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Zahnärztliche Fehlbehandlung im Zusammenhang mit Prothetik

LG Köln – Az.: 3 O 6/20 – Urteil vom 26.10.2021

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 3622,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 2622,01 € seit dem 03.12.2019 und aus einem Betrag von 1.000,00 € seit dem 31.01.2020 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren materiellen Schäden zu erstatten, die ihm infolge der streitgegenständlichen Behandlungsfehler aus dem Jahr 2017 zukünftig noch entstehen, soweit Schadensersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag iHv 685,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.01.2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 84% und die Beklagte zu 16%.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung iHv 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Mit der Klage macht der Kläger Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld und Nachbehandlerkosten nebst Feststellungsantrag aufgrund einer behaupteten zahnärztlichen Fehlbehandlung geltend.

Der Kläger befand sich vom 10.03.2017 bis zum 27.09.2017 in zahnärztlicher Behandlung bei der Beklagten. Er stellte sich erstmals am 10.03.2017 in der Praxis der Beklagten vor. Zu diesem Zeitpunkt war er im Oberkiefer mit einem herausnehmbaren Zahnersatz aus dem Jahr 2010 versorgt. Im Oberkiefer zeigte sich eine Mittellinienverschiebung nach rechts, da die Zähne 23-27 nach mesial ausgewandert waren. Die Beklagte plante sodann eine mit fünf Teleskopkronen an den Zähnen 15, 14 und 23-25 getragene Modellgussprothese mit ersetzten Zähnen für 18-16 und 22-23. Der Kläger unterschrieb die Behandlungsvereinbarung. Am 10.05.2017 erhielt die Beklagte den mit 20% genehmigten Heil- und Kostenplan vom Kläger ausgehändigt. Bereits an diesem Tag wurden auf Wunsch des Klägers die Aufbaufüllungen an den für die Teleskopkronen vorgesehenen Zähnen durchgeführt. Weitere Termine folgten am 11.05.2017, am 15.05.2017, am 22.05.2017 und am 13.06.2017. Am 14.06.2017 wurde schließlich die gesamte Arbeit in den Oberkiefer eingesetzt. Die Teleskopkronen wurden von dem Zahntechniker aus Polyetheretherketon (im Folgenden: PEEK) gefertigt. Am 20.06.2017 erfolgte eine Kontrolluntersuchung. Am 26.06.2017 äußerte der Kläger, dass ihm die Oberkiefer-Mittellinie optisch nicht gefalle. Darüber hinaus war die Teleskopkrone von Zahn 24 abgefallen. Die Beklagte fluoridierte den freiliegenden Zahn und setzte ihm eine provisorische Krone ein. Die Oberkiefermodellgussprothese ließ der Kläger zurück, damit der Zahntechniker eine Veränderung der Mittellinie vornehmen konnte. Am 30.06.2017 zeigte sich, dass die Mittellinien nunmehr eine gerade Linie bildeten, jedoch der Zahntechniker den ersetzten Zahn 22 aus der Zahnreihe hatte entfernen müssen, sodass die restlichen vier ersetzten Frontzähne leicht lückig aufgestellt worden waren. Am 04.07.2017 wünschte der Kläger die Einsetzung der ersetzten Zähne 13-22 aus seiner alten Prothese in die neue Modellgussprothese. Die beiden Prothesen wurden sodann noch einmal den Zahntechniker versendet. Am 07.07.2017 wurden die Teleskopkronen 15 und 25 fest zementiert. Außerdem wurde eine neue Teleskopkrone für den Zahn 24 fest zementiert. Die Frontzähne 13-22 der Oberkiefermodellgussprothese waren gegen die Zähne aus der alten Modellgussprothese ausgetauscht worden. Am 10.07.2017 stellt sich der Kläger erneut vor, da die Teleskopkrone 15 wieder abgefallen war. Diese wurde rezementiert. Der Kläger äußerte erneut, dass er mit den ausgetauschten Frontzähnen und der Mittellinie nicht zufrieden sei. Die Beklagte teilte ihm mit, dass entweder die Mittellinie übereinstimmen könne oder ein Zahn aus der Zahnreihe geopfert werden müsse. Eine letzte Behandlung erfolgte am 27.09.2017. Von den Gesamtkosten i.H.v. 4844,44 € erstattete die Beklagte dem Kläger im Anschluss die Fremdlaborkosten i.H.v. 1711,26 €, der Festzuschuss i.H.v. 1569,40 € wurde mit der Krankenkasse des Klägers rückverrechnet.

Der Kläger behauptet, als er im Anschluss an den Termin vom 14.06.2017 zuhause in den Spiegel geschaut habe, habe er gesehen, dass die Prothese unsymmetrisch gearbeitet worden sei. Die obere Zahnreihe sei nach rechts verschoben gewesen. Dies deshalb, da die Beklagte bei der Abnahme des Wachsabdrucks keine Kontrolle durchgeführt habe, ob die Symmetrie richtig eingestellt gewesen sei. Am 20.06.2017 habe er gegenüber der Beklagten eine Druckschmerzhaftigkeit an beiden Seiten geäußert und mitgeteilt, dass die Innenteleskope jedes Mal herausfallen würden, wenn er die Prothese herausnehmen würde. Von diesem Zeitpunkt an hätten Druckstellen bestanden. Außerdem sei auf der linken Seite der Prothese die Außenverblendung des Außenteleskops schadhaft. Die Prothese sei mit massiven und nicht behebbaren Mängeln behaftet und für ihn gänzlich unverwertbar. Darüber hinaus sei aufgrund der Verwendung eines neuen und noch nicht erprobten Verfahrens lediglich ein Heilversuch durchgeführt worden, über den er jedoch nicht aufgeklärt worden sei und in die er nicht eingewilligt habe. Die Beklagte habe ihn nicht über die Verwendung des – ohnehin ungeeigneten- Materials PEEK informiert. Darüber hinaus sei sie mit der Verwendung dieses Kunststoffes nicht vertraut gewesen und habe sich nicht an die Zementierungsvorgaben des Herstellers gehalten.

Ihm seien insgesamt Schäden i.H.v. 14.024,23 € entstanden. Für die Neuversorgung durch das Haus der Zahnmedizin seien insgesamt Kosten i.H.v. 11.065,22 € angefallen, worauf die Krankenkasse einen Zuschuss i.H.v. 1756,07 € geleistet habe, sodass ein Betrag i.H.v. 9309,15 € verbleibe. Für die Begleichung des Betrages i.H.v. 9309,15 € habe er ein privates Darlehen bei seiner Schwiegermutter aufgenommen, welches er jährlich mit fünf Prozentpunkten zu verzinsen hätte. Darüber hinaus habe er an den Nachbehandler B. einen Betrag i.H.v. 508,93 € sowie für die Nachbehandlung durch Dr. S. einen Betrag i.H.v. 1186,15 € zahlen müssen. Für die behandlungsfehlerhaft entstandenen Schmerzen sei ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 3000,00 € angemessen. Darüber hinaus seien ihm vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1899,24 € entstanden. Diese macht er in gewillkürter Prozessstandschaft für seine Rechtsschutzversicherung geltend.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Antragsschrift im selbstständigen Beweisverfahren LG Köln 3 OH 16/17, hilfsweise seit Rechtshängigkeit der vorliegenden Klageschrift,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als materiellen Schadensersatz einen Betrag i.H.v. 14.004,23 € zu zahlen, zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz

  • aus 9309,15 € seit dem 01.08.2019
  • aus weiteren 508,93 € seit dem 11.07.2018 und aus
  • weiteren 1186,15 €, ebenfalls seit dem 11.07.2018

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weitere materielle Schäden zu erstatten, die ihm infolge der streitgegenständlichen Behandlungsfehler aus dem Jahr 2017 zukünftig noch entstehen, soweit Schadensersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden,

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als vorgerichtliche Anwaltskosten einem Betrag i.H.v. 1899,24 € zu zahlen, zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Antragsschrift im selbstständigen Beweisverfahren LG Köln 3 OH 16/17, hilfsweise seit Rechtshängigkeit der vorliegenden Klageschrift,

5. hilfsweise zu 4.) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 1899,24 € freizustellen, zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Antragsschrift im selbstständigen Beweisverfahren LG Köln 3 OH 16/17, hilfsweise seit Rechtshängigkeit der vorliegenden Klageschrift.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zahnärztliche Fehlbehandlung im Zusammenhang mit Prothetik
(Symbolfoto: Lilly Mak/Shutterstock.com)

Sie behauptet, die Behandlung sei lege artis erfolgt. Sie habe die Symmetrie der Mittellinie regelmäßig kontrolliert. Darüber hinaus habe sie auch ein Foto vom Kläger aufgenommen, damit der Zahntechniker hat die Zahnform passend zur Gesichtsform habe aussuchen können. Die Oberkiefermittellinie des Klägers sei bereits vor der Behandlung nach rechts verschoben gewesen. Die fünf ersetzten Zähne seien in der von der Beklagten gefertigten Prothese in der mesio-distalen Breite harmonisch und passend zum Zahnbogen gewählt worden. Die Funktion habe eine wichtigere Rolle gespielt als die Ästhetik und es habe sich hierbei um einen Kompromiss gehandelt, welcher bei der Zahnstellung des Klägers erforderlich gewesen sei. Dies sei dem Kläger auch eingehend erläutert worden. Außerdem habe sie dem Kläger bei jeder Anprobe mit einem Handspiegel die Wachsanprobe gezeigt, um den Sitz zu kontrollieren. Der Kläger habe sich jeweils mit dem Ergebnis zufrieden gezeigt. Schmerzen und Druckstellen an der Modellgussprothese hätten zu keinem Zeitpunkt bestanden. Sofern die Teleskopkronenversorgung aus PEEK besteht, sei dies unproblematisch. Dieses Material werde bereits seit zehn Jahren benutzt, sodass es keine Neulandmethode sei. Auch sei die Verwendung dieses Materials nicht mit einem erhöhten Risiko behaftet. Sofern sich die Teleskopkronen gelöst hätten, liege dies lediglich an einer Fehlanwendung durch den Kläger. Darüber hinaus sei sie von dem Zahntechniker auch nicht darüber informiert worden, dass er das Material PEEK verwendet habe.

Die Klage wurde der Beklagten am 31.01.2020 zugestellt. Mit dem Schriftsatz vom 01.02.2020 hat die Beklagte dem Zahntechniker den Streit verkündet.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Für das Ergebnis des Sachverständigengutachtens des Herrn Dr. K. sowie für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2021 sowie auf die zwischen den Prozessvertretern gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Die. Akte 3 OH 16/17 hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in dem tenorierten Umfang begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung des zuerkannten Betrages aus §§ 280 Abs. 1, 253 Abs. 1 BGB.

I.

Die Schadensersatzverpflichtung besteht, da die Beklagte die ihr aus dem Behandlungsvertrag obliegenden Pflichten verletzt hat, nachdem die von ihr durchgeführte zahnärztliche Behandlung nicht den Regeln der Kunst entsprochen hat. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest.

1.

Der Sachverständige kommt zu dem Schluss, die von der Beklagten eingegliederte Prothese sei für den Kläger unbrauchbar. Die streitgegenständliche Prothese stelle aufgrund der Tatsache, dass die Innenteleskope aus PEEK und einem Gerüst aus einer Nichtedelmetalllegierung gefertigt seien, keine wissenschaftlich etablierte und bewährte Versorgung dar, sondern sei als Heilversuch zu werden, der in vorliegendem Fall offensichtlich fehlgeschlagen sei, da die Innenteleskope verlustig gegangen seien. Bei dem verwendeten Material handele es sich um einen modernen dentalen Werkstoff, der sich bezüglich seiner Eignung als Innenteleskop noch in der Erprobungsphase befinde. Der Verlust der Innenteleskope bei dem hier verwendeten Material sei ein Mangel und stelle ein grundsätzliches Problem bei der Verwendung dieses Materials dar. Entgegen der Empfehlung des Herstellers habe die Beklagte die Teleskope auch lediglich mit einem Glasionomerzement (KETAC) zementiert, obwohl dieser eine Befestigung mittels einer adhäsiven Verbindung empfehle. Der Sitz der Prothese sei aufgrund der verloren gegangenen Innenteile nicht stabil. Ein weiteres Problem der Verwendung von PEEK sei eine höhere Plaqueaffinität. Dies sei bei einem Patienten, der offensichtlich nicht über eine optimale Mundhygiene verfüge, zusätzlich ungünstig. Des Weiteren sei der Modellguss unter den abgeplatzten Verblendung in den Bereichen 24 und 25 und im Bereich des Sekundärteleskops 25 perforiert, wobei davon auszugehen sei, dass sich diese Perforation aufgrund der geringen Materialstärke in diesem Bereich weiter vergrößern werde, was ebenfalls mangelhaft sei.

Die vorstehend wiedergegebenen gutachterlichen Feststellungen konnte die Kammer ihrer Entscheidung uneingeschränkt zugrunde legen. Hierbei hat sie zunächst berücksichtigt, dass die fachliche Kompetenz des Sachverständigen unter keinem Gesichtspunkt in Zweifel gezogen werden kann. Der beauftragte Gutachter bezieht seine Fachkunde nicht nur aus seiner langjährigen ärztlichen und wissenschaftlichen Tätigkeit, sondern ist überdies umfassend erfahrener Gerichtsgutachter. Hinzu kommt, dass der Sachverständige das von ihm jeweils Festgestellte überzeugend und nachvollziehbar zu erläutern vermocht und alle Rückfragen in jedem einzelnen Fall verständlich und präzise beantwortet hat. Die Grundlagen seiner Erkenntnisse, insbesondere die eingesehenen vollständigen ärztlichen Behandlungsunterlagen nebst der Ergebnisse bildgebender Verfahren hat der Gutachter durchgängig kenntlich gemacht und im Einzelnen verdeutlicht, aus welchem Grund die vorhandenen Anknüpfungstatsachen jeweils zu den gefundenen Ergebnissen geführt haben. Mängel der Begutachtung sind hiernach unter keinem Aspekt erkennbar, so dass sich die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen in vollem Umfang anschließt.

2.

Zwar konnte der Sachverständige einen Behandlungsfehler durch die Beklagte persönlich nicht feststellen, da die Prothetik durch den Zahntechniker gefertigt und die Fertigung aus PEEK nicht durch die Beklagte in Auftrag gegeben worden sei. Auch sei es der Beklagten nicht vorwerfbar, dass sie nicht erkannt habe, dass die Prothetik nicht aus Zirkonoxid sondern aus PEEK bestanden habe. Dies deshalb, da es sich bei dem PEEK um ein sehr exotisches Material handele, welches nicht einmal Teil der zahnmedizinischen Ausbildung sei und ein Unterschied insbesondere nicht erkennbar sei, wenn die Prothetik frisch aus dem Labor komme und noch keine Gebrauchsspuren aufweise. Zudem sei die von dem Zahntechniker gewählte Art der Versorgung mit Innenteleskopen aus PEEK und einem Gerüst aus einer Nichtedelmetalllegierung völlig abwegig. Für den Fall, dass es sich tatsächlich um eine Zirkonprothetik gehandelt hätte, wäre diese durch die Beklagte auch korrekt zementiert worden.

Die Beklagte muss sich jedoch das – von dem Sachverständigen zweifelsfrei festgestellte-Fehlverhalten des Zahntechnikers nach § 278 BGB zurechnen lassen, da dieser bei der Erstellung des streitgegenständlichen Zahnersatzes als Erfüllungsgehilfe der Beklagten aufgetreten ist. Die Beklagte hat sich des Zahntechnikers über einen Zeitraum von 12 Jahren zur Herstellung der von ihr eingegliederten prothetischen Versorgungen bedient. Darüber hinaus stellte sie die von dem Zahntechniker als Fremdlabor abgerechneten Kosten in ihre eigene Rechnung gegenüber dem Kläger ein. Nach § 278 Abs. 1 BGB hat der Schuldner ein Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Erfüllungsgehilfe ist, wer nach den tatsächlichen Umständen mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird. (BGH NZM 2019, 547 Rn. 48). Bei einem Werkvertrag haftet der Werkunternehmer nach § 278 BGB für diejenigen Personen, die unmittelbar bei der Herstellung des Werkes mitwirken. Wenn es – wie im vorliegenden Sachverhalt – um die Herstellung zahntechnischer Arbeiten geht, ist auf die Rechtsbeziehungen des Zahnarztes zum Zahntechniker ebenfalls Werkvertragsrecht anzuwenden. (BGH, Urteil vom 9. 12. 1974 – VII ZR 182/73)

Die Tatsache, dass der Kläger mit dem Zahntechniker -zumindest lose- bekannt war und den streitgegenständlichen Zahnersatz bei dem Zahntechniker selber abgeholt hat, ist für die Eigenschaft des Zahntechnikers als Erfüllungsgehilfe der Beklagten nicht relevant. Im vorliegenden Fall war der Zahntechniker bereits seit 12 Jahren – und nicht nur etwa auf Veranlassung des Klägers – für die Beklagte tätig. Auch kam es nach Einlassung der Beklagten durchaus öfters vor, dass ihre Patienten den Zahnersatz aus Zeitgründen selber bei dem Zahntechniker abholten. Für die Erfüllungsgehilfeneigenschaft ist es sogar unschädlich, wenn der Erfüllungsgehilfe zugleich eine eigene Verpflichtung aus einem im Verhältnis zum Schuldner bestehenden Vertrag erfüllt. (BGH NJW-RR 1990, 308 (309))

3.

Weitere Behandlungsfehler vermochte der Sachverständige nicht festzustellen. Zwar bestehe bei dem Kläger eine deutliche Mittellinienverschiebung nach rechts. Ursächlich für die Mittellinienverschiebung seien jedoch die anatomischen Voraussetzungen des Patienten. Die Position der vorhandenen Zahnstümpfe gebe die Lage des linken Eckzahnes (23) und des rechten ersten Prämolaren (14) und somit einen asymmetrischen Raum zur Frontzahnaufstellung vor. Bei der streitgegenständlichen Prothese sei ein ideal ausgeformter Zahnbogen aufgestellt worden. Dies verursache die ausgeprägte Mittellinienverschiebung. Dass der Patient sich daran störe, sei nachvollziehbar. Aufgrund der Zahnverteilung sei jedoch die ästhetische Gestaltung des Frontzahnbereichs in Bezug zur Gesichtsmitte schwierig und kompromissbehaftet.

II.

1.

Bei der konkreten Bemessung des der Klägerin zuzusprechenden Schmerzensgeldes hat die Kammer einen Betrag von 1.000 € als zum Ausgleich der bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erlittenen Beeinträchtigungen notwendig, aber auch angemessen und ausreichend erachtet. Der Sachverständige – dem die Kammer auch insoweit folgt- hat ausgeführt, dass die Prothetik aufgrund der mangelhaften Herstellung der selbigen neu angefertigt werden müsse. Außerdem seien die nicht mehr durch die Kronen bedeckten Zahnstümpfe 24 und 25 extrem kälteempfindlich. Diese Schmerzen seien als Folge des Innenteleskopverlustes, mithin bedingt durch die fehlerhafte Zementierung, anzusehen. Weitere Folgen konnte das Gericht für die Schmerzensgeldbemessung indes nicht heranziehen. Der Sachverständige hat dargelegt, dass die Schmerzen an den anderen Zähnen aufgrund der Entzündungen im Bereich der die Kronen umgebenden Schleimhaut der nicht ausreichenden Mundhygiene des Klägers geschuldet und nicht Folge eines Behandlungsfehlers seien. Druckstellen seien zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht vorhanden gewesen, somit seien auch keine diesbezüglichen Beschwerden oder Schmerzen nachweisbar.

2.

Dem Kläger sind außerdem Nachbehandlerkosten in Höhe von 2113,08 € zu erstatten. Der Sachverständige kommt zu dem Schluss, dass dem Kläger die Kosten, die auch bei der Beklagten angefallen sind, behandlungsfehlerhaft entstanden seien. Von der Rechnung der Beklagten (Bl. 12 d.A. 3 OH 16/17) sind zunächst die Kosten des Fremdlabors in Höhe von 1.711,26 € in Abzug zu bringen, da diese dem Kläger bereits von der Beklagten erstattet wurden. Von dem verbliebenen Betrag ist sodann der Festzuschuss prozentual im Verhältnis zu der Ursprungsrechnung mit 65% des ursprünglich gezahlten Festzuschusses in Abzug zu bringen, so dass ein Betrag von 2.113,08 € verbleibt. Darüber hinaus sind die Nachbehandlerkosten des Nachbehandlers Dr. B. über 508,93 € gemäß Rechnung vom 14.05.2018 (Bl. 82 der Gerichtsakte) zu erstatten, da diese Kosten nach Angaben des Sachverständigen aufgewendet wurden, um den Kläger wegen der defekten Prothese provisorisch versorgt zu versorgen. Weitere Beträge sind indes nicht zuzurechnen. Die weiteren Rechnungen wie Bl. 43, 44 und 66 d.A. stehen nach Ausführungen des Sachverständigen nicht in Zusammenhang mit einem Behandlungsfehler der Beklagten, da diese sich über Kosten einer Implantatinsertion durch den Nachbehandler verhalten, die alleine auf dem grunderkrankungsbedingten Verlust weiterer Zähne beruhen.

3.

Daneben war die begehrte Feststellung der Ersatzpflicht sämtlicher durch die fehlerhafte zahnärztliche Behandlung entstandener Schäden auszusprechen. Dass nämlich die diesbezügliche Schadensentwicklung vollständig abgeschlossen ist, steht nicht sicher fest. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers folgt aus dem Umstand, dass die Verjährung der dem Kläger zustehenden Schadensersatzansprüche droht.

4.

Nicht zuzusprechen waren jedoch die von der Klägerseite begehrten Zinsen für die Aufnahme eines Privatdarlehens bei der Schwiegermutter des Klägers. Der Kläger hat bereits nicht substantiiert dargelegt, dass er das Darlehen aus wirtschaftlichen Gründen überhaupt aufnehmen musste.

5.

Der Kläger hat außerdem einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, allerdings nur aus einem Streitwert von bis 4.000,00 € mit einer Geschäftsgebühr von 2.0, mithin in Höhe von 685,44 €.

6.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 291 BGB. Ein früherer Zinsbeginn ist nicht ersichtlich, da die Beklagte erstmals mit Schreiben des jetzigen Prozessvertreters des Klägers vom 15.11.2019 unter Fristsetzung bis zum 02.12.2019 zur Zahlung aufgefordert wurde. Hinsichtlich des Schmerzensgeldes hat der Beklagte ausdrücklich Zahlung ab Rechtshängigkeit beantragt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf 92 Abs. 1 S. 1 ZPO die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf 709 ZPO.

IV.

Der Streitwert wird auf 22.004,23 festgesetzt.

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