OLG Dresden – Az.: 4 U 262/19 – Beschluss vom 09.04.2019
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16.04.2019 wird aufgehoben.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Das Landgericht hat die allein auf behauptete Aufklärungsversäumnisse gestützte Klage abgewiesen, da es von einer hypothetischen Einwilligung der Klägerin in die vom Beklagten durchgeführte Darmspiegelung ausgegangen ist und sich im Ergebnis nicht von dem Vorliegen eines echten Entscheidungskonfliktes überzeugt gesehen hat. Dies ist entgegen der Ansicht der Berufung nicht zu beanstanden.
Die Klägerin hat einen Entscheidungskonflikt für den Fall einer – vom Landgericht in Zweifel gezogenen und somit für die Berufung als unterblieben unterstellten – ordnungsgemäßen Aufklärung des Beklagten in die von ihm durchgeführte Koloskopie nicht hinreichend plausibel gemacht. Für den Einwand, der Patient würde auch im hypothetischen Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt haben, ist der behandelnde Arzt darlegungs- und beweispflichtig. An diesen Beweis sind besonders hohe Anforderungen zu stellen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 30. September 2014 – VI ZR 443/13 –, m.w.N., juris). Eine solche hypothetische Einwilligung kommt bereits dann nicht in Betracht, wenn der Patient plausible Gründe dafür darlegen kann, dass er sich in seiner persönlichen Situation aus damaliger Sicht in einem echten Entscheidungskonflikt befunden hätte. Dabei reicht es aus, wenn der Patient plausibel darstellen kann, er hätte sich die Sache noch mal überlegt, mit einem anderen Arzt oder mit Verwandten gesprochen oder auch eine andere Klinik aufgesucht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 03. September 2013 – I-26 U 85/12 –, Rn. 26 – 27, juris). Auch wenn damit an die Darlegung des Entscheidungskonfliktes keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen, bedeutet dies aber nicht, dass einer Darstellung des Patienten ohne weiteres zu folgen und damit im Ergebnis der Behandlerseite der Einwand der hypothetischen Einwilligung abgeschnitten ist. Die Darlegung muss für das Gericht nachvollziehbar sein. Dabei ist die Würdigung, ob der Patient im Falle ordnungsgemäßer Aufklärung in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre, ebenso wie die Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO grundsätzlich Sache des Tatrichters (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 2014 – VI ZR 443/13 –, Rn. 19, juris).
a) Die Klägerin hat nicht hinreichend plausibel dargelegt, dass sie nach ordnungsgemäßer und vollständiger Aufklärung über die Risiken des Eingriffs ernsthaft die Verweigerung ihrer Einwilligung in die Koloskopie erwogen und sich zu diesem Zweck an ihren Hausarzt gewandt hätte, um die Notwendigkeit und das Für und Wider einer Koloskopie zu besprechen.
Dagegen spricht, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht angegeben hat, sie hätte – ordnungsgemäß aufgeklärt – die Darmspiegelung „in jedem Fall machen lassen“. Auch der Umstand, dass die Klägerin nach eigenem Bekunden wegen im Jahr 2018 erneut aufgetretener Blutungen eine weitere Darmspiegelung hat durchführen lassen, spricht indiziell dafür, dass sie in eine Koloskopie zur Abklärung der Blutungsursachen auch bei Kenntnis des bei ihr konkret bestehenden Untersuchungsrisikos eingewilligt hätte.
Das Landgericht hat seiner Würdigung der für die Klägerin damals bestehenden Konfliktsituation zudem entgegen der Ansicht der Berufung zutreffend zugrunde gelegt, dass die Blutungsursache durch die Untersuchung am 10.08.2016 nicht bereits hinreichend sicher abgeklärt worden war und somit auch ein begründeter Anlass für die Durchführung einer Koloskopie bestand. Nach seiner Darlegung im Termin der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte zu 1 der Klägerin zur Durchführung einer Koloskopie zumindest auch zur Abklärung der aufgetretenen Blutungen geraten. Die Klägerin stellte sich aufgrund Überweisung ihres Hausarztes bei den Beklagten vor, da sie mehrere Tage lang Blut im Stuhl gehabt habe. Vor diesem Hintergrund ist es ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Beklagte zu 1 eine Koloskopie nicht nur als reine Vorsorgeuntersuchung aufgrund des Alters der Klägerin empfohlen hat, sondern die weitergehende Untersuchung zur Abklärung der Blutungssymptomatik als geboten angesehen hat. Da die Blutungen zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den Beklagten am 10.08.2016 nicht mehr andauerten, konnte er die Ursache der Blutung auch nicht sicher feststellen, so dass seine Erklärung, er habe der Klägerin zu einer Koloskopie zum Ausschluss von Darmkrebs und/oder Polypen geraten, ohne weiteres nachvollziehbar erscheint. Soweit die Klägerin dies in Abrede stellen will, steht dem entgegen, dass der Beklagte zu 1 die von ihm bei der Untersuchung der Klägerin am 10.08.2016 festgestellten Hämorrhoiden lediglich als „wahrscheinliche“ Ursache der Blutung bezeichnet hat, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigte. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass der Beklagte der Klägerin zwar zur Durchführung einer Koloskopie auch im Hinblick auf die Abklärung der Blutungsursache geraten hat, der Klägerin aber das auf die Untersuchung folgende Gespräch aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr in allen Einzelheiten gegenwärtig ist. Dafür spricht auch, dass sie verneint hat, vom Beklagten zu 1 auf das Darmkrebsrisiko in ihrer Familie angesprochen worden zu sein, während die Antwort auf dementsprechende Frage durch die Dokumentation des Beklagten zu 1 belegt wird.
b) Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht – erstmals – vorgetragen hat, sie hätte die Untersuchung nicht bei den Beklagten sondern in einem Krankenhaus durchführen lassen, hat sich das Landgericht mit nachvollziehbaren Erwägungen nicht davon überzeugt gezeigt. Ihre Darlegung, sie kenne das von Angehörigen so, dass die immer ins Krankenhaus gehen oder auch in eine Praxis in der Nähe der Rennbahn spricht für sich genommen gerade nicht dafür, dass sie in jedem Fall das Krankenhaus gegenüber niedergelassenen Ärzten bevorzugt hätte. Hinzu kommt, dass sie nach ihrem eigenen Bekunden sich bei ihrem Hausarzt erkundigt hat, ob der Beklagte zu 1 – den sie ausfindig gemacht hatte und der einen baldigen Termin ermöglichen konnte – „zur Abklärung ihrer Beschwerden der Richtige sei“. Mit diesen Angaben wird belegt, dass sich die Klägerin von ihrem Hausarzt hinsichtlich der Praxiswahl konkret beraten ließ. Zudem spricht die Darstellung der Klägerin in ihrer Anhörung vor dem Landgericht dafür, dass sie aufgrund ihrer negativen Erfahrungen aus heutiger Sicht die Untersuchung in einem Krankenhaus bevorzugen würde. Für die Darlegung eines auf die konkrete damalige Situation bezogenen echten Entscheidungskonfliktes reicht dies aber nicht aus.
Der Senat rät daher zur Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.