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Fehlerhafte Implantation Hirnimpulsgenerator

OLG Dresden – Az.: 4 W 448/18 – Beschluss vom 01.06.2018

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 17.04.2018 (Az. 7 O 81/18) wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für die von ihr beabsichtigte Klage, mit welcher sie ein Schmerzensgeld i.H.v. mindestens 200.000,00 EUR nebst Zinsen, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 5.385,94 EUR nebst Zinsen sowie die Feststellung verlangt, dass die Antragsgegnerin – vorbehaltlich eines Anspruchsübergangs – verpflichtet ist, ihr allen materiellen Schaden und den weiteren immateriellen Schaden aus behaupteten Behandlungsfehlern anlässlich der Behandlungen im Hause der Antragsgegnerin ab dem Jahr 2008 zu ersetzen.

Mit Beschluss vom 17.04.2018 hat das Landgericht Leipzig dem Antrag lediglich teilweise stattgegeben. Hinreichende Erfolgsaussicht der Klage sei lediglich insoweit gegeben, als ein Schmerzensgeld i.H.v. 35.000,00 EUR beansprucht wurde; dementsprechend reduziere sich auch der Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten auf 2.085,95 EUR bei Zugrundelegung einer 1,3-Gebühr.

Gegen den am 24.04.2018 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 03.05.2018, am selben Tag beim Landgericht Leipzig per Telefax eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt, der das Landgericht mit Beschluss vom 08.05.2018 nicht abgeholfen, sondern diese dem Oberlandesgericht Dresden zur Entscheidung vorgelegt hat.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und form- sowie fristgerecht (§ 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) eingelegt worden. Sie ist jedoch nicht begründet, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung lediglich in dem vom Landgericht festgestellten Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

1.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat das Landgericht zu Recht hinreichende Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage lediglich bezogen auf den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 35.000,00 EUR bejaht.

Nach § 253 Abs. 2 BGB ist wegen der Verletzung des Körpers und der Gesundheit auch für den Schaden, der kein Vermögensschaden ist, eine „billige Entschädigung in Geld“ zu leisten. Dem Schmerzensgeld kommt dabei eine Doppelfunktion zu: Es soll einmal einen Ausgleich für Schäden nicht vermögensrechtlicher Art bieten und zum anderen eine Genugtuung für das Unrecht darstellen, dass der Schädiger dem Geschädigten angetan hat. Dabei hat i.d.R. die Ausgleichsfunktion größeres Gewicht als die Genugtuungsfunktion. Bei der Genugtuungsfunktion ist das Ausmaß des Verschuldens des Schädigers zu berücksichtigen, im Rahmen der Ausgleichsfunktion spielen insbesondere Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen und Leiden, Entstellungen, psychische Beeinträchtigungen, Dauer stationärer und ambulanter Heilbehandlung, Zeitraum einer Arbeitsunfähigkeit und Höhe des Dauerschadens eine Rolle (vgl. nur Senat, Urteil vom 22.05.2018, Az. 4 U 1231/17, zit. nach juris, m.w.N.; OLG Köln, Beschluss vom 28.07.2017, Az. 19 U 50/17, zit. nach juris). Bei der Schmerzensgeldbemessung ist zu beachten, dass für vergleichbare Verletzungen möglichst annähernd gleiches Schmerzensgeld zu gewähren ist, weshalb Schmerzensgeldtabellen eine wichtige Bedeutung zukommt. Andererseits sind die in den Tabellen erfassten Fälle keine verbindlichen Präjudizien, vielmehr bilden sie nur den Ausgangspunkt für die gerichtlichen Erwägungen zur Schmerzensgeldbemessung und sind nur im Rahmen des zu beachtenden Gleichheitsgrundsatzes als Orientierungsrahmen zu berücksichtigen (vgl. nur OLG Köln, aaO., m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht vorliegend lediglich ein Schmerzensgeld i.H.v. 35.000,00 EUR für angemessen erachtet hat. Zum einen war in diesem Zusammenhang im Prozesskostenhilfeverfahren zwar von der Behauptung der Antragstellerin auszugehen, bereits die tiefe Hirnstimulation durch Implantation eines Impulsgenerators im Jahr 2008 sei mangels Indikation behandlungsfehlerhaft bzw. mangels ordnungsgemäßer Aufklärung rechtswidrig gewesen, die Antragstellerin habe sich infolgedessen zahlreichen Folgebehandlungen unterziehen müssen. Zum anderen geht aus den vorgelegten Behandlungsunterlagen aber auch hervor, dass die Antragstellerin seit der Operation im Jahr 2008 immer wieder beschwerdefreie Intervalle hatte, so dass sie zwischendurch sogar wieder ihrem Beruf als Lehrerin nachgehen konnte (vgl. Anlage K 1, Bl. 305, 617), bevor sie dann im Jahr 2011 dauerhaft erwerbsunfähig wurde. Darüber hinaus ist bei der Schmerzensgeldbemessung aber auch zugrunde zu legen, dass die Antragstellerin an Morbus Parkinson, mithin einer schweren Vorerkrankung leidet, die ausweislich der vorgelegten Behandlungsunterlagen auch bereits vor dem Eingriff im Jahr 2008 zu erheblichen Beeinträchtigungen (Anlage K 1 – Bl. 419, 423, 617) geführt hatte. Der vorliegende Sachverhalt ist aus Sicht des Senates daher vergleichbar mit dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 30.05.2012 (Az. 5 U 44/06, zit. nach juris) zugrunde lag und in der das Oberlandesgericht ein Schmerzensgeld i.H.v. 40.000,00 EUR als angemessen angesehen hat. Dagegen sind die von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen des OLG Hamm vom 03.09.2013 sowie 17.03.2015 mit dem vorliegenden Sachverhalt bereits deshalb nicht vergleichbar, weil die dortigen Kläger an keinerlei Vorerkrankungen gelitten haben. Zudem ist die Entscheidung des OLG Hamm vom 03.09.2013 nicht rechtskräftig, sondern vom BGH mit Urteil vom 30.09.2014 (Az. VI ZR 443/13) aufgehoben worden.

2.

Dahingestellt bleiben kann vorliegend, ob der Antragstellerin, wie von ihr behauptet, ein weitergehender Anspruch auf Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten zusteht. Denn bei der Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung ist grundsätzlich nicht entscheidend, inwieweit Nebenforderungen Erfolg haben werden, wenn diese – wie hier – den Streitwert nicht erhöhen (vgl. nur OLG Brandenburg, Beschluss vom 15.09.2010, Az. 12 W 38/10, zit. nach juris; Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 114 Rz. 23b).

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO) sind nicht gegeben.

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