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Abgrenzung zwischen Befunderhebungsfehler und Diagnoseirrtum

Diagnose oder Befund: Wo liegt der Unterschied?

Das Oberlandesgericht Dresden hat in seinem Urteil die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, da sie den Nachweis eines Behandlungsfehlers nicht erbringen konnte. Das Gericht stützt sich dabei auf ein fachärztliches Gutachten, welches keinen Behandlungsfehler seitens der beklagten Partei feststellen konnte. Der Unterschied zwischen Befunderhebungsfehler und Diagnoseirrtum wurde klar definiert, wobei in diesem Fall keiner der beiden Fehler vorlag.

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Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Zurückweisung der Berufung: Das Gericht hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Zwickau abgelehnt.
  2. Kein Nachweis eines Behandlungsfehlers: Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass ein Behandlungsfehler vorlag.
  3. Stützung auf fachärztliches Gutachten: Das Urteil basiert auf einem Sachverständigengutachten, das keinen Behandlungsfehler feststellt.
  4. Definition von Befunderhebungsfehler und Diagnoseirrtum: Ein klarer Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen wird im Urteil herausgestellt.
  5. Kein Befunderhebungsfehler identifiziert: Es wurde festgestellt, dass keine medizinisch gebotenen Befunde unterlassen wurden.
  6. Verneinung eines Diagnoseirrtums: Die erhobenen Befunde wurden nicht falsch interpretiert, daher lag kein Diagnoseirrtum vor.
  7. Kosten des Verfahrens: Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
  8. Keine Zulassung der Revision: Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und eine Revision wurde nicht zugelassen.

Zwischen Fehldiagnose und Behandlungsversäumnis

Im medizinischen Haftungsrecht sind zwei zentrale Begriffe von besonderer Bedeutung: der Befunderhebungsfehler und der Diagnoseirrtum. Diese Konzepte spielen eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung von ärztlichen Behandlungsfehlern und den daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen. Sie bilden den Kern der Debatte darüber, wann ein Arzt oder eine medizinische Einrichtung haftbar gemacht werden kann, falls eine Diagnose oder Behandlung zu unerwünschten Ergebnissen führt.

In einem konkreten Urteil stellt sich oft die Frage, inwiefern die handelnde medizinische Fachkraft die korrekten diagnostischen Schritte unternommen hat oder ob eine fehlerhafte Diagnose gestellt wurde, die den Patienten möglicherweise geschädigt hat. Die Klärung dieser Fragen ist nicht nur für die Klägerin oder den Kläger von Bedeutung, sondern auch für das gesamte medizinrechtliche Verständnis von Verantwortlichkeit und Sorgfaltspflicht. Im Mittelpunkt steht dabei häufig das Thema Schmerzensgeld, welches eine wesentliche Rolle in vielen medizinrechtlichen Auseinandersetzungen spielt. Wie ein aktuelles Berufungsverfahren illustriert, sind die Grenzen zwischen einem Befunderhebungsfehler und einem Diagnoseirrtum oft fließend und bedürfen einer detaillierten juristischen Bewertung. Tauchen Sie ein in die Details dieses spannenden Falls, um zu erfahren, wie das Gericht in einer spezifischen Situation zwischen diesen beiden grundlegenden medizinrechtlichen Konzepten differenziert.

Der Streit um die richtige Diagnose: Ein Fall vor dem OLG Dresden

Im Kern des vorliegenden Falles steht die Klage einer Witwe, die als Miterbin ihres verstorbenen Ehemannes Schmerzensgeld und weitere Ansprüche gegen ein Krankenhaus geltend macht. Sie behauptet, ihr Mann sei aufgrund eines Behandlungsfehlers im Krankenhaus gestorben. Das Landgericht Zwickau wies ihre Klage ab, woraufhin die Klägerin Berufung einlegte. Das Oberlandesgericht Dresden musste nun prüfen, ob tatsächlich ein Behandlungsfehler vorlag. Besonders im Fokus standen dabei die Begriffe Befunderhebungsfehler und Diagnoseirrtum.

Die Argumentation der Klägerin und die gerichtliche Beurteilung

Die Klägerin argumentierte, dass das Krankenhaus eine Abstoßungsreaktion der transplantierten Niere ihres Mannes übersehen hätte. Sie stützte ihre Vorwürfe auf vermeintliche Unstimmigkeiten in einem fachärztlichen Gutachten. Das OLG Dresden beurteilte die Angelegenheit jedoch anders. Der Sachverständige konnte überzeugend darlegen, dass weder ein Befunderhebungsfehler noch ein Diagnoseirrtum vorlag. Entscheidend war hierbei, dass alle medizinisch gebotenen Untersuchungen durchgeführt wurden und keine Fehlinterpretation der Befunde stattfand. Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass eine andere Behandlung zu einem besseren Ergebnis geführt hätte.

Unterschiedliche Perspektiven: Sachverständigengutachten und Klägeransicht

Die Argumentation der Klägerin basierte größtenteils auf der Wiederholung ihrer erstinstanzlichen Behauptungen. Das Gericht betonte jedoch die Notwendigkeit konkreter Belege oder fachlicher Stellungnahmen, um die erstinstanzlichen Feststellungen anzufechten. Der Sachverständige wiederum erklärte detailliert, warum bestimmte Untersuchungen durchgeführt oder unterlassen wurden. Er wies darauf hin, dass eine frühere Diagnose der Pneumonie oder ein früherer Beginn der antibiotischen Therapie die bakterielle Superinfektion und die daraus resultierenden Komplikationen nicht verhindert hätten.

Die Entscheidung des OLG Dresden und ihre Begründung

Schließlich wies das OLG Dresden die Berufung der Klägerin zurück. Das Gericht folgte den Ausführungen des Sachverständigen, dass kein Behandlungsfehler seitens des Krankenhauses vorlag. Die Entscheidung beruhte auf der Erkenntnis, dass alle notwendigen medizinischen Schritte unternommen wurden und keine Fehlinterpretationen der Befunde stattfanden. Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin weder den Beweis eines Behandlungsfehlers erbringen konnte noch dass das Krankenhaus die Gesundheit des Patienten fahrlässig gefährdet hätte.

In diesem Urteil spiegelt sich die Komplexität medizinrechtlicher Fälle wider, insbesondere wenn es um die Abgrenzung zwischen Befunderhebungsfehler und Diagnoseirrtum geht.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was versteht man unter einem Befunderhebungsfehler?

Ein Befunderhebungsfehler tritt auf, wenn ein Arzt die medizinisch gebotenen Befunde nicht, nur unzureichend oder verspätet erhebt. Dies kann beispielsweise geschehen, wenn der Arzt aufgrund von unzureichenden Untersuchungen vorschnell zu einer Diagnose gelangt und er die Notwendigkeit der weiteren Befunderhebung verkennt. Ein Befunderhebungsfehler ist von einem Diagnosefehler und von einer unterlassenen therapeutischen Aufklärung abzugrenzen. Bei einem Diagnosefehler deutet der behandelnde Arzt einen bereits erhobenen Befund nicht richtig oder übersieht ihn einfach. Bei einer unterlassenen therapeutischen Aufklärung versäumt er es, den Patienten auf die jeweiligen Therapiemöglichkeiten hinzuweisen.

Ein Befunderhebungsfehler kann schwerwiegende Folgen haben, da er eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Patienten und gravierende gesundheitliche Schäden zur Folge haben kann. Im Gegensatz zu einem Diagnosefehler führt bereits ein einfacher Befunderhebungsfehler zu einer Beweislastumkehr. Das bedeutet, dass der Arzt beweisen muss, dass der Schaden beim Patienten ohnehin eingetreten wäre, auch wenn der Arzt den Patienten richtig behandelt hätte.

Es wird zwischen einfachen und qualifizierten Fehlern unterschieden, die jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen können. Nicht jede unterlassene Befunderhebung muss ein grober Behandlungsfehler und damit ein qualifizierter Fehler sein. Die Rechtsprechung geht von einem groben Behandlungsfehler aus, wenn es der Arzt unterlässt, Befunde, die zweifelsfrei geboten sind, zu erheben. Bei einem einfachen Befunderhebungsfehler obliegt die Beweislast normalerweise dem Patienten. Aber auch hier kann es zugunsten des Patienten zu einer Beweislastumkehr kommen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Wie wird ein Diagnoseirrtum juristisch definiert?

Ein Diagnoseirrtum im juristischen Sinne liegt vor, wenn ein Arzt die ihm vorliegenden Befunde falsch interpretiert und infolgedessen nicht die aus berufsfachlicher Sicht seines Fachbereichs gebotenen diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen ergreift. Dies bedeutet, dass der Arzt aufgrund seiner Fehlinterpretation möglicherweise notwendige Untersuchungen oder Behandlungen nicht durchführt, was zu einer unzureichenden oder falschen Behandlung des Patienten führen kann.

Juristisch wird ein Diagnoseirrtum von einem Befunderhebungsfehler abgegrenzt. Während der Befunderhebungsfehler das Unterlassen oder die unzureichende Erhebung medizinisch gebotener Befunde umfasst, bezieht sich der Diagnoseirrtum auf die fehlerhafte Auswertung bereits erhobener Befunde. Ein Diagnoseirrtum wird nicht immer als Behandlungsfehler gewertet, insbesondere wenn er auf einer vertretbaren Befunddeutung beruht. Allerdings kann ein Diagnoseirrtum, der auf einer klar vorwerfbaren Verletzung einer ärztlichen Sorgfaltspflicht basiert, als Kunstfehler eingestuft werden.

Die juristische Bewertung eines Diagnoseirrtums hängt von der Frage ab, ob der Arzt bei der Interpretation der Befunde die erforderliche Sorgfalt walten ließ. Ein objektiv auf eine Fehlinterpretation der Befunde zurückzuführender Diagnoseirrtum kann nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler angesehen werden. Im Falle einer falschen Diagnose, die zu einem Behandlungsfehler führt, können Patienten rechtliche Schritte einleiten, um mögliche Schadensersatzansprüche geltend zu machen.


Das vorliegende Urteil

OLG Dresden – Az.: 4 U 675/23 – Urteil vom 07.11.2023

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 08.02.2023 – 1 O 553/19 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

III. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 194.859,16 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin ist Miterbin ihres am 21.2.2018 im Alter von 55 Jahren verstorbenen Ehemannes (im folgenden Patient). Sie begehrt aus ererbtem Recht Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden und macht aus eigenem Recht Ansprüche auf Hinterbliebenenschmerzensgeld, Erwerbsschadensersatz sowie die Feststellung der Einstandspflicht für materielle und immaterielle Zukunftsschäden geltend wegen einer behaupteten fehlerhaften Behandlung des Patienten im Hause der Beklagten im Zeitraum vom 25.01. bis zum 02.02.2017. Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die auf Behandlungs- und Aufklärungsfehler gestützte Klage nach Einholung eines fachärztlichen Gutachtens abgewiesen. Zur Begründung ihrer auf Behandlungsfehlervorwürfe beschränkten Berufung rügt die Klägerin, die sachverständige Begutachtung sei widersprüchlich und unklar.

Sie beantragt, unter Abänderung des am 8.2.2023 verkündeten Urteils des Landgerichts Zwickau, 1 O 553/19,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft hinter dem am 21.02.2018 verstorbenen ……, bestehend aus der Klägerin und Frau ……, ……, ein angemessenes Schmerzensgeld nicht unter 150.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld (Hinterbliebenengeld) in Höhe von mindestens 20.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft hinter dem am 21.02.2018 verstorbenen ……, bestehend aus der Klägerin und Frau ……, ……, zum Ausgleich des Haushaltsführungsschadens für den Zeitraum vom 01.03.2017 bis 21.02.2018 einen Betrag in Höhe von 10.200,00 € nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zum Ausgleich ihres Erwerbsschadens für den Zeitraum vom 01.03.2017 bis 21.02.2018 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.764,31 € nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Erbengemeinschaft hinter dem am 21.02.2018 verstorbenen ……, bestehend aus der Klägerin und Frau ……, ……, sämtliche materielle und immaterielle Zukunftsschäden ab Rechtshängigkeit zu ersetzen, die ihnen aus der fehlerhaften Behandlung des Erblassers, Herrn ……, in der Zeit vom 25.01.2017 bis 02.02.2017 durch die Beklagte resultieren, sofern diese nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

4. werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.425,30 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Klägerin stehen die aus eigenem und ererbtem Recht geltend gemachten Ansprüche auf Schmerzensgeld, Schadenersatz und Feststellung der Einstandspflicht gemäß §§ 630 a ff., 823 Abs. 1, 280, 253 BGB nicht zu.

1.

Das Landgericht ist unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H…… zu Recht und mit zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin der Nachweis eines behandlungsfehlerhaften Vorgehens bei der streitgegenständlichen Behandlung ihres Ehemannes im Hause der Beklagten nicht gelungen ist.

Ausgehend von der sachverständigen Einschätzung des Behandlungsverlaufs hat das Landgericht zu Recht keinen Behandlungsfehler gesehen. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Feststellungen unvollständig oder unrichtig sind. Dies ist aber nicht der Fall. Die bloße Behauptung eines Behandlungsfehlers entgegen den erstinstanzlichen Feststellungen auf der Grundlage eines nachvollziehbaren und gut begründeten Sachverständigengutachtens genügt nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 11.12.2020 – 4 U 1885/20 – juris; vgl. Senat, Beschluss vom 07.08.2020 – 4 U 1285/20 – juris). Zwar ist eine Partei grundsätzlich nicht verpflichtet, bereits in erster Instanz ihre Einwendungen gegen ein Gerichtsgutachten auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf sachverständigen Rat zu stützen oder selbst oder durch Dritte in medizinischen Bibliotheken Recherchen anzustellen, um Einwendungen gegen ein medizinisches Sachverständigengutachten zu formulieren (vgl. Senat, Beschluss vom 11.12.2020 – 4 U 1885/20 – juris). Anders ist es hingegen in der Berufungsinstanz. Würde man auch hier einem Patienten gestatten, ohne nähere Angaben seine eigene Meinung zu medizinischen Kausalzusammenhängen derjenigen eines gerichtlichen Sachverständigen entgegenzustellen, liefe dies auf eine Umgehung der in § 529 ZPO geregelten grundsätzlichen Bindungen an das erstinstanzliche Ergebnis einer Beweisaufnahme hinaus (so Senat, a.a.O.; vgl. Senat, Beschluss vom 07.08.2020 – 4 U 1285/20 – juris). Weil der Patient in Arzthaftungssachen regelmäßig über keine medizinische Sachkunde verfügt, kann er konkrete Anhaltspunkte, die in medizinischer Hinsicht Zweifel an der erstinstanzlichen Beweiswürdigung wecken sollen, nur dadurch vortragen, dass er ein Privatgutachten vorlegt, zumindest aber selbst auf medizinische Fundstellen oder Leitlinien zurückgreift, die für seine Behauptung streiten (vgl. Senat, a.a.O.). Entspricht der Vortrag diesen Anforderungen nicht und fehlt es auch im Übrigen an Anhaltspunkten dafür, dass das Gutachten in sich widersprüchlich oder der Sachverständige erkennbar nicht sachkundig ist, kommt eine Wiederholung der Beweisaufnahme nicht in Betracht (vgl. Senat, Beschluss vom 11.12.2020 – 4 U 1885/20; Senat, Beschluss vom 07.08.2020 – 4 U 1285/20 – juris). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin sich im Wesentlichen auf eine Wiederholung ihrer erstinstanzlichen medizinischen Behauptungen beschränkt. Ihrem Vortrag lassen sich auch keine zureichenden Anhaltspunkte für Widersprüchlichkeiten oder Lücken des Sachverständigengutachtens entnehmen. Dies genügt nicht.

2.

Der Sachverständige hat – bezogen auf die Behauptung, die Beklagte habe am 25.01.2017 eine Abstoßungsreaktion der transplantierten Niere nicht erkannt – einen Diagnose- aber auch einen Befunderhebungsfehler zu Beginn der stationären Behandlung überzeugend verneint.

Ein Befunderhebungsfehler ist gegeben, wenn die Erhebung medizinisch gebotener Befunde unterlassen wird. Im Unterschied dazu liegt ein Diagnoseirrtum vor, wenn der Arzt erhobene oder sonst vorliegende Befunde falsch interpretiert und deshalb nicht die aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs gebotenen therapeutischen oder diagnostischen Maßnahmen ergreift (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2016, Az.: VI ZR 146/14 – juris – m.w.N.; Senat, Urteil vom 14. September 2021, Az.: 4 U 1771/20 – juris). Ein Diagnoseirrtum setzt aber voraus, dass der Arzt die medizinisch notwendigen Befunde überhaupt erhoben hat, um sich eine ausreichende Basis für die Einordnung der Krankheitssymptome zu verschaffen. Hat dagegen die unrichtige diagnostische Einstufung einer Erkrankung ihren Grund bereits darin, dass der Arzt die nach dem medizinischen Standard gebotenen Untersuchungen erst gar nicht veranlasst hat, ist er mithin aufgrund unzureichender Untersuchungen vorschnell zu einer Diagnose gelangt, ohne diese durch die medizinisch gebotenen Befunderhebungen abzuklären, dann ist dem Arzt ein Befunderhebungsfehler vorzuwerfen. Denn bei einer solchen Sachlage geht es im Kern nicht um die Fehlinterpretation von Befunden, sondern um deren Nichterhebung (vgl. BGH, a.a.O.; Senat, a.a.O. und Beschluss vom 21. Juni 2022 – 4 U 2466/21 –, Rn. 24, juris).

a) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Beklagten ein Diagnosefehler wegen Verkennung einer Abstoßungsreaktion der transplantierten Niere bei Aufnahme des Patienten am 25.01.2017 nicht anzulasten, vielmehr waren die gestellten Diagnosen einer Exsikkose und eines grippalen Infekts vertretbar und zutreffend. Den gutachterlichen Ausführungen zufolge lagen keine Hinweise auf eine Abstoßungsreaktion vor, denn der Patient habe weder Fieber noch eine zusätzliche klinische Symptomatik wie Schmerzen oder Schwellungen im Bereich des Implantates aufgewiesen. Zudem sei der nur leicht erhöhte Kreatininwert nach Flüssigkeitssubstitution wieder zurückgegangen. Auf eine Exsikkose hätten auch die anamnestischen Angaben (“zu wenig getrunken“) und das Symptom „trockene Haut“ hingewiesen (vgl. S. 15,16 des Gutachtens, mündliche Anhörung Bl. 134 GA).

b) Der Sachverständige hat auch mit überzeugenden Erwägungen einen Befunderhebungsfehler bei Aufnahme am 25.01.2017 verneint. Auf der Grundlage der Verdachtsdiagnose Exsikkose und des bereits anfänglich angegebenen grippalen Infekts seien die hiernach gebotenen Untersuchungen und Befunde – auch im weiteren Verlauf bis zum 27.01.2017 – wie Sonografie, Röntgen Thorax, Echokardiografie, Kontrolllaborchemie und Sammelurin erhoben worden, hätten aber nichts ergeben, was in Bezug auf die Nierenproblematik ein anderes Behandlungsregime erfordert hätte. Der Sachverständige hat nochmals bekräftigt, dass dieses Vorgehen bei stabilen Vitalparametern und nur minimal erhöhten Infektparametern – zumindest unter der anfänglichen Klinik – eine vollständige und adäquate Infektabklärung dargestellt hat. Eine Nierenbiopsie und die Bestimmung des Tacrolimusspiegels seien zu diesem Zeitpunkt nicht indiziert gewesen. Welche weiteren Untersuchungen angesichts der bestehenden Symptomatik bis zum 27.01.2017 hätten durchgeführt werden müssen, zeigt die Klägerin in der Berufungsbegründung nicht auf.

3.

Der Sachverständige hat allerdings angenommen, dass eine Hinterfragung der Hauptdiagnose einer Exsikkose ab der Entwicklung einer Dyspnoe und des „im Sitzen Schlafens“ am 28.01.2017 sinnvoll gewesen wäre. Die Beklagte habe zwar die wegen der Exsikkose bis zu diesem Zeitpunkt angezeigte Volumensubstitution beendet und die in dieser Situation gebotenen Untersuchungen zum Ausschluss einer Endokarditis oder einer anderen kardialen Genese der Beschwerden durchgeführt. Bei einem Verlauf mit progredienter Symptomatik wäre nach Ansicht des Sachverständigen jedoch eine Reevaluation der Diagnose prinzipiell sinnvoll gewesen, die zum einen eine Verlaufsdiagnostik in Form einer Bildgebung der Lunge (Röntgenthorax oder CT Thorax) und zum anderen eine Influenza-Diagnostik umfasst hätte, für die wegen der Immunsuppression des aus diesem Grund besonders gefährdeten Patienten eine Indikation bestanden habe.

a) Hinsichtlich einer Verlaufsröntgenkontrolle hat er aber einen Befunderhebungsfehler mit dem Hinweis darauf verneint, dass diese allenfalls dann erfolge, wenn es sich um schwerkranke Patienten handele, die sich bereits auf der Intensivstation befänden. Dort sei es durchaus sinnvoll, sich fortlaufend über den Zustand der Lunge zu vergewissern. Hiervon könne aber im Hinblick auf den zunächst stabilen Zustand des Patienten nicht ausgegangen werden. Bei ihm habe eine – grundsätzlich zunächst beherrschbare – virale Infektion der oberen Luftwege vorgelegen, was durch die bis zum 30.01.2017 nicht relevant erhöhten Entzündungsparameter belegt werde. Eine Indikation für eine weitere pulmonale Bildgebung sei auch nicht allein im Hinblick darauf gegeben, dass bei dem Patienten möglicherweise im Verlauf eine bakterielle Infektion auftreten könne. Erst die am 02.02.2017 entgleisten Werte infolge einer bakteriellen Superinfektion, die sich als zweite Erkrankung auf die sich entwickelnde Lungenentzündung aufgelagert habe, hätten eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich werden lassen. Hierauf habe die Beklagte aber adäquat reagiert. Bis zum tatsächlichen Auftreten und Erkennen dieser bakteriellen Infektion seien keine Versäumnisse in der Befunderhebung festzustellen.

b) Einen der Beklagten anzulastenden Befunderhebungsfehler hat der Sachverständigen auch im Hinblick auf die nicht erfolgte Influenza-Diagnostik verneint, da ein PCR- oder anderer Schnelltest zur Erregerbestimmung nicht standardmäßig durchgeführt werde. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei es zur Abklärung der bestehenden Beschwerden des Patienten gerade nicht geboten gewesen, in Bezug auf die pulmonale Infektionen einen speziellen Erreger festzustellen, dies sei vielmehr vor der Corona-Pandemie und auch jetzt noch unüblich gewesen und keinesfalls beanstandungswürdig.

c) Diese sachverständigen Einschätzungen stehen der Annahme eines groben Befunderhebungsfehlers wegen unterlassener Bildgebung der Lunge oder fehlender Infekt-Erregerbestimmung entgegen. Die danach beweisbelastete Klägerin konnte auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, die der Senat in ständiger Rechtsprechung bei einer Wahrscheinlichkeit über 50 % annimmt, beweisen, dass eine frühere Bildgebung oder ein bei Aufnahme durchgeführter Schnelltest einen reaktionspflichtigen Befund ergeben hätte, mit der Folge, dass ein anderes Behandlungsregime erforderlich gewesen wäre.

aa) Zwar hat der Sachverständige in seinem Gutachten dargelegt, dass Zeichen einer Pneumonie in einem Verlaufsröntgenbild wahrscheinlich bereits frühzeitiger erkennbar gewesen wären. Es sei auch richtig, dass bei einer früheren Diagnose der doppelseitigen Pneumonie eine frühere antibiotische Behandlung erfolgt wäre, wobei prinzipiell gelte, dass je früher eine antibiotische Therapie eingeleitet werde, desto besser das Outcome sei. Dennoch wäre mit einer solchen Behandlung die Superinfektion mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht verhindert worden, da immunsupprimierte Patienten generell häufiger einen gravierenderen Verlauf sowohl unter einer viralen als auch unter einer bakteriellen Infektion hätten. In Anbetracht der rapiden Progredienz der Infektion hätte die Inkubationspflichtigkeit auch bei einem früheren Beginn der antibiotischen Therapie nicht verhindert werden können, denn die mangelnde Oxygenierung sei maßgeblich durch die virale Pneumonie bedingt gewesen, auf die eine antibiotische Therapie keinen Einfluss gehabt hätte. Die aufgetretene bakterielle Infektion oder die Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Behandlung hätten daher nicht vorhergesehen und verhindert werden können, da es sich wegen der rasanten Entwicklung der bakteriellen Infektion um ein sehr enges Zeitfenster nach Auftreten bis zur Entwicklung einer Sepsis gehandelt habe.

bb) Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass selbst wenn ein Schnelltest Erreger der Influenza Typ A bei dem Patienten offenbart hätte, dies keine therapeutischen Konsequenzen gehabt hätte und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich um einen Patienten gehandelt habe, dessen Immunsystem supprimiert gewesen sei. Es wären keine weiteren Behandlungsmaßnahmen geboten gewesen, da der Verlauf einer Influenza durch eine medikamentöse antivirale Therapie mit z.B. Tamiflue nur relevant beeinflusst werden könne, wenn die Therapie innerhalb von 48 Stunden nach Symptombeginn eingeleitet werde. Dieser Zeitraum sei aber angesichts der bei Aufnahme am 25.01.2017 seit 14 Tagen vorbestehenden Symptomatik mit Husten verstrichen gewesen. Zudem habe die Beklagte den Infekt mit therapeutischen Maßnahmen wie Inhalationen, Einreibungen und Schleimlösern standardgerecht angegangen, so dass weitere Maßnahmen nicht geboten gewesen seien. Zwar hat der Sachverständige zugleich darauf hingewiesen wird, bei Immunsupprimierten bestehe die Indikation zu einer antiviralen Therapie zu jedem Zeitpunkt, da bei dieser Patientengruppe ein erhöhtes Risiko vorliege, an einer Influenza zu versterben. Er hat aber nochmals betont, dass der Verlauf der Influenza hier auch durch eine antivirale Therapie nicht mehr beeinflusst hätte werden können. Ursache für das entgleiste Behandlungsgeschehen sei letztendlich gewesen, dass sich die bakterielle Superinfektion auf die virale Infektion aufgelagert habe. Dies sei einhergegangen mit einer drastischen Vermehrung der Erreger nebst Ausschüttung der entsprechenden Toxine und habe zu der dramatischen Verschlechterung des Zustandes des Patienten geführt. Die Kausalkette Influenza – bakterielle Pneumonie – Sepsis hätte auch bei sofortigem Therapiebeginn mit Aufnahme des Patienten nicht mehr unterbrochen werden können. Vor dem Hintergrund der sachverständigen Ausführungen ist der Klägerin weder der Beweis gelungen, dass bei einer Befunderhebung eine Reaktion hierauf in Form einer antiviralen Therapie geboten gewesen wäre, noch dass hierauf der Eintritt der schweren Folgen hätte verhindert werden können.

4.

Einen Befunderhebungsfehler wegen unterlassener Bestimmung der Herzenzyme hat der Sachverständige wegen einer fehlenden Herzproblematik als Ursache der Entgleisung am 2.2.2017 verneint. Auch bei einer Bestimmung der Herzenzyme hätte man hieraus keine Hinweise auf die sich entwickelnde Superinfektion entnehmen können. Gleiches gilt für einen Befunderhebungsfehler wegen einer nicht erfolgten engmaschigen Kontrolle der Entzündungsparameter. Die im Rahmen der Eingangsuntersuchung ermittelten Entzündungsparameter seien lediglich diskret erhöht gewesen, dies habe sich problemlos mit der Virusinfektion erklären lassen. Eine maßgebliche Erhöhung habe erst nach dem Entgleisen der Vitalparameter am 02.02.2017 im Zusammenhang mit der Lungenentzündung und der bakteriellen Superinfektion stattgefunden.

6.

Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich eine fortschreitende Nierenabstoßung auch nicht aus dem in den laborchemischen Blutkontrollen erkennbaren Anstieg der Kreatininwerte im Zeitraum vom 30.01. bis zum 02.02.2017 ableiten. Der Sachverständige hat diesen Anstieg vielmehr nachvollziehbar auf die erst am 01./02.02.2017 auch in der progredienten Symptomatik manifeste bakterielle Superinfektion zurückgeführt, die zu einer Sepsis geführt habe, in deren Folge letztlich die Nierenschädigung eingetreten sei. Im Gegensatz zu früheren Ergebnissen der Blutkontrollen sei es zu einer maßgeblichen Erhöhung in Form eines „Entgleisens der Werte“ erst am 02.02.2017 gekommen. Hierauf habe die Beklagte aber angemessen reagiert und den Patienten letztlich in eine andere Klinik verlegt, die die Betreuung umfassend habe gewährleisten können.

7.

a) Die Klägerin hat auch ihre Behauptung nicht bewiesen, dass am 27.1.2017 eine Medikamentengabe fehlerhaft unterblieben ist. In der Behandlungsunterlagen der Beklagten findet sich vielmehr ein Medikamentenplan, in dem sowohl die (Dauer-) Medikation als auch einmalige Medikationen dokumentiert sind. Aus diesem ist zu entnehmen, dass die Dauermedikation gegenüber den Vortagen nicht verändert wurde. Zusätzlich wurde in der Behandlungsdokumentation die ambulante Medikation sowie die tägliche stationäre Medikation aufgeführt. Der Sachverständige hat die Medikation unter Bezugnahme auf die Behandlungsunterlagen auch unbeanstandet gelassen.

b) Zu dem Vorhalt der Klägerin, am 26.01. sei das Medikament Amlodipin (Blutdrucksenker) geändert worden, hat der Sachverständige ausgeführt, dass eine mögliche Änderung keine Bedeutung habe, da sie nichts mit der Infektion zu tun habe und es in diesem Zusammenhang auch nicht auf eine Rücksprache mit der Charité ankomme. Wenn der Patient infolge Flüssigkeitsmangel akut einen niedrigen Blutdruck habe, sei es nicht sinnvoll, den Blutdruck weiter abzusenken, so dass man die Dosierung zulässigerweise zurückfahre. Zudem sei wegen der bestehenden Erkrankungen des Patienten die vorliegend bloß kurzfristige Veränderung der Blutdruckmedikamente im Hinblick auf die Akut-Situation und im Gesamtgeschehen irrelevant. Sodann sei seitens der behandelnden Ärzte kurzfristig Rücksprache gehalten worden (vgl. auch ärztlicher Eintrag zur Rücksprache mit Charite am 27.1.: “Amlodipin 5 1-0-1 sinnvoll“), so dass das Behandlungsregime insgesamt nicht zu beanstanden sei.

b) Soweit die Klägerin bestreiten will, dass das Medikament Prograf bzw. Tacrolimus (Immunsuppressor) ordnungsgemäß verabreicht wurde, reicht ihr Vorbringen im Hinblick auf die ihr obliegende Beweislast für ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen nicht aus. Sie kann sich auch nicht auf eine unklare bzw. zu ihren Gunsten streitende Dokumentation berufen, da der Sachverständige eine verordnungsentsprechende Medikamentengabe jeweils in den täglichen Kurvenblätter ausreichend dokumentiert gefunden hat; gleiches gilt für die dokumentierten Rücksprachen der behandelnden Ärzte mit der Charité. Er hat hierzu ausgeführt, dass laut den Aufzeichnungen in den verschiedenen als maßgeblich bewerteten Kurvenblättern keine Dosisanpassung von Tacrolimus bei der Beklagten vorgenommen worden sei und im Übrigen auch eine diesbezügliche Rücksprache stattgefunden habe. Soweit am 01.02. ein Zurückfahren der Immunsuppression stattgefunden habe, sei dies in der akuten Behandlungssituation als richtig zu bewerten. Unabhängig davon hätte auch eine kurzfristige Änderung in der Dosierung der Immunsuppressiven Medikamente allenfalls marginale Auswirkungen haben können.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 3 ZPO.

 

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