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BGH: Keine vorgeschriebene Bedenkzeit zwischen ärztlicher Aufklärung und Patienteneinwilligung

Bedenkzeit nicht zwingend notwendig: Patient kann direkt nach Aufklärung zur Behandlung einwilligen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Patienten keine verbindliche Bedenkzeit einhalten müssen, bevor sie einer medizinischen Behandlung zustimmen. Nach der ärztlichen Aufklärung kann der Patient sofort seine Zustimmung zur Behandlung geben, wenn er sich dazu in der Lage sieht. Allerdings sollten Ärzte beachten, ob der Patient offensichtlich mehr Zeit zur Entscheidungsfindung benötigt. Medizinisch dringende Maßnahmen sind von diesen Grundsätzen ausgenommen. Das Urteil konkretisiert die gesetzlichen Vorschriften zur Informationspflicht und zum Einholen der Einwilligung von Patienten für medizinische Behandlungen.

Bundesgerichtshof klärt auf: „Aufgeklärte Zustimmung“ und ihre Relevanz in der medizinischen Praxis

Keine Bedenkzeit nach ärztlicher Aufklärung notwendig
Der BGH bestätigt: Keine verpflichtende Bedenkzeit zwischen medizinischer Aufklärung und Einwilligung des Patienten. Der Zeitpunkt der Entscheidung liegt im Ermessen des Patienten. (Symbolfoto: Chay_Tee /Shutterstock.com)

In der Welt des Rechts, speziell in Bezug auf medizinische Belange, gibt es viele Aspekte, die für den Laien komplex und schwer verständlich sein können. Einer dieser Aspekte ist das Konzept der „aufgeklärten Zustimmung“, die in der medizinischen Praxis von größter Bedeutung ist. Sie stellt sicher, dass Patienten eine wohlüberlegte Entscheidung über ihre medizinische Behandlung treffen können. Vor Kurzem hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Deutschland mit einer Leitsatzentscheidung (Az.: VI ZR 375/21 vom 20.12.2022) wichtige Klärungen zu diesem Thema vorgenommen, die für die Praxis relevant sind. In diesem Artikel werden wir diese Entscheidung, ihre Auswirkungen und die damit verbundenen gesetzlichen Bestimmungen ausführlich diskutieren und erklären.

Die Rolle der „aufgeklärten Zustimmung“ im Gesundheitswesen

Zunächst ist es wichtig zu verstehen, was die „aufgeklärte Zustimmung“ eigentlich bedeutet und warum sie im Gesundheitswesen so wichtig ist. Die aufgeklärte Zustimmung ist ein grundlegender Bestandteil der ärztlichen Ethik und des Medizinrechts. Sie besagt, dass ein Patient nach umfassender Aufklärung durch einen Arzt oder eine Ärztin eine informierte Entscheidung darüber treffen kann, ob er eine bestimmte Behandlung wünscht oder ablehnt. Dabei müssen dem Patienten alle relevanten Informationen zur Verfügung gestellt werden, einschließlich der Risiken und Vorteile der vorgeschlagenen Behandlung sowie möglicher Alternativen.

Dieses Prinzip ist in den §§ 630d und 630e des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verankert. Gemäß § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB muss die Aufklärung über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann. In der Praxis können jedoch Fragen und Unklarheiten bezüglich der konkreten Auslegung dieser Vorschrift auftreten.

Der Fall vor dem Bundesgerichtshof

Die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) befasste sich genau mit einer solchen Unklarheit. Im Kern ging es um die Frage, ob es eine verbindliche „Bedenkzeit“ zwischen der ärztlichen Aufklärung und der Entscheidung des Patienten über die Erteilung oder Versagung der Einwilligung geben muss.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte ein Patient ein Klinikum aufgrund einer fehlerhaften medizinischen Behandlung und einer angeblich unzureichenden Aufklärung verklagt. Er behauptete, dass er direkt nach der Aufklärung durch die Ärztin über die Risiken des geplanten Eingriffs das Einwilligungsformular unterzeichnet hatte und somit keine ausreichende Bedenkzeit hatte.

Das Landgericht hatte die Klage des Patienten abgewiesen, das Oberlandesgericht (OLG) entschied jedoch in der Berufung zugunsten des Patienten. Es argumentierte, dass dem Patienten keine Bedenkzeit zwischen der Aufklärung über die Risiken und der Entscheidung über die Einwilligung eingeräumt wurde. Daher könne nicht von einer wohlüberlegten Entscheidung im Sinne des § 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB gesprochen werden.

Entscheidung des Bundesgerichtshofes

Der BGH widersprach jedoch der Interpretation des OLG. Es entschied, dass die Aufklärung und Einwilligung in diesem Fall insgesamt ordnungsgemäß erfolgten, einschließlich der Einräumung ausreichender Bedenkzeit. Das Gericht argumentierte, dass das OLG den Wortlaut des § 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB überspannte und überzogene Anforderungen an die Einwilligungspflichten des Patienten stellte.

Laut BGH muss der Patient vor dem geplanten Eingriff nur so rechtzeitig aufgeklärt werden, dass er durch eine ausreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen kann.

Die Bedeutung der Entscheidung des BGH

Die Entscheidung des BGH ist von großer Bedeutung für die medizinische Praxis und für Patienten. Sie klärt, dass kein fester Zeitraum oder gar eine „Sperrfrist“ zwischen der Aufklärung durch den Arzt und der Einwilligung durch den Patienten liegen muss. Der BGH betont, dass der Zeitpunkt der Entscheidung über die Einwilligung „Sache des Patienten“ ist. Das bedeutet, dass, wenn sich ein Patient nach dem Aufklärungsgespräch in der Lage sieht, eine wohlüberlegte Entscheidung zu treffen, er das Recht hat, seine Einwilligung sofort zu erteilen. Wenn der Patient jedoch noch Bedenkzeit wünscht, kann er sich entscheiden, die Einwilligung zunächst nicht zu erteilen.

Ausnahmen von der Regelung

Der BGH hat jedoch auch Ausnahmen von dieser Regelung festgestellt. Wenn es für den Arzt oder die Ärztin klar erkennbar ist, dass der Patient noch Bedenkzeit benötigt, muss dies berücksichtigt werden. Der Patient darf nicht zu einer Entscheidung gedrängt oder „überfahren“ werden. Ein weiterer Ausnahmefall sind medizinisch dringende Maßnahmen. Bei solchen Maßnahmen können die normalen Anforderungen an die Aufklärung und Einwilligung aus Gründen der medizinischen Notwendigkeit abgewichen werden.

Schlussfolgerungen und Fazit

Diese Entscheidung des BGH stellt eine wichtige Klarstellung für die medizinische Praxis und die Patientenrechte in Deutschland dar. Es verdeutlicht, dass die Einwilligung in eine medizinische Behandlung eine höchst persönliche Entscheidung ist, die auf einer ausreichenden Aufklärung und einer individuell angemessenen Bedenkzeit basieren muss. Es sollte jedoch betont werden, dass diese Entscheidung nicht bedeutet, dass Ärzte ihre Patienten nicht mehr über die Notwendigkeit einer Bedenkzeit beraten sollten. Es ist nach wie vor die Pflicht der Ärzte, ihre Patienten vollständig über die möglichen Risiken und Folgen einer Behandlung aufzuklären und ihnen genügend Zeit zu geben, um eine informierte Entscheidung zu treffen. Die Entscheidung des BGH stellt klar, dass die endgültige Entscheidung über die Einwilligung in die Behandlung beim Patienten liegt.

Darüber hinaus zeigt dieser Fall, wie wichtig es für Patienten ist, ihre Rechte zu kennen und auszuüben. Patienten sollten immer sicherstellen, dass sie eine vollständige Aufklärung über ihre Behandlung erhalten haben und genug Zeit haben, um darüber nachzudenken, bevor sie ihre Zustimmung geben. Diese Entscheidung hat auch Auswirkungen auf zukünftige Gerichtsverfahren in ähnlichen Fällen. Die Klarstellung durch den BGH kann dazu beitragen, dass in ähnlichen Fällen künftig einheitlichere Urteile ergehen.

Abschließend sollte erwähnt werden, dass die Entscheidung des BGH auch die Notwendigkeit einer fortlaufenden Diskussion und möglicher Reformen im Bereich der Patientenrechte und -pflichten in Deutschland unterstreicht. Wie dieser Fall zeigt, gibt es immer noch Bereiche im Gesundheitswesen, in denen die Rechte und Pflichten von Patienten und Ärzten weiter klargestellt und verbessert werden müssen.

Der Einfluss der Entscheidung auf den Gesundheitssektor

Die Entscheidung des BGH hat weitreichende Auswirkungen auf den Gesundheitssektor. Sie kann dazu beitragen, die Patientenrechte zu stärken und das Verhältnis zwischen Arzt und Patient zu verbessern. Sie kann auch dazu beitragen, das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Gesundheitssystem zu stärken, indem sie die Verantwortung und Autonomie der Patienten in Bezug auf ihre eigene Gesundheitsversorgung betont.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass diese Entscheidung nicht bedeutet, dass Ärzte nicht weiterhin in ihrer Pflicht sind, sicherzustellen, dass ihre Patienten, wie bereits erwähnt, vollständig über eine vorgeschlagene Behandlung aufgeklärt sind. Es bleibt die Verantwortung des Arztes, dem Patienten eine umfassende Information über alle möglichen Risiken und Folgen der Behandlung zu geben, um eine informierte Zustimmung zu gewährleisten. Die Entscheidung unterstreicht jedoch, dass die endgültige Entscheidung über die Behandlung beim Patienten selbst liegt.

Das Urteil des BGH dient als Mahnung, dass die Aufklärungspflicht nicht nur ein formeller Schritt im Behandlungsprozess ist, sondern ein wesentlicher Bestandteil der Patientenautonomie und -rechte. Es zeigt, wie wichtig es ist, Patienten genügend Zeit und Raum zu geben, um ihre Entscheidung zu treffen. Und es betont, dass Patienten sich nicht gedrängt fühlen sollten, eine Entscheidung zu treffen.

Ausblick

Insgesamt kann diese Entscheidung als ein Sieg für die Patientenautonomie in Deutschland betrachtet werden. Sie bietet eine wichtige Klarstellung über die Bedeutung der Patientenentscheidung und stärkt die Rechte der Patienten im Gesundheitssystem. Sie unterstreicht die Notwendigkeit für Ärzte, ihre Patienten vollständig und rechtzeitig über ihre Behandlung aufzuklären und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Entscheidung wohlüberlegt zu treffen. Das Urteil hat auch Auswirkungen auf die zukünftige Rechtsprechung und könnte als Leitlinie für ähnliche Fälle dienen. Es könnte auch dazu beitragen, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Patientenaufklärung weiter zu entwickeln und zu verbessern.

Zum Abschluss betont dieses Urteil die Bedeutung des Dialogs zwischen Arzt und Patient und die Rolle des Patienten als aktiver Teilnehmer in seiner Gesundheitsversorgung. Es hebt die Bedeutung von Informationsfreiheit und Entscheidungsfreiheit als grundlegende Aspekte der Patientenrechte hervor.

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