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Behandlungsfehler bei Durchführung und im Anschluss an eine Herzkatheteruntersuchung

OLG Koblenz – Az.: 5 U 167/09 – Urteil vom 24.03.2011

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 28. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten  gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrags abwenden, soweit nicht der vollstreckende Teil Sicherheit in entsprechender Höhe stellt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Der Kläger wurde am 5. Juni 2001 mit dem Verdacht auf eine koronare Erkrankung im Krankenhaus des Beklagten zu 1) aufgenommen. Dort waren die Beklagten zu 2) und zu 3) als Ärzte und die Beklagte zu 4) als Schwester tätig. Am 6. Juni 2001 fand um 10.00 Uhr eine Herzkatheteruntersuchung statt, die der Beklagte zu 2) vornahm. Der Katheter wurde über die rechte Leiste eingeführt. Dabei kam es zu einer mehrfachen Perforation der Arteria femoralis superficialis und nach dem Vorbringen des Klägers auch der Arteria profunda femoris. Um 17.10 Uhr wurde der zur Kompression der Einstichstelle verwandte Femo-Stopp durch einen Druckverband ersetzt. Ob man begleitend dazu den Puls kontrollierte, ist streitig. Für 22.25 Uhr weisen die Krankenunterlagen einen – nicht weiter spezifizierten – unauffälligen Fußpuls rechts aus.

Am 7. Juni 2001 wurde der Fußpuls um 7.00 Uhr erneut geprüft. Später auskultierte der Beklagte zu 3) die Punktionsstelle mit negativem Befund. Dann wurde der Kläger aus dem Krankenhaus entlassen, obwohl er dem Beklagten zu 3) und schließlich auch der Beklagten zu 4) von Taubheitsgefühlen im rechten Bein berichtete. Zu all dem gibt es keine weitere Dokumentation.

Behandlungsfehler bei Durchführung und im Anschluss an eine Herzkatheteruntersuchung
(Symbolfoto: Von Fototocam/Shutterstock.com)

Veranlasst durch seine Ehefrau, die über seinen Zustand beunruhigt war, kehrte der Kläger alsbald in das Krankenhaus zurück und mahnte eine Untersuchung durch den Beklagten zu 3) an. Dieser stellte um 15.00 Uhr fest, dass am rechten Fußknöchel praktisch kein Puls vorhanden war. Daraufhin wurde eine Doppler-Sonographie der rechtsseitigen Beinarterien durchgeführt. Wann das geschah, ist nicht festgehalten; der Kläger hat 18.00 Uhr angegeben. Man fand thrombotisches Material in der distalen Arteria poplitea. Der Knöchelblutdruck wurde mit 80 mmHg gemessen.

Dieser Befunderhebung folgte ein operativer Eingriff nach. Dessen Beginn ist vom Kläger auf 20.00 Uhr und von den Beklagten – unter Hinweis auf eine Belegung des Operationssaals zu diesem Zeitpunkt – auf 23.00 Uhr datiert worden. Im Narkoseprotokoll wurde ein Anästhesieverlauf von 19.50 Uhr bis 23.00 Uhr vermerkt. Der Operationsbericht vermittelte als Erkenntnis: „Es zeigt sich, dass … die … Seitenwand der Arteria femoralis superficialis komplett durch den koronarangiographischen Einstich zerrissen ist. Zusätzlich eine zweite Punktionsstelle ca. 3 mm tiefer im Gefäß sowie zwei Ausdünnungen im Bereich der Hinterwand bei Zustand nach Punktion. Es erfolgt … Thrombektomie aus der Arteria femoralis superficialis. Hier zeigen sich … mehrere Thromben bis 6 cm Länge. Nach Thrombektomie guter Rückstrom … Der Rückstrom aus der Arteria profunda femoris ist sehr gut. Hier lässt sich kein thrombotisches Material gewinnen … Die Unterschenkelgefäße sind jetzt wieder durchgängig… Es wird das defekte Stück der Arteria femoralis superficialis … reseziert und ein Interponat… durchgeführt.“ Postoperativ zeigten sich die Beinarterien unauffällig. Der Kläger wurde am 13. Juni 2001 endgültig aus dem Krankenhaus des Beklagten zu 1) entlassen.

Vor dem Hintergrund der Ereignisse vom 6. und 7. Juni 2001 hat er die Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit auf materielle Ersatzleistung von 532,26 € und ein mit 20.000 € beziffertes Schmerzensgeld in Anspruch genommen sowie die Feststellung deren Haftung für zukünftige aus seinem Krankenhausaufenthalt herrührende Schäden beantragt. Er hat sie dafür verantwortlich gemacht, dass er dauerhaft Sensibilitätsstörungen an der Innenseite des rechten Oberschenkels und im Bereich des rechten Kniegelenks habe, die Leistengegend brenne und dadurch sein Sexualleben beeinträchtigt sei, er nur unter starken Schmerzen länger sitzen und nicht weit laufen könne, da sein rechtes Bein nicht voll belastbar sei. Überdies leide er unter Magenbeschwerden, die mit der notwendigen Einnahme von Medikamenten zusammenhingen.

Aus der Sicht des Klägers ist die Angiographie vom 6. Juni 2001 fehlerhaft durchgeführt worden, weil es, begünstigt durch die Verwendung eines zu großen Katheters, unnötige Verletzungen gegeben habe und die begleitende Applikation von Heparin versäumt worden sei. So sei ein thrombotisches Geschehen in Gang gesetzt worden, das man am 7. Juni 2001 viel zu spät wahrgenommen, geortet und operativ ausgeräumt habe.

Das Landgericht hat Zeugen zu dem bei der Revisionsoperation vom 7. Juni 2001 vorgefundenen Schadensbild gehört und zahlreiche Sachverständigengutachten eingeholt. Sodann hat es die Klage gegenüber den Beklagten zu 2) und zu 4) vollständig und gegenüber den Beklagten zu 1) und zu 3) mit der Einschränkung abgewiesen, dass es dem Kläger in diesem Verhältnis ein Schmerzensgeld von 500 € zuerkannt hat. Fehler in der technischen Ausführung der Katheteruntersuchung vom 6. Juni 2001 hat es verneint. Die Frage danach, ob der Kläger ausreichend heparinisiert worden sei, hat es offen gelassen, weil sich aus einem etwaigen Defizit keine Schadensursächlichkeit herleiten lasse. Am 7. Juni 2001 sei dann freilich der Gefäßverschluss des Klägers zu spät erkannt und operativ angegangen worden. Dieses Versäumnis, das den Beklagten zu 1) und zu 3) anzulasten sei, habe den Kläger aber nur insofern beeinträchtigt, als der erforderliche Revisionseingriff leidensverlängernd verzögert worden sei. Der Dauerschaden des Klägers sei hingegen Folge des Revisionseingriffs selbst und nicht ischämisch bedingt.

Diese Entscheidung, auf die ebenso wie auf den Inhalt der Akten im Übrigen zur weiteren Sachverhaltsdarstellung Bezug zu nehmen ist, greift der Kläger in Erneuerung seines abgewiesenen Klageverlangens mit der Berufung an. Er wiederholt die Rüge einer mangelhaften Vornahme der Katheteruntersuchung und ergänzt, dass der Beklagte zu 2) versäumt habe, die im Hinblick darauf notwendigen Dispositionen für Revisionsmaßnahmen zu treffen. Außerdem beanstandet er erstmals, vor der Untersuchung nicht hinreichend aufgeklärt worden zu sein, und kritisiert die Applikationsweise des Femo-Stopps. Darüber hinaus wiederholt er seinen Vorwurf eines nachlässigen und zögerlichen Vorgehens am 7. Juni 2001, den er spezifisch gegen die Beklagten zu 3) und zu 4) richtet. Bei alledem kritisiert er die Verfahrensweise des Landgerichts, dessen Beweiserhebung weder erschöpfend noch verlässlich gewesen sei.

Demgegenüber verteidigen die Beklagten das angefochtene Urteil. Sie verstehen es dahin, dass die Schmerzensgeldzahlung von 500 € den Beklagten zu 1) und zu 2) auferlegt worden sei.

Der Senat hat ergänzend Sachverständigenbeweis erhoben.

II. Das Rechtsmittel ist ohne Erfolg. Es verbleibt bei der erstinstanzlichen Entscheidung, die dem Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 3) (und nicht etwa, wie es die Berufungserwiderung sieht, an dessen Stelle dem Beklagten zu 2)) gesamtschuldnerisch eine Schmerzensgeldzahlung von 500 € nebst Zinsen auferlegt hat. Darin erschöpft sich die auf Seiten der Beklagten bestehende vertragliche und deliktische Haftung zugunsten des Klägers.

1. Die Katheteruntersuchung vom 6. Juni 2001 hat keine Ersatzansprüche ausgelöst.

a) Der Eingriff war, wie die Sachverständigen Prof. Dr. …[A]/Dr. …[B] (Gutachten vom 7. Januar 2006) festgestellt haben, indiziert, weil „ein positiver Belastungs-EKG-Befund im Sinne von signifikanten ST-Streckensenkungen in den Ableitungen V4 bis V6 erhoben“ worden war. Allerdings kam es dabei zu einer nicht unerheblichen Verletzung wenn auch nicht der Arteria profunda femoris, so doch der Arteria femoralis superficialis, die der Beklagte zu 2) mehrfach punktierte. Das hat der vom Senat befragte Sachverständige Prof. Dr. …[C] (Gutachten vom 23. Februar 2010) in Auswertung der ihm überlassenen CD eingehend beschrieben. Aber darin lag kein vorwerfbarer ärztlicher Fehler. Bereits die Sachverständigen Dr. …[D]/ Prof. Dr. …[E] (Gutachten vom 7. Dezember 2004) hatten bemerkt, dass es bei Angiographien immer wieder zu entsprechenden Schädigungen komme. Prof. Dr. …[C] (Gutachten vom 23. Februar 2010 und Anhörung vom 27. Mai 2010) hat das unterstrichen und – trotz des beträchtlichen Ausmaßes der Arterienschädigung – von einer Standardkomplikation gesprochen, die nicht zu einer Einstandspflicht führe. Das gilt auch unter Berücksichtigung des von dem Beklagten zu 2) verwandten Instrumentariums; denn dieser setzte, wie schon zuvor von den Sachverständigen Prof. Dr. …[A]/…[F] (Gutachten vom 12. Juni 2006) geäußert worden war, einen dünnen 4F-Katheter ein.

Dass man vor der Angiographie nicht versucht hatte, genauere Erkenntnisse über den Verlauf der Arteria femoralis superficialis zu gewinnen, stellt kein rechtserhebliches Versäumnis dar. Wie Prof. Dr. …[C] (Anhörung vom 27. Mai 2010) dargelegt hat, war es nicht medizinischer Standard, insoweit eine Durchleuchtung oder eine Ultraschalluntersuchung vorzunehmen. Genauso wenig war die operative Freilegung des Gefäßes vor der Punktion angezeigt (Sachverständigengutachten Prof. Dr. …[G]/Prof. Dr. …[H]/Dr. …[J] vom 25. Oktober 2010).

Prof. Dr. …[C] hat seine Feststellungen zum Hergang der Untersuchung auf einer verlässlichen Grundlage getroffen. Freilich war ihm von dem Beklagten zu 1) lediglich eine Kopie von dessen Bilddokumentation überlassen worden. Später ist jedoch eine CD nachgereicht worden, bei der es sich augenscheinlich um die Originalaufzeichnung handelt. Daraus konnte ersehen werden, dass der Verdacht des Klägers, das Anschauungsmaterial sei nicht authentisch, unbegründet war. Das Fehlen von Aufzeichnungen über die Punktion und das Vorführen des Katheters entspricht der allgemeinen Praxis, die darauf ausgerichtet ist, den koronaren Befund festzuhalten, und dem, was vorbereitend dazu geschieht, kein besonderes Gewicht beimisst.

Die Erkenntnisse Prof. Dr. …[C]s werden durch den Bericht über die Revisionsoperation vom 7. Juni 2001 bestätigt. Daneben ist ohne maßgebliches Gewicht, welche Erinnerungen der seinerzeit operierende Chirurg Dr. …[K] und die Ehefrau des Klägers daran hatten, wie eine gemeinsame Unterredung über die Bewertung der vorhandenen Schäden verlief.

b) Der Vorwurf, der Zugang für die Angiographie sei falsch gewählt worden, trägt nicht. Wie Prof. Dr. …[C] (Anhörung vom 27. Mai 2010) mitgeteilt hat, war die Punktion der Arteria femoralis superficialis an einer höheren Stelle unter Risikogesichtspunkten ebenso abzulehnen wie ein Zugang über die Arme. Allerdings hat Prof. Dr. …[C] einen Weg über die linke statt über die rechte Leiste erwogen, weil man so hätte sicherstellen können, dass das im Gegensatz zum linken Bein intakte und für die Berufsausübung des Klägers als Kraftfahrer wichtige rechte Bein nicht beeinträchtigt worden wäre. Aber Verletzungen in dem vorgeschädigten linken Bein hätten, wie Prof. Dr. …[C] dann weiter bemerkt hat, fatale Folgen haben können. Diese Einschätzung ist durch die Sachverständigen Prof. Dr. …[G]/Prof. Dr. …[H]/Dr. …[J] (Gutachten vom 25. Oktober 2010) bestätigt worden, die von der Möglichkeit unerkannter Gefäßveränderungen im linken Bein gesprochen haben. Deshalb gab es hier keine reelle Behandlungsalternative, die mit dem Kläger zu erörtern gewesen wäre.

c) Die Katheteruntersuchung schädigte den Kläger nicht etwa deshalb, weil unzureichend antikoaguliert worden wäre. Prof. Dr. …[C] hatte insoweit nichts zu beanstanden; er hat von einem angemessenen Vorgehen des Beklagten zu 2) gesprochen (Gutachten vom 23. Februar 2010). Das steht freilich in Widerspruch zu der Kritik der Sachverständigen Prof. Dr. …[A]/Dr. …[B] (Gutachten vom 7. Januar 2006) und Prof. Dr. …[A]/…[F] (Gutachten vom 12. Juni 2006), wonach der Kläger nicht genügend heparinisiert worden sein soll. Im Anschluss daran ist aber durch die Sachverständigen Prof. Dr. …[A]/…[L] (Gutachten vom 10. Januar 2007) ausgeführt worden, dass mangels fester allgemeiner Dosierungsvorgaben keinesfalls von einem groben Versäumnis ausgegangen werden könne und angesichts der geringen Halbwertzeit von Heparin auch die vermisste höhere Gabe die spätere Thrombenbildung wahrscheinlich nicht verhindert hätte.

d) Die Applikation des Femo-Stopps nach dem Eingriff begründet ebenso wenig eine Schadensverantwortlichkeit. Nachdem Prof. Dr. …[C] (Anhörung vom 27. Mai 2010) darin einen Risikofaktor gesehen hatte, ohne dafür freilich eine eigene fachliche Kompetenz anführen zu können, hat der Senat dazu ergänzend das Gutachten Prof. Dr. …[G]/ Prof. Dr. …[H]/Dr. …[J] (vom 25. Oktober 2010) eingeholt; nachfolgend (am  24. Februar 2011) ist es dann auf dieser Grundlage zu einer Anhörung von Prof. Dr. …[H] gekommen. Diese Verfahrensweise entspricht den Vorgaben des Beschlusses vom 9. September 2010 (Gutachterauftrag entsprechend dem Schreiben Prof. Dr. …[G] vom 30. August 2010: Erläuterung des schriftlichen Gutachtens nicht durch Prof. Dr. …[G], sondern durch Prof. Dr. …[H]), gegen den die Parteien nichts erinnert haben. Von daher greift die neuerliche Rüge des Klägers nicht, statt Prof. Dr. …[H] habe Prof. Dr. …[G] befragt werden müssen.

Nach den Darlegungen Prof. Dr. …[H]s hat der Femo-Stopp weder eine Nervenschädigung ausgelöst noch, soweit zu ersehen ist, die thrombotische Entwicklung verursacht. Die Thromben sind, wie bereits aus dem gemeinschaftlichen Gutachten vom 25. Oktober 2010 hervorgeht, mit größter Wahrscheinlichkeit eine subakute Folge der primären Verletzung des Klägers bei der Punktion.

Eine Thrombenbildung wird – das hat Prof. Dr. …[H] ausgeführt – grundsätzlich nicht durch Applikation eines Femo-Stopps bewirkt. Das gilt auch dann, wenn dabei ein übermäßiger Druck ausgeübt wird. Von daher ist es letztlich ohne Belang, ob man der Beklagtenseite in diesem Zusammenhang ein grobes Fehlverhalten anlastet. Denn daraus kann sich für den Kläger hinsichtlich der Kausalitätsfrage kein Beweisvorteil ergeben, weil die Schadensursächlichkeit äußerst unwahrscheinlich ist (vgl. Sprau in Palandt, BGB, 70. Aufl., § 823 Rn 162). Im Übrigen steht ein grobes Fehlverhalten keineswegs fest. Allerdings muss nach dem Parteivortrag davon ausgegangen werden, dass der Femostopp über nahezu 6 Stunden hinweg mit einem Druck von 165 mmHg und dann für etwa eine weitere Stunde mit einem Druck  von 140 mmHg angelegt wurde. Eine solche Drucksituation ist üblicherweise völlig unangemessen und deshalb auch von Prof. Dr. …[H] als generell in hohem Maße kritikwürdig angesehen worden. Indessen hat Prof. Dr. …[H] mitgeteilt, dass der absolut angewandte Druck letztlich nicht das entscheidende Gewicht hat, sondern dass es maßgeblich darauf ankommt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Missverhältnis zu den systolischen Blutdruckwerten entsteht. Dass diese im konkreten Fall klar überschritten worden wären, ist weder behauptet noch sonst ersichtlich. Wäre dem so gewesen, hätten sich beim Kläger unerträgliche Schmerzen einstellen müssen, die auch durch Schmerzmittel nicht zu überspielen gewesen wären.

e) Mit der Behauptung, der Kläger sei vor der Angiographie nicht ordnungsgemäß über die mit einem solchen Eingriff verbundenen Gefahren aufgeklärt worden und habe daher nicht wirksam in den Eingriff eingewilligt, lässt sich keine Haftung auf Seiten der Beklagten herstellen. Hier hat es nämlich kein Defizit gegeben. In dem Aufklärungsbogen, den der Kläger am 5. Juni 2001 unterschrieb, wurde deutlich auf die Möglichkeit von Gefäßverletzungen, Blutungen und Thrombenbildungen mit der Folge von Verschlüssen hingewiesen. Damit ist auf die Risiken aufmerksam gemacht worden, die sich im vorliegenden Fall verwirklicht haben. Einer in alle Einzelheiten gehenden Darstellung bedurfte es dazu nicht; denn eine Aufklärung braucht nur „im Großen und Ganzen“ zu erfolgen (BGH NJW 2006, 2108; BGH NJW 2009, 1209). Demgemäß haben sowohl Prof. Dr. …[A]/…[L] (Gutachten vom 10. Januar 2007) als auch Prof. Dr. …[C] (Gutachten vom 23. Februar 2010) eine genügende Unterrichtung des Klägers bejaht, der im Übrigen selbst in der Klageschrift eingeräumt hatte, „ausführlich über die Risiken der Untersuchung aufgeklärt“ worden zu sein.

2. Das Verhalten des Beklagten zu 2) im Anschluss an die Katheteruntersuchung löst ebenfalls keine Schadensersatzpflicht aus. Der Kläger wirft dem Beklagten zu 2) vor, er habe nicht hinlänglich geprüft, ob es zu einer arteriellen Verletzung gekommen sei, und im Hinblick auf die nachfolgend erforderliche Revisionsoperation, bei der ein Kunststoffinterponat Verwendung fand, schuldhaft unterlassen, körpereigenes Venenmaterial des Klägers zur Überbrückung der Gefäßschäden bereitzustellen. Das greift nicht. Prof. Dr. …[C] (Gutachten vom 23. Februar 2010) hat den Vorwurf nachdrücklich zurückgewiesen, weil der Beklagte zu 2) keinen Anhalt dafür gehabt habe, dass ihm Fehlpunktionen unterlaufen waren. Unabhängig davon hätte im Zuge der Revisionsoperation auch spontan ein Stück Vene aus dem Körper entnommen werden können. Das sei aber gar nicht angezeigt gewesen; denn das konkret verwendete Prothesenimplantat habe kein im Verhältnis erhöhtes Risiko für einen neuen Gefäßverschluss geschaffen. Spätere Befunderhebungen attestierten ein exzellentes postoperatives Ergebnis.

3. Gleichwohl hat es nach dem Eingriff vom 6. Juni 2001 Mängel in der Versorgung des Klägers gegeben. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Durchblutung des von der Angiographie betroffenen rechten Beins nicht konsequent geprüft wurde und deshalb ein Befunderhebungsfehler unterlief. Nachdem Pulskontrollen am Nachmittag und späten Abend des 6. Juni 2001 keine Auffälligkeiten offenbart hatten, war der Fußpuls am nächsten Morgen schwach. Außerdem traten Taubheitsgefühle auf. Das hätte Anlass sein müssen, eine Thrombenbildung in Erwägung zu ziehen und zur Abklärung umgehend die Dopplersonographie durchzuführen, zu der es dann erst deutlich später kam. In dieser Richtung hatten sich bereits Dr. …[D]/Prof. Dr. …[E] (Gutachten vom 13. Juli 2004) geäußert. Prof. Dr. …[C] (Gutachten vom 23. Februar 2010) hat das vertieft und geurteilt, dass es zu einer nur schwer verständlichen Verzögerung in der Diagnostik gekommen sei. Nach den vom Kläger geschilderten Beschwerden habe eine komplette Ischämie des rechten Unterschenkels vorgelegen.

Dafür hat der Beklagte zu 3) und mit ihm über §§ 278, 831 BGB der Beklagte zu 1) einzustehen. Er war seit dem frühen Vormittag des 7. Juni 2001 über die Symptomatik unterrichtet und hatte so die ärztliche Verantwortung übernommen. Die Beklagte zu 4), die grundsätzlich keinen weitergehenden Informationsstand als er hatte, durfte ihm die Entscheidung überlassen, wie unter den obwaltenden Umständen zu verfahren sei. Deshalb ist ihr nicht vorzuwerfen, ihrerseits keine weiteren diagnostischen Maßnahmen eingeleitet zu haben.

4. Da die gebotene Befunderhebung reaktionspflichtige Erkenntnisse geliefert hätte, erstreckt sich die daran anknüpfende Haftung auf alle Schäden des Klägers, die möglicherweise auf das Versäumnis zurückzuführen sind, soweit der Ursachenzusammenhang nicht äußerst unwahrscheinlich ist (BGH NJW 1999, 3408; BGH NJW 2004, 790; Senat NJW-RR 2007, 532; Sprau in Palandt, BGB, 70. Aufl., § 823 Rn 162). Auf dieser Grundlage ist das Landgericht zu einer richtigen Differenzierung gelangt.

a) Dem Kläger ist gegenüber den Beklagten zu 1) und zu 3) im Hinblick darauf ein seit Eintritt der Rechtshängigkeit zu verzinsender Schmerzensgeldanspruch zuzubilligen, dass er im Anschluss an die Katheteruntersuchung zunächst durch die fehlerhafte Applikation des Femo-Stopps und dann insbesondere durch eine Verzögerung der gebotenen Diagnose und operativen Reaktion um nahezu einen halben Tag vermeidbaren Belastungen ausgesetzt war. Er hatte Schmerzen, Taubheitserscheinungen, eine Gehbehinderung und Ängste, die ihm hätten erspart werden können. Zum Ausgleich dessen stellt das in erster Instanz ausgeurteilte Schmerzensgeld von 500 € eine angemessene Entschädigung dar.

b) Dagegen werden die Beschwernisse, mit denen der Kläger nach der Revisionsoperation vom 7. Juni 2001 dauerhaft leben musste und weiter leben muss, nicht von der Ersatzpflicht der Beklagten zu 1) und zu 3) erfasst. Das betrifft namentlich die Sensibilitätsstörungen, Missempfindungen und Schmerzen im gesamten Bereich des rechten Beins und die vorhandene Gehschwäche mit ihren Folgewirkungen. Genauso wenig brauchen die Beklagten zu 1) und zu 3) für den vom Kläger geltend gemachten materiellen Schaden aufzukommen.

All dies beruht nämlich nicht darauf, dass sich der Revisionseingriff in seiner Durchführung hinausschob, sondern hat seine Ursache in dessen Vornahme schlechthin, die sich als schicksalhafte Folge der Katheteruntersuchung darstellt. Das war vor dem Landgericht durch den Sachverständigen Dr. …[M] (Gutachten vom 28. Oktober 2007) aufgezeigt worden und hat jetzt in den Ausführungen Prof. Dr. …[C]s (Gutachten vom 23. Februar 2010) eine Bestätigung gefunden, wonach ein kausaler Bezug darüber hinaus allenfalls noch zu Operationen hergestellt werden kann, denen sich der Kläger vor der Angiographie unterzogen hatte. Prof. Dr. …[C] hat keinen Zweifel daran gelassen, dass der Kläger, sieht man von der vor dem Revisionseingriff liegenden Entwicklung am 7. Juni 2001 ab, in gleicher Weise geschädigt worden wäre, wenn man den Eingriff rascher vorgenommen hätte.

5. Die wiederkehrende Rüge des Klägers, der Hergang seiner Behandlung im Krankenhaus des Beklagten zu 1) sei unzulänglich dokumentiert worden, begründet aus sich heraus keine Ersatzberechtigung. Allerdings kann dann, wenn die Aufzeichnung dokumentationspflichtiger Geschehnisse unterbleibt, zugunsten des betroffenen Patienten – im Sinne einer Beweislastumkehr – gefolgert werden, dass es das nicht dokumentierte Ereignis nicht gegeben hat. Aber darum ist es dem Kläger nicht zu tun. Er hebt vielmehr durchweg darauf ab, dass der tatsächliche Verlauf nur lückenhaft festgehalten worden sei. Das erlaubt nicht, die Richtigkeit der Hergangsschilderung des Klägers zu unterstellen (vgl. Sprau, aaO, § 823 Rdnr. 161). Soweit der Kläger behauptet, bestimmte Einträge in den Behandlungsunterlagen seien im Nachhinein nur zum Schein erfolgt, ist das spekulativ und ohne greifbaren Beleg.

6. Nach alledem ist das Rechtsmittel mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 zurückzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht zu ersehen.

Rechtsmittelstreitwert: im Verhältnis zu den Beklagten zu 2) und zu 4) 21.032,26 € (materieller Ersatz 532,26 €, Schmerzensgeld 20.000 €, Feststellung 500 €), im Verhältnis zu den erstinstanzlich zu einer Schmerzensgeldzahlung von 500 € verurteilten Beklagten zu 1) und zu 3) 20.532,26 €.

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