Skip to content
Menu

Übersehen Orbitabodenfraktur – grober Behandlungsfehler

Übersehene Fraktur: Kein grober Behandlungsfehler laut OLG Köln

Im Urteil des OLG Köln, Az.: I-5 U 186/14 vom 15. Juni 2015, geht es um den Vorwurf eines groben Behandlungsfehlers durch das Übersehen einer Orbitabodenfraktur nach einem Sturz. Das Gericht entschied, dass den behandelnden Ärzten kein schadensursächlicher Behandlungsfehler zur Last fällt und wies somit die Berufung des Klägers als unbegründet zurück.

Es wurde festgestellt, dass die Fehldiagnose zwar einen einfachen Behandlungsfehler darstellt, aber kein grober Behandlungsfehler vorliegt, da die Fraktur und die Verschattung der Nasennebenhöhlen für einen Facharzt nicht offensichtlich waren. Folglich wurde der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zurückgewiesen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-5 U 186/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das OLG Köln wies die Berufung des Klägers zurück, da den Ärzten kein grober Behandlungsfehler zur Last gelegt werden konnte.
  • Eine Orbitabodenfraktur wurde nach einem Sturz übersehen, was als einfacher Behandlungsfehler eingestuft wurde.
  • Der Fehler war für den behandelnden Arzt nicht offensichtlich, da die Diagnose auch für Fachärzte schwierig sein kann.
  • Es gab keine spezifischen klinischen Hinweise auf eine Fraktur, die eine sofortige weitere Diagnostik unbedingt erforderlich gemacht hätten.
  • Die Fehldiagnose führte nicht zu einer Beweislastumkehr zugunsten des Klägers bezüglich der Kausalität des Schadens.
  • Die Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wurde wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt.
  • Die Entscheidung basiert auf der Annahme, dass ein Facharzt die Fraktur übersehen konnte, ohne dass ihm ein schlechterdings unverständliches Verhalten vorzuwerfen ist.
  • Kontrolluntersuchungen wurden empfohlen, aber eine CT wurde aufgrund der initialen Diagnose nicht für notwendig erachtet.

Arzthaftung und Sorgfaltspflichten im Blickfeld

Behandlungsfehler und damit verbundene Arzthaftungsansprüche sind ein durchaus brisantes Thema. Machen Ärzte grobe Fehler, indem sie etwa eine Fraktur übersehen, können schwerwiegende Folgen drohen. Wie aber ist die Rechtslage, wenn es um das Übersehen einer Orbitabodenfraktur geht? Wann liegt überhaupt ein grober Behandlungsfehler vor?

Bei Verletzungen im Gesichts- und Schädelbereich sind mitunter diffizile Diagnosen gefragt. Fachärzte müssen hier eine ausreichende Sorgfaltspflicht an den Tag legen. Doch wo verläuft die Grenze zu unvermeidbaren ärztlichen Kunstfehlern? Ein kontroverses Spannungsfeld, das Rechtsexperten intensiv beschäftigt.

Hatten Sie einen ähnlichen Fall wie die Übersehen Orbitabodenfraktur? Fordern Sie jetzt Ihre unverbindliche Ersteinschätzung an. Schnell, einfach und zuverlässig helfen wir Ihnen, Klarheit zu gewinnen.

Gerichtsurteil: Kein grober Behandlungsfehler bei übersehener Orbitabodenfraktur

Im Mittelpunkt des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Köln stand die Behandlung eines Klägers nach einem Sturzereignis am 8. November 2008, bei dem eine Orbitabodenfraktur übersehen wurde. Der Kläger suchte Schadensersatz und Schmerzensgeld, weil er der Ansicht war, die Ärzte hätten bei der Erstversorgung gravierende Fehler gemacht.

Die Diagnose, die zum Streit führte

Nach dem Sturz wurde der Kläger in einem Krankenhaus untersucht, wobei die Ärzte lediglich eine Schädelprellung diagnostizierten und eine knöcherne Verletzung verneinten. Spätere Untersuchungen, unter anderem eine Orbitabodenaufnahme, zeigten jedoch deutlich eine Fraktur am Orbitaboden sowie eine Verschattung der Nasennebenhöhlen, welche laut einem unfallchirurgischen Sachverständigen von einem Facharzt für Unfallchirurgie hätten erkannt werden müssen. Das Landgericht Aachen urteilte jedoch, dass lediglich ein einfacher Diagnosefehler vorlag, da die Erkennbarkeit der Fraktur und die Verschattung auf der Röntgenaufnahme nicht zur Annahme eines groben Behandlungsfehlers führten.

Unterschied zwischen einfachem und grobem Behandlungsfehler

Ein wesentlicher Punkt in der rechtlichen Bewertung dieses Falles war die Unterscheidung zwischen einem einfachen und einem groben Behandlungsfehler. Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen hat und dies aus objektiver Sicht nicht nachvollziehbar erscheint. Das Oberlandesgericht Köln folgte in seiner Entscheidung der Einschätzung, dass der Sachverhalt keinen groben Behandlungsfehler darstellte. Grund dafür war unter anderem die Annahme, dass die Diagnosestellung auch für Fachärzte nicht eindeutig war und etwa 30 % der Ärzte in einer ähnlichen Situation die Fraktur möglicherweise ebenfalls übersehen hätten.

Die Rolle klinischer Hinweise und die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht berücksichtigte zudem, dass spezifische klinische Hinweise auf eine Orbitabodenfraktur, wie Sehstörungen oder Funktionsstörungen, fehlten. Der Kläger hatte bei einer Untersuchung im Universitätsklinikum Aachen Doppelbilder ausdrücklich verneint, was die Annahme eines nicht groben Behandlungsfehlers stützte. Ebenso wurde der Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zurückgewiesen, da keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestand.

Kontrolluntersuchungen und die folgenden Schritte

Das Gericht hob hervor, dass die behandelnden Ärzte des Klägers die notwendigen Kontrolluntersuchungen empfohlen hatten, um später auftretende Doppelbilder oder Sehstörungen nicht zu übersehen. Diese Empfehlung stellte einen wichtigen Aspekt dar, der bei der Beurteilung des Falls berücksichtigt wurde. Letztlich bestätigte das Oberlandesgericht Köln das Urteil des Landgerichts Aachen und wies die Berufung des Klägers als unbegründet zurück.

In diesem Fall spiegelt das Urteil des OLG Köln die komplexe Natur medizinrechtlicher Auseinandersetzungen wider, bei denen die Bewertung ärztlicher Handlungen eine zentrale Rolle spielt. Die Entscheidung betont die Bedeutung der Differenzierung zwischen einfachen und groben Behandlungsfehlern und die Notwendigkeit, alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird zwischen einem einfachen und einem groben Behandlungsfehler unterschieden?

Die Unterscheidung zwischen einem einfachen und einem groben Behandlungsfehler ist im deutschen Arzthaftungsrecht von großer Bedeutung, insbesondere hinsichtlich der Beweislastverteilung im Schadensfall. Ein einfacher Behandlungsfehler liegt vor, wenn die Behandlung eines Arztes nicht den anerkannten medizinischen Standards entspricht. Dies kann alle Bereiche ärztlicher Tätigkeit betreffen, einschließlich medizinischer, organisatorischer Fehler oder Fehler nachgeordneter Personen. Auch mangelhafte Aufklärung über medizinische Eingriffe und ihre Risiken sowie Dokumentationsmängel fallen darunter.

Ein grober Behandlungsfehler hingegen ist gegeben, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen hat. Ein solcher Fehler ist aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Die Behandlung muss gegen elementare Behandlungsregeln und Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft verstoßen.

Die wesentliche Konsequenz eines groben Behandlungsfehlers ist die Umkehr der Beweislast. Während bei einem einfachen Behandlungsfehler der Patient beweisen muss, dass durch die Behandlung ein Schaden entstanden ist, muss im Falle eines groben Behandlungsfehlers der Arzt nachweisen, dass sein Fehler nicht für die gesundheitlichen Schäden des Patienten verantwortlich ist. Diese Beweislastumkehr erleichtert es dem Patienten erheblich, Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Einstufung eines Behandlungsfehlers als „grober Fehler“ auf der Beurteilung des gesamten Sachverhalts beruht. Mehrere einfache Behandlungsfehler können in der Gesamtschau als grober Behandlungsfehler angesehen werden. Umgekehrt kann ein erheblicher Fehler unter bestimmten Umständen, wie etwa erschwerten Behandlungsbedingungen, als nicht grob eingestuft werden.

Die Unterscheidung zwischen einfachen und groben Behandlungsfehlern und die damit verbundene Beweislastverteilung ist ein zentrales Element im deutschen Arzthaftungsrecht und hat erhebliche Auswirkungen auf die Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen geschädigter Patienten.

Welche Rolle spielen klinische Hinweise bei der Beurteilung von Behandlungsfehlern?

Klinische Hinweise spielen bei der Beurteilung von Behandlungsfehlern eine zentrale Rolle, da sie wichtige Informationen über den Zustand des Patienten, die durchgeführten medizinischen Maßnahmen und die dabei angewandten Standards liefern. Die Beurteilung eines Behandlungsfehlers erfolgt immer aus der Perspektive ex ante, also mit Blick auf die zum Zeitpunkt der Behandlung geltenden medizinischen Standards und ohne Berücksichtigung späterer Entwicklungen oder Erkenntnisse. Dies bedeutet, dass die Entscheidung, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, auf der Grundlage der Informationen getroffen wird, die zum Zeitpunkt der Behandlung verfügbar waren oder hätten verfügbar sein müssen.

Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn die Behandlung eines Patienten nicht den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards entspricht. Dies kann sowohl durch ein aktives Tun als auch durch Unterlassen geschehen. Klinische Hinweise, wie Symptome des Patienten, Ergebnisse diagnostischer Tests und die Dokumentation der Behandlung, sind daher entscheidend, um zu beurteilen, ob die durchgeführten medizinischen Maßnahmen angemessen waren.

Die Bewertung, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, erfordert oft die Expertise medizinischer Sachverständiger, die die klinischen Hinweise im Kontext der zum Behandlungszeitpunkt geltenden Standards interpretieren. Diese Experten müssen sich bewusst sein, dass ihnen mit der Kenntnis des weiteren Krankheitsverlaufs Informationen zur Verfügung stehen, die sie in ihrer Bewertung nicht berücksichtigen dürfen, da sie zum Zeitpunkt der Behandlung noch nicht bekannt waren.

Zusammenfassend sind klinische Hinweise essentiell für die Beurteilung von Behandlungsfehlern, da sie die Basis für die Bewertung bilden, ob die durchgeführten medizinischen Maßnahmen den damals geltenden Standards entsprachen. Die Herausforderung besteht darin, diese Hinweise objektiv und im Kontext der zum Zeitpunkt der Behandlung verfügbaren Informationen zu bewerten.

Wie beeinflusst die Erkennbarkeit einer Verletzung auf Röntgenaufnahmen die rechtliche Bewertung?

Die Erkennbarkeit einer Verletzung auf Röntgenaufnahmen beeinflusst die rechtliche Bewertung eines möglichen Behandlungsfehlers in mehrfacher Hinsicht. Zunächst ist festzuhalten, dass die Durchführung medizinisch nicht indizierter Röntgenaufnahmen als Körperverletzung gewertet werden kann, insbesondere wenn durch die Röntgenstrahlung der körperliche Zustand des Betroffenen tiefgreifend verändert wird, auch ohne dass es zum Ausbruch einer Krankheit kommen muss. Dies unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Indikationsstellung vor der Anwendung ionisierender Strahlung.

Im Kontext der Diagnosestellung und Befunderhebung spielt die Erkennbarkeit von Verletzungen oder pathologischen Zuständen auf Röntgenbildern eine entscheidende Rolle. Ein Befunderhebungsfehler liegt vor, wenn ein medizinisch gebotener Befund nicht rechtzeitig erhoben oder gesichert wird, insbesondere wenn dadurch weitere notwendige Behandlungsmaßnahmen unterbleiben. Die Erkennbarkeit einer Verletzung auf einer Röntgenaufnahme kann somit direkt zu einem Befunderhebungsfehler führen, wenn der behandelnde Arzt oder Radiologe es versäumt, die Verletzung zu identifizieren und entsprechend zu handeln.

Die rechtliche Bewertung hängt auch davon ab, ob ein Diagnose- oder Befunderhebungsfehler als einfach oder grob eingestuft wird. Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Fehler aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint und einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Die Nichterkennung einer auf Röntgenaufnahmen eindeutig sichtbaren Verletzung könnte unter Umständen als grober Behandlungsfehler gewertet werden, insbesondere wenn die Nichterkennung zu einer signifikanten Verschlechterung des Gesundheitszustands des Patienten führt.

Die Erkennbarkeit einer Verletzung auf Röntgenaufnahmen beeinflusst zudem die Beweislast im Rahmen von Arzthaftungsprozessen. Bei einem groben Behandlungsfehler kann es zu einer Beweislastumkehr kommen, bei der der Arzt beweisen muss, dass der Fehler nicht ursächlich für den entstandenen Schaden war. Dies erhöht die Chancen des Patienten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Zusammenfassend ist die Erkennbarkeit einer Verletzung auf Röntgenaufnahmen ein wichtiger Faktor bei der rechtlichen Bewertung von Behandlungsfehlern. Sie kann die Einstufung des Fehlers als einfach oder grob beeinflussen und hat direkte Auswirkungen auf die Beweislastverteilung im Schadensfall.

Welche Konsequenzen hat die Übersehen einer Orbitabodenfraktur für den behandelnden Arzt?

Das Übersehen einer Orbitabodenfraktur kann für den behandelnden Arzt erhebliche rechtliche Konsequenzen haben. Wenn ein Arzt eine solche Fraktur übersieht, obwohl sie auf Röntgenaufnahmen erkennbar war, kann dies als Behandlungsfehler eingestuft werden. Insbesondere wenn das Übersehen der Fraktur zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Patienten führt, kann dies als grober Behandlungsfehler gewertet werden.

Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Fehler aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint und einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. In einem solchen Fall kann es zu einer Umkehr der Beweislast kommen, bei der der Arzt beweisen muss, dass der Fehler nicht ursächlich für den entstandenen Schaden war. Dies bedeutet, dass der Arzt in der Beweispflicht ist, um zu zeigen, dass der Gesundheitsschaden des Patienten auch ohne das Übersehen der Fraktur eingetreten wäre.

Die rechtlichen Konsequenzen können Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche des Patienten umfassen. Der Arzt oder die Klinik könnte zur Zahlung von Schadensersatz für die zusätzlichen medizinischen Behandlungen, die aufgrund des übersehenen Befundes notwendig wurden, sowie zum Schmerzensgeld für die erlittenen Schmerzen und die möglicherweise eingetretene Verschlechterung der Lebensqualität verurteilt werden.

Zusätzlich kann das Übersehen einer solchen Verletzung auch berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, wie beispielsweise eine Überprüfung der ärztlichen Tätigkeit durch die zuständige Ärztekammer. In schwerwiegenden Fällen kann dies bis hin zu einer berufsrechtlichen Sanktionierung führen.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • §§ 280 Abs. 1, 831 Abs. 1, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB: Diese Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuchs regeln die Schadensersatzpflicht bei Pflichtverletzungen, die Haftung des Geschäftsherrn für den Verrichtungsgehilfen, die allgemeine Deliktshaftung für unerlaubte Handlungen und den Anspruch auf Schmerzensgeld. Im Kontext des übersehenen Behandlungsfehlers sind diese Normen relevant, um die Ansprüche des Klägers gegen die behandelnden Ärzte oder das Krankenhaus zu begründen.
  • § 522 Abs. 2 ZPO: Diese Vorschrift der Zivilprozessordnung ermöglicht es einem Gericht, eine Berufung ohne mündliche Verhandlung als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen. Dies wurde im vorliegenden Fall angewendet, da das Gericht die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil als unbegründet ansah.
  • § 529 ZPO: Regelt den Umfang der Prüfung von Tatsachen in der Berufungsinstanz. Im vorliegenden Fall beruht das Urteil darauf, dass die vom Landgericht festgestellten Tatsachen keine andere Entscheidung rechtfertigten.
  • Beweislastumkehr: Ein nicht spezifisch in einem einzigen Gesetz festgehaltener Rechtsgrundsatz, aber für die Beurteilung von medizinischen Behandlungsfehlern entscheidend. Bei groben Behandlungsfehlern kann es zu einer Umkehr der Beweislast kommen, sodass nicht der Patient beweisen muss, dass ein Fehler zu einem Schaden geführt hat, sondern der Arzt muss beweisen, dass der Fehler nicht ursächlich für den Schaden war. Im vorliegenden Fall wurde kein grober Behandlungsfehler festgestellt, daher blieb die reguläre Beweislast beim Kläger.
  • Medizinrecht und Arzthaftungsrecht: Rechtsbereiche, die im vorliegenden Fall von zentraler Bedeutung sind. Sie befassen sich mit den Rechtsverhältnissen zwischen medizinischen Leistungserbringern und Patienten, einschließlich der Haftung für Behandlungsfehler. Der vorliegende Fall illustriert die Anwendung dieser Rechtsbereiche auf einen konkreten Sachverhalt, bei dem es um die Frage ging, ob die Ärzte einen Behandlungsfehler begangen haben, indem sie eine Orbitabodenfraktur übersehen haben.
  • Dokumentationspflicht: Obwohl nicht direkt im Text genannt, ist sie ein wichtiger Aspekt im medizinrechtlichen Kontext. Sie verpflichtet Ärzte, medizinische Untersuchungen und Befunde sorgfältig zu dokumentieren. Fehlende oder unzureichende Dokumentation kann in rechtlichen Auseinandersetzungen um Behandlungsfehler erheblich sein, insbesondere wenn es um die Frage geht, ob bestimmte Untersuchungen durchgeführt oder Befunde erhoben wurden. Im diskutierten Fall war die Dokumentation der Untersuchung und der dabei erhobenen Befunde ein Diskussionspunkt.


Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: I-5 U 186/14 – Beschluss vom 15.06.2015

Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 5. November 2014 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 11 O 376/10 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit, zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Berufung hat nach gründlicher Prüfung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann von der Beklagten wegen der Behandlung nach dem Sturz vom 8.11.2008 gemäß §§ 280 Abs. 1, 831 Abs. 1, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB weder die Zahlung von Schmerzensgeld noch materiellen Schadensersatz verlangen. Den für die Beklagte handelnden Ärzten fällt kein schadensursächlicher Behandlungsfehler zur Last.

Aus dem Umstand, dass nach der Beurteilung des unfallchirurgischen Sachverständigen Dr. S auf der Orbitabodenaufnahme deutlich die Orbitabodenfraktur rechts und eine abklärungsbedürftige Verschattung der Nasennebenhöhlen zu sehen waren, die von einem Facharzt für Unfallchirurgie hätten erkannt werden müssen, hat das Landgericht zu Recht nur darauf geschlossen, dass die am 8.11.2008 gestellte Diagnose einer Schädelprellung bei gleichzeitiger Verneinung einer knöchernen Verletzung einen als einfachen Behandlungsfehler zu wertenden Diagnosefehler darstellt. Die Verschattung der Nasennebenhöhlen hat Dr. S teils als deutlich, teils aber auch – so bei der Befundung der Orbitabodenaufnahme im schriftlichen Gutachten – als angedeutet beschrieben. Die deutliche Erkennbarkeit der Fraktur und die Erkennbarkeit der Verschattung auf der Röntgenaufnahme führt lediglich dazu, dass ein vorliegendes Krankheitsbild in nicht mehr vertretbarer Weise verkannt wurde, mithin die Schwelle vom bloßen objektiven und nicht fehlerhaften Diagnoseirrtum zum Behandlungsfehler überschritten ist.

Ein zur Beweislastumkehr in Bezug auf die Kausalität führender grober Behandlungsfehler liegt demgegenüber sowohl nach der zusammenfassenden Beurteilung von Dr. S als nach seinen sonstigen Ausführungen, die die zusammenfassende Wertung tragen, nicht vor. Ein Behandlungsfehler ist als grob anzusehen, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (BGH, Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 139/10, iuris Rdn. 8 m.w.Nachw., abgedruckt in VersR 2012, 362 f.). Die Beurteilung, ob ein Behandlungsfehler als grob oder nicht grob einzustufen ist, ist eine juristische Wertung, die dem Tatrichter und nicht dem Sachverständigen obliegt. Die Bewertung eines Behandlungsgeschehens als grob fehlerhaft muss allerdings in den Ausführungen eines Sachverständigen ihre tatsächliche Grundlage finden und darf keinesfalls entgegen dessen fachlichen Ausführungen erfolgen (BGH, aaO Rdn. 9).

Im Streitfall sind Gründe vorhanden, die den Fehler als verständlich erscheinen lassen. Dr. S hat zunächst darauf hingewiesen, dass die Beurteilung des Gesichtsschädels für einen Unfallchirurgen grundsätzlich eine schwierige Angelegenheit ist, was einleuchtet, weil in erster Linie die Fachgebiete der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sowie der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde betroffen sind. Der Sachverständige ist ferner zu der Einschätzung gelangt, dass etwa 70 % der Ärzte seiner Abteilung, darunter alle Fachärzte, die Fraktur erkannt hätten, während etwa 30 % sie nicht diagnostiziert hätten. Dass der Bruch des Orbitabodens anhand der Röntgenaufnahme für jüngere und unerfahrene Ärzte nicht oder nicht sicher zu diagnostizieren ist, zeigt, dass die Diagnose nicht in jeder Hinsicht offensichtlich war, was dafür spricht, dass auch ein Facharzt die Fraktur übersehen konnte, ohne dass ihm ein schlechterdings unverständliches Verhalten vorzuwerfen ist. Maßgeblich kommt hinzu, dass spezifische klinische Hinweise auf eine Orbitabodenfraktur, das heißt vor allem Sehstörungen oder sonstige Funktionsstörungen, die einen entsprechenden Bruch in besonderer Weise nahe gelegt hätten, fehlten. Doppelbilder hat der Kläger noch bei der Untersuchung im Universitätsklinikum Aachen am 9.12.2008 ausdrücklich verneint. Das Fehlen der spezifischen klinischen Entsprechung macht es verständlich, dass der Hinweis auf die Fraktur in der Orbitabodenaufnahme von den Ärzten der Beklagten nicht erkannt wurde. Soweit der Kläger auf S. 21 f. der Berufungsbegründung auf die am 8.11.2008 zweifellos vorhandenen Schmerzen, die Platzwunde im rechten Augenwinkel, die deutliche Schwellung und das Hämatom periocculär verweist, handelt es sich um Umstände, die eine Abklärung eines danach möglichen Bruchs durch Röntgenaufnahmen erforderten, dagegen unter Zugrundelegung der nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. S nicht um spezifische Hinweise auf die später festgestellten Frakturen. Die Schmerzen des Klägers ließen sich durch die gestellten Diagnosen einer Schädelprellung und einer Platzwunde ohne weiteres erklären. Die Alkoholisierung des Klägers spielt für das Ausmaß der von den Ärzten bei der klinischen Untersuchung und der Befundung der Röntgenaufnahmen zu fordernden Sorgfalt schon deshalb keine Rolle, weil der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen im Laufe des Abends nur zwei Bier getrunken hatte. Bei diesem Trinkverhalten war nicht zu erwarten, dass der Kläger bei der Vorstellung in der Ambulanz am 8.11.2008 gegen 03.30 Uhr Symptome nicht wahrnehmen oder schildern konnte.

Der Kläger macht im Berufungsverfahren zu Recht nicht geltend, er könne den Vollbeweis gemäß § 286 ZPO führen, dass der Diagnosefehler und das Übersehen der Fraktur zu einem gesundheitlichen Schaden geführt haben. Dies gilt schon deshalb, weil sich nicht feststellen lässt, dass vor dem 9.12.2008, als der Kläger im Universitätsklinikum Aachen über die von ihm anschließend abgelehnte Möglichkeit einer Operation aufgeklärt wurde, eine Operation indiziert gewesen wäre und sich der Kläger für diese entschieden hätte. Der hals-nasen-ohren-ärztliche Sachverständige Prof. Dr. N, in dessen Fachgebiet die Behandlung der Fraktur fällt, hat gegen Ende der Anhörung vor dem Landgericht schlüssig dargelegt, dass bei Brüchen des Orbitabodens, bei denen der Knochen – wie hier – nicht oder praktisch nicht disloziert sei, in der Regel ein zuwartendes Vorgehen angezeigt sei. Denn es sei zweifelhaft, ob Sehstörungen in Gestalt von Doppelbilden und vorhandene Taubheitsgefühle durch die Operation gebessert werden könnten, während die Operation zu weiteren Schädigungen führen könne. Dies entspricht den Ausführungen von Dr. S in der mündlichen Verhandlung vom 2.5.2012. Bedenkt man, dass Doppelbilder am 8.11.2008 vom Kläger nicht angegeben und noch am 9.12.2008 im Universitätsklinikum Aachen ausdrücklich von ihm verneint wurden sowie dass Taubheitsgefühle sich nach den Darlegungen der Sachverständigen in den meisten Fällen spontan zurückbilden, spricht nichts dafür, dass der Kläger sich im Fall der zutreffenden Diagnose zu dem allenfalls relativ indizierten Eingriff entschieden hätte.

Soweit die für die Beklagte tätigen Ärzte eine Computertomografie nicht vorgenommen oder veranlasst haben, kann ihnen ihr Verhalten nicht vorgeworfen werden. Es handelt sich nicht um einen eigenständigen Behandlungsfehler, sondern um ein angesichts der gestellten Diagnose eine Schädelprellung ohne gleichzeitige knöcherne Verletzung folgerichtiges Unterlassen. Eine Computertomografie hätten sie durchführen müssen, wenn sie einen Bruch von Orbita oder Jochbein festgestellt oder einen entsprechenden konkreten Verdacht gehabt hätten. Ein Diagnosefehler wird nicht dadurch zu einem Befunderhebungsfehler, dass bei objektiv zutreffender Diagnosestellung noch weitere Befunde zu erheben gewesen wären (BGH, Urteil vom 21.12.2010 – VI ZR 284/09, iuris Rdn. 13, abgedruckt in BGHZ 188, 29 ff.).

Der für einen Behandlungsfehler der Beklagten beweispflichtige Kläger kann nicht nachweisen, dass der für die Beklagte tätige Arzt am 8.11.2008 eine klinische Untersuchung und die gebotene Abtastung des Jochbeins unterlassen hat. Zeugen für den Verlauf der Untersuchung sind von ihm nicht benannt worden und stehen ihm nicht zur Verfügung. Auf einen Dokumentationsmangel und eine daraus zu seinen Gunsten folgende Vermutung kann er sich nicht berufen. Zwar begründet das Fehlen der Dokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme die Vermutung, dass die Maßnahme unterblieben ist (BGH, Urteil vom 11.11.2014 – VI ZR 76/13, iuris Rdn. 21, abgedruckt in VersR 2015, 327 ff.). Aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S lässt sich aber nicht ableiten, dass über die Dokumentation der Untersuchung und der dabei erhobenen Befunde im Arztbrief vom 8.11.2008 hinaus, in dem es insbesondere heißt, dass die sonstige körperliche Untersuchung unauffällig und DMS (Durchblutung, Motorik, Sensibilität) intakt gewesen sei, die Pflicht zu weiteren Aufzeichnungen bestanden hätte. Dies gilt insbesondere für ein unauffälliges Ergebnis der von der Beklagten behaupteten Abtastung des Jochbeins. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 2.5.2012 hat dem Sachverständigen Dr. S eine Dokumentation der klinischen Befundung des Jochbeins gefehlt, ohne dass er in diesem Zusammenhang von einer Verpflichtung zur Aufzeichnung des Befundes ausgegangen ist. Eine entsprechende Verpflichtung wäre auch mit dem Zweck der ärztlichen Dokumentation, den behandelnden Arzt und mit- oder nachbehandelnde Ärzte zu einem späteren Zeitpunkt über die für die weitere Behandlung maßgeblichen Dinge zu informieren, nicht vereinbar. Denn sofern die Beschwerden andauerten und daher die ursprünglich gestellte Diagnose überprüft werden musste, war eine erneute klinische Untersuchung erforderlich, deren Ergebnisse – nicht jedoch der ursprünglich unauffällige Tastbefund – für das weitere therapeutische Vorgehen entscheidend waren.

Die vom Sachverständigen Dr. S für notwendig erachteten Kontrollen, die dazu dienen sollten, später auftretende Doppelbilder oder Sehstörungen nicht zu übersehen, hat die Beklagte ausweislich des Arztbriefs vom 8.11.2008 angeraten. Danach sollte sich der Kläger bei Visusproblemen sofort beim Augenarzt vorstellen, ansonsten am folgenden Montag.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren war zurückzuweisen. Die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung hat aus den vorstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Medizinrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Medizinrecht und Arzthaftungsrecht.  Gerne beraten und vertreten wir Sie in medizinrechtlichen Angelegenheiten.

Rechtsanwälte Kotz Medizinrecht - Kreuztal

Urteile und Rechtstipps aus dem Medizinrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!