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Gesundheitsschaden bei fehlerhafter Zahnbehandlung und mangelnder Mundhygiene

Schmerzensgeld und Schadenersatz wegen fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung

In einem spannenden Fall, der vor dem Oberlandesgericht Brandenburg verhandelt wurde (Az.: 12 U 112/20), ging es um die möglichen Folgen einer fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung. Der Kläger forderte aufgrund einer angeblich fehlerhaften Behandlung Schmerzensgeld und Schadenersatz von den beklagten Zahnärzten. Dieser Fall wirft die kritische Frage auf, wann Ärzte für Behandlungsfehler haftbar gemacht werden können und welche finanziellen und rechtlichen Folgen daraus entstehen können.

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Haftung bei Behandlungsfehlern

Laut dem Urteil vom 11.03.2021 hat das Oberlandesgericht Brandenburg festgestellt, dass die Beklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldner für die angebliche fehlerhafte Behandlung haftbar gemacht werden können. Die Beklagten wurden dazu verurteilt, ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,00 € und weitere 62,18 € an den Kläger zu zahlen. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Beklagten zukünftige materielle und immaterielle Schäden, die aus den fehlerhaften Behandlungen entstehen, ersetzen müssen.

Festlegung der Kostenverteilung

In Bezug auf die Gerichts- und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens wurde entschieden, dass der Kläger und die Beklagten zu 2 und 3 in beiden Instanzen verschiedene Prozentsätze tragen müssen. Im Falle der Beklagten zu 1 hat der Kläger sämtliche außergerichtlichen Kosten zu tragen.

Die Beweislage

Bei der Beurteilung des Falles spielte die Beweislage eine entscheidende Rolle. Laut der Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg konnte der Kläger nachweisen, dass die Behandlung durch die Beklagten zu 2 und 3 fehlerhaft war und zu einem kausalen Gesundheitsschaden führte. Hierbei wurde insbesondere die Behandlung vom 07.09.2012 hervorgehoben, bei der ein Wurzelstift bei Zahn 14 fehlerhaft eingegliedert wurde, waszu einer irreversiblen Schädigung führte.

Dieser Fall unterstreicht die Wichtigkeit von Sorgfalt und Genauigkeit im medizinischen Bereich und zeigt, dass Behandlungsfehler erhebliche rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben können.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 12 U 112/20 – Urteil vom 11.03.2021

Auf die Berufung des Klägers wird das am 25.03.2020 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus – 3 O 370/14 – teilweise abgeändert.

Die Beklagten zu 2 und 3 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.03.2015 zu zahlen.

Die Beklagten zu 2 und 3 werden als Gesamtschuldner darüber hinaus verurteilt, an den Kläger 62,18 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.03.2015 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm zukünftig aus den fehlerhaften Behandlungen durch die Beklagten zu 2 und 3 zwischen dem 06.07.2012 und dem 10.04.2013 entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten zu 2 und 3 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 837,52 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist des gegen die Beklagte zu 1 eingelegten Rechtsmittels verlustig.

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers in erster Instanz haben der Kläger 59% und die Beklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldner 41% zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 hat der Kläger zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 und 3 haben diese selbst zu 61% und der Kläger zu 39% zu tragen.

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers des Berufungsverfahrens haben der Kläger 65% und die Beklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldner 35% zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 hat der Kläger zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 und 3 haben diese selbst zu 85% und der Kläger zu 15% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Gesundheitsschaden bei fehlerhafter Zahnbehandlung und mangelnder Mundhygiene
(Symbolfoto: hedgehog94/Shutterstock.com)

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517 ff. ZPO eingelegte Berufung ist, nachdem der Kläger seine gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Berufung zurückgenommen hat, gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 überwiegend begründet.

Dem Kläger steht gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen der jedenfalls am 07.09.2012 durchgeführten fehlerhaften Behandlung aus den §§ 280 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB bzw. aus den §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB jeweils i. V. m. § 128 HGB analog zu.

1.

Der Kläger hat nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats bewiesen, dass die Behandlung durch die Beklagten zu 2 und 3 fehlerhaft war und zu einem kausalen Gesundheitsschaden des Klägers geführt hat.

a)

Die von dem Beklagten zu 3 am 07.09.2012 erfolgte Behandlung des Klägers war fehlerhaft. Nach den nachvollziehbaren und detaillierten Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. K… war die Eingliederung eines Wurzelstiftes bei Zahn 14 wegen der Gefahr einer irreversiblen Schädigung nicht indiziert. Dazu wurde die Stiftversorgung fehlerhaft ausgeführt, indem die Achsrichtung der Wurzel verlassen wurde, was wahrscheinlich zu einer Wurzelfraktur geführt habe. Dadurch ist nach den Ausführungen des Sachverständigen der Zahn 14 irreversibel beschädigt worden. Das Risiko der Beschädigung war, wie der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Erläuterung seines Gutachtens ausgeführt hat, auch vorhersehbar.

Die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen stimmen auch mit den vorgerichtlich von dem medizinischen Dienst der Krankenkassen eingeholten zahnärztlichen Gutachten vom 27.11.2013 überein. Der dort tätige Gutachter Dr. … hat ebenfalls beanstandet, dass der Zahn 14 ohne zwingende medizinische Notwendigkeit mit einem Stiftaufbau versorgt und der Zahn 14 hierdurch unnötig geschwächt worden sei (vgl. Bl. 38 GA). Substantiierte Einwendungen gegen diese gutachterlichen Feststellungen sind von den Beklagten zu 2 und 3 in beiden Instanzen nicht erhoben worden. Sie haben lediglich eingewandt, eine zweidimensionale Röntgenaufnahme sei ungeeignet, die Position des Stiftes zu befunden. Hierzu hat der gerichtliche Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten Stellung genommen und ausgeführt, aus welchen Gründen die Röntgenaufnahme geeignet war, die Fehlposition des Stiftes darzustellen (vgl. Bl. 496 GA). Weitere Einwendungen, insbesondere zu der fehlenden Indikation der Stifteingliederung, haben die Beklagten zu 2 und 3 nicht vorgebracht, so dass dieser Behandlungsfehler letztlich als unstreitig anzusehen ist (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Der Sachverständige hat entgegen der Auffassung des Landgerichts seine Ausführungen im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens nicht relativiert. Er hat vielmehr von vornherein ausgeführt, dass eine Wurzelfraktur nur wahrscheinlich ist, und dies auch eingehend begründet. Dies betrifft im Übrigen lediglich die Frage einer fehlerhaften Positionierung des Stiftes, nicht jedoch die Frage der Indikation als solche.

Der in der fehlenden Indikation zur Stifteingliederung liegende Behandlungsfehler hat entgegen der Auffassung des Landgerichts auch kausal zu einem Gesundheitsschaden bei dem Kläger geführt. Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen ist der Zahn 14 irreparabel geschädigt und nicht mehr zu retten. Die misslungene Stiftversorgung hat danach zu gravierenden Strukturschäden im Bereich der Zahnwurzel und des Zahnhalteapparates geführt, der Kontakt der Zahnwurzel zum Knochen und zum Weichgewebe ist nahezu verloren gegangen. Der eitrige Entzündungsprozess besteht seit 2012 fort (Bl. 389 GA). Damit ist jedenfalls von einer Mitursächlichkeit der fehlerhaften Stifteinbringung im Zusammenhang mit der Behandlung als solche zweifelsfrei auszugehen. Die vom Landgericht angeführte mangelnde Mundhygiene des Klägers kommt als alleinige Alternativursache hingegen nicht in Betracht. Der Sachverständige hat die fehlende Mundhygiene zwar als nicht vorteilhaft, aber als nicht ursächlich für den weiteren Verlauf angesehen (Bl. 387 GA). Bei seiner Anhörung hat der Sachverständige zudem darauf hingewiesen, dass eine mangelnde Mundhygiene auch darauf zurückzuführen sein kann, dass der Patient in dem Bereich Schmerzen hat (Bl. 556 GA). Soweit er erklärt hat, eine schlechte Mundhygiene komme auch als Ursache in Betracht, bezieht sich dies auf die neben dem Zahn 14 befindlichen weiteren Zähne. Dass der Zahn 14 bei einer ordnungsgemäßen Behandlung ebenfalls nicht zu erhalten gewesen wäre, haben die Beklagten zu 2 und 3 bereits nicht behauptet.

b)

Dagegen vermag der Senat bei der Behandlung des Klägers am 16.08.2012 nicht mit der erforderlichen Gewissheit einen Behandlungsfehler durch den Beklagten zu 3 zu erkennen.

Der gerichtliche Sachverständige Dr. K… hat die Indikation für die an diesem Tage vorgenommene Wurzelspitzenresektion am Zahn 14 aufgrund der vorliegenden apikalen Entzündung als gegeben angesehen, den gewählten Therapieansatz allerdings als fragwürdig bezeichnet. Er hat insbesondere beanstandet, dass die Wurzelkanalbehandlung in einer einzigen Sitzung unter den Bedingungen einer Operation nicht gerechtfertigt gewesen sei, da sie keinen kalkulierbaren Therapieerfolg für einen dichten Wurzelverschluss habe gewährleisten können. Aus diesem Grunde – so der Sachverständige – wäre im vorliegenden Fall eine konservative Wurzelkanalbehandlung in mehreren Sitzungen als erstrangig angezeigt gewesen (Bl. 386 GA). Auf den Einwand der Beklagten zu 2 und 3, es habe – wie durch die im Nachhinein vorgenommene histologische Untersuchung unstreitig bestätigt worden ist – eine radikuläre Zyste vorgelegen, die sofort habe entfernt werden müssen, hat der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten sich zunächst auf den Standpunkt gestellt, da die Diagnose einer radikulären Zyste erst nach der fraglichen Behandlung durch die histologische Untersuchung sichergestellt worden sei, habe sie die Therapieentscheidung nicht beeinflussen können. Im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens hat der Sachverständige dann auf entsprechenden Vorhalt eingeräumt, dass in der Medizin umstritten ist, ob man bei Vorliegen einer radikulären Zyste chirurgisch intervenieren müsse oder auch eine konservative Wurzelkanalbehandlung möglich ist. Im Ergebnis könne die Behandlung dann nicht als falsch bezeichnet werden (Bl. 555 GA). Damit lag letztlich objektiv ein Befund vor, der einen sofortigen chirurgischen Eingriff rechtfertigt, auch wenn sich dies erst im Nachhinein nach Vornahme der histologischen Untersuchung bestätigt hat. Damit liegt jedoch insoweit kein Behandlungsfehler vor.

2.

Steht somit ein Behandlungsfehler und damit eine Haftung der Beklagten zu 2 und 3, für den diese als Gesellschafter ihrer seinerzeitigen Gemeinschaftspraxis gemäß § 128 HGB analog haften, fest, kommt es auf die vom Kläger darüber hinaus erhobene Aufklärungsrüge letztlich nicht mehr an. Nur am Rande sei deshalb angemerkt, dass die für eine ordnungsgemäße Aufklärung darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten zu 2 und 3 eine solche Aufklärung bereits nicht substantiiert behauptet haben. Im Schriftsatz vom 28.08.2018 haben die Beklagten zu 2 und 3 lediglich vorgetragen, dem Kläger sei eine „ebenso ordnungsgemäße wie hinreichende Aufklärung“ zuteil geworden (Bl. 416 GA). Was genau mit dem Kläger besprochen worden sein soll und die Aufklärung insbesondere auch darüber erfolgt ist, dass wegen eines sich aus dem Röntgenbefund ergebenden Verdachts des Vorliegens einer Zyste die Notwendigkeit einer sofortigen chirurgischen Intervention ergibt und eine solche deshalb vorzugswürdig gegenüber der ansonsten in Betracht kommenden weiteren Behandlungsmöglichkeit einer konservativen Wurzelkanalbehandlung in mehreren Sitzungen sei, wird bereits nicht konkret dargetan. Auch in der Berufungserwiderung ist lediglich pauschal behauptet worden, dem Kläger sei eine „vorbildliche“ Aufklärung zuteil geworden. Die Vernehmung der in erster Instanz benannten Zeugin L… würde daher auf eine Ausforschung hinauslaufen und hatte bereits deshalb zu unterbleiben. Auch aus der vorgelegten Dokumentation der Beklagten zu 2 und 3 ergibt sich eine ordnungsgemäße Aufklärung – worüber auch immer – nicht. Bereits der gerichtliche Sachverständige hatte in seinem Ergänzungsgutachten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich in der Karteidokumentation der Beklagten zu 2 und 3 Notizen zu einer OP-Aufklärung oder ein Hinweis auf eine mögliche alternative konservative Therapiemöglichkeit nicht befunden haben (Bl. 494 GA). Soweit die Beklagten zu 2 und 3 mit Schriftsatz vom 09.12.2020 die Originalkarteikarte betreffend die Behandlung des Klägers vorgelegt haben, ist diese Dokumentation offenbar nachträglich hinsichtlich des Vorliegens einer Aufklärung verändert worden. Denn dort findet sich unter dem Eintrag 03.08.2012 ein offensichtlich nachträglich mit Tesafilm aufgeklebter grüner Postklebezettel, auf dem steht „Patientenaufklärung anhand der Zahnfilme“. Dies steht zudem im Widerspruch zu den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, der in seiner Wiedergabe der Dokumention in seinem Ausgangsgutachten unter dem 03.08.2012 gerade keinen Hinweis auf eine vorgenommene Aufklärung festgestellt hat. Diese lässt sich auch den handschriftlichen Eintragungen für diesen Tag nicht entnehmen. Anhand der offensichtlich nachträglichen Einfügung kommt daher der Dokumentation der Beklagten zu 2 und 3 nicht die Vermutung zu, dass tatsächlich an diesem Tage eine Aufklärung des Klägers stattgefunden hat, zumal die Karteikarte weitere offenbar nachträgliche Veränderungen mittels „Tipp-Ex“ aufweist.

3.

Dem Kläger steht wegen der fehlerhaften Behandlung ein Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes zu, das der Senat im Streitfall mit 8.000,00 € bemisst.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist in erster Linie dessen Ausgleichsfunktion zu beachten. Insoweit kommt es auf die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung an. Maßgeblich sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychischen Beeinträchtigungen, wobei Leiden und Schmerzen wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere der Operationen, die Dauer der stationären und der ambulanten Heilbehandlungen, dem Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden (vgl. BGH VersR 1955, 615; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 13. Aufl. Rn. 274 ff.). Dabei muss die Entschädigung zu Art und Dauer der erlittenen Schäden in eine angemessene Beziehung gesetzt werden (vgl. BGH VersR 1976, 968; OLG Hamm MDR 2003, 1249). Schließlich ist das Schmerzensgeld an Urteilen für vergleichbare Fälle zu orientieren (vgl. BGH VersR 1970, 134; Küppersbusch/Höher a.a.O Rn. 281).

Gemessen an diesen Maßstäben ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass die nicht indizierte Einbringung des Stiftes in die Wurzel des Zahnes 14 zu einer irreversiblen Schädigung des Zahnes 14 geführt hat mit der Folge, dass dieser entfernt werden muss. Der Kläger litt und leidet während dieser Zeit unter erheblichen Beeinträchtigungen, Schmerzen und einer fortwährenden sich ausdehnenden chronischen Entzündung. Die misslungene Stiftversorgung führte zu gravierenden Strukturschäden im Bereich von Zahnwurzel und Zahnhalteapparat. Der eitrige Entzündungsprozess persistiert fortwährend seit 2012 und besteht nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen bei seiner persönlichen Untersuchung des Klägers weiterhin fort. Der Krankheitsbefund ist soweit fortgeschritten, dass eine Neuversorgung der Region notwendig und der Zahn 14 zu entfernen, der Fortbestand des Zahnes 15 zumindest fraglich ist. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass mangels ordnungsgemäßer Einwilligung des Klägers der Eingriff auch rechtswidrig war.

Unter Berücksichtigung der hier vorliegenden Umstände hält der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,00 € für angemessen. Der Senat hat sich dabei auch an folgenden Entscheidungen orientiert:

– Urteil des OLG Hamm vom 17.12.2013 – 26 U 54/13: 6.000,00 € bei fehlerhafter Aufklärung über Behandlungsalternativen (vgl. Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge, 39. Aufl. 2021 Nr. 2505;

– OLG Hamm vom 30.05.2011 – 3 U 205/10: 8.000,00 € bei fehlender hinreichender Aufklärung zum Einsatz von Veneers mit der Folge einer chronischen Pulpitis (Beck-RS 2001, 15374);

– LG Duisburg, Urteil vom14.02.1996 – 6 O 45/94: umgerechnet 7.669,38 € bei kunstfehlerhaftem Einbringen von zu kurzen und schräg eingesetzten Implantaten, wodurch es zu Entzündungen und Angstzuständen kam (Beck-RS 1996, 12166);

– OLG Köln, Urteil vom 27.10.2010 – 5 U 90/07: 6.000,00 € bei Verletzung der Wurzelspitze eines Zahnes und nicht indiziertem wiederholten Aufschneidens des Zahnfleisches (Beck-RS 2015, 19605).

Im vorliegenden Fall kommt erschwerend hinzu, dass der Verlust des Zahnes 14 bereits feststeht und nicht nur als möglich erscheint, so dass dieser Umstand bei der Bemessung des Schmerzensgeldes Eingang finden musste und nicht dem Feststellungsantrag vorbehalten bleibt.

Der Kläger hat ferner unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes Anspruch auf Erstattung der von ihm gemäß der Rechnung vom 13.09.2012 umsonst erstatteten 62,18 €.

Der geltend gemachte Zinsanspruch ist aus den §§ 288, 291 BGB begründet.

4.

Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem Kläger infolge der fehlerhaften Behandlung durch die Beklagten zu 2 und 3 weitere Kosten – etwa in Form weiterer zahnärztlicher Behandlungskosten – entstehen werden.

Die Beklagten zu 2 und 3 haben dem Kläger darüber hinaus die ihm entstandenen vorgerichtlichen Anwaltsgebühren zu erstatten, allerdings nur unter Berücksichtigung eines Gegenstandswertes von bis zu 13.000,00 €, wobei der Kläger die Gebühren nur auf der Basis der bis zum 31.07.2013 geltenden Gebührensätze geltend macht. Danach errechnet sich bei einer 1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer ein Betrag von 837,52 €.

5.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten zu 2. und 3. vom 24.02.2021 bietet keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 ZPO. Weitere richterliche Hinweise sind nicht veranlasst.

6.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Im Hinblick darauf, dass die Entscheidung des Senats den hier vorliegenden Einzelfall betrifft, hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung, noch rechtfertigen die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 3 ZPO i.V.m. mit § 47 Abs. 1 S. 1 GKG auf bis zu 19.000,00 € festgesetzt.

 

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