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Bandscheibenendoprothese – Schadensersatz und Schmerzensgeld aus ärztlicher Heilbehandlung

Auseinandersetzung über Art des eingesetzten Implantats und Informationsmängel

Der Fall handelt von einer Klägerin, die nach der Einsetzung einer Bandscheibenendoprothese umfangreiche Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen die behandelnde Klinik geltend macht. Grundlegend im Fokus des Streits steht die Frage, ob es bei der Behandlung und Aufklärung der Patientin zu medizinischen und rechtlichen Fehlern gekommen ist, die die Gesundheit der Klägerin beeinträchtigt haben und folglich zu Entschädigungen berechtigen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 O 1507/18 >>>

Die Argumentation der Klägerin und der Beklagten im Detail

In der Klage der Patientin wird insbesondere kritisiert, dass das bei ihr verwendete Implantat nicht dasjenige war, das ihr in einer Broschüre vorgestellt wurde. Die beklagte Klinik argumentiert jedoch, dass keinesfalls ein konkretes Implantat versprochen wurde, sondern lediglich dessen grundsätzliche Funktionsweise erläutert wurde. Darüber hinaus bestand laut Beklagtem zum Zeitpunkt der Operation keine Kenntnis von Problemen mitdem tatsächlich verwendeten Implantat. Das Gericht bestätigte allerdings, dass die Zustimmung der Klägerin zur Operation aufgrund ungenügender Aufklärung rechtlich unverbindlich war.

Bewertung des Gerichts: Kein Nachweis für Behandlungsfehler

Trotzdem entschied das Gericht, dass die Klägerin den Nachweis eines Behandlungsfehlers, der zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung ihrerseits geführt hat, nicht erbringen konnte. Dieser Beweis obliegt grundsätzlich dem Patienten. Das Gericht ging auch auf das Konzept des „Neulandverfahrens“ ein, bei dem der medizinische und rechtliche Sorgfaltsmaßstab deckungsgleich sind und der medizinische Standard die jeweiligen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und ärztlichen Erfahrungen repräsentiert. In diesem Kontext wurde auch auf die Notwendigkeit einer hypothetischen Einwilligung des Patienten eingegangen.

Die Rolle des Sachverständigen und die Entscheidung des Gerichts

Die Klägerin beklagte andauernde Schmerzen und weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen, die sie als Folgen des Eingriffs ansah. Der zugezogene Sachverständige sah jedoch keine kausalen Zusammenhänge zwischen den andauernden Beschwerden und dem operativen Eingriff. Nach dessen Aussagen wäre auch die Verwendung einer Titanprothese beim ersten Eingriff nicht zwangsläufig dazu geführt, dass die geklagten Gesundheitsbeeinträchtigungen vermieden worden wären.

In Anbetracht der oben genannten Punkte konnte das Gericht keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen den geklagten Schmerzen und dem rechtswidrigen ersten Eingriff feststellen. Es stellte außerdem klar, dass die Beklagte für eventuelle zukünftige Schäden, die die Klägerin als Folge des Eingriffs erwartet, nicht haftbar gemacht werden kann. Im Lichte der vorhandenen Beweise wurde der Klage somit nicht stattgegeben.


Das vorliegende Urteil

LG Aurich – Az.: 5 O 1507/18 – Urteil vom 03.11.2020

1.) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.02.2019 zu zahlen.

2.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.) Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 75 %, die Beklagte zu 25 % zu tragen.

4.) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: bis zu 22.000,00 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einer ärztlichen Heilbehandlung.

Bandscheibenendoprothese
Bandscheibenendoprothese-Streit: Gericht lehnt Schadensersatzklage ab, da kein Behandlungsfehler nachgewiesen wurde. (Symbolfoto: HenadziPechan/Shutterstock.com)

Die 1969 geborene Klägerin befand sich vom 08.05.2012 bis zum 16.05.2012 wegen eines medialen subligamentären Bandscheibenvorfalls L4/5 in stationärer Behandlung bei der Beklagten. Am 09.05.2012 wurde der Klägerin eine Bandscheibenendoprothese Typ Cadisc-L L4/5 des Herstellers R. implantiert. Vor der Operation unterzeichnete die Klägerin am 08.05.2012 eine Einwilligungserklärung (Bl. 4 d.A.), in der es unter anderem heißt: „Insbesondere wurde ich auf die Infobroschüre: Lumbale Prothese Elastic Spine Pad ESP 2/B. hingewiesen.“

Die Operation verlief komplikationslos. Im Entlassungsbericht der Beklagten vom 16.05.2012 heißt es, dass sich auch der postoperative Verlauf komplikationslos gestaltete und die Klägerin mit reizfreien Narbenverhältnissen und nahezu schmerzfrei in die weitere ambulante Behandlung entlassen werden konnte.

Der Operation am 09.05.2012 war eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 10.04. bis zum 13.04.2012 bei der Beklagten zur Schmerzbehandlung vorausgegangen. Diese stationäre Analgetika-Therapie war erfolglos geblieben.

Bei einer ambulanten Verlaufskontrolle am 02.08.2012 im MVZ des Klinikum L. stellte sich die Lage des Implantates bei der Klägerin ausweislich angefertigter Röntgenbilder als regelrecht dar.

Etwa zwei Jahre nach der Operation am 09.05.2012 traten bei der Klägerin erneut Probleme auf. Sie klagte über erhebliche Schmerzen im Rückenbereich, Taubheitsgefühle in den Beinen und Urinabgang während des Schlafens in der Nacht.

Mit den Bildern einer MRT Untersuchung vom 27.08.2014 suchte die Beklagte Herrn Dr. A. im MVZ des Klinikum L. auf, der ihr zu einer neuen Operation im Bereich L5/S1 riet, welche am 11.12.2014 im Haus der Beklagten stattfand.

Mit Schreiben vom 14.07.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Hersteller R. sie informiert habe, dass es im Laufe der Zeit bei ihren Implantaten bei bestimmten Produktchargen zu Fehlstellungen des Implantates komme und zwar insbesondere bei Patienten, die mit einem im letzten Quartal 2010 und im ersten Quartal 2011 produzierten Implantat versorgt worden seien. Die Klägerin gehöre zwar nicht zu den Patienten, die in dem vorgenannten Zeitraum mit dem Implantat versorgt worden seien und auf welche sich die Warnmeldung beziehe. Gleichwohl halte sie, die Beklagte, eine Überprüfung aller mit diesem Produkt dieses Herstellers versorgten Patienten für geboten.

Die Klägerin stellte sich daraufhin am 30.10.2015 im MVZ des Klinikum L. bei Herrn Dr. A. vor. Dieser empfahl zur Beurteilung des Sitzes der Prothese L4/L5 eine MRT Untersuchung. Mit den Bildern einer daraufhin am 10.12.2015 durchgeführten MRT Untersuchung stellte sich die Klägerin erneut bei Herrn Dr. A vor. In dem Behandlungsbericht vom 17.12.2015 (Bl. 51 f. d.A.) heißt es auszugsweise „Im Segment L4/5 Z.n. Implantation einer Cadisc-L-Prothese mit Dislokation der Prothese nach rechts intraforaminal. Die Prothese ist sowohl in die Grund- als auch in die Deckplatte der Wirbel eingesunken.“ Eine Indikation für die Entfernung der Prothese wurde gestellt. Der Klägerin wurde ausweislich des Behandlungsberichtes empfohlen, den Austausch der Prothese in einer hochspezialisierten Klinik durchführen zu lassen. Die Revisionsoperation fand dann schließlich am 18.02.2016 in der Fachklinik für Orthopädie S. statt.

Außergerichtlich meldete der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei der Beklagten mit Schreiben vom 19.01.2016 Ansprüche an. Mit ebenfalls anwaltlichem Schreiben vom 16.02.2016 ließ die Beklagte mitteilen, dass man vor Ende März in der Sache keine Aussagen treffen könne.

Die Klägerin behauptet, ihre Behandlung durch die Mitarbeiter der Beklagten sei behandlungsfehlerhaft gewesen. Ihre Einwilligung habe sich nicht auf die Kunststoff Prothese Cadisc-L von R. bezogen, sondern auf die Titan-Prothese Elastic spine ESP2/B.. Insofern sei der Eingriff schon rechtswidrig gewesen. Wäre ihr statt der Cadisc-L Prothese die Titan-Prothese Elastic spine ESP2/B. eingesetzt worden, wären ihr beide Folgeoperationen erspart geblieben.

Zudem hätten durchaus schon zum Zeitpunkt ihrer Operation Hinweise darauf vorgelegen, dass die verwandte Prothese fehlerhaft sei, da bereits am 20.05.2011 die Internetseite des Instituts für Arzneimittel und Medizinprodukte einen vorsorglichen begrenzten Rückruf von Bandscheiben des Typs Cadisc-L vom Markt veröffentlicht habe.

Für die weitere Operation am 11.12.2014 habe keine medizinische Indikation bestanden, allenfalls sei diese „überflüssig“ gewesen, da diese die etwa zwei Jahre nach der ersten Operation auftretenden Beschwerden nicht habe beseitigen können.

Ihr sei ein Schmerzensgeld von der Beklagten zu zahlen, bei dessen Höhe zu berücksichtigen sei, dass sie sich wegen des fehlerhaften Implantates einer Revisionsoperation habe unterziehen müssen. Bei dieser sei die Cadisc-L Prothese wegen Materialermüdung entfernt worden. Zudem leide sie weiterhin unter andauernden Schmerzen. Sie sei seit der Operation am 18.02.2016 arbeitsunfähig und schwerbehindert, was auf die Erstoperation zurückzuführen sei. Schließlich sei ihr wegen der fehlerhaften Erstoperation kein Radfahren mehr möglich, Spaziergänge seien nur eingeschränkt möglich. Sie leide unter Durchblutungsstörungen in den Beinen. Sportschwimmen sei ihr gar nicht mehr möglich und Autofahren nur noch eingeschränkt. Es handele sich insoweit um Dauerschäden.

Daneben sei ihr auch ein Verdienstausfallschaden von der Beklagten zu ersetzen. Seit dem 01.03.2016 beziehe sie eine monatliche Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 791,20 €. Diese habe sich ab dem 01.07.2018 auf 860,69 € monatlich erhöht. Bis zum Eintritt ihrer Arbeitsunfähigkeit habe sie als Teamleiterin bei der Firma A. in F. monatlich 1019,78 € netto erhalten. In dem Zeitraum vom 01.03.2016 bis zum 30.06.2018 (mithin 28 Monate lang) habe sie daher einen Rentenbetrag in Höhe von 22.153,60 € erhalten. In demselben Zeitraum hätte ihr Verdienst indes 28.553,84 € betragen, der Verlust belaufe sich mithin auf 6.400,24 €. Unter Berücksichtigung der Rentenerhöhung ab dem 01.07.2018 betrage ihr Verlust bis Ende 2018 weitere 954,54 €, insgesamt also 7.354,78 €. Schließlich sei sie noch gezwungen gewesen, in erheblichem Umfang Arzttermine, Reha-Maßnahmen und Ähnliches wahrzunehmen, zu denen sie sich jeweils habe fahren lassen müssen, wodurch Hunderte von Kilometern angefallen seien. Aus Gründen der Rationalität werde hierfür eine Pauschale von 300,00 € in Ansatz gebracht.

Die Klägerin beantragt,

1.) die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 10.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.05.2012 zu zahlen,

2.) die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 7.354,78 Euro an entgangenem Verdienst zu zahlen,

3.) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche weiteren zukünftigen materiellen und im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, welche ihr aus der fehlerhaften Behandlung am 09.05.2012 entstanden sind und noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergangen sind oder übergehen werden,

4.) die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 300,00 Euro an Fahrtkosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die Behandlung der Klägerin sei lege artis gewesen.

Der Klägerin seien vor der Operation durch den behandelnden Arzt, Herrn Dr. A., die verschiedenen seinerzeit verwendeten Prothesentypen vorgestellt worden, darunter auch die später verwendete Cadisc-L-Prothese der Firma R., die von Herrn Dr. A. wegen seines Aufbaus bevorzugt wurde. Der Klägerin sei aber auch erläutert worden, dass erst intraoperativ entschieden werden könne, ob und ggf. welches Prothesen-Implantat sich angesichts der intraoperativ vorzufindenden Verhältnisse eigne. Keinesfalls sei die Verwendung eines konkreten Implantates versprochen worden. In der Einwilligungserklärung sei nur deshalb auf die Broschüre der Prothese ESP 2 von B. verwiesen worden, weil anhand der dortigen Darstellungen die grundsätzliche Funktionsweise eines solchen Implantates anschaulich habe erläutert werden können und für die übrigen seinerzeit vorhandenen Prothesenmodelle eine solche Unterlage, jedenfalls seinerzeit, nicht zur Verfügung gestanden habe.

Zum Zeitpunkt der Operation der Klägerin habe es keinerlei Hinweise darauf gegeben, dass das bei der Klägerin konkret verwandte Implantat nicht ordnungsgemäß sein könne. Da es sich bei der Cadisc-L-Prothese um ein zugelassenes Medizinprodukt mit CE-Zertifizierung gehandelt habe, habe diese von den behandelnden Ärzten auch eingesetzt werden dürfen.

Nach der Operation am 11.12.2014 sei es bei der Klägerin ausweislich des Entlassungsberichtes vom 17.02.2014 zumindest zu einer deutlichen Linderung der Beschwerden gekommen. Auch im Rahmen einer Verlaufskontrolle im MVZ am 06.03.2015 habe die Klägerin ausweislich des Berichts vom 09.03.2015 davon berichtet, dass sich ihr Schmerzbild im Vergleich zu dem vor der Operation deutlich gebessert habe.

Schließlich habe die Klägerin auch nicht in dem Termin, den sie auf ihre Aufforderung vom 14.07.2015 zur Überprüfung des Implantats wegen der zwischenzeitlichen Mitteilung des Herstellers über die Fehlerhaftigkeit einzelner Chargen wahrgenommen habe, etwa über verstärkt aufgetretene Schmerzen geklagt.

Im Rahmen des geltend gemachten Dienstausfallschadens müsse sich die Klägerin ohnehin ersparte Aufwendungen anrechnen lassen. Die Fahrtkosten seien unsubstantiiert vorgetragen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die zu den Akten gereichten Behandlungsunterlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß Beweisbeschluss vom 27.05.2019 (Bl. 69 ff. d.A.). Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. vom 13.10.2019 (Bl. 75 ff. d.A.) und die Ergänzung vom 08.01.2020 (Bl. 100 ff. d.A.) sowie auf die mündliche Erörterung des Gutachtens in der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2020 (Bl. 169 ff. d.A.) Bezug genommen. In diesem Termin ist auch die Klägerin persönlich angehört worden. Insoweit wird ebenfalls auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2020 (Bl. 169 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

A. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gemäß den §§ 280, 630a, 278, 249, 253 Abs. 2 BGB und gemäß den §§ 831, 823, 249, 253 Abs. 2 BGB in Höhe von 5.000,00 € zu.

Es ist der Klägerin zwar nicht gelungen, den Mitarbeitern der Beklagten einen Behandlungsfehler nachzuweisen (hierzu unter I.). Gleichwohl ist die am 09.05.2012 durchgeführte Operation unter Beeinträchtigung des Selbstbestimmungsrechts der Klägerin erfolgt, da diese nicht von der erforderlichen Patienteneinwilligung getragen wurde (hierzu unter II). Der Zustimmung der Klägerin zu dieser Operation lag eine rechtlich ungenügende Aufklärung zugrunde. Damit war sie rechtlich unverbindlich.

I. Es ist der Klägerin nicht gelungen, den ihr als Patientin obliegenden Beweis zu führen, dass den Mitarbeitern der Beklagten bei ihrer Behandlung ein Behandlungsfehler unterlaufen ist, der zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung ihrerseits geführt hat.

Grundsätzlich obliegt es dem Patienten, Behandlungsfehler darzulegen und zu beweisen (Sprau in Palandt, BGB, 77. Auflage 2018, § 823, Randnummer 164).

Nach den Ausführungen des von der Kammer hinzugezogenen Sachverständigen Prof. Dr. B. lassen sich Behandlungsfehler der Beklagten bei der Behandlung der Klägerin allerdings nicht feststellen.

1. Verwendung der Cadisc-L-Prothese

Ein Behandlungsfehler folgt zunächst nicht daraus, dass bei der Operation am 09.05.2012 das Produkt Cadisc-L Bandscheibenprothese des Herstellers R. T. Ltd. verwendet worden ist.

Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn die Behandlung dem medizinischen Standard im Behandlungszeitpunkt zuwiderläuft (vgl. BGH, Urteil vom 15.04.2014 – VI ZR 382/12 – juris; BeckRS 2019, 21375, beck-online).

a) Die Klägerin hat zunächst nicht bewiesen, dass die Verwendung dieses Prothesentyps grundsätzlichen Bedenken begegnet. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. hat es für die Fehlerhaftigkeit des verwendeten Implantates aus gutachtlicher Sicht zum Zeitpunkt der Implantation keinen Hinweis gegeben. Es sei richtig, dass es eine Rückrufaktion gegeben hatte, die Implantate seien dann jedoch wieder freigegeben worden, sodass der Operateur zum OP-Zeitpunkt davon habe ausgehen können, dass die Implantate einwandfrei seien. Hierfür spreche auch, dass das Implantat für einen Zeitraum von mindestens 2,5 Jahren funktioniert habe und intakt gewesen sei. Die MRT-Untersuchung vom 11.8.2014 habe es noch in korrekter Position und ohne strukturelle Schäden gezeigt.

b) Die Kammer vermag auch nicht festzustellen, dass zur Zeit der Durchführung des Ersteingriffs am 09.05.2012 Hinweise auf eine Fehlerhaftigkeit des Produktes bekannt gewesen sind.

aa) Die Klägerin hat nicht substantiiert dargetan, dass es bereits zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Eingriffs am 09.05.2012 Warnungen gegeben hat, Bandscheibenprothesen der R. T. Ltd. heranzuziehen. Dies näher darzulegen, obliegt nicht den Beklagten, da der Kläger einen Behandlungsfehler darzulegen und zu beweisen hat (Palandt-Sprau, BGB, 77.A., § 823 Rdnr. 164). Eine andere Beurteilung ist nicht im Hinblick auf eine sekundäre Darlegungslast geboten. Diese greift ein, wenn der Darlegungspflichtige selbst außerhalb des Geschehensablaufs steht und von sich aus den Sachverhalt nicht ermitteln kann, während die Gegenseite die erforderlichen Informationen hat oder sich leicht beschaffen kann (Thomas-Putzo-Reichold, ZPO, 38.A., § 284 Rdnr. 18). Letzteres ist hier nicht der Fall. Denn es geht bei der Frage, ob und wann der Hersteller der Bandscheibenprothesen, die R. T. Ltd., Warnhinweise erteilt hat, nicht um Geschehnisse im eigene Geschäftsbereich der Beklagten. Vielmehr müsste die Beklagte ebenfalls erst durch umfangreiche Nachforschungen bei dem inzwischen insolventen Hersteller bzw. dem Vertreiber der Prothesen ermitteln, ob es solche Hinweise gegeben hat. Auf die sekundäre Darlegungslast der Beklagten könnte sich die Klägerin allenfalls berufen, wenn sie eine konkrete Sicherheitsinformation benennt und es dann um die Frage geht, ob und wann der Beklagten diese zur Kenntnis gelangt ist. Erst dann geht es um Informationen, die sich die Beklagte leicht selbst beschaffen kann.

bb) Soweit die R. T. Ltd. unstreitig am 31.3.2011 einen Chargenrückruf ausgesprochen hat, ist unerheblich, wann dieser Rückruf den Beklagten zur Kenntnis gelangt ist. Denn die Bandscheibenprothese, die am 09.05.2012 bei dem Kläger eingesetzt worden ist, wird von dem Rückruf nicht erfasst.

cc) Aus dem Rückruf vom 31.3.2011 können ebenfalls nicht etwa allgemeine Bedenken gegen die Eignung der Bandscheibenprothesen der R. T. Ltd. abgeleitet werden. Dies ergibt sich aus den weiteren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B., die er in seinem schriftlichen Gutachten gemacht hat. Hier hat er plausibel dargelegt, dass Chargenrückrufe aus den unterschiedlichsten Produktionsbereichen keine Seltenheit darstellen würden. Dabei lasse der Rückruf einzelner Chargen keinen Schluss darauf zu, dass das betroffene Produkt an sich für den bestimmungsgemäßen Gebrauch ungeeignet sei.

dd) Die Kammer hat schließlich keine Veranlassung gesehen, die Ermittlungsakten beizuziehen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung zu machen. Die Klägerin hat keine konkreten Dokumente aus diesen Akten benannt, aus denen weitere Erkenntnisse zu Sicherheitshinweisen des Herstellers und deren Kenntnis durch die Beklagte zu gewinnen sein sollen. Es ist im Zivilprozess, der vom Beibringungsgrundsatz beherrscht wird, nicht Aufgabe des Gerichts, andere Akten daraufhin zu durchsuchen, ob sich daraus Hinweise ergeben könnten, die den Vortrag einer Partei stützen. Dies liefe auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus (vgl. Thomas/Putzo-Seiler, ZPO, 38. Auflage, § 142 ZPO Rn. 1; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 142 ZPO Rn. 6).

2. Indikation der OP vom 09.05.2012

Hinsichtlich der Indikation der Operation vom 09.05.2012, die der Klägervertreter im Hinblick auf die Möglichkeit von alternativen Behandlungsmethoden, etwa konservative Behandlungen, in der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2020 in Zweifel gezogen hat, hat der Sachverständige ausgeführt, dass man hier in Betracht ziehen müsse, dass die Patientin in eine chirurgische Praxis eingewiesen worden sei. Es sei dort versucht worden – über mehrere Tage hinweg – eine intravenöse Schmerztherapie durchzuführen. Das würde er schon als Ultima Ratio ansehen. Wenn diese intravenöse Schmerztherapie dann nicht zu einer Besserung führe, dann sei es schon so, dass dann eigentlich nur noch eine OP bleibe. Ein Behandlungsfehler war insofern nicht festzustellen.

3. Eingriff am 11.12.2014

Die Klägerin hat auch keinen Behandlungsfehler hinsichtlich des am 11.12.2014 durchgeführten operativen Eingriffs bewiesen.

a) Hierzu hat der Sachverständige Prof. Dr. B. ausgeführt, dass im Rahmen der Untersuchung der Klägerin vor der Operation am 11.12.2014 eine MRT-Aufnahme der LWS vom 11.8.2014 angefertigt worden ist. Auf dieser Aufnahme sei zu erkennen, dass einzig in dem Segment L5/S1 eine Befundveränderung an der dortigen Bandscheibe aufgetreten sei. So sei im Segment L5/S1 jetzt neu im Bereich des hinteren Faserrings eine kleine Ruptur mit Hervortreten eines kleinen Sequesters zu erkennen. Hier bestehe ein neuer Befund im Vergleich zu der Voraufnahme. Sonst würden sich keine relevanten Pathologien zeigen. Insbesondere habe sich anhand der Aufnahmen gezeigt, dass sich die Implantatlage des am 09.05.2012 eingebrachten Implantates als regelrecht dargestellt habe. Aus seiner Sicht sei der Befund im Segment L5/S1 der einzige gewesen, der eine Befundveränderung dargestellt habe, insofern sei es aus der ex-ante-Sicht schon richtig gewesen, diese Stelle jetzt anzugehen und entsprechend zu operieren. So habe eine von der Erst-OP am 09.05.2012 unabhängige Indikation für die OP am 11.12.2014 bestanden.

b) An dieser Einschätzung hat der Sachverständige auch festgehalten, nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung noch einmal zu ihren Beschwerden nach der Operation vom 11.12.2014 befragt wurde. Der Klägerin war vorgehalten worden, dass sich aus den Krankenunterlagen eine Beschwerdebesserung nach der OP am 11.12.2014 ergibt. Sie hat hierzu erklärt, dass das nicht richtig sei. Die Schmerzen hätten weiterhin bis ins Bein gestrahlt. Sie habe auch Probleme gehabt, wenn sie etwa länger gelaufen sei, gesessen oder gestanden habe. Auch habe es Probleme gegeben, wenn sie in die Nachtruhe gegangen sei, dort seien dann starke Krämpfe aufgetreten. Zudem habe sie Probleme mit Urinabgang gehabt. Auf Nachfrage des Gerichts, ob sich das Beschwerdebild vor und nach der OP genau gleich dargestellt hat, hat die Klägerin erklärt, dass ihr gesagt worden sei, dass das Ganze vielleicht auch psychisch sein könnte. Sie sei entsprechend auch in die Reha gegangen. Dort sei sie auch daraufhin behandelt worden. Wenn Sie dort aber Übungen mitgemacht habe, dann habe sie nachts vor Schmerzen gar nicht schlafen können.

Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass natürlich theoretisch denkbar sei, dass bereits vor der zweiten OP ein Defekt an der Bandscheibe aufgetreten sei, der dann unter Belastung zu Problemen geführt habe. Es sei aber so, dass sich dieses in der bildgebenden Diagnostik nicht gezeigt habe. Diese sei vielmehr unauffällig gewesen.

4. Die Kammer hatte keine Bedenken, die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. insoweit ihrer Entscheidung zu Grunde zu legen. Der Sachverständige hat die ihm vorliegenden Krankenunterlagen und sämtliche MRT- und Röntgenaufnahmen sorgfältig ausgewertet sowie seine Einschätzung plausibel und in jeder Hinsicht nachvollziehbar wissenschaftlich begründet.

II. Der von den Mitarbeitern der Beklagten am 09.05.2012 vorgenommene operative Eingriff war jedoch rechtswidrig, weil die Einwilligung der Klägerin in die ärztliche Behandlung mangels ordnungsgemäßer Aufklärung unwirksam gewesen ist.

1. Die Klägerin hat zunächst nicht nachgewiesen, dass sich ihre Einwilligung auf eine Operation unter Einsatz einer Bandscheibenprothese aus Titan beschränkt hat.

Die Einwilligung für den operativen Eingriff kann fehlen, wenn sich der Arzt und der Patient auf den Einsatz einer ganz bestimmten Prothese verständigt haben. Ähnlich wie im Falle der Zusage, dass ein bestimmter Arzt die Operation durchführt (vgl. BGH NJW 2010, S. 2580), setzt dies aber voraus, dass der Patient eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sich seine Eingriffseinwilligung auf den Einsatz einer konkreten Prothese beschränkt. Dafür reicht die Erwartung, es werde eine bestimmte Prothese zum Einsatz kommen, nicht aus (vgl. OLG München, Urteil vom 18.11.2010, Az. 1 U 5334/09, zitiert nach juris, Rdnr. 35).

Hier hat die Klägerin schon nicht schlüssig dargetan, dass sie sich mit den sie behandelnden Ärzten der Beklagten gerade nur auf den Einsatz einer Titanprothese geeinigt hat. Vorliegend vermag die Kammer weder aus der von der Klägerin unterzeichneten Einwilligungserklärung zu dem operativen Ersteingriff vom 09.05.2012 noch aus ihrem weiteren Vortrag und ihrer Anhörung entnehmen, dass von der Beklagten bei der Operation am 09.05.2012 (nur) eine bestimmte Prothese aus Titan herangezogen werden durfte.

a.) Die von der Klägerin unterzeichnete Einwilligungserklärung vom 08.05.2012enthält allerdings einen Hinweis auf die Lumbale Prothese Elastic Spine Pad 2 ESP 2/B., während hier der Klägerin eine Prothese der Firma R. eingesetzt worden ist. Doch geht aus der Einwilligungserklärung weder hervor, dass gerade diese Prothese verwendet werden soll, noch aus welchem Material diese besteht. Denn der Hinweis bezieht sich ausdrücklich auf die „Infobroschüre“ zu dieser Prothese, nicht aber darauf, dass genau diese zum Einsatz kommen soll. Zwar mag dieser Hinweis eine Erwartungshaltung des Patienten hervorrufen, dass eine Prothese der Firma B. herangezogen wird. Dies reicht aber für die Annahme nicht aus, der Patient beschränke seine Einwilligung auf den Einsatz von Prothesen dieses Herstellers bzw. auf Prothesen, die aus Titan bestehen – zumal eben nichts zu dem Material gesagt wird, aus dem die Prothese besteht.

b) Eine andere Beurteilung ist auch nicht aufgrund der Angaben der Klägerin geboten. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, dass sie im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung durch die Polizeiinspektion L./E. auf die Frage, ob in dem Aufklärungsgespräch vor der Operation besprochen worden sei, dass möglicherweise während der Operation ein anderes Implantat zur Anwendung kommen könne, diese bejaht habe. Danach kann keine Festlegung auf eine bestimmte Prothese erfolgt sein. In ihrer Anhörung vor der Kammer hat die Klägerin erklärt, dass es in dem Gespräch vor der Operation so gewesen sei, dass der Arzt dort ein Modell der Wirbelsäule gehabt habe. Dann habe er ihr so ein silbernes Teil gezeigt, von dem er gesagt habe, dass das dort eingebracht werde. Etwas Anderes habe er ihr nicht erklärt.

Nachdem ihr sodann ihre Angaben im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung durch den Beklagtenvertreter vorgehalten worden waren, erklärte die Klägerin hierzu, dass sie in der Situation bei der Polizei überfordert gewesen sei. Sie sei dort so viel gefragt worden. Irgendwann habe sie gar nichts mehr gewusst.

Nach Vorstehendem hat die Klägerin es nicht zu beweisen vermocht, dass es eine Verständigung zwischen Arzt und Patienten auf eine konkret bezeichnete Prothese bzw. auf eine Prothese aus Titan gegeben hat.

2. Die Mitarbeiter der Beklagten waren jedoch dazu verpflichtet, die Klägerin darüber aufzuklären, dass verschiedene Bandscheibenprothesen für die Operation zur Verfügung stehen und eine reine Kunststoffprothese im Bereich der Lendenwirbelsäule zum damaligen Zeitpunkt nicht gebräuchlich war.

a.) Grundsätzlich ist die Auswahl der richtigen Behandlungsmethode zwar allein Sache des Arztes (Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 12. Aufl. Rn. 443). Dieser hat regelmäßig nicht über unterschiedliche Behandlungstechniken, Art und Anzahl der verwandten Instrumente und deren Anwendung oder verschiedene Operationsmethoden aufzuklären. Zu einer eingehenden fachlichen Unterrichtung über spezifische medizinische Fragen, insbesondere zu den teils vielfältigen Variationen von möglichen Operationstechniken und des dabei verwendeten Materials ist der Arzt ohne nähere Nachfrage des Patienten in der Regel nicht verpflichtet (vgl. OLG München, Urteil vom 18. November 2010 – 1 U 5334/09 –, juris Rn. 45). Soweit die denkbare Verwendung unterschiedlicher Implantate keine echte Behandlungsalternative bedeutet, sondern letztlich „nur“ die Frage der Durchführung der Operation betrifft, liegt die Entscheidung über die Verwendung des Implantats im eigenverantwortlichen Entscheidungsbereich des Operateurs. Dieser darf regelmäßig davon ausgehen, dass der Patient der ärztlichen Entscheidung zur Durchführung der jeweiligen Maßnahme vertraut und keine eingehende Unterrichtung über spezielle medizinische Fragen erwartet (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 20.06.1996, – 5 U 170/95 –, juris Rn. 22). Dabei besteht regelmäßig auch keine Aufklärungspflicht hinsichtlich des Materials der zum Einsatz kommenden Prothesen (vgl. Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 5. Aufl., „Aufklärung (Nicht echte Behandlungsalternative)“, Rn. A 1586 ff; ders. MDR 2015, 429, 432; Saarländisches OLG, Urteil vom 12.11.2014 – 1 U 90/13 –, Rn. 32 ff. juris). Denn in der Prothetik gibt es verschiedene Materialkombinationen, die aber zumeist keine wesentlich unterschiedlichen Risiken aufweisen (vgl. Martis/Winkhart-Martis, MDR 2017, 858, 863).

b.) Dieser Grundsatz findet jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Anwendung, wenn es sich um ein Neulandverfahren handelt. Will der Arzt keine allseits anerkannte Standardmethode, sondern eine relativ neue und noch nicht allgemein eingeführte Methode mit neuen, noch nicht abschließend geklärten Risiken anwenden, so hat er den Patienten auch darüber aufzuklären und darauf hinzuweisen, dass unbekannte Risiken derzeit nicht auszuschließen sind (BGH, Urteil vom 13. Juni 2006 – VI ZR 323/04 –, BGHZ 168, 103-112, Rn. 14). Die Anwendung neuer Verfahren ist für den medizinischen Fortschritt zwar unerlässlich. Am Patienten dürfen sie aber nur dann angewandt werden, wenn diesem zuvor unmissverständlich verdeutlicht wurde, dass die neue Methode die Möglichkeit unbekannter Risiken birgt. Der Patient muss in die Lage versetzt werden, für sich sorgfältig abzuwägen, ob er sich nach der herkömmlichen Methode mit bekannten Risiken operieren lassen möchte oder nach der neuen Methode unter besonderer Berücksichtigung der in Aussicht gestellten Vorteile und der noch nicht in jeder Hinsicht bekannten Gefahren (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2006 – VI ZR 323/04 –, BGHZ 168, 103-112, Rn. 14).

Wann ein Neulandverfahren vorliegt, wird von der Medizin bestimmt und ist im Einzelfall durch Sachverständigengutachten zu ermitteln. Rechtlicher und medizinischer Sorgfaltsmaßstab sind insoweit deckungsgleich. Der Standard in der Medizin repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und ärztlichen Erfahrung, der sich in der praktischen Erprobung bewährt hat und dessen Einsatz zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1994 – VI ZR 189/93 –, juris; OLG Köln, Urteil vom 21. Dezember 1998 – 5 U 121/98 –, Rn. 19 – 20, juris). Diese Grundsätze sind auf die Aufklärung über die ärztliche Auswahlentscheidung von Prothesen im Kern übertragbar.

c) Der von der Kammer hinzugezogene Sachverständige Prof. Dr. B. hat zur Frage, ob eine Neulandmethode bei den hier verwendeten R.-Prothesen vorliegt, ausgeführt, dass man in Betracht ziehen müsse, dass im Jahr 2012 die Prothese schon zwei Jahre auf dem Markt gewesen sei. Sie sei ein zugelassenes Medizinprodukt gewesen und seitdem in Gebrauch. Es sei klar, dass man zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht so viel Erfahrung mit dieser Prothese habe machen können. Insofern habe es sich schon um ein Nischenprodukt gehandelt. Es sei aber klar, dass es viele Jahre dauere, bis man entsprechende Erfahrungen aufbauen könne. Die grundsätzliche Technik der Bandscheibenprothese sei bereits in den fünfziger Jahren entwickelt worden. Die Prothesen, die einen federnden Kern aufweisen, seien schon Anfang der 2000er bis 2010 entwickelt, auf den Markt gebracht und verwendet worden. Seines Erachtens handelt es sich bei der Cadisc-L Prothese um eine Modifikation eines bekannten Prothesentyps. Neu sei gewesen, dass die Grund- und Deckplatte auch aus Kunststoff sei.

e) Vorliegend geht die Kammer auch nach der Einholung diverser Gutachten in Parallelverfahren davon aus, dass die Prothese Cadisc-L der Firma R.ein noch nicht klinisch bewährtes Neulandprodukt dargestellt hat, worüber die Klägerin hätte aufgeklärt werden müssen. So sind die Prothesen zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Eingriffs im Mai 2012 erst ca. 2 Jahre lang zugelassen gewesen. Diese haben sich in der Zusammensetzung deutlich von den seinerzeit gebräuchlichen Bandscheibenprothesen unterschieden. Es entspricht der Erfahrung der Kammer aus Verfahren mit vergleichbaren Sachverhalten, dass im Jahr 2012 99 % der eingesetzten Prothesen über Endplatten aus Metall verfügten. Sämtliche Sachverständige, die die Kammer in diesen Verfahren hinzugezogen hat, haben mit Prothesen, die vollständig aus Kunststoff bestehen, nicht gearbeitet. Auch Prof. Dr. med. B. hat nach eigenen Angaben bislang derartige Bandscheibenendoprothesen im Bereich der LWS nicht verwendet, sondern auf bewährte Produkte zurückgegriffen.

Die Prothesen der R. T. Ltd haben auch deutliche Unterschiede zu den im Lendenwirbelsäulenbereich seinerzeit gebräuchlichen Prothesen gezeigt. So haben die Metallendplatten gebräuchlicher Prothesen kleine Zähne aufgewiesen, um während der Einheilung einen möglichst festen Halt zu gewährleisten. Demgegenüber hatten die Cadisc-L-Prothesen der R. T. Ltd zwar den Vorteil, dass die postoperative Untersuchung des Wirbelsäulensegments nicht durch die durch Metallbestandteile ausgelösten Artefakte gestört wird. Ob die Beschichtung aus Kalziumphosphat allerdings auf einer Kunststoffoberfläche ebenso gut das Einwachsen fördert wie Titan, war mangels klinischer Erfahrung im Jahre 2012 noch nicht absehbar. Im Hinblick darauf ließ sich mangels hinreichender klinischer Erfahrungen nicht beurteilen, ob das eingriffsspezifische Risiko, dass Bandscheibenprothesen ausbrechen oder verrutschen, bei den von der R. T.Ltd entwickelten Prothesen Cadisc-L gegenüber gebräuchlichen Prothesen mit Titan-Endplatten erhöht ist. Jedenfalls war hier – angesichts eines klinischen Einsatzes der Cadisc-L-Prothesen von lediglich ca. zwei Jahren -, eine Aufklärung des Patienten darüber erforderlich, dass die Kunststoff-Implantate der R.T. Ltd im Vergleich zu den sonst üblichen Titan-Kunststoff-Implantaten aufgrund des geringeren Nachbeobachtungszeitraums noch mit einer größeren Ungewissheit im Hinblick auf deren Haltbarkeit und das Risiko der Dislokation behaftet sind und insoweit unbekannte Risiken bestehen. Dieser Hinweis verlangt dem Arzt auch nichts Unmögliches ab, da er dadurch nicht etwa verpflichtet wird, fortlaufend zu überprüfen, ob sich durch die Dauer der Anwendung neue Risiken ergeben haben. Vielmehr muss er dem Patienten lediglich deutlich machen, dass im Vergleich zu den seinerzeit etablierten Bandscheibenendoprothesen aus Kunststoff/Metall noch keine langjährigen Erfahrungen in Bezug auf die Haltbarkeit und das Risiko der Dislokation bestehen. Einen solchen Hinweis haben die Mitarbeiter der Beklagten der Klägerin im Rahmen der Aufklärung vor dem Eingriff unstreitig nicht erteilt.

3.) Die Beklagte kann nicht den ihr obliegenden Nachweis für die Behauptung erbringen, dass sich die Klägerin auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung für das eingesetzte Kunststoff-Implantat entschieden hätte. Die Klägerin hat hinreichend plausibel dargelegt, dass sie sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung zumindest in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte.

Der Behandlerseite steht der Nachweis offen, dass der Patient auch nach ordnungsgemäßer Aufklärung in die durchgeführte Operation eingewilligt hätte. Beruft sich der Arzt auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung, hat der Patient glaubhaft zu machen, dass er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem echten Entscheidungskonflikt befunden hätte, wobei die Darlegung des Konfliktes plausibel, also nachvollziehbar sein muss, es hingegen nicht darauf ankommt, wie sich der Patient entschieden hätte (vgl. BGH VersR 2007, 999; BGH VersR 2005, 836; Brandenburgisches OLG – 1. Zivilsenat – VersR 2000, 1283; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. A., Kap. C Rdnr. 138 ff.). An die Substanziierungspflicht des Patienten sind dabei keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, es genügt, wenn er einsichtig macht, dass ihn die ordnungsgemäße Aufklärung über das Für und Wider des ärztlichen Eingriffs ernsthaft vor die Frage gestellt hätte, ob er diesem zustimmen sollte (vgl. BGH VersR 2007 a.a.O.; BGH NJW 1998, 2734; Brandenburgisches OLG – 1. Zivilsenat – a.a.O; BeckRS 2019, 4121, beck-online).

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2020 plausibel gemacht, dass sie sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die zum damaligen Zeitpunkt neuartige Cadisc-L-Prothese nicht ohne Weiteres für die Einbringung einer solchen reinen Kunststoffprothese entschieden hätte und zumindest in einen ernsthaften Entscheidungskonflikt geraten wäre. So hat die Klägerin zunächst ausgeführt, dass sie sich bei entsprechender Aufklärung für eine Titanprothese entschieden hätte, weil in ihrer Familie jemand gegen viele Sachen allergisch sei und sie Angst gehabt hätte, dass sie auch gegen die Prothese allergisch sei; sie habe selbst auch viele Allergien. Auf Vorhalt des Gerichts, dass auch die Titanprothese einen Kunststoffkern aufgewiesen hat, erklärte die Klägerin, dass sie das nicht so genau begründen können, aber es doch etwa so sei, dass wenn man einen Ball aus Kunststoff fallen lasse, dieser schneller kaputtgehe als ein Ball aus Titan. Zwar zeigte die Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung zur hypothetischen Einwilligung Tendenzen, sich vom tatsächlichen Verlauf nicht lösen zu können, da sie in diesem Zusammenhang auch ihre Enttäuschung über den Verlauf insgesamt zum Ausdruck brachte, der kurz zuvor vom Sachverständigen in dessen Anhörung als behandlungsfehlerfrei beurteilt worden war. Gleichwohl hat die Klägerin durch den Vergleich der zur Verfügung stehenden Materialien zum Ausdruck gebracht, dass sie sich aufgrund ihres persönlichen Eindruckes von der Beschaffenheit der Materialien für Titan entschieden hätte. Zumindest hätte sich die Klägerin bei einer entsprechenden Aufklärung ernsthaft die Frage gestellt, für welches Produkt sie sich entschieden hätte.

III. Eine Haftung der Beklagten für die von der Klägerin geltend gemachten Schäden setzt weiter voraus, dass sie auf den mangels wirksamer Einwilligung rechtswidrigen Eingriff zurückzuführen sind (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 78. Aufl., § 630d Rn. 5). Hierfür trägt der Kläger als Patient grundsätzlich die Beweislast (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7.A., Kap. C Rn. 147 m.w.N.). Liegt der Primärschaden schon in dem Eingriff als solchem, weil dieser mangels hinreichender Aufklärung per se rechtswidrig ist, sind die Verschlechterungsfolgen des Eingriffs, insbesondere Verschlechterungen vorbestehender Befunde oder Schmerzzustände, dem Beweismaß für Sekundärschäden zu unterstellen: Es kann dann gemäß § 287 ZPO für die Überzeugungsbildung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen (BGH, NJW 2008, S. 1381, 1382).

1. Nach den Ausführungen des Sachverständigen steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich die Klägerin infolge des Eingriffs vom 09.05.2012 der Revisionsoperation in S. am 18.02.2016 unterziehen musste. Die Indikation zur Revisionsoperation war bereits durch Herrn Dr. A. gestellt worden und ist auch von der Beklagten im Verfahren nicht in Zweifel gezogen worden.

2. Die weiteren von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsbeeinträchtigungen sind demgegenüber nicht hinreichend sicher auf den rechtswidrigen operativen Eingriff vom 09.05.2012 zurückzuführen.

Der Sachverständige Prof. Dr. B. hatte hierzu in seinem ergänzenden Gutachten ausgeführt, dass die neu auftretenden Beschwerden zwei Jahre nach der ersten OP aus gutachterlicher Sicht am ehesten durch die fortschreitende Degeneration des Segmentes L5/S1 zu erklären seien. In der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens hatte der Sachverständige hierzu weiter ausgeführt, dass man berücksichtigen müsse, dass man in diesem Fall keine Klarheit der klinischen Symptomatik gehabt habe. Es sei so gewesen, dass weder die Bilder noch die klinische Symptomatik, die die Klägerin gezeigt habe, eine klare Zuordnung etwa hinsichtlich der Verletzung einer konkreten Nervenwurzel möglich gemacht habe. Neu sei der Bandscheibenvorfall im Bereich L5/S1 gewesen. Dort sei es auch zu einem Kontakt mit einer Nervenwurzel gekommen, wobei keine Kompression aufgetreten sei. Deswegen gehe er davon aus, dass die dann neu aufgetretenen Beschwerden eben am ehesten hierauf zurückzuführen seien. Von den Bildern her habe er auch keine andere Ursache dafür finden können. Beweisen lasse es sich nicht, so der Sachverständige, dass die neu aufgetretenen Beschwerden auf den neuen Bandscheibenvorfall zurückzuführen seien. Er würde aber schon mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 % davon ausgehen wollen, dass diese Beschwerden, die zwei Jahre nach der ersten OP aufgetreten seien, auf den neuen Bandscheibenvorfall zurückzuführen seien. Bereits in seinem schriftlichen Gutachten hatte der Sachverständige ausgeführt, dass auch die weiteren von der Klägerin beklagten Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht Folge der Operation vom 09.05.2012 seien, sondern Ausdruck der fortschreitenden Bandscheibendegeneration seien. Er sehe die genannten Gesundheitsbeeinträchtigungen der andauernden Schmerzen, der Arbeitsunfähigkeit, der Einschränkungen beim Radfahren, Schwimmen, Autofahren und Spazierengehen sowie die Durchblutungsstörungen der Beine nicht als Folgen des Eingriffs vom 09.05.2012 an.

Dies zugrunde gelegt, ist die Kammer nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die andauernden Beschwerden der Klägerin kausale Folge des operativen Eingriffs vom 09.05.2012 sind.

3. Nach den Erläuterungen des Sachverständigen kann weiter nicht davon ausgegangen werden, dass die von der Klägerin geklagten Gesundheitsbeeinträchtigungen vermieden worden wären, wenn bei dem streitgegenständlichen Ersteingriff sogleich eine Titanprothese eingesetzt worden wäre. Eine Unterlassung – wie hier die unzureichende Aufklärung der Klägerin über die Möglichkeit, eine Titanprothese einzusetzen – ist für den Schaden nur kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte. Demgemäß hätte die Klägerin darzulegen und zu beweisen gehabt, dass sie bei pflichtgemäßer Aufklärung eine Titanprothese gewählt hätte und dann die geltend gemachten Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht eingetreten bzw. beseitigt worden wären (BGH, MedR 2012, S. 456, 458; OLG Koblenz, Urteil vom 13.07.2015, Az. 5 U 282/15, Rdnr. 19). Dafür liegen hier keine Anhaltspunkte vor.

Vielmehr hat der Sachverständige Prof. Dr. B. deutlich gemacht, dass man zwar aus heutiger Sicht sagen müsse, dass die Prothesen mit Titan Grund- und Deckplatten besser einheilen und dass die Kerne der Cadisc-L-Prothese Haltbarkeitsprobleme hatten. Dies sei jedoch zum Zeitpunkt der Implantation nicht bekannt gewesen und es habe auch gute Gründe dafür gegeben, dieses Implantat zu wählen, weil es eben nicht die negativen Eigenschaften einer Titanprothese, nämlich die massive Verschlechterung der Darstellbarkeit bei bildgebenden Befunden habe. Davon abgesehen liege die Erfolgsquote bei einer Implantation einer Bandscheibenprothese bei etwa 80 %. Danach leiden ca. 20 % der Patienten weiterhin unter persistierenden Beschwerden, selbst wenn bildmorphologisch keine pathologische Situation oder ein klares Korrelat erkannt werden kann. Insoweit hätte es, so der Sachverständige, auch mit einer Titanprothese zur Erforderlichkeit einer Revisionsoperation kommen können, auch wenn das Risiko gering sei. Der Einsatz einer Titanprothese hätte also den Erfolg der streitgegenständlichen Operation ebenfalls nicht sichergestellt.

4. Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerin greifen nicht ein, da Behandlungsfehler nicht festgestellt wurden und es Beweiserleichterungen für den Fall eines Aufklärungsfehlers nicht gibt.

IV. Der Klägerin war daher ein Schmerzensgeld zuzusprechen, welches die Kammer in einer Höhe von 5.000,00 € für angemessen aber auch ausreichend erachtet.

Das Schmerzensgeld weist eine Doppelfunktion auf. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für die Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Zugleich soll dem Gedanken Rechnung getragen werden, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung dafür schuldet, was er ihm angetan hat (Heinrichs in Palandt, BGB, 75. Auflage, § 253 Randziffer 4). Bei der Bemessung der nach § 253 Abs. 2 BGB zu gewährenden billigen Entschädigung sind die Schwere der Verletzungen, das dadurch bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers in Betracht zu ziehen, wobei der Grad des Verschuldens in Arzthaftungssachen regelmäßig nicht entscheidend ins Gewicht fällt (vgl. OLG Oldenburg, VersR 2010, 1221; OLG Bremen, VersR 2003, 779; OLG Köln, VersR 2003, 602, zitiert nach OLG Hamm, Urteil vom 16.12.2014 , Aktenzeichen 26 U 81/14, zitiert nach juris, Randziffer 34).

Grundsätzlich kommt bei der Bemessung des Schmerzensgeldes auch dem Gedanken, dass für vergleichbare Verletzungen, unabhängig vom Haftungsgrund, annähernd gleiche Schmerzensgelder zu gewähren sind, besondere Bedeutung zu (OLG Oldenburg, Urteil vom 02.08.2006, Aktenzeichen 5 U 16/06, zitiert nach juris, Randziffer 17, m.w.N.).

Die Kammer hat hier berücksichtigt, dass sich die Klägerin einer Revisionsoperation unterziehen musste, wobei diese deshalb erforderlich geworden war, weil das Implantat disloziiert war und sowohl in die Grund- als auch in die Deckplatte der Wirbel eingesunken war. Zudem war diese in das rechte Neuroforamen prolabiert. Die Kammer hat berücksichtigt, dass die Revisionsoperation zwar einen komplikationslosen Verlauf genommen hat, es sich hierbei aber gleichwohl um einen durchaus komplexen Eingriff handelt, mit den dabei für die Klägerin verbundenen Schmerzen und Beeinträchtigungen. Weiterhin ist die notwendig gewordene Heilungs- und Erholungsphase bei der Bemessung des Schmerzensgeldes miteinzubeziehen. Dagegen ist der Ersteingriff nicht schmerzensgelderhöhend in Betracht zu ziehen, auch wenn dieser mangels ausreichender Einwilligung rechtswidrig gewesen sind. Denn die Klägerin hat nicht behauptet, bei ordnungsgemäßer Aufklärung auf den operativen Eingriff verzichtet zu haben. Vielmehr hätte sie die Operation durchführen lassen, allerdings dafür jeweils eine Titan-Prothese gewählt.

Das Schmerzensgeld ist auch unter Berücksichtigung anderer Entscheidungen angemessen. Das LG Magdeburg hatte für eine nicht gerechtfertigte Bandscheibenoperation wegen unzureichender Aufklärung einen Betrag in Höhe von 2.500,00 € zugesprochen, wobei die Operation an sich und die Nachbehandlung nicht fehlerhaft waren. Weder eine Verbesserung noch eine Verschlechterung ist durch die Operation eingetreten (LG Magdeburg, Urteil vom 16. Februar 2011 – 9 O 1927/08 –, Rn. 40, juris). Das OLG Nürnberg hat in seinem Urteil vom 20.12.2013, Az. 5 U 217/13, bei einer mangels wirksamer Einwilligung rechtswidrig implantierten HWS-Bandscheibenprothese, die später wieder entfernt werden musste, ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,00 € zugesprochen. Das Schmerzensgeld wurde zum Ausgleich der beiden jeweils mehrstündigen Operationen in Vollnarkose und des stationären Aufenthalts zugesprochen (s. Hacks/Wellner/Häcker, 37. Aufl., lfd. Nr. 2522). Im Vergleich zu dem zitierten Urteil des LG Magdeburg war ein höherer Betrag angemessen, da hier nicht der Ersteingriff schmerzensgeldbegründend zu berücksichtigen war, sondern der Revisionseingriff, der für die Patienten in Anbetracht der bereits gemachten Erfahrungen mit höheren psychischen Belastungen, aber auch zumeist höheren Risiken im Hinblick auf Folgen verstärkter Vernarbungen verbunden ist. Die vom OLG Nürnberg zugesprochenen 8.000,00 € sind für zwei Operationen gewährt worden, sodass die Kammer hier unter Berücksichtigung einer Revisionsoperation ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 € für angemessen erachtet.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB.

B. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten kein Schadensersatzanspruch gemäß den §§ 280, 253 Abs. 2, 249, 252 BGB bzw. gemäß den §§ 831, 823, 843, 253 Abs. 2, 249, 252 BGB für Verdienstausfall und Fahrtkosten zu.

Die Klägerin ist insoweit beweisfällig geblieben, dass die von ihr geltend gemachten Schäden auf Behandlungsmaßnahmen der Beklagten zurückzuführen sind. Insoweit trägt bei Heileingriffen, die mangels ordnungsgemäßer Aufklärung rechtswidrig gewesen sind, der Patient die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Schadensfolge, für die er Ersatz verlangt, auch wirklich durch den Eingriff des Arztes verursacht worden ist und nicht auf anderes zurückgeht (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2012 – VI ZR 63/11, Rn. 10). Dieser Beweis ist vorliegend nicht erbracht. Der Sachverständige hat, insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen, deutlich gemacht, dass er die von der Klägerin beklagten Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht auf den ersten Eingriff zurückzuführen vermag. Dieser Würdigung schließt sich die Kammer aus rechtlichen Erwägungen an. Im Übrigen waren die Schäden auch bereits nicht schlüssig vorgetragen.

C. Der Feststellungsantrag ist bereits unzulässig.

Ein Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH NJW 2015, 873 Rn. 29; 2010, 1877 Rn. 12). Eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz bereits eingetretener und künftiger Schäden ist zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadeneintritts besteht. Ein Feststellungsinteresse ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund gegeben ist, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH NJW-RR 2007, S. 601, 601). So verhält es sich hier.

Unstreitig ist die bei dem Ersteingriff implantierte Prothese inzwischen wieder entfernt worden. Soweit die Klägerin geltend macht, dass in der Zukunft mit weiteren Schäden zu rechnen sei, ergibt sich bereits aus den obigen Ausführungen, dass die Beklagte für diese Schäden nicht einzustehen hat, weil sich ein Ursachenzusammenhang zwischen den geklagten Schmerzen und dem rechtswidrigen Ersteingriff nicht feststellen lässt. Zudem hat die Klägerin keine weiteren bzw. In der Zukunft drohenden Schäden substantiiert dargelegt, die auf die streitgegenständliche Operation zurückgeführt werden können.

D. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 709 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3, 9 ZPO.

 

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