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Behandlungsfehler – Anspruchsvoraussetzungen für Schadensersatzleistungen

LG Dortmund, Az.: 4 O 195/12

Urteil vom 18.12.2014

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die am … .195… geborene Klägerin nimmt die Beklagten gesamtschuldnerisch anlässlich einer ärztlichen Behandlung im Hause der Beklagten zu 2) vom 29.12.2011 bis zum 06.01.2012 auf Zahlung von Schmerzensgeld, Schadensersatz sowie Feststellung der weiteren Ersatzpflicht in Anspruch.

Der Beklagte zu 1) war Chefarzt der orthopädischen Abteilung im Hause der Beklagten zu 2).

Die Klägerin klagte bei ihrem Orthopäden Dr. I2 bereits seit dem Jahr 2001 über Beschwerden in der Lendenwirbelsäule. Sie stellte sich regelmäßig vor und beklagte auch Schmerzen in der Halswirbel- und Brustwirbelsäule sowie in den Skelettabschnitten. Aus den Behandlungsunterlagen der Klägerin ergibt sich zudem, dass sie unter rezidivierenden Entzündungen im Bereich der Mund- und Kieferregion litt.

Am 15.11.2011 stellte sie sich bei Dr. I2 wegen Beschwerden sowohl in der Halswirbel- als auch der Lendenwirbelsäule ohne neurologische Ausfälle vor.

Am 28.12.2011 begab sie sich wegen einer am 25.12.2011 erlittenen Blockade im Rücken in die ambulante Behandlung des Orthopäden Dr. C3, welcher der Klägerin eine schmerzstillende Spritze wirbelsäulennah in die linke Hüfte gab. Die Klägerin erhielt zudem Ibuprofen 600 mg, das sie zweimal täglich nehmen sollte. Die Schmerzen verschlimmerten sich jedoch so sehr, dass sie am 29.11.2011 mit einem Notarzt in das Haus der Beklagten zu 2) verbracht wurde.

Dort gab sie im Rahmen der Anamnese an, seit dem 25.12.2011 unter Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule zu leiden. Eine Ausstrahlung der Schmerzen in die Beine verneinte sie. Bei der anschließenden Untersuchung wurden keine Lähmungen und keine Radikulopathie festgestellt. Die Laborparameter zeigten eine deutliche Erhöhung des CRP-Wertes auf 7,1 und eine Leukozytose von 11,3.

Die Klägerin erhielt über eine Braunüle auf dem linken Handrücken einen Schmerztropf. Da die Orthopädie bis zum 02.02.2012 geschlossen hatte, wurde sie zunächst auf die Innere Station verlegt.

Für den 30.12.2011 war die Anwendung einer physikalischen Therapie beabsichtigt, die von der Klägerin ausweislich der Krankenunterlagen jedoch abgelehnt wurde. Bei der durchgeführten Kernspinuntersuchung am 30.12.2011 in der Praxis Dr. V wurden ausweislich des Befundberichtes keine Anhaltspunkte für eine Abszedierung oder für eine Einschmelzung gefunden. Es zeigten sich jedoch eine multisegmentale Osteochondrosis mit rechts medio-lateralem Bandscheibenvorfall, Spondylarthrosen der kleinen Wirbelgelenke und ein Bandscheibenvorfall medio-lateral.

Es ist in den Krankenunterlagen der Beklagten zu 2) dokumentiert, dass die Klägerin am 01.01.2012 über den Flur lief. Nach der Öffnung der orthopädischen Abteilung ab 02.01.2012 wurde sie auf diese verlegt. Die Schmerzmittelgabe erfolgte alsdann oral. Die Klägerin gab an, Beschwerden am linken Unterarm im Bereich der Venenverweilkanüle zu haben. Der Venenkatheter, der aufgrund der erfolgenden oralen Schmerzmittelgabe ohnehin nicht mehr benötigt wurde, wurde entfernt. Es ist dokumentiert, dass die „Viggo“ nach den Angaben der Klägerin auch schon am Sonntag, den 01.01.2012, geschmerzt habe, sie aber niemandem etwas gesagt habe.

Am 03.01.2012 war eine Rötung an der Einstichstelle ersichtlich, so dass die Diagnose einer Phlebitis gestellt wurde. Die Hand wurde mit einem entzündungshemmenden Salbenverband behandelt. Infiltrationen wurden von der Klägerin abgelehnt. Sie setzte ausweislich der Krankenunterlagen zudem das verordnete Tramal selbstständig ab. Die Klägerin hielt ausweislich der Krankenunterlagen auch am 04.01.2011 an ihrer ablehnenden Haltung hinsichtlich der beabsichtigten Infiltrationen fest.

Der Lokalbefund am Unterarm nahm zu, weshalb eine Antibiose angeordnet wurde sowie eine Anlage von Furazinverbänden erfolgte. Der CRP-Wert betrug 19 mg/dl. Die Temperatur war erhöht.

Die Klägerin gab ausweislich der Dokumentation am 05.01.2012 an, sich gut zu fühlen. Lediglich die reinen LWS-Beschwerden hätten wieder zugenommen. Die Behandlung mittels Furazinverband und Antibiose wurde fortgesetzt. Der CRP-Wert fiel bis auf 14,6 ab. Die Leukozyten lagen bei 16,2.

Am 06.01.2012, dem Entlassungstag, lehnte die Klägerin ausweislich der Dokumentation erneut die empfohlene physikalische Therapie ab. Es wurden Fotografien der linken Hand gefertigt, die eine Ausdehnung der Phlebitis auf ca. 3-4 cm zeigen.

Am 08.01.2012 stellte sich die Klägerin im T-Hospital E vor. Dort wurde eine Thrombophlebitis der linken Hand ohne Hinweis auf einen Abszess diagnostiziert und ein Verband sowie die Fortführung der Antibiose verordnet. Weiterhin wurde die Kontrolle durch einen niedergelassenen Chirurgen empfohlen.

Der Hausarzt der Klägerin, Dr. I3, verordnete ausweislich der Dokumentation keine weiteren Antibiotika.

Am 16.01.2012 stellte sich die Klägerin bei ihrem niedergelassenen Orthopäden vor. Es zeigte sich ein rechtsseitiges, endgradiges positives Lasègue-Zeichen im Sinne eines Ischiasdehnungsschmerzes sowie Blockierungsphänomene bei bekanntem Bandscheibenvorfall L4-S1. Am 17.1.2012 stellte sich die Klägerin erneut bei Dr. I3 vor. Der CRP-Wert lag bei 11,4.

Dr. I3 überwies die Klägerin mit einem zuletzt gemessenen CRP-Wert von 12,7 in das Universitätsklinikum C4, wo sie vom 24.01.2012 bis zum 03.02.2012 stationär behandelt wurde. Es wurde die Diagnose einer Spondylodiszitis mit Bakteriämie (Staphylococcus aureus) gestellt. Ein MRT vom 26.01.2012 zeigte ein ausgedehntes Ödem ohne Abszessbildung. Die Spondylodiszitis wurde durch Antibiotika sowie Analgetika konservativ behandelt. Der Klägerin wurde zudem ein Korsett verordnet.

Die Klägerin behauptet, die Beklagten hätten eine sich ausbildende Spondylodiszitis übersehen, die schon seit dem 29.12.2011 bestanden habe. Die Diszitis sei auf der Kernspinaufnahme vom 30.12.2011 bereits zu erkennen gewesen.

Falls die Spondylodiszitis bei ihrer Aufnahme noch nicht vorgelegen habe, sei sie durch die Phlebitis und die damit in Zusammenhang stehende Behandlung fehlerhaft verursacht worden. Es sei unhygienisch gearbeitet worden, sodass der Staphylococcus aureus in ihren Körper habe eindringen können. Eine Schreibkraft habe die Venenverweilkanüle ohne Handschuhe und ohne Desinfektion entfernt. Zuvor habe sie noch im Schwesternzimmer an einem Computer gesessen und getippt. Am 03.01.2012 habe sich an der Einstichstelle ein Eiterpfropf gebildet, der mit einer Punktionsnadel habe aufgestochen werden sollen. Die Nadel sei dem Pfleger jedoch auf den Fußboden gefallen sei. Er habe sie mit den Handschuhen, die er angehabt habe, vom Boden aufgehoben und zunächst weiterverwenden wollen. Auf ihre Intervention habe er dann den Raum verlassen, sei aber mit den gleichen Handschuhen, mit denen er die Nadel vom Boden aufgehoben und die Türklinke angefasst habe, wieder hineingekommen, und habe die Behandlung ohne einen Wechsel der Handschuhe fortgesetzt. Der Eiterpfropf sei dann ausgedrückt worden.

Sie sei nicht während des gesamten Krankenhausaufenthaltes mobil gewesen. Für die Kernspinuntersuchung sei sie krankentransportiert worden. Sie sei nicht einmal in der Lage gewesen, auf dem Bauch zu liegen, weshalb die Infiltrationen nicht hätten durchgeführt werden können. Sie habe am 05.01.2012 auch nicht angegeben, dass es ihr gut gehe. Nur die Handentzündung sei wegen der Antibiotikagabe besser gewesen.

Am 06.01.2012 habe sie geradezu um eine physikalische Therapie gebettelt, die sie aber nicht erhalten habe. Ihr seien auch keine weiteren Schmerzmittel verordnet worden. Vielmehr sei ignoriert worden, dass sie so starke Schmerzen, auch Klopfschmerzen in der Wirbelsäule, gehabt habe, dass sie sich nur im Rollstuhl habe fortbewegen können. Die Entzündungswerte seien derart hoch gewesen, dass sie nicht hätte entlassen werden dürfen.

Sie habe seit Januar 2012 erheblich unter der Spondylodiszitis durch Staphylococcus aureus gelitten. Sie habe auch immer noch Rückenschmerzen, die sie in ihrem täglichen Leben stark beeinträchtigten.

Sie ist daher der Auffassung, dass ein Schmerzensgeld von mindestens 25.000,00 EUR angemessen sei.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie ein in das Ermessen des Gerichtes gestelltes Schmerzensgeld nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 27.09.2012 zu zahlen,

2. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 11.255,12 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr als Gesamtschuldner alle gegenwärtigen und künftigen materiellen sowie nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aus der Behandlung vom 29.12.2011 bis 06.01.2012 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind,

4. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 1.827,84 EUR an außergerichtlichen Kosten nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.09.2012 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Während die Klägerin sich in ihrer Behandlung befunden habe, sei keine Diszitis vorhanden gewesen. Jedenfalls hätten keine Anhaltspunkte für eine solche bestanden. Die degenerativen Veränderungen im Segment L4/5 mit Spondylarthrosen sowie mit Bandscheibenprotrusionen seien bei fehlender Radikulopathie nicht symptomatisch gewesen. Ausstrahlende Schmerzen oder Dysästhesien hätten zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen. Die Klägerin sei während des gesamten Verlaufs mobil gewesen.

Nachdem die Klägerin erstmals Schmerzen im Unterarm im Bereich des Venenverweilkatheters beklagt habe, sei dieser unmittelbar entfernt worden. Auf der fraglichen Station arbeiteten keine Schreibkräfte. Vielmehr habe eine Schwester, die Zeugin N (vormals Q), den Verweilkatheter entfernt. Auf die Phlebitis sei auch sonst durch die Anlage von Verbänden und die antibiotische Abdeckung fachgerecht reagiert worden.

Bei der Entlassung sei der Lokalbefund am linken Unterarm im Abklingen begriffen gewesen. Die noch bestehende moderate Erhöhung der Entzündungswerte sei kein Grund, welcher der Entlassung entgegengestanden habe. Es hätten auch keine weiteren Therapieoptionen im stationären Bereich bestanden, da sowohl die Medikation als auch physikalische Therapie und Infiltrationen abgelehnt worden seien.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Kammer hat die Parteien in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört. Es ist zudem Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeugin N sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Herrn Prof. Dr. L2, das der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert hat. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Gutachten vom 18.12.2013 (Bl. 116 ff. d. A.) sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 18.12.2014 (Bl. 190 ff. d. A.).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin stehen aus der streitgegenständlichen Behandlung vom 29.12.2011 bis zum 06.01.2012 weder Ansprüche wegen der Verletzung von Pflichten aus dem Heilbehandlungsvertrag gemäß §§ 280 Abs. 1, 611 BGB noch Ansprüche wegen unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 Abs. 1, 831 BGB gegen die Beklagten zu. Denn die Klägerin konnte eine fehlerhafte Behandlung, die für die von ihr behaupteten Folgen ursächlich geworden ist, nicht beweisen.

Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass im Hinblick auf die Behandlung der Rückenbeschwerden der Klägerin keine Versäumnisse der Beklagten erfolgt sind. Hiervon ist die Kammer aufgrund der überzeugenden und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. L2, denen sie sich in vollem Umfang anschließt, überzeugt. Als Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie verfügt der Sachverständige sowohl über fundiertes theoretisches Wissen als auch über eine umfassende praktische Erfahrung. Die Ausführungen des Sachverständigen beruhen auf einer gründlichen Aufarbeitung der Behandlungsunterlagen. Er hat sämtliche für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen Fragen in seinem Gutachten und im Rahmen seiner Anhörung klar und eindeutig beantwortet. Es spricht nach den Ausführungen des Sachverständigen zwar einiges dafür, dass ein schleichender Prozess der Spondylodiszitis bereits bei der Aufnahme der Klägerin im Hause der Beklagten zu 2) vorlag, da der CRP-Wert deutlich erhöht war und somit anzeigte, das ein entzündlicher Prozess im Körper der Klägerin stattfand. Bei der Spondylodiszitis handelt es sich – so der Sachverständige – jedoch um eine seltene Erkrankung, die insbesondere im Frühstadium schwierig zu diagnostizieren ist. Denn die Bandscheiben sind nicht durchblutet, wodurch sich eine Entzündung nur langsam entwickelt. Das MRT-Bild vom 30.12.2011 zeigt, wie der Sachverständige weiter ausgeführt hat, keinen Hinweis für eine Spondylodiszitis, sodass eine solche anhand des Kernspinbefundes von den Beklagten auch nicht diagnostiziert werden musste. Klinisch ist eine Spondylodiszitis nur sehr schwierig zu diagnostizieren. Da es durch den MRT-Befund und die sich dort zeigenden degenerativen Veränderungen eine Erklärung für die Beschwerden der Klägerin gab, war eine weitere Untersuchung vor der Entlassung der Klägerin nicht angezeigt.

Es bestand auch kein Bedürfnis, den stationären Aufenthalt wegen der Erhöhung der Entzündungswerte zu verlängern. Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass es nicht notwendig ist, dass Patienten mit Rückenschmerzen stationär aufgenommen werden, wenn keine neurologischen Ausfälle oder Schmerzen in besonderem Ausmaß vorliegen. Ein derartiges Schmerzmaß ist nach den Ausführungen des Sachverständigen vorliegend nicht ersichtlich. Die Klägerin hat vielmehr selbstständig das ihr verordnete Schmerzmedikament „Tramal“ abgesetzt und ist zudem nach eigenen Angaben am 01.01.2012 bereits über den Flur zum Schwesternzimmer gelaufen. Daher war es ausreichend, der Klägerin wegen der erhöhten Entzündungswerte ein Antibiotikum zu verordnen und bei ihrer Entlassung im Entlassungsbrief eine Anpassung der antibiotischen Therapie sowie eine Laborkontrolle zu empfehlen.

Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Spondylodiszitis durch die Behandlung der Beklagten hervorgerufen wurde. Ursache einer solchen Spondylodiszitis können kleinste Entzündungen im Körper sein, die sich in der Wirbelsäule festsetzen. Vorliegend kommt aufgrund der Anamnese der Klägerin beispielsweise eine Zahn-/oder Kieferentzündung als Ursache in Betracht. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist es oftmals so, dass sich die Ursache einer Spondylodiszitis überhaupt nicht feststellen lässt. Er konnte unter der Annahme, dass bereits bei der Aufnahme der Klägerin im Hause der Beklagten zu 2) ein schleichender Prozess der Spondylodiszitis bestand, infolge des zeitlichen Ablaufes lediglich ausschließen, dass die schmerzstillende Spritze, welche die Klägerin in der Praxis Dr. C3 erhalten hat, diese hervorgerufen hat.

Soweit die Spondylodiszitis nicht bereits vorgelegen hat, ist es denkbar, dass diese durch die Phlebitis hervorgerufen worden ist. Bei der Entzündung einer Vene nach einer Infusionstherapie handelt es sich nach den Ausführungen des Sachverständigen jedoch um ein immanentes Risiko jeglicher venöser Zugänge. Sollte die Thrombophlebitis daher für die Spondylodiszitis kausal gewesen sein, wäre dies schicksalhaft.

Ein Behandlungsfehler liegt nur dann vor, wenn falsch oder zu spät auf die Phlebitis reagiert wird. Nach den Erläuterungen des Sachverständigen bestehen vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte für eine Verzögerung der Behandlung. Die Klägerin konnte auch nicht beweisen, dass das Ziehen der Venenverweilkanüle fehlerhaft erfolgt ist oder anderweitige Hygienemängel vorlagen, die kausal für die Entstehung der Spondylodiszitis bzw. ein Eindringen des Staphylococcus aureus in ihren Körper waren.

Bei einer Rötung und Schmerzen infolge einer Venenverweilkanüle entspricht es dem üblichen Ablauf, den Katheter zu ziehen und einen Salbenverband anzulegen. Dies ist vorliegend geschehen. Feste Vorgaben dafür, wie die Entfernung der Venenverweilkanüle erfolgen soll, existieren nicht. Zum Eigen- und auch zum Fremdschutz sollten bei der Entfernung des Zugangs jedoch Handschuhe angezogen werden, obwohl es in aller Regel beim Ziehen nicht zu einem Kontakt mit der Wunde kommt. Die Kanüle wird an einem Ende festgehalten und gezogen, während mit der anderen Hand mithilfe mehrerer Tupfer, die nach den Erläuterungen des Sachverständigen nicht steril sein müssen, ein Druckverband angelegt wird. Dies erfolgt in erster Linie zur Vermeidung einer Nachblutung, weniger zur Vermeidung einer Infektion, da sich die Vene direkt nach dem Entfernen der Kanüle verschließt.

Die Kammer ist überzeugt davon, dass die Zeugin N bei dem Entfernen der Kanüle Handschuhe getragen und anschließend einen Druckverband mit Tupfern angelegt hat. Die Zeugin hat im Rahmen ihrer Vernehmung glaubhaft angegeben, noch eine konkrete Erinnerung an die Patientin sowie daran zu haben, die Kanüle mit Handschuhen entfernt und anschließend Tupfer auf der Wunde befestigt zu haben. Die Zeugin hat die Klägerin als schwierige Patientin erlebt, welche von ihr und ihren Kollegen stets besonders gut im Gedächtnis behalten werden. Die Kammer kann daher nachvollziehen, dass sich die Zeugin noch an Einzelheiten erinnert, obwohl der stationäre Aufenthalt der Klägerin im Hause der Beklagten nunmehr geraume Zeit zurückliegt. Im Übrigen hat die Zeugin aber auch ausgeführt, dass sie bei der Verrichtung von Tätigkeiten, die mit Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin und Stuhl zusammenhängen, zu ihrem eigenen Schutz stets Handschuhe trägt. Im streitgegenständlichen Zeitpunkt habe sie zudem besonders großen Wert auf ihren eigenen Schutz gelegt, da sie versucht habe, schwanger zu werden. Die Kammer ist daher überzeugt davon, dass die Zeugin für ihre eigene Gesundheit und für die Gesundheit eines ungeborenen Kindes kein Ansteckungsrisiko eingegangen wäre. Die Zeugin hat weiterhin erklärt, dass das Tragen von Handschuhen für sie auch deswegen eine Selbstverständlichkeit sei, weil sie Praxisausbilderin sei und ihre Schüler regelmäßig anleite, Hygieneregeln einzuhalten. Die zur Entfernung von Venenverweilkathetern notwendigen Utensilien lägen auch griffbereit im Schwesternzimmer bereit. Im Rahmen ihrer mündlichen Anhörung konnte sich die Klägerin in Konkretisierung ihres bisherigen Vorbringens daran erinnern, dass im Anschluss an das Ziehen der Kanüle ein Pflaster oder ein Tupfer auf der Wunde befestigt wurde, was zur Überzeugung der Kammer geführt hat, dass auch ein Druckverband angelegt worden ist.

Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass keine Notwendigkeit für eine Abstrichuntersuchung bestand, zumal diese bei einer Phlebitis eher schwierig ist.

Als sich der Lokalbefund verschlimmert hat, ist richtigerweise ein Antibiotikum verordnet worden. Es ist zudem nicht zu beanstanden und entspricht dem üblichen Verlauf, dass die Eiterpustel aufgestochen wurde. Abszedierungen sollten nach den Ausführungen des Sachverständigen geöffnet werden. Dass der Pfleger die auf den Boden gefallene Nadel benutzt hat, behauptet die Klägerin selbst nicht. Wenn der Pfleger- wie von der Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung erstmals geschildert – mit den gleichen Handschuhen, mit denen er zuvor den Boden berührt hat, die neue Nadel angefasst und den Eiterpfropf aufgestochen haben sollte, wäre dies fehlerhaft. Es läge jedoch kein grober Behandlungsfehler vor, da es bei Kenntnis von Krankenhausabläufen nicht schlechterdings unverständlich ist, dass Handschuhe nicht so regelmäßig gewechselt werden, wie es der hygienische Standard erfordert.

Damit verbleibt die Beweislast dafür, dass die Behandlung der Phlebitis für die Spondylodiszitis und die Infizierung mit dem Staphylococcus aureus, bei dem es sich um einen ubiquitären Keim handelt, kausal war, bei der Klägerin. Dieser Beweis ist ihr indes nicht gelungen. Als Ursache für die Spondylodiszitis kommt – wie bereits ausgeführt – eine Vielzahl von Ursachen in Betracht. Eine Vernehmung des Ehemannes des Klägerin, der bezeugen können sollte, dass der Pfleger bei dem Aufstechen der Wunde dieselben Handschuhe trug, war daher nicht erforderlich.

Da die Kammer keinen für die von der Klägerin behaupteten Folgen kausalen Behandlungsfehler feststellen konnte, unterlag die Klage folglich insgesamt der Abweisung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 Satz 2 ZPO.

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