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Krankenhaushaftung für Infektion mit einem Keim

Infektion im Krankenhaus: Wer trägt die Verantwortung?

Das Urteil des KG Berlin vom 27.02.2023 entschied, dass die Klage des Patienten gegen das Krankenhaus zurückgewiesen wurde. Dieser hat versucht, das Krankenhaus für seine Infektion mit einem Keim verantwortlich zu machen. Es konnte jedoch keine nachweisbare Fehler in Bezug auf die Hygiene oder die Behandlung festgestellt werden, und es bestand weiterhin Unklarheit darüber, ob der Keim bereits vor dem Aufenthalt im Krankenhaus beim Patienten vorhanden war.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 20 U 73/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Berufung abgelehnt: Die Berufung des Patienten gegen das frühere Urteil wurde zurückgewiesen.
  2. Keine Beweislastumkehr: Obwohl der Patient eine Infektion erlitt, wurde nicht automatisch die Beweislast umgekehrt, um das Krankenhaus für die Infektion verantwortlich zu machen.
  3. Medizinische Expertise: Ein medizinischer Sachverständiger fand keine Beweise für Hygienefehler im Krankenhaus.
  4. Unklare Ursache der Infektion: Die Infektion des Patienten könnte aus seiner eigenen Mund- und Darmflora stammen und nicht notwendigerweise auf einen Hygienefehler im Krankenhaus zurückzuführen sein.
  5. Keine Nachweise für Behandlungsfehler: Es gab keine Beweise für Behandlungsfehler vom Krankenhaus.
  6. Eventueller Patientenfehler irrelevant: Selbst wenn es Fehler vom Patienten in Bezug auf die Beobachtung von Hygienepraktiken gegeben hätte, wären diese für die aufgetretene Infektion irrelevant gewesen.
  7. Relevante Gesetzgebung: Der Anwalt des Patienten konnte nicht nachweisen, dass gesetzliche Vorgaben zur Hygiene nicht eingehalten wurden.
  8. Ablehnung der Überprüfung durch den Hygieneexperten: Der vom Gericht bestellte Hygieneexperte sah keine Notwendigkeit, das allgemeine Hygienemanagement des Krankenhauses zu überprüfen, da er nicht erwartete, daraus relevante Erkenntnisse zu gewinnen.

Haftungsfragen bei Krankenhausinfektionen

Im Fokus der medizinrechtlichen Diskussion stehen immer wieder die Haftungsfragen bei Infektionen, die Patienten während ihres Aufenthalts in medizinischen Einrichtungen erleiden. Die Kernfrage, die sich hier stellt, ist, inwieweit Krankenhäuser für Infektionen mit Keimen haftbar gemacht werden können. Dieses Thema berührt sowohl die medizinischen Aspekte der Krankenhauspflege als auch komplexe rechtliche Fragen zur Krankenhaushaftung und möglichen Behandlungsfehlern.

In derartigen Fällen ist es oft eine Herausforderung, eine Verbindung zwischen der Infektion und einem möglichen Fehlverhalten des Krankenhauspersonals zu beweisen. Die rechtlichen Auseinandersetzungen drehen sich häufig um die Beweislast und die Frage, ob und inwiefern eine Infektion hätte vermieden werden können. Die Entscheidungen der Gerichte, insbesondere des Landgerichts Berlin, in solchen Fällen können prägend für die Rechtspraxis sein. Lesen Sie weiter, um die Einzelheiten und Implikationen eines konkreten Urteils zu erfahren, das neue Perspektiven in diesem rechtlichen Dilemma eröffnet.

Der Weg zum Urteil: Ein Fall von Krankenhaushaftung

Im Kern des vorliegenden Falls steht die Klage eines Patienten, der 2014 eine Infektion im Knie erlitt, nachdem er in einem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus behandelt wurde. Der Kläger, ein 1940 geborener Mann, hatte sich bei einem Fahrradunfall verletzt und wurde daraufhin im Krankenhaus mit einem Kniegelenkersatz versorgt. Später stellte sich heraus, dass er eine Infektion mit Keimen der Mund- und Darmflora entwickelt hatte. Der Kläger machte geltend, dass diese Infektion auf Behandlungs- und Hygienefehler im Krankenhaus zurückzuführen sei. Das Landgericht Berlin wies die Klage jedoch ab, und der Kläger legte Berufung ein.

Die juristische Herausforderung: Beweislast und Hygienefehler

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall lag in der Frage der Beweislast und der Identifizierung möglicher Hygienefehler. Das Landgericht Berlin, beraten durch Experten in den Bereichen Hygiene und Unfallchirurgie, fand keine Anhaltspunkte für Behandlungsfehler oder Hygienemängel. Es betonte, dass das Auftreten einer Infektion allein noch keinen Beweis für ein Verschulden des Krankenhauses darstellt. Der Kläger behauptete, dass das Hygienegutachten unzureichend sei und forderte die Einholung eines Obergutachtens. Das Gericht folgte jedoch den sachverständigen Ausführungen, die keine Anzeichen von Infektionen während des Krankenhausaufenthalts des Klägers feststellten.

Urteilsbegründung: Keine Anhaltspunkte für Hygienefehler

Das Kammergericht Berlin bestätigte das Urteil des Landgerichts und wies die Berufung des Klägers zurück. Es führte aus, dass keine vertraglichen oder deliktischen Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte bestünden. Das Gericht stellte fest, dass der Kläger während seiner Aufenthalte im Krankenhaus ordnungsgemäß beobachtet wurde und keine Anzeichen einer Infektion übersehen wurden. Die Entscheidung des Gerichts stützte sich auf die detaillierte Analyse der Behandlungsabläufe und die Gutachten, die keine Hygienefehler erkennen ließen. Auch die vom Kläger behaupteten Fehler, wie die Behandlung ohne Handschuhe, wurden als irrelevant für die Frage einer Infektion eingestuft.

Die Rolle der medizinischen Expertise im Urteil

Das Urteil des Kammergerichts Berlin verdeutlicht die Bedeutung medizinischer Expertise in rechtlichen Auseinandersetzungen um Krankenhaushaftung. Die ausführlichen Gutachten und die fachkundige Analyse der Behandlungsschritte spielten eine entscheidende Rolle in der Urteilsfindung. Das Gericht nahm auch Bezug auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach aus der Tatsache einer Infektion nicht automatisch auf Hygienefehler geschlossen werden kann. Es wurde betont, dass der Körper des Patienten selbst eine Infektionsquelle darstellen kann, die außerhalb der Kontrolle des Krankenhauses liegt.

Das Urteil des Kammergerichts Berlin im Fall der Krankenhaushaftung für eine Infektion mit einem Keim ist somit ein Beispiel für die komplexe Natur medizinrechtlicher Fälle und die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung sowohl medizinischer als auch rechtlicher Aspekte.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wie wird eine Infektion mit einem Keim im Kontext der Krankenhaushaftung bewertet?

Eine Infektion mit einem Keim im Kontext der Krankenhaushaftung wird in der Regel als ein potenzieller Behandlungsfehler betrachtet. Wenn ein Patient während eines Krankenhausaufenthalts eine Infektion erleidet, kann das Krankenhaus haftbar gemacht werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Infektion aufgrund mangelnder Hygiene oder anderer Verstöße gegen die medizinischen Standards aufgetreten ist.

Die Haftung des Krankenhauses hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab. Zunächst muss der Patient nachweisen, dass die Infektion im Krankenhaus erworben wurde und nicht bereits vor dem Krankenhausaufenthalt bestand. Darüber hinaus muss der Patient beweisen, dass die Infektion aufgrund eines vermeidbaren Fehlers des Krankenhauses aufgetreten ist, wie z.B. mangelnder Hygiene oder Nichtbeachtung der Infektionsschutzmaßnahmen.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass nicht alle Infektionen im Krankenhaus vermeidbar sind. Selbst bei bester Hygiene und Einhaltung aller medizinischen Standards können Infektionen auftreten. In solchen Fällen kann das Krankenhaus argumentieren, dass die Infektion trotz aller Vorsichtsmaßnahmen unvermeidbar war, und daher nicht haftbar gemacht werden.

Wenn ein Patient erfolgreich nachweisen kann, dass das Krankenhaus für die Infektion verantwortlich ist, kann er Schadenersatz oder Schmerzensgeld verlangen. Der genaue Betrag hängt von den spezifischen Umständen des Falles ab, einschließlich der Schwere der Infektion und der daraus resultierenden Schäden für den Patienten.

Es ist ratsam, bei Verdacht auf eine im Krankenhaus erworbene Infektion einen Anwalt für Medizinrecht zu konsultieren, um die spezifischen rechtlichen Aspekte des Falles zu klären und Unterstützung bei der Durchsetzung von Ansprüchen zu erhalten.


Das vorliegende Urteil

KG Berlin-  Az.: 20 U 73/22 – Urteil vom 27.02.2023

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 11.5.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin – 8 O 210/17 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist, ebenso wie das angegriffene, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen.

Der 1940 geborene Kläger, bei dem schon seit 2005 rechts eine Knie-Endoprothese lag, stürzte am 25.11.2014 mit dem Fahrrad und brach sich den Oberschenkel rechts (dislozierte mehrfragmentäre periprothetische suprakondyläre Femurfraktur). Er wurde in das von der Beklagten getragenen Krankenhaus gebracht, am 1.12.2014 wurde die Knie-TEP gewechselt. Bei einer zweiten Wiedervorstellung wegen Schmerzen im rechten Bein am 23.1.2015 wurden Keime im Kniepunktat festgestellt (Keime der Mund- und Darmflora, Streptococcus oralis et mitis, E. coli).

Der Kläger hat erstinstanzlich Behandlungs- und Hygienefehler gerügt.

Das Landgericht hat – sachverständig beraten durch einen Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin sowie einen Unfallchirurgen – die Klage abgewiesen. Es hat darauf hingewiesen, dass der Eintritt einer Infektion beim Patienten die Beweislast nicht umdreht, solange nicht klar ist, dass die Infektion aus dem für die Behandlungsseite voll beherrschbaren Bereich kam. Den eingereichten Unterlagen habe der entsprechende Sachverständige keine Hygienefehler entnehmen können. Behandlungsfehler seien nicht erkennbar. Die behaupteten Hygienefehler an seiner Person (Behandlung ohne Handschuhe direkt nach Vorbehandlung eines anderen Patienten) seien nach Ort und Zeit nicht so abgegrenzt, dass sie einer Beweiserhebung zugänglich seien.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung seine erstinstanzlichen Anträge, auf die Bezug genommen wird, weiter und hält seinen Vortrag zu Hygiene- und Behandlungsfehlern aufrecht. Er hält das Hygienegutachten für zu kurz und nicht umfassend genug. Wegen des bereits erstinstanzlich eingereichten MDK-Gutachtens von Prof. Dr. M… müsse ein Obergutachten eingeholt werden.

Die Beklagte beantragt Berufungszurückweisung und verteidigt das landgerichtliche Urteil.

II.

Die Berufung ist zurückzuweisen, da dem Kläger keine vertraglichen oder deliktischen Ansprüche aus den streitgegenständlichen Behandlungen gegen die Beklagte zustehen. Das Landgericht hat zutreffend keine Behandlungsfehler bei der Behandlung des Klägers durch die Ärzte der Beklagten angenommen.

1. Soweit der Kläger Fehler betreffend die unfallchirurgische Behandlung im Krankenhaus der Beklagten rügt, nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts auf S. 7-9 des angegriffenen Urteils. Im Hinblick auf die Berufungsbegründung sind diese noch wie folgt zu ergänzen:

Nach den überzeugenden Ausführungen des unfallchirurgischen Sachverständigen sind keine Infektanzeichen des Klägers während der 3 Aufenthalte im Krankenhaus der Beklagten übersehen worden. Vielmehr wurde der Zustand des Klägers und des operierten Beines ordnungsgemäß beobachtet und auf Auffälligkeiten angemessen reagiert. Im Einzelnen:

a) Der unfallchirurgische Sachverständige hat ausgeführt, bei der primären Wechsel-Operation am 1.12.2014 (nach Fahrradsturz am 25.11.2014 und primärer geschlossener Reposition und Fixateur externe-Anlage an diesem Tag) seien keinerlei Zeichen einer Infektion dokumentiert worden, die entnommenen intraoperativen Proben waren bakteriologisch negativ.

b) Die bis zur Entlassung am 19.12.2014 bestehende Schwellung des rechten Beines wurde regelgerecht beobachtet (Gutachten S.12f.) und ist bei derart schweren Verletzungen und Eingriffen nicht ungewöhnlich (Gutachten S. 21), eine frische Thrombose (entgegen der anderweitigen Behauptung des Klägers) wurde am 10.12.2014 ausgeschlossen. Die CRP-Werte waren ohne Hinweis auf ein infektiöses Geschehen (Gutachten S. 13). Der Sachverständige hat unter Auswertung der Patientenunterlagen keinerlei Anhaltspunkte dafür gefunden, dass Infektionszeichen übersehen wurden (Gutachten S. 15)

c) Auch nach der Wiederaufnahme am 22.12.2014 wegen der starken Schmerzen am rechten Knie hat der Sachverständige kein fehlerhaftes Verhalten der Ärzte der Beklagten feststellen können: Das operierte Knie, das geschwollen und überwärmt, aber nicht gerötet war, wurde punktiert; der Kläger wies kein Fieber auf. Das entnommene Punktat erwies sich als erregerfrei, die CRP-Werte waren ebenso wie die Weichteilschwellung rückläufig bei weiter anhaltenden krampfartigen Schmerzen, die nicht typisch für einen Infekt sind, bis zur Entlassung am 02.01.2015 und der Möglichkeit der Aufnahme der Reha-Behandlung am 09.01.2015. Dieser Entwicklung des Geschehens sind nach sachverständiger Auswertung keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass Infektionszeichen übersehen wurden (Gutachten S. 17).

d) Nach der am 22.01.2015 erfolgten Wiederaufnahme wegen unerträglicher Schmerzen und eines ausgeprägten intraartikulären Ergusses wird festgestellt, dass das Knie geschwollen und überwärmt ist, wobei weder Fieber noch Rötung noch eine Thrombose vorliegen. Die Laborwerte steigen von fast normal wieder an, das Punktat des Knies erbringt am 25.01.2015 einen Erregernachweis. Damit wurde der Eintritt einer Infektion adäquat diagnostiziert und behandelt; soweit der Sachverständige eine frühere Antibiose präferiert hätte, hat er deutlich gemacht, dass diese am Verlauf hier nichts geändert hätte, weil bei Eintritt einer Protheseninfektion die infizierte Prothese und das infizierte Gewebe operativ entfernt werden müssen, was durch eine frühere Antibiose nicht mehr verhindert werden kann (Gutachten S. 20, 22). Die weitere Behandlung war den Ärzten der Beklagten verwehrt, da der Kläger auf eigenen Wunsch am 3.2.2015 in die septische Chirurgie der C… verlegt wurde.

e) Der unfallchirurgische Sachverständige hat auch deutlich gemacht, dass die vom Kläger behaupteten Fehler bei der Behandlung bei liegendem Fixateur externe (nicht bedeckte Pins des Fixateurs, Verbandswechsel ohne Handschuhe) für die Frage, ob früher auf eine sichtbare Infektion reagiert hätte werden müssen, irrelevant sind (Gutachten S. 23f.). Soweit der Kläger im Fließtext der Berufungsbegründung (Bl. 24/III) für angebliche Fehler der Händedesinfektion eine Zeugin benennt, ohne zu sagen, was diese wann gesehen haben will, was angesichts von 3 Krankenhausaufenthalten jedenfalls verlangt werden muss, kommt es darauf mangels Kausalitätsnachweises nicht an.

f) Der unfallchirurgische Sachverständige hat sich auch überzeugend mit dem (unfallchirurgischen) Gutachten von Prof. Dr. M… auseinander gesetzt. Dabei hat er dargelegt, dass Prof. M… spekulativ als Infektionsursache von einem in den Krankenunterlagen nirgendwo beschriebenen großen Hämatom ausgeht und seine Auffassung, ein Fixateur externe sei zugunsten einer Extensionsbehandlung abzulehnen, medizinisch veraltet ist (Gutachten S. 26f.). Die Erfahrungen des Senats aus anderen MDK-Gutachten des bereits sehr betagten Prof. Dr. M… decken sich mit dieser Beobachtung: der MDK-Gutachter neigt zu apodiktischen Annahmen von nicht dokumentierten Ursachen und ist medizinisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit. So blendet der MDK-Gutachter (der zudem Unfallchirurg und nicht Hygieniker ist) zB aus, dass der beim Kläger gefundene Keim auch hämatogen gestreut haben kann, unabhängig davon, ob ein Hämatom vorgelegen hat.

2.a) Soweit der Kläger an seinen Rügen wegen bestehender bzw. nicht aufgeklärter Hygienefehler festhält, geht er – wie das Landgericht richtig dargelegt hat – von einer falschen Ausgangslage aus: Es ist nicht so (und entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus § 23 IfSchG abzuleiten), dass eine in einem Krankenhaus eingetretene Infektion dazu führt, dass ein Hygienefehler zu vermuten sei und sich das Krankenhaus deswegen durch Vorlage von allem, was mit Hygiene zu tun hat, entlasten muss. Nach der ständigen und langjährigen Rechtsprechung des BGH kann aus der Tatsache des Eintritts einer Infektion nach einer operativen Behandlung nicht geschlossen werden, dass diese aufgrund eines Hygienefehlers der Ärzte eingetreten ist (BGH, 08.01.1991, VI ZR 102/90, NJW 1991, 1541, Rn 11 in juris; BGH, 16.08.2016, VI ZR 634/15, VersR 2016, 1318); daran ändern auch die geringen Anforderungen an die Darlegungslast des Patienten nichts (BGH, 18.02.2020 – VI ZR 280/19).

Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass insbesondere auch der Körper des Patienten eine Infektionsquelle darstellt, die für die behandelnden Ärzte gerade nicht beherrschbar ist (vgl. BGH, 08.01.1991, VI ZR 102/90, NJW 1991, 1541, Rn 13-15 in juris). Selbst wenn dies als nicht offenkundig angesehen werden sollte, steht dies jedenfalls für den hiesigen Fall nach den Ausführungen des Hygienegutachters fest: Die beim Kläger gefundenen Erreger sind solche der Mund- und Darmflora, die der Kläger schon vor der Behandlung in sich getragen haben kann und die durch Streuung auf dem Blutweg (hämatogen) die gewechselte Prothese erreicht und besiedelt haben können (Hygienegutachten vom 10.07./29.10.2019, S. 5). Es ist daher völlig unklar, woher der Keim stammt, der im rechten Knie des Klägers gefunden wurde. Es handelt sich insoweit um eher ubiquitäre Keime, keineswegs um MRSA-Keime (Anhörung Hygiene-Sachverständiger Gieffers, Bl. 77/II) oder andere (ungewöhnliche) Krankenhauskeime, von denen man u.U. annehmen könnte, dass sie dem voll beherrschbaren Bereich des Krankenhauses entsprungen sein müssen.

Da die Herkunft des Keimes, der für die Infektion verantwortlich war, hier nicht ermittelbar ist, und es sich auch um keinen so ungewöhnlichen Keim handelt, dass über Grundsätze des Anscheinsbeweises nachgedacht werden könnte, war entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht auf seine schlichte Behauptung hin, die Infektion mit gerade diesem Keim habe ihre Ursache in Hygienefehlern des Krankenhausträgers und seiner Beschäftigten, die Beklagtenseite nicht gehalten, alles vorzutragen, was sie zur Infektionsvermeidung an baulichen Maßnahmen, Reinigungsplänen etc. in die Wege geleitet hat. Solange es nicht irgendwelche (auch nur maßvollen, BGH, 19.02.2019 – VI ZR 505/17, BGHZ 221, 139, Rn 19 nach juris) Anhaltspunkte dafür gibt, dass ein ubiquitärer Keim ausnahmsweise doch allein aus der Sphäre der Behandler stammt (und damit „die Vermutung eines Hygienefehlers der Behandlungsseite […] gestattet“, BGH a.a.O.), steht weiteren Ermittlungen die eindeutige Aussage des Hygienegutachters entgegen (S. 13 des GA), dass es „keine Möglichkeit gibt, das Szenario der hämatogenen Streuung oder das des Hygienefehlers rückwirkend zu beweisen oder auszuschließen.“ Deswegen hat der Sachverständige auch ganz deutlich gemacht, dass er keine weiteren Unterlagen der Beklagten zum allgemeinen Hygienemanagement mehr benötige, da aus diesen „für diesen Fall keinen relevanten Erkenntnisse zu erwarten“ waren. Zu der Frage der Ausstattung des Operationssaals mit Raumluftaufbereitung hat der Sachverständige zudem ausgeführt, dass raumlufttechnische Anlagen nach neuesten Erkenntnissen keinen infektionspräventiven Effekt bei Operationen haben, so dass weder heute noch zum Behandlungszeitraum 2014 KRINKO-Empfehlungen existieren, solche Gerätschaften einzusetzen (Gutachten S. 7).

b) Soweit der Kläger seine konkrete Behandlungssituation betreffende Hygienefehler gerügt hat (fehlerhafte Sterilisierung des Operationsbestecks etc.), hat der Sachverständige anhand der eingereichten Protokolle und Sterilisationsnachweise (d.h. der Dokumentation zu den konkreten Prozessen im Kontext zum Infektionsgeschehen, Gutachten S. 11) festgestellt, dass hier keine Hygienefehler ersichtlich sind (Gutachten S. 11, 16) oder (wie bei angesichts des Klägervortrags ggfls zu unterstellenden Hygienefehlern beim Wundverbandwechsel) zu leicht diagnostizierbaren Veränderungen am Patienten geführt haben müssten (Rötung, Sekretion, Eiter an der Wunde), für die aber keine medizinische Dokumentation vorliegt (Gutachten S. 8).

3. Soweit der Kläger meint, er habe über eine „gefährliche“ Hygienestruktur aufgeklärt werden müssen, womit er wohl die von ihm abstrakt vermutete vielleicht vorliegende Unterschreitung von gesetzlichen Vorgaben ansprechen möchte, hat der Hygienegutachter eine solche aus den ihm überreichten Unterlagen nicht festgestellt. Belastbar behauptet sind konkrete Unterschreitungen gesetzlicher Vorgaben zudem nicht. Darauf kommt es jedoch nicht streitentscheidend an: Denn soweit der Kläger weiter behauptet, bei entsprechender Aufklärung hätte er sich nicht im Krankenhaus der Beklagten operieren lassen, kann dies zu seinen Gunsten unterstellt werden, ohne dass dies zu einer Haftung der Beklagten führen würde. Wegen der schweren periprothetischen Verletzung musste sich der Kläger jedenfalls operieren lassen, so dass er um einen umfangmäßig gleichen Eingriff (ggfls. an anderer Stelle) nicht herumgekommen wäre, weswegen auch die (dann – einen Aufklärungsfehler unterstellt – rechtswidrige) Operation an sich nicht schadensrechtlich ausgleichspflichtig wäre. Dass die eingetretene Infektion überhaupt aufgrund der Operation oder anderem Vorgehen der Ärzte oder des Pflegepersonals der Beklagten im Rahmen der Behandlung eingetreten ist, ist jedoch, insoweit darf auf die obigen Ausführungen verwiesen werden, hier nicht erweislich.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die rechtlichen Fragen den Umgang mit Hygienefehlern betreffend in der Rspr. des BGH geklärt sind und sich vorliegend überwiegend medizinisch-tatsächliche Fragen stellen.

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