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Hautarzthaftung – Behandlungsfehler bei Entfernung eines Muttermals

OLG München –  Az.: 1 U 2254/13 – Urteil vom 23.01.2014

I. Das Urteil des Landgericht München I vom 02.05.13, Az.: 9 0 24601/10, wird aufgehoben und wie folgt neugefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2.500,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13.1.2011 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren, materiellen und -im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbaren -immateriellen Schäden zu ersetzen, welche diesem aus der ärztlichen Behandlung im Hause des Beklagten im Jahr 2004 entstanden sind und noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtstreits tragen der Kläger 1/5 und der Beklagte 4/5.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche in Zusammenhang mit einer hautärztlichen Behandlung geltend.

Der Kläger stellte sich am 17.09.2004 dem Beklagten wegen einiger Muttermale am Rücken vor. Im Bereich des linken oberen Rückens befand sich ein Pigmentmal, das eine Größe von ca. 4-5 mm und eine Tiefe von 1 mm aufwies.

Der Beklagte entfernte unter Lokalanästhesie das Muttermal und verschloss die Wunde mittels einer Verschiebe-/Rotationslappenplastik mit Burow-Gegendreiecken.

Der Kläger befand sich bis zum 2.11.2004 in Nachbehandlung bei dem Beklagten.

Mit Schreiben vom 07.02.2005 wies der Kläger die Mahnung des Beklagten auf Zahlung der vereinbarten Zuzahlung von 161,06 EUR u.a. mit folgender Begründung zurück:

Nach Aussagen mehrerer Ihrer Kollegen aus dem Bekanntenkreis erscheint das Ausmaß des operativen Eingriffs an meinem Rücken weit überzogen. Mit dem Heilungsprozess habe ich noch heute Schwierigkeiten. […] Den zurückbehaltenen Betrag von 161,06 EUR betrachte ich als bescheidenes „Trostpflaster“ für die erheblichen Nachwirkungen Ihrer Behandlung.

Der Rechnungsbetrag wurde vom Beklagten daraufhin nicht weiter geltend gemacht.

Mitte 2010 entschloss sich der Kläger nach Hinweisen seiner Nachbehandler Schadensersatzansprüche wegen Behandlungs- und Aufklärungsfehlern gegen den Beklagten geltend zu machen. Am 22.12.2010 ging die Klage bei Gericht ein.

Der Kläger hat vorgetragen: Er sei fehlerhaft behandelt worden. Der Eingriff sei nicht indiziert gewesen. Die Schnittführung habe eine zu große Narbe herbeigeführt und die Wundnachsorge sei fehlerhaft erfolgt. Die Einrede der Verjährung greife nicht durch, da er die erforderliche sichere Kenntnis von einem ärztlichen Behandlungsfehler frühestens mit Ablauf des Jahres 2009 erhalten habe, als die Nachbehandler den konkreten Verdacht eines Behandlungs/Aufklärungsfehlers gegenüber dem Kläger erstmals geäußert hätten. Allein die Aussage von Ärzten aus dem Bekanntenkreis des Klägers, dass das Ausmaß des operativen Eingriffs weit überzogen „erscheine“, könne eine die Verjährungsfrist auslösende Kenntnis der hier im Raum stehenden Klage der Abweichung vom medizinischen Standard nicht begründen. Auch bezüglich der Aufklärung gelte, dass er erst im Jahr 2010 von den den Aufklärungsmangel begründenden Umständen Kenntnis erlangt habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klagepartei ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren, materiellen und -im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbaren-immateriellen Schäden zu ersetzen, welche dieser aus der ärztlichen Behandlung im Hause der Bekl. im Jahre 2004 entstanden sind und/oder noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Der Beklagte hat beantragt: die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen: Die Ansprüche seien verjährt. Der Kläger habe sich bereits Anfang 2005 (konkludent) eines Schadensersatzanspruchs wegen der streitgegenständlichen Behandlung berühmt, mit dem er gegen die Entgeltforderung des Beklagten aufgerechnet habe. Im Übrigen sei die Behandlung lege artis erfolgt.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Hinzuziehung des dermatologischen Sachverständigen Prof. Dr. ….

Das Landgericht wies mit Urteil vom 2.5.2013 die Klage ab und führte zur Begründung aus: Die Klage sei unbegründet. Soweit der Sachverständige hinsichtlich der Größe der Narbe einen Behandlungsfehler bejaht habe sei der Anspruch verjährt. Die Verjährung habe mit dem Ablauf des Jahres 2005 zu laufen begonnen. Der Kläger habe in dem Schreiben vom 7.11.2005 zum Ausdruck gebracht, dass er aufgrund des optischen Erscheinungsbildes davon ausgehe, dass der Eingriff in einem fehlerhaften Ausmaß erfolgt sei. Die Behauptung habe sich nicht auf eine laienhafte Fehlervermutung beschränkt, sondern berühme sich ärztlicher Expertise. Die Fehlervermutung beruhe nicht nur auf einer laienhaften Einschätzung. Im übrigen habe der Sachverständige keine Behandlungsfehler feststellen können. Soweit der Kläger darüber hinaus bestreite, ordnungsgemäß aufgeklärt zu sein, sei der Anspruch ohnehin verjährt. Der Kläger habe jegliche Aufklärung bestritten. Dies sei ihm indes von Anfang an bekannt gewesen, so dass ihm von Anfang an die Tatsachen bekannt gewesen seien, die einen Anspruch auf Ersatz aller Operationsfolgen zu begründen geeignet gewesen wären.

Der Kläger legte mit Schriftsatz vom 6.6.2013 gegen das ihm am 6.5.2013 zugestellte Urteil Berufung ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 7.8.2013.

Der Kläger trägt vor: Rechtsfehlerhaft gehe das Erstgericht davon aus, dass die Schadenersatzansprüche verjährt seien.

Die Sachverständigen seien im Gutachten vom 07.08.12 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Art des streitgegenständlichen operativen Eingriffs in Anbetracht der geringen Größe des exzidierten Pigmentmales aus medizinischer Sicht unverständlich sei. Der Wundverschluss hätte nach Ansicht der Sachverständigen selbst mit einem gewählten Sicherheitsabstand von 1 cm mittels einfacher spindelförmiger Exzision und anschließendem Wundverschluss mittels Dehnungsplastik erfolgen können. Im Ergebnis bejahten die Sachverständigen damit einen groben Behandlungsfehler des Beklagten, durch fehlerhafte Wahl der Operationsmethode bzw. der Art des Wundverschlusses.

Er habe im Jahr 2005 keine Kenntnis davon gehabt, dass der Beklagte eine falsche Operationsmethode und falsche Art des Wundverschlusses vorgenommen habe. Das Schreiben vom 07.02.2005 habe lediglich auf der Aussage von Ärzten aus seinem Bekanntenkreis basiert, die geäußert hätten, dass die Narbe recht groß aussehe. Über mögliche Ursachen hierfür, insbesondere über ein mögliches Fehlverhalten des Beklagten im Rahmen des operativen Eingriffs, sei nicht gesprochen worden. Das Schreiben vom 07.02.2005 habe inhaltlich damit nichts mit den streitgegenständlichen und von den Sachverständigen bestätigten Behandlungsfehlern zu tun. Stutzig sei er erst geworden, als ihn im Jahr 2009/2010 sowohl ein Orthopäde, als auch ein Orthopäde/Chiropraktiker auf die Narbe angesprochen hätten und angegeben hätten, dass diese „nicht gut aussehe“ und ihm noch lange Probleme bereiten könne. Erst dann habe sich ihm der Verdacht eines Behandlungsfehlers aufgedrängt.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Landgericht München 1 vom 02.05.13, Az.: 9 0 24601/10, wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von Euro 5.000, nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren, materiellen und -im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbaren -immateriellen Schäden zu ersetzen, welche diesem aus der ärztlichen Behandlung im Hause des Beklagten im Jahr 2004 entstanden sind und noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor: Das Landgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Ihm könne kein Behandlungsfehler vorgeworfen werden.

Zuzugeben sei der Berufung nur, dass der Sachverständige die Länge der Narbe nicht nachvollziehen könne. Dies solle aber lediglich besagen, dass der Sachverständige die Schnittlänge nicht nachvollziehen könne. Eine Subsumtion unter die Definition eines groben Behandlungsfehlers erlaube dies noch nicht. Ungeachtet dessen habe der Sachverständige in diesem Zusammenhang einen Behandlungsfehler auch nicht bestätigt. Er führe lediglich aus, dass eine spindelförmige Exzision mit einfachem Wundverschluss bzw. Wundverschluss mittels Dehnungsplastik insbesondere im Bereich des Rückens erfolgen hätte können. Können heiße bekanntlich aber nicht müssen. Nur Letzteres würde einen Behandlungsfehlervorwurf tragen.

Letztlich seien Ansprüche des Klägers nicht nur wegen des behaupteten Aufklärungsversäumnisses, sondern auch wegen eines angeblichen Behandlungsfehlers insgesamt verjährt. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers sei ihm spätestens zum Zeitpunkt des Schreibens vom 07.02.2005 bekannt gewesen, dass etwas mit dem Operationsergebnis nicht stimme. Wenn tatsächlich mehrere Ärzte entsprechende Äußerungen gegenüber dem Kläger getätigt hätten, habe der Kläger die von der Rechtsprechung geforderte Kenntnis gehabt, um eine hinreichend aussichtsreiche, wenn auch nicht völlig risikolose Klage erheben zu können. Dem Kläger dennoch zuzubilligen, sich auf Unkenntnis zurückzuziehen, erscheine unvertretbar. Selbst wenn man insoweit der Argumentation des Klägers folgen wolle, wäre aber jedenfalls von einer grob fahrlässigen Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auszugehen, da der Kläger in diesem Fall bewusst die Augen vor allen weiteren Erkundigungen und Klärungsmaßnahmen verschlossen hätte.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die mündliche Anhörung des Sachverständigen Dr. … (der das schriftliche Gutachten vom 7.8.2012 mitverfasst hat). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2013 verwiesen.

Im übrigen nimmt der Senat auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung erwies sich als teilweise begründet.

Hautarzthaftung - Behandlungsfehler bei Entfernung eines Muttermals
Symbolfoto: Von Alim Yakubov /Shutterstock.com

A. Dem Kläger war ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500,00 € zuzusprechen, da der Beklagte behandlungsfehlerhaft die (zu große) Narbenbildung herbeigeführt hat, die Einrede der Verjährung nicht durchgreift und unter Berücksichtigung aller Umstände ein Schmerzensgeld in Höhe von 2500,00 € als angemessen aber auch ausreichend erscheint.

I. Der Senat ist auf Grundlage der schriftlichen und mündlichen Ausführung des Sachverständigen Dr. … davon überzeugt, dass der Beklagte bei der indizierten Entfernung des Pigments die Wunde mittels einer Dehnplastik und nicht mittels einer Lappenplastik verschließen hätte müssen.

Der Sachverständige hat zunächst dargelegt, dass er auf Grund des von ihm nochmals histologisch untersuchten entfernten Muttermals von einem Durchmesser von etwa 5 mm und einer Tiefe von 1 mm ausgeht. Er schilderte weiter, dass nach den Leitlinien ein Sicherheitsabstand von mindestens 5 mm und für den Fall eindeutiger Hinweise auf Bösartigkeit von 10 mm einzuhalten ist, so dass sich ein Durchmesser von 15 mm bzw. 25 mm ergeben hätte. Bei der zweiten Alternative würde dann die Narbenlänge 75 mm betragen. Er erklärte weiter, dass ausweislich des Operationsberichts, der Beklagte eine Lappenplastik durchgeführt hat und bei einer Lappenplastik die Narbe länger wird, da eine Hautverschiebung durchgeführt werden muss. Er vertrat die Auffassung, dass bei einem Muttermal von 5 mm Umfang diese Vorgehensweise unverständlich ist und er diese auch nicht nachvollziehen kann. Er erklärte weiter, dass gerade auf dem Rücken viel Haut für eine Dehnplastik zur Verfügung steht und dass der Schnitt auch deshalb möglichst klein sein soll, um die Wächter-Lymphknotenuntersuchung nicht zu erschweren. Diese Auffassung hat der Sachverständige auch in seinem schriftlichen Gutachten vertreten. Zwar hat der Beklagte zutreffend vorgetragen, dass der Sachverständige dort zunächst von „…mittels Dehnungsplastik … erfolgen können“ spricht, in dem darauf folgenden Absatz heißt es jedoch, dass der Wundverschluss mittels einer Verschiebe/Rotationslappenplastik aufgrund der Größe des Pigmentmales nicht nachvollzogen werden kann. Die Ausführungen des Sachverständigen können nicht anders verstanden werden, als dass er die gewählte Wundverschlussmethode und die gewählte Schnittführung als einen Verstoß gegen den Facharztstandard bewertet und dies mit den Worten „nicht nachvollziehbar“ und „unverständlich“ auch klar zum Ausdruck gebracht hat.

Auf Frage des Beklagten hat er auch erklärt, dass unter dem Gesichtspunkt der Verhinderung einer Narbendehiszenz der Wundverschluss nicht gerechtfertigt ist, da auch bei der von dem Beklagten gewählten Vorgehensweise dies nicht verhindert werden kann.

II. Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Beklagten ein einfacher oder ein grober Behandlungsfehler vorzuwerfen ist, da die fehlerhaft gewählte Operationsmethode dafür ursächlich ist, dass bei dem Kläger eine Narbe von einer Länge von 16 cm entstanden ist. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hätte sich bei Anwendung eines Wundverschlusses mittels Dehnplastik bei Einhaltung eines Mindestabstandes von 10 mm eine Narbenlänge von nur 75 mm und nicht wie beim Kläger von 160 mm ergeben. Für die Frage etwaiger Folgeschäden ist es unerheblich, ob der Behandlungsfehler als grob oder einfach eingestuft wird, da etwaige Beweiserleichterungen nur den Ursachenzusammenhang zwischen Fehler und dem Primärschaden umfassen.

III. Die Einrede der Verjährung greift nicht durch, da der Beklagte nicht belegen konnte, dass der Kläger bereits im Jahre 2005 Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen hatte (§ 199 Abs.1 BGB) oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

1. Dem Beklagten obliegt als Schuldner die Darlegungs-und Beweislast für Beginn und Ablauf der Verjährung und damit für die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis, wobei der Kläger, soweit es um Umstände aus seiner Sphäre geht, an der Sachaufklärung mitzuwirken und erforderlichenfalls darzulegen hat, was er zur Ermittlung der Voraussetzungen seiner Ansprüche und der Person des Schuldners getan hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Kenntnis vom Schaden i. S § 199 Abs.2 Nr. 2 BGB nicht schon dann bejaht werden, wenn dem Patienten lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist. Denn das Ausbleiben des Erfolgs ärztlicher Maßnahmen kann in der Eigenart der Erkrankung oder in der Unzulänglichkeit ärztlicher Bemühungen seinen Grund haben. Deshalb gehört nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen das Wissen, dass sich in dem Misslingen der ärztlichen Tätigkeit das Behand-lungs-und nicht das Krankheitsrisiko verwirklicht, wobei es hierzu nicht schon genügt, dass der Patient Einzelheiten des ärztlichen Tuns oder Unterlassens kennt. Vielmehr muss ihm aus seiner Laiensicht der Stellenwert des ärztlichen Vorgehens für den Behandlungserfolg bewusst sein. Deshalb beginnt die Verjährungsfrist nicht zu laufen, bevor nicht der Patient als medizinischer Laie Kenntnis von Tatsachen erlangt, aus denen sich ergibt, dass der Arzt von dem üblichen ärztlichen Vorgehen abgewichen war oder Maßnahmen nicht getroffen hatte, die nach ärztlichem Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich gewesen wären. (vgl. zum ganzen BGH NJW-RR 2010, 681). Eine grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen. Dabei bezieht sich die grob fahrlässige Unkenntnis ebenso wie die Kenntnis auf Tatsachen, auf alle Merkmale der Anspruchsgrundlage und bei der Verschuldenshaftung auf das Vertretenmüssen des Schuldners, wobei es auf eine zutreffende rechtliche Würdigung nicht ankommt. Nach gefestigter Rechtsprechung besteht für den Gläubiger keine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist die Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten (vgl. BGH a.a.O.).

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze kann von einer Kenntnis des Klägers, dass die Größe der Narbe auf einem Behandlungsfehler des Beklagten beruht, auch im Hinblick auf das Schreiben vom 7.2.2005 nicht ausgegangen werden. Allein der Umstand, dass Ärzte aus dem Bekanntenkreis des Klägers ohne Kenntnis der genauen Größe des Pigments das Ausmaß des Eingriffs nicht nachvollziehen konnten, bedeutet nicht, dass dem Kläger bekannt war, dass die Narbenbildung behandlungsfehlerhaft herbeigeführt wurde. Dafür spricht auch die Aussage des Sachverständigen, dass er alleine aus den Bildern der Narbe nicht auf einen Operationsfehler schließen kann. Es bedurfte der Kenntnis des Operationsberichts, der Größe des Pigments und der zur Verfügung stehenden Verschlusstechniken, um einen Behandlungsfehler formulieren zu können. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass dem Kläger diese für die Beurteilung und Formulierung eines Behandlungsfehlers wesentlichen Umstände im Jahre 2005 bekannt waren.

Dem Kläger kann auch nicht vorgeworfen werden, grob fahrlässig keine weiteren Erkundungen eingezogen zu haben. Ein Patient, der einen Behandlungsfehler in Betracht zieht, ist nicht verpflichtet eigene Erkundigungen anzustellen und insbesondere muss er auch nicht sachkundige Personen bei Verdacht eines Fehlers zeitnah mit einer Überprüfung beauftragen.

IV. Dem Kläger ist wegen der Narbenbildung ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500,00 € (§ 253 Abs.2 BGB) zuzusprechen.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes war neben der Größe der Narbenbildung zu berücksichtigen, dass nach Schilderung des Klägers ein so genannter allgemeiner Spannungsschmerz im Rücken auftritt und dass diese Beschwerden grundsätzlich im Alter zunehmen können. Andererseits war zu bewerten, dass auch der von dem Sachverständigen befürwortete Wundverschluss eine Narbe von ca. 75 mm zur Folge gehabt hätte und die Narbe ansonsten gut verheilt ist. Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände erscheint dem Senat ein Schmerzensgeld von 2.500,00 € für angemessen und völlig ausreichend.

B. Die Feststellungsklage erwies sich als begründet, da zumindest weitere Schäden aufgrund des behandlungsfehlerhaft gewählten Wundverschlusses nicht ausgeschlossen werden können.

C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO.

D. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708Nr. 10, 713 ZPO.

E. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

 

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