkeit zur Nachbesserung gegeben habe, geantwortet hat: „Ich habe mir gesagt, einmal gepfuscht, dann gibt es kein zweites Mal“. Nach der Anhörung der Klägerin habe der „Pfusch“ darin bestanden, dass sie in der ersten Woche drei bis vier Mal aufgrund von Zahnschmerzen bei dem Beklagten gewesen sei. Dieser habe dann „immer ein bisschen was gemacht“, die Zahnschmerzen seien aber nach wie vor vorhanden gewesen. Auch für einen solchen Hergang ergeben sich aus der Behandlungsdokumentation indes keinerlei Belege. Danach war die Klägerin nach dem provisorischen Einsatz der Arbeit vor ihrem Auslandsaufenthalt nur noch am 23.12.2010 und am 03.01.2011 bei dem Beklagten. Für beide Tage wurden keine Schmerzzustände dokumentiert.

Auch für ihr Vorbringen, der Beklagte habe gewaltsam vergeblich versucht, die Kronen im Frontzahnbereich zu lösen, ist die Klägerin beweisfällig geblieben. Ein entsprechender Eintrag findet sich in der Dokumentation nicht. Die hierzu abgegebene Erklärung des Beklagten, er habe vor dem längeren Auslandsaufenthalt lediglich die Festigkeit des Zahnersatzes kontrolliert, ist im Übrigen plausibel.

Unterstellt, die Kronenränder widersprachen schon zum Zeitpunkt des provisorischen Einsatzes am 20.12.2010 dem zahnprothetischen Standard, würde dies schließlich ebenfalls keine Unzumutbarkeit einer Nachbesserung begründen. Dies schon aus dem Grund, dass die Einräumung einer Nachbesserungsmöglichkeit praktisch leer liefe, wenn die zur Begründung für eine solche Gelegenheit angeführte Schwierigkeit, Zahnersatz auf Anhieb beschwerdefrei einzuliefern, im Falle ihres Auftretens zugleich einen einseitigen Behandlungsabbruch rechtfertigte. Deshalb reicht nur ein Verhalten des Zahnarztes, das aus Sicht eines durchschnittlich robusten oder empfindsamen Patienten, der Einsicht in die Problematik der Behandlung zeigt, als nicht mehr hinnehmbar erscheint, für sich genommen aus, die Behandlung einseitig abzubrechen (vgl. OLG Köln a.a.O.). Dieser Schweregrad ist hier nicht erreicht. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist es nicht ungewöhnlich, dass Kronenränder nicht so sind, wie sie sein sollten. Das könne passieren. Aus seiner Sicht sei es zumutbar für den Patienten, sich in diesem Fall erneut an den Zahnarzt zu wenden. Die Kammer folgt dieser nachvollziehbaren Einschätzung des Sachverständigen, welcher der Kammer aus zahlreichen Verfahren als zuverlässiger und kompetenter Gutachter bekannt ist.

Im Ergebnis stand es der Klägerin demnach sicherlich frei, die Behandlung jederzeit abzubrechen. Mit Ansprüchen, die sie auf Mängel an der noch nicht abgeschlossen Versorgung stützt, ist sie indes ausgeschlossen.

Vorsorglich wird noch darauf hingewiesen, dass sich eine Haftung des Beklagten auch nicht auf der Grundlage der jüngst ergangenen Entscheidung des OLG Hamm vom 12.09.2014 (Az. 26 U 56/13, zitiert nach juris) begründen lässt. Zwar ist insofern eine Haftung des beklagten Zahnarztes im Zusammenhang mit überstehenden Kronenrändern festgestellt worden. Anders als dort erfolgte die Befestigung der Versorgung hier aber zunächst provisorisch, was der Klägerin durch den Beklagten auch unstreitig mitgeteilt worden ist.

Da keine Schadensersatzpflicht des Beklagten besteht, ist auch der geltend gemacht Feststellungsantrag unbegründet.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

 

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