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Beweiswürdigung im Arzthaftungsprozess

Beweislast für das Vorliegen einer Beweisvereitelung

OLG Koblenz – Az.: 5 U 1497/11 – Beschluss vom 03.04.2012

1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichtes Trier vom 15.11.2011, 4 O 182/09 einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Kläger erhält Gelegenheit, zu den Hinweisen des Senates bis zum 03.05.2012 Stellung zu nehmen. Die Rücknahme der Berufung wird empfohlen.

Gründe

I. Der Senat ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand einstimmig der Überzeugung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 ZPO erfordern keine Entscheidung durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist auch nach § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO nicht geboten. Von ihr sind keine neuen Erkenntnisse zu erwarten. Der Kläger hat keine Gründe aufgezeigt hat, die eine mündliche Verhandlung ansonsten als notwendig erscheinen lassen.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf dessen Entscheidung Bezug genommen. Die dagegen erhobenen Angriffe der Berufung überzeugen den Senat nicht. Hierzu Folgendes:

1. Die Berufung stellt nicht in Frage, dass es dem Kläger aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht gelungen ist, dem Beklagten eine Pflichtverletzung nachzuweisen.

2. Dem Kläger kommen keine Beweiserleichterungen wegen einer Beweisvereitelung des Beklagten zu Gute. Sowohl für die behauptete Pflichtverletzung als auch für die tatsächlichen Voraussetzungen einer Beweiserleichterung liegt die Beweislast beim Kläger.

Dieser Nachweis ist nur geführt, wenn das Gericht einen Grad von Überzeugung gewonnen hat, der vernünftigen Zweifeln Einhalt gebietet (§ 286 ZPO).

Mit dem Landgericht ist anzunehmen, dass der Kläger einen solchen Nachweis nicht hat führen können.

Beweiswürdigung im Arzthaftungsprozess
Symbolfoto: Von Elvira Koneva/Shutterstock.com

Zunächst greift die Berufung die Feststellung des Landgerichts nicht an, dass die Übersendung der Unterlagen an die …[A] zur Begutachtung im Interesse des Klägers geschah. Hierin kann keine Beweisvereitelung gesehen werden.

Der Kläger hat die Behauptung des Beklagten, er habe die Krankenunterlagen (OPG vom 04.08.2005 und Röntgenaufnahme vom 26.0.2007) nicht zurückerhalten, nicht widerlegt.

Das Schreiben der Krankenversicherung vom 28.07.2008 (Bl. 144 GA) war – entgegen dem Vortrag in der Berufungsbegründung – dem Schriftsatz vom 15.01.2010 (Bl. 61 – 64 GA) nicht beigefügt. Als Anlage zu diesem Schriftsatz wird lediglich ein Schreiben der Krankenversicherung an den Bevollmächtigten des Klägers vom 22.12.2009 überreicht (Bl. 64 GA), in dem behauptet wird, dass sämtliche „Bildgebenden Unterlagen (Röntgenaufnahmen; OPG) an den jeweiligen Behandler“ zurück gesandt worden seien. Dem Schreiben, das erst 15 Monate nach der vermeintlichen Versendung erstellt wurde und auch die Versendung der Krankenunterlagen für die Schwester des Klägers betrifft, lässt sich weder entnehmen, wer die Versendung veranlasst haben, noch wann dies geschehen sein soll. Es erfolgt weder eine nähere Konkretisierung der Unterlagen nach Art und Datum, noch eine Differenzierung, an welchen Arzt welche Unterlagen versandt worden sein sollen. Ein Zugangsnachweis ist mit dem Schreiben nicht zu führen. Dass ein Zugangsnachweis vorliegt, wird dort auch nicht behauptet. Es ist schon ungewöhnlich, dass die Krankenkasse die Original-Krankenunterlagen trotz der Kenntnis von deren Bedeutung nicht mit einem entsprechenden Nachweis versandt hat.

Das mit Schriftsatz vom 20.08.2010 vorgelegte Schreiben der Krankenversicherung vom 16.08.2010 (Bl. 108, auch 119 GA) ist nicht anders zu beurteilen. Auch hieraus ergeben sich weder wesentliche Tatsachen zur tatsächlichen Versendung, noch Angaben zum Zugang. Angesichts des Umstandes, dass die beiden Schreiben (22.12.2009, 16.08.2010) von unterschiedlichen Mitarbeiterinnen der Krankenkasse unterzeichnet wurden, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie aus eigener Wahrnehmung, d.h. eigener Versendung der Unterlagen berichten.

Der Kläger hat es auch selbst für möglich gehalten, dass die Krankenunterlagen nicht an den Beklagten versandt wurden, da er sowohl bei der Krankenkasse als auch dem nachbehandelnden Arzt nach der Unterlagen geforscht hat.

Es bleiben demnach vernünftige Zweifel daran, ob dem Beklagten die Krankenunterlagen übersandt wurden. Eine Beweisvereitelung ist daher nicht nachgewiesen.

3. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, erstmals in der mündlichen Verhandlung von dem Landgericht darauf hingewiesen worden zu sein, dass es den Nachweis des Zugangs der Unterlagen (OPG vom 04.08.2005 und Röntgenaufnahme vom 26.10.2007) beim Beklagten als nicht geführt ansieht. Unabhängig von der Frage, ob angesichts des Schreibens des Bevollmächtigten des Beklagten vom 29.07.2010 (Bl. 97 GA) überhaupt eine entsprechende Hinweispflicht bestand, hat der Kläger von der Möglichkeit des § 139 Abs. 5 ZPO keinen Gebrauch gemacht.

Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht die diesbezüglichen Ausführungen im Schriftsatz vom 03.11.2011 zu Recht nach § 296a ZPO zurückgewiesen. Damit müssen die Ausführungen nach § 531 Abs. 1 ZPO auch im Berufungsverfahren unbeachtet bleiben. Es ist unerheblich, ob die Ausführungen im Schriftsatz vom 03.11.2011 überhaupt geeignet sind, den Zugangsnachweis zu führen.

Ungeachtet dessen lässt sich dem Schriftsatz vom 03.11.2011 nicht entnehmen, wer die Unterlagen in welcher Form und wann versandt hat. Dass den Unterlagen auch ein OPG beigefügt war lässt sich dem Schreiben nicht entnehmen. Die weiter angefügte „Schnellinformation“ betrifft nicht den Beklagten, sondern den Nachbehandler. Die übersandten Unterlagen sind nicht aufgelistet. Da nicht einmal behauptet wird, dass die Übersendung unterschiedlich großer Unterlagen in einer Sendung erfolgt ist, kommt auch dem Umstand, ob und welche Teilunterlagen der Beklagte erhalten hat, keine Bedeutung zu. Schon in erster Instanz hat der Beklagte mitgeteilt, dass er das OPG nicht zurückerhalten habe (Bl. 75 und 80 GA).

4. Anders als der Kläger mit der Berufung vorträgt, führt eine Beweisvereitelung auch nicht zwingend zu einer Beweislastumkehr. Vielmehr ist das Verhalten lediglich im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.

Hier musste berücksichtigt werden, dass der Beklagte dem …[B] die nun vermissten Aufnahmen zunächst zur Verfügung gestellt hatte. Der Kläger zeigt mit seiner Berufung nicht auf, dass die einmal vorgelegten und begutachteten Unterlagen geeignet waren, eine Pflichtverletzung des Beklagten vor dem Hintergrund der weiteren Ausführungen des Sachverständigen Dr. …[C] zu belegen. Das Gutachten Dr. …[C] spricht vielmehr dafür, dass auch die Feststellungen des …[B] unter Berücksichtigung der einschlägigen Therapieempfehlungen keine Pflichtverletzung belegen, obwohl dem …[B] die nun vermissten Unterlagen vorgelegen haben. Anderes macht auch die Berufung nicht deutlich.

Andererseits hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die OPG-Aufnahme hätte Aufhellungen zeigen können, die die Notwendigkeit einer weiteren Bissflügelaufnahme begründet hätten. Damit spricht der Sachverständige die Möglichkeit eines Befunderhebungsfehlers an, der dem Beklagten vom Kläger weder in der Klageschrift noch in der Berufungsbegründung vorgeworfen wurde. Obwohl dem …[B] die Aufnahme vorgelegen hat, wird in dessen Gutachten weder eine Aufhellung angesprochen (Bl. 11 G) noch die sich daraus ergebende Notwendigkeit einer weitergehenden bildgebenden Diagnostik. Der …[B] hat lediglich – anders als Dr. …[C] – die Notwendigkeit einer weitergehenden Therapie gesehen (Bl. 14 GA). Auch in der Beantwortung der Fragen wird eine unzureichende Befunderhebung vom …[B] nicht angesprochen (Bl. 15 GA).

5. Einen Verstoß des Landgerichtes gegen § 156 ZPO kann der Senat nicht feststellen.

II.

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen bietet die Berufung offensichtlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Auch unter Berücksichtigung des neu gefassten § 522 Abs. 2 ZPO ist eine mündliche Verhandlung aus den eingangs genannten Gründen nicht geboten. Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 S. 1, Nr. 2 und 3 ZPO liegen nicht vor.

Dem Kläger wird aus Kostengründen empfohlen, aus den vorstehenden Hinweisen die angezeigten prozessualen Konsequenzen zu ziehen und die Berufung zurückzunehmen.

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