Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Berufung im Arzthaftungsprozess vor dem OLG Köln
- Hintergrund des Falles: Augenbehandlung und Kopfschmerzen
- Der geltend gemachte Schaden: Entgangene Versicherungsleistung
- Die Entscheidung des Landgerichts Bonn
- Die rechtliche Bewertung des OLG Köln
- Ergebnis: Keine Haftung der Klinik
- Bedeutung für Betroffene
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet Arzthaftung und wann greift sie?
- In welchen Fällen kann ich als Patient Schadensersatz von einem Arzt oder einer Klinik fordern?
- Was ist der Unterschied zwischen einem Gesundheitsschaden und einem reinen Vermögensschaden im Rahmen der Arzthaftung?
- Was bedeutet der „Schutzzweck der Norm“ im Zusammenhang mit der Arzthaftung?
- Welche Rolle spielt die ärztliche Dokumentation im Arzthaftungsprozess und welche Rechte habe ich als Patient in Bezug auf meine Patientenakte?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Hinweise und Tipps
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: I-5 U 107/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Köln
- Datum: 19.02.2025
- Aktenzeichen: I-5 U 107/24
- Verfahrensart: Beschluss
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Partei, die Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Bonn eingelegt hat; war Patient in der Augenklinik der Beklagten und macht geltend, dass auf seine Kopfschmerzen keine weiteren Untersuchungen erfolgten; fordert Schadensersatz.
- Beklagte: Betreiberin einer Augenklinik, in der der Kläger behandelt wurde; wird vom Kläger auf Schadensersatz verklagt.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Der Kläger befand sich seit April 2013 in Behandlung in der Augenklinik der Beklagten. Er beanstandet nicht die Augenbehandlung selbst, sondern dass seine dort geäußerten Kopfschmerzen nicht weiter untersucht wurden.
- Kern des Rechtsstreits: Frage, ob die Klinik (Beklagte) Schadensersatz leisten muss, weil sie die vom Kläger genannten Kopfschmerzen nicht weiter abgeklärt hat, auch wenn die Augenbehandlung korrekt war.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht teilt mit, dass es beabsichtigt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
- Begründung: Das Landgericht hat die Klage zuvor zu Recht abgewiesen. Es bestehen keine Schadensersatzansprüche aus dem Behandlungsvertrag. Selbst wenn die Ärzte der Beklagten verpflichtet gewesen wären, die Kopfschmerzen weitergehend abklären zu lassen, wäre der vom Kläger geltend gemachte Schaden nicht vom Schutzzweck dieser Pflicht umfasst. Die Pflicht zum Schadensersatz wird durch den Schutzzweck der verletzten Vertragspflicht begrenzt. Fehler bei der eigentlichen Augenbehandlung wurden vom Kläger nicht geltend gemacht.
- Folgen: Der Kläger hat drei Wochen Zeit, zu diesem Hinweis des Gerichts Stellung zu nehmen.
Der Fall vor Gericht
Berufung im Arzthaftungsprozess vor dem OLG Köln
Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat in einem Hinweisbeschluss (Az.: I-5 U 107/24) vom 19. Februar 2025 signalisiert, dass es die Berufung eines Klägers gegen ein Urteil des Landgerichts Bonn (Az.: 9 O 168/23) zurückweisen wird.

Der Kläger hatte eine Augenklinik auf Schadensersatz verklagt, weil er finanzielle Nachteile durch eine vermeintlich unterbliebene Diagnose erlitten hatte.
Hintergrund des Falles: Augenbehandlung und Kopfschmerzen
Der Kläger befand sich ab dem 19. April 2013 in Behandlung in der Augenklinik der Beklagten. Kern des Rechtsstreits ist jedoch nicht die Qualität der augenärztlichen Behandlung selbst. Vielmehr wirft der Kläger der Klinik vor, seine damals geäußerten Klagen über Kopfschmerzen nicht weiter untersucht zu haben.
Vorwurf der unterlassenen Befunderhebung
Konkret behauptet der Kläger, die Ärzte hätten versäumt, bei seinen Kopfschmerzbeschwerden weitere diagnostische Schritte einzuleiten, beispielsweise eine neurologische Abklärung zu veranlassen. Er sieht darin eine Pflichtverletzung der behandelnden Ärzte im Rahmen des Behandlungsvertrages.
Der geltend gemachte Schaden: Entgangene Versicherungsleistung
Der zentrale Punkt der Klage ist ein rein finanzieller Schaden. Der Kläger argumentiert, hätte die Klinik seine Kopfschmerzen untersucht und eine unfallbedingte Kopfverletzung oder Trigeminusneuralgie (eine Nervenschmerzerkrankung im Gesicht) diagnostiziert, hätte er dies seiner privaten Unfallversicherung melden können.
Konkrete Forderungen des Klägers
Er ist der Ansicht, dass seine Unfallversicherung, die V. D. Versicherungs AG, dann eine weitere Invaliditätsleistung in Höhe von 36.900 Euro hätte zahlen müssen. Zudem fordert er Ersatz der Prozesskosten in Höhe von 16.923,75 Euro, die ihm in einem erfolglosen Rechtsstreit gegen eben jene Versicherung entstanden sind.
Die Entscheidung des Landgerichts Bonn
Das Landgericht Bonn hatte die Klage bereits in erster Instanz abgewiesen. Es sah keine rechtliche Grundlage für die Forderungen des Klägers gegen die Augenklinik. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung beim OLG Köln ein.
Die rechtliche Bewertung des OLG Köln
Das OLG Köln teilt die Auffassung des Landgerichts und hält die Berufung für offensichtlich unbegründet. Die Richter sehen keine Rechtsverletzung im Urteil der Vorinstanz und auch keine neuen Tatsachen, die eine andere Entscheidung rechtfertigen würden.
Kein Anspruch aus dem Behandlungsvertrag
Das Gericht stellt klar, dass Ansprüche aus dem Behandlungsvertrag zwar grundsätzlich bestehen können, hier aber nicht gegeben sind. Selbst wenn man unterstellt, dass die Ärzte eine Pflicht zur weiteren Abklärung der Kopfschmerzen verletzt hätten, führt dies nicht zur Haftung für den geltend gemachten Schaden.
Das entscheidende Kriterium: Der Schutzzweck der Norm
Hier kommt ein zentraler juristischer Grundsatz zur Anwendung: die Lehre vom Schutzzweck der Norm. Diese besagt, dass eine Haftung nur für solche Schäden eintritt, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Pflicht (hier die ärztliche Diagnosepflicht) dient.
Anwendung im konkreten Fall
Die Pflicht eines Arztes zur Befunderhebung dient primär dem Schutz der Gesundheit des Patienten. Sie soll Erkrankungen aufdecken, um eine notwendige medizinische Behandlung einzuleiten. Sie dient jedoch nicht dazu, dem Patienten zu ermöglichen, finanzielle Leistungen von einer privaten Versicherung zu erhalten.
Fehlender innerer Zusammenhang
Nach Ansicht des OLG fehlt der erforderliche „innere Zusammenhang“ zwischen der möglicherweise verletzten ärztlichen Pflicht (Abklärung von Kopfschmerzen zur Gesundheitsvorsorge) und dem eingetretenen Schaden (Verlust von Versicherungsleistungen und Prozesskosten). Der Zusammenhang sei nur „äußerlich“ oder „zufällig“.
Art des Schadens entscheidend
Der vom Kläger geltend gemachte Schaden ist ein Reiner Vermögensschaden, der nicht direkt aus einer Gesundheitsverletzung durch die Klinik resultiert, sondern aus dem Scheitern versicherungsrechtlicher Ansprüche. Solche Schäden fallen nicht unter den Schutzzweck ärztlicher Diagnosepflichten im Rahmen eines Behandlungsvertrags.
Ergebnis: Keine Haftung der Klinik
Das OLG Köln kommt daher zu dem Schluss, dass die Klinik für die entgangene Versicherungsleistung und die Prozesskosten des Klägers nicht haftet. Die ärztlichen Pflichten zielten auf den Gesundheitsschutz, nicht auf die Sicherung finanzieller Ansprüche aus Versicherungsverträgen Dritter. Die Berufung wird daher voraussichtlich zurückgewiesen.
Bedeutung für Betroffene
Klare Grenzen der Arzthaftung
Dieses Urteil verdeutlicht die Grenzen der ärztlichen Haftung. Ärzte und Kliniken haften primär für Schäden an der Gesundheit ihrer Patienten, die durch Behandlungsfehler oder Diagnoseversäumnisse entstehen. Eine Haftung für rein finanzielle Folgeschäden, die nur mittelbar mit der Behandlung zusammenhängen – wie hier entgangene Versicherungsleistungen – ist nur unter sehr engen Voraussetzungen gegeben.
Schutzzweck als zentrales Kriterium
Entscheidend ist der Schutzzweck der verletzten ärztlichen Pflicht. Dient die Pflicht dem Schutz der Gesundheit, kann nicht ohne Weiteres Ersatz für Vermögensschäden verlangt werden, die nicht direkt aus einer Gesundheitsbeeinträchtigung resultieren. Der Patient trägt das Risiko, seine Ansprüche gegenüber seiner Versicherung selbst durchzusetzen.
Wichtigkeit der Eigenverantwortung bei Versicherungsansprüchen
Patienten müssen sich bewusst sein, dass die Geltendmachung von Ansprüchen aus privaten Unfall- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen in ihrer eigenen Verantwortung liegt. Sie müssen die notwendigen medizinischen Nachweise selbst beibringen und können nicht erwarten, dass Ärzte automatisch alle potenziell versicherungsrelevanten Befunde erheben und melden, wenn dies medizinisch nicht primär zur Gesundheitsversorgung geboten ist.
Konsequenzen für die ärztliche Dokumentation
Für Ärzte und Kliniken unterstreicht das Urteil die Wichtigkeit einer sorgfältigen Dokumentation, die sich auf die medizinisch relevanten Aspekte konzentriert. Eine darüber hinausgehende Pflicht, Befunde speziell im Hinblick auf mögliche Versicherungsansprüche des Patienten zu erheben, besteht im Rahmen des normalen Behandlungsvertrages in der Regel nicht.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt deutlich, dass Ärzte nicht für Versicherungsansprüche des Patienten verantwortlich sind, wenn diese außerhalb des medizinischen Behandlungsauftrags liegen. Der Schutzzweck ärztlicher Pflichten umfasst primär die Gesundheit des Patienten, nicht jedoch finanzielle Interessen gegenüber Versicherungen. Zudem wird klargestellt, dass bei ärztlichen Gutachten, die im Auftrag einer Versicherung erstellt werden, kein direktes Vertragsverhältnis zwischen Patient und Arzt besteht, weshalb hieraus keine Schadensersatzansprüche des Patienten entstehen können.
Benötigen Sie Hilfe?
Unterstützung bei Unsicherheit über ärztliche Pflichten und finanzielle Ansprüche
Wer aus gesundheitlichen Gründen ärztliche Behandlung benötigt und zugleich finanzielle Interessen – etwa gegenüber Versicherungen – im Blick hat, stellt sich oft die Frage, ob eine versäumte oder unzureichende Diagnostik auch Vermögensschäden auslösen kann. Insbesondere bei nicht erkannten Symptomen oder verzögerten Diagnosen ist die rechtliche Lage vielschichtig, weil der Zusammenhang zwischen medizinischer Sorgfaltspflicht und rein wirtschaftlichen Folgen genau geprüft wird.
Unsere Kanzlei berät in solchen Situationen zu den Grenzen ärztlicher Haftung sowie den Erfolgsaussichten finanzieller Forderungen. Dabei werden individuelle Umstände sorgfältig eingeordnet, um den Handlungsspielraum realistisch einzuschätzen und fundierte Schritte im Rahmen einer möglichen Anspruchsdurchsetzung vorzubereiten.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet Arzthaftung und wann greift sie?
Arzthaftung bedeutet, dass ein Arzt, eine Klinik oder anderes medizinisches Personal für Schäden verantwortlich ist, die einem Patienten durch einen Fehler bei der medizinischen Behandlung entstanden sind. Es geht also um die Pflicht, für die Folgen einer fehlerhaften Behandlung einzustehen und dem Patienten Ersatz für entstandene Nachteile zu leisten.
Wann liegt ein Behandlungsfehler vor?
Ein Arzt ist verpflichtet, Sie nach den aktuell anerkannten fachlichen Standards zu behandeln. Das bedeutet, er muss das Wissen und die Sorgfalt anwenden, die von einem gewissenhaften Arzt in der jeweiligen Situation erwartet werden kann.
Ein Behandlungsfehler (manchmal auch „Kunstfehler“ genannt) liegt vor, wenn der Arzt von diesem medizinischen Standard abweicht. Das kann passieren durch:
- Aktives Tun: Zum Beispiel eine falsche Diagnose trotz klarer Symptome, ein Fehler während einer Operation, die Verordnung eines falschen Medikaments.
- Unterlassen: Zum Beispiel das Übersehen wichtiger Befunde, das Unterlassen einer notwendigen Untersuchung oder Behandlung.
Auch eine unzureichende Aufklärung über die Risiken einer Behandlung kann eine Pflichtverletzung sein, die zur Haftung führt, wenn Sie bei korrekter Aufklärung der Behandlung nicht zugestimmt hätten.
Was muss noch passieren, damit der Arzt haftet?
Ein Behandlungsfehler allein führt noch nicht automatisch zur Haftung. Es müssen zwei weitere wichtige Voraussetzungen erfüllt sein:
- Schaden: Ihnen muss durch den Fehler ein gesundheitlicher Schaden entstanden sein. Das kann zum Beispiel eine Verschlechterung Ihres Gesundheitszustandes, eine zusätzliche Verletzung, länger andauernde Schmerzen, die Notwendigkeit weiterer Behandlungen oder auch eine dauerhafte Beeinträchtigung sein. Auch finanzielle Nachteile, wie zum Beispiel Verdienstausfall oder zusätzliche Pflegekosten, zählen als Schaden.
- Ursache (Kausalität): Der Behandlungsfehler muss die Ursache für diesen gesundheitlichen Schaden sein. Es muss also ein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen dem Fehler des Arztes und der bei Ihnen eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigung bestehen.
Nur wenn alle drei Punkte – Behandlungsfehler, Schaden und ursächlicher Zusammenhang – vorliegen, greift die Arzthaftung.
Nicht jeder unerwünschte Verlauf ist ein Behandlungsfehler
Es ist wichtig zu verstehen: Nicht jedes unerwünschte Ergebnis einer medizinischen Behandlung bedeutet automatisch, dass ein Fehler passiert ist und der Arzt haftet.
Medizinische Behandlungen sind oft komplex und bergen Risiken. Manchmal treten Komplikationen auf oder eine Behandlung führt nicht zum erhofften Erfolg, auch wenn der Arzt alles richtig gemacht hat. Man spricht dann von einem sogenannten schicksalhaften Verlauf, für den der Arzt nicht haftbar ist.
Die Arzthaftung greift also nur dann, wenn nachweislich gegen die anerkannten medizinischen Regeln verstoßen wurde und dieser Verstoß zu einem Schaden geführt hat.
Wozu dient die Arzthaftung?
Die Regeln zur Arzthaftung dienen in erster Linie dem Schutz Ihrer Gesundheit und körperlichen Unversehrtheit als Patient. Wenn durch einen vermeidbaren Fehler ein Schaden entsteht, sollen Sie einen Ausgleich für die erlittenen Nachteile erhalten. Dieser Ausgleich kann zum Beispiel in Form von Schmerzensgeld, dem Ersatz von Behandlungskosten oder dem Ausgleich von Verdienstausfällen bestehen.
In welchen Fällen kann ich als Patient Schadensersatz von einem Arzt oder einer Klinik fordern?
Sie können als Patient unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz von einem Arzt oder einer Klinik fordern. Entscheidend ist, ob ein sogenannter Behandlungsfehler vorliegt, der bei Ihnen zu einem Gesundheitsschaden geführt hat.
Was ist ein Behandlungsfehler?
Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn die ärztliche Behandlung nicht nach den anerkannten fachlichen Standards erfolgt ist, die zum Zeitpunkt der Behandlung galten. Es handelt sich also um ein Abweichen von der medizinisch gebotenen Sorgfalt.
Typische Beispiele für Behandlungsfehler können sein:
- Diagnosefehler: Eine Krankheit wird trotz eindeutiger Symptome nicht oder falsch erkannt.
- Therapiefehler: Eine falsche Behandlungsmethode wird gewählt oder eine richtige Methode fehlerhaft durchgeführt (z.B. bei einer Operation, Verabreichung falscher Medikamente oder Dosierungen).
- Aufklärungsfehler: Sie werden vor einem Eingriff nicht ausreichend über dessen Risiken und Alternativen aufgeklärt und hätten bei vollständiger Aufklärung der Behandlung möglicherweise nicht zugestimmt.
- Organisationsverschulden: Mängel in der Organisation der Praxis oder Klinik (z.B. unzureichende Hygiene, Überlastung des Personals, fehlerhafte Geräte) führen zu einem Schaden.
Was muss nachgewiesen werden?
Um Schadensersatzansprüche geltend machen zu können, müssen in der Regel drei Dinge zusammenkommen und nachgewiesen werden:
- Der Behandlungsfehler: Es muss dargelegt werden, dass der Arzt oder die Klinik tatsächlich einen Fehler gemacht hat, also vom medizinischen Standard abgewichen ist.
- Der Schaden: Sie müssen einen gesundheitlichen Schaden erlitten haben. Das kann eine Verschlechterung Ihres Zustands, eine neue Erkrankung, länger andauernde Schmerzen oder auch eine dauerhafte Beeinträchtigung sein. Neben gesundheitlichen Schäden können auch finanzielle Nachteile (materielle Schäden) wie zusätzliche Behandlungskosten, Verdienstausfall oder Kosten für Pflege geltend gemacht werden. Für erlittene Schmerzen und Leiden kann zudem ein Schmerzensgeld (immaterieller Schaden) gefordert werden.
- Der Zusammenhang (Kausalität): Es muss ein direkter ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem eingetretenen Schaden bestehen. Der Fehler muss also nachweislich die Ursache für den Gesundheitsschaden sein. Es reicht nicht aus, wenn lediglich ein Fehler passiert ist, dieser aber folgenlos blieb oder der Schaden auch ohne den Fehler eingetreten wäre.
Wer muss was beweisen?
Grundsätzlich liegt die Beweislast bei Ihnen als Patient. Das bedeutet, Sie müssen im Streitfall beweisen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt, dass Sie einen Schaden erlitten haben und dass dieser Schaden durch den Fehler verursacht wurde.
Hierbei spielt die medizinische Dokumentation (Patientenakte) eine zentrale Rolle. Sie haben als Patient ein Recht darauf, Ihre vollständige Patientenakte einzusehen. Eine sorgfältige Dokumentation kann bei der Klärung des Sachverhalts helfen.
Nur in bestimmten Ausnahmefällen, beispielsweise bei einem groben Behandlungsfehler (ein Fehler, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf), kann es zu Erleichterungen bei der Beweisführung für den Patienten kommen.
Was ist der Unterschied zwischen einem Gesundheitsschaden und einem reinen Vermögensschaden im Rahmen der Arzthaftung?
Im Bereich der Arzthaftung ist es wichtig zu verstehen, dass nicht jeder finanzielle Nachteil, der im Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung steht, gleich behandelt wird. Man unterscheidet grundlegend zwischen einem Gesundheitsschaden und einem reinen Vermögensschaden.
Was ist ein Gesundheitsschaden?
Ein Gesundheitsschaden liegt vor, wenn Ihr Körper oder Ihre Gesundheit direkt durch einen ärztlichen Behandlungsfehler beeinträchtigt wird. Es geht also um eine Verschlechterung Ihres körperlichen oder seelischen Zustands.
- Beispiele:
- Ein Operationsfehler führt zu einer Nervenschädigung.
- Eine falsche Diagnose verzögert die notwendige Behandlung, wodurch sich eine Krankheit verschlimmert.
- Ein Medikament wird falsch dosiert und verursacht Nebenwirkungen.
- Eine Infektion entsteht durch mangelnde Hygiene in der Praxis oder Klinik.
Die Folgen eines Gesundheitsschadens können vielfältig sein: Schmerzen, längere Krankheitsdauer, bleibende körperliche Einschränkungen oder auch psychische Belastungen. Für solche direkten Beeinträchtigungen der Gesundheit kann unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz gefordert werden. Dazu gehört oft auch ein Schmerzensgeld als Ausgleich für das erlittene Leid. Auch finanzielle Nachteile, die direkt aus der Gesundheitsverletzung resultieren (z.B. Verdienstausfall, weil Sie nicht arbeiten können, oder Kosten für weitere Behandlungen), gehören zu den Folgen eines Gesundheitsschadens.
Was ist ein reiner Vermögensschaden?
Ein reiner Vermögensschaden ist ein rein finanzieller Nachteil, der Ihnen entsteht, ohne dass Ihre Gesundheit oder Ihr Körper direkt dadurch geschädigt wurde. Der Schaden betrifft also ausschließlich Ihr Vermögen (Ihr Geld).
- Beispiele:
- Ein Arzt stellt eine Bescheinigung für Ihre Berufsunfähigkeitsversicherung zu spät oder fehlerhaft aus, weshalb die Versicherung die Zahlung verweigert. Ihr Gesundheitsproblem bestand zwar, aber der finanzielle Schaden (entgangene Versicherungsleistung) entsteht durch die fehlerhafte Bescheinigung, nicht durch eine neue Gesundheitsverletzung durch den Arzt.
- Sie zahlen für ein Gutachten, das sich später als unnötig herausstellt, weil der Arzt eine falsche Empfehlung gegeben hat (ohne dass dies Ihre Gesundheit weiter verschlechtert hat).
- Sie haben Reisekosten für eine Behandlung aufgewendet, die aufgrund einer fehlerhaften ärztlichen Organisation (z.B. Terminabsage ohne Information) gar nicht stattfinden konnte.
Bei reinen Vermögensschäden gibt es kein Schmerzensgeld, da keine unmittelbare Gesundheitsverletzung vorliegt.
Warum ist die Unterscheidung wichtig?
Die Unterscheidung ist entscheidend, weil das Gesetz die Voraussetzungen für Schadensersatz unterschiedlich regelt:
- Bei einem Gesundheitsschaden durch einen nachgewiesenen Behandlungsfehler ist ein Anspruch auf Schadensersatz (einschließlich Schmerzensgeld) gesetzlich klar vorgesehen. Die Hürden liegen hier oft darin, den Fehler und den daraus resultierenden Schaden nachzuweisen.
- Bei einem reinen Vermögensschaden ist es oft schwieriger, Ersatz zu erhalten. Ein Schadensersatzanspruch besteht hier meist nur, wenn der Arzt eine besondere vertragliche Pflicht verletzt hat, die gerade dazu diente, Ihr Vermögen zu schützen. Ein Beispiel hierfür wäre die Pflicht, Bescheinigungen für Versicherungen korrekt und rechtzeitig auszustellen. Ob eine solche Pflichtverletzung vorliegt und ob sie zum Schadensersatz verpflichtet, muss im Einzelfall geprüft werden.
Für Sie bedeutet das: Nicht jeder finanzielle Verlust, der zeitlich mit einer ärztlichen Behandlung zusammenfällt, führt automatisch zu einem Anspruch gegen den Arzt. Es kommt entscheidend darauf an, ob eine direkte Gesundheitsverletzung vorliegt oder ob es sich um einen rein finanziellen Nachteil handelt.
Was bedeutet der „Schutzzweck der Norm“ im Zusammenhang mit der Arzthaftung?
Der Begriff „Schutzzweck der Norm“ beschreibt ein wichtiges Prinzip im Haftungsrecht, auch in der Arzthaftung. Vereinfacht gesagt geht es darum, welches genaue Ziel eine bestimmte Regel oder Pflicht verfolgt und vor welchen spezifischen Schäden sie schützen soll. Ein Arzt haftet nur dann für einen entstandenen Schaden, wenn dieser Schaden genau die Art von Beeinträchtigung ist, die durch die verletzte ärztliche Pflicht verhindert werden sollte.
Wofür sind ärztliche Pflichten da?
Ärzte haben verschiedene Pflichten gegenüber ihren Patienten, wie die Pflicht zur sorgfältigen Diagnose, zur Aufklärung über Risiken und zur fachgerechten Behandlung. Jede dieser Pflichten hat einen bestimmten Zweck:
- Die Pflicht zur sorgfältigen Behandlung zielt darauf ab, Ihre Gesundheit zu schützen oder wiederherzustellen und gesundheitliche Schäden durch die Therapie zu vermeiden.
- Die Pflicht zur Diagnose soll sicherstellen, dass Krankheiten oder Verletzungen rechtzeitig erkannt werden, um gesundheitliche Nachteile abzuwenden oder eine notwendige Behandlung einzuleiten.
Der Schutzzweck bei der Diagnosepflicht im Unfallkontext
Gerade im Zusammenhang mit Unfällen und möglichen Ansprüchen (z.B. gegenüber Versicherungen) ist die Frage nach dem Schutzzweck der ärztlichen Diagnosepflicht relevant. Der Hauptzweck der ärztlichen Pflicht zur Diagnose liegt im Schutz der Gesundheit des Patienten. Der Arzt soll eine Verletzung oder Erkrankung erkennen, um gesundheitliche Schäden zu verhindern oder zu behandeln.
Dieser Schutzzweck umfasst nicht automatisch den Schutz vor rein finanziellen Nachteilen, die nicht direkt mit der Gesundheitsbeeinträchtigung selbst zusammenhängen. Stellen Sie sich vor, durch eine verspätete Diagnose wird eine Frist zur Meldung bei einer privaten Unfallversicherung versäumt. Der daraus entstehende finanzielle Nachteil (Verlust von Versicherungsleistungen) ist in der Regel nicht vom Schutzzweck der ärztlichen Diagnosepflicht umfasst. Der Arzt hat die Pflicht, die Verletzung zu erkennen, um die Gesundheit zu schützen – nicht primär, um finanzielle Ansprüche des Patienten gegenüber Dritten zu sichern.
Das bedeutet für die Arzthaftung: Selbst wenn ein Arzt einen Fehler bei der Diagnose macht, haftet er nicht automatisch für jeden daraus resultierenden Schaden. Es wird geprüft, ob der konkrete Schaden (z.B. der rein finanzielle Verlust von Versicherungsansprüchen) genau das ist, wovor die verletzte Pflicht (hier: die Diagnosepflicht zum Schutz der Gesundheit) bewahren sollte. Liegt der Schaden außerhalb dieses Schutzzwecks, scheidet eine Haftung des Arztes für diesen spezifischen Schaden oft aus.
Welche Rolle spielt die ärztliche Dokumentation im Arzthaftungsprozess und welche Rechte habe ich als Patient in Bezug auf meine Patientenakte?
Die ärztliche Dokumentation, also die Patientenakte, ist ein zentrales Element bei der Klärung von Fragen rund um eine medizinische Behandlung, insbesondere wenn es um mögliche Behandlungsfehler geht. Sie dient sowohl dem Arzt als Gedächtnisstütze als auch Ihnen als Patient als Nachweis über den Behandlungsverlauf.
Die Bedeutung der Dokumentation im Streitfall
Im Falle eines Arzthaftungsprozesses ist die Patientenakte ein entscheidendes Beweismittel. Gerichte schauen sich die Akte genau an, um nachzuvollziehen, was während der Behandlung passiert ist.
- Was muss dokumentiert sein? Der Arzt ist gesetzlich verpflichtet, alle wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse in der Patientenakte festzuhalten. Dazu gehören Diagnosen, Untersuchungen, Therapien, Aufklärungsgespräche, Medikamentengaben und Befunde (§ 630f BGB).
- Was passiert bei Lücken? Ist die Dokumentation unvollständig oder fehlerhaft, kann dies im Prozess zu Nachteilen für den Arzt führen. Es kann dann vermutet werden, dass eine nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht durchgeführt wurde. Dies kann Ihnen als Patient die Beweisführung erleichtern, wenn es darum geht, einen Behandlungsfehler nachzuweisen.
- Nachvollziehbarkeit: Eine sorgfältige und lückenlose Dokumentation ermöglicht es allen Beteiligten (auch Gutachtern und Gerichten), die Behandlungsschritte nachzuvollziehen und medizinisch zu bewerten.
Ihre Rechte als Patient bezüglich der Patientenakte
Sie haben als Patient umfassende Rechte in Bezug auf Ihre Behandlungsunterlagen, die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert sind (§ 630g BGB):
- Recht auf Einsicht: Sie haben das Recht, jederzeit und ohne Angabe von Gründen Ihre vollständige Patientenakte einzusehen. Dies umfasst alle Aufzeichnungen, einschließlich Arztbriefen, Röntgenbildern, Laborergebnissen und OP-Berichten. Die Einsichtnahme muss Ihnen unverzüglich gewährt werden.
- Recht auf Kopien: Sie können Abschriften (Kopien) der Patientenakte verlangen. Die dafür anfallenden Kosten (z.B. für Papier und Porto) müssen Sie in der Regel selbst tragen.
- Recht auf Berichtigung: Stellen Sie fest, dass in Ihrer Akte objektiv falsche Tatsachen dokumentiert sind (z.B. ein falsches Geburtsdatum oder eine nachweislich falsche Angabe zu einer Untersuchung), können Sie die Berichtigung dieser konkreten Fehlinformationen verlangen. Wichtig: Ärztliche Bewertungen, Diagnosen oder subjektive Eindrücke sind in der Regel nicht „berichtigungsfähig“ im Sinne einer Löschung oder Änderung. Sie haben jedoch das Recht, eine eigene Stellungnahme zur Akte hinzufügen zu lassen. Nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen in der Akte durch den Arzt müssen immer als solche kenntlich gemacht werden.
Warum ist die Akte für Ihre Ansprüche wichtig?
Die Patientenakte ist oft die Grundlage für die Beurteilung, ob ein Behandlungsfehler vorliegt und ob Ihnen daraus finanzielle Ansprüche (wie Schmerzensgeld oder Schadensersatz) zustehen könnten.
- Nachvollziehen der Behandlung: Durch die Einsicht in Ihre Akte können Sie oder von Ihnen beauftragte Experten den genauen Behandlungsverlauf nachvollziehen und prüfen, ob alles medizinisch korrekt abgelaufen ist.
- Untermauerung von Ansprüchen: Die dokumentierten Fakten können helfen, einen vermuteten Behandlungsfehler und den dadurch entstandenen Schaden zu belegen. Eine vollständige Akte ist daher entscheidend, um Ihre Position in einem möglichen Streitfall einschätzen und Ihre Ansprüche fundiert prüfen zu können.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Berufung
Eine Berufung ist ein Rechtsmittel, mit dem eine Partei (hier der Kläger) ein Urteil der ersten Instanz (hier das Landgericht Bonn) von der nächsthöheren Instanz (hier das OLG Köln) überprüfen lassen kann. Ziel ist es, Fehler im ersten Urteil zu korrigieren und eine andere Entscheidung zu erreichen. Das OLG prüft dabei sowohl Rechtsfragen als auch, unter bestimmten Voraussetzungen, die vom Landgericht festgestellten Tatsachen neu (§§ 511 ff. Zivilprozessordnung – ZPO). Im vorliegenden Fall legte der Kläger Berufung ein, weil er mit der Abweisung seiner Klage durch das Landgericht nicht einverstanden war.
Hinweisbeschluss
Ein Hinweisbeschluss ist eine Mitteilung des Gerichts (hier des OLG Köln) an die Parteien im Berufungsverfahren. Das Gericht teilt darin seine vorläufige Einschätzung der Rechtslage mit, insbesondere wenn es beabsichtigt, die Berufung ohne mündliche Verhandlung als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen (§ 522 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO). Dies gibt dem Berufungskläger (hier dem Patienten) die Möglichkeit, die Berufung kostengünstiger zurückzunehmen, bevor eine endgültige, kostenpflichtige Entscheidung ergeht. Im konkreten Fall signalisierte das OLG Köln mit dem Hinweisbeschluss, dass es die Berufung des Klägers für aussichtslos hält.
Behandlungsvertrag
Der Behandlungsvertrag ist ein spezieller Dienstvertrag, der zwischen einem Patienten und einem Behandelnden (Arzt, Klinik) zustande kommt (§§ 630a ff. Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Der Behandelnde verpflichtet sich zur medizinischen Behandlung nach den anerkannten fachlichen Standards (lege artis). Im Gegenzug schuldet der Patient die vereinbarte Vergütung (meist über Krankenkasse/Versicherung abgerechnet). Im vorliegenden Fall ist der Behandlungsvertrag die Grundlage, aus der der Kläger überhaupt erst Pflichten der Augenklinik ableitet, auch wenn es um die Abklärung von Kopfschmerzen und nicht primär um die Augenbehandlung ging.
Pflichtverletzung
Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn jemand eine Verpflichtung aus einem Vertrag (wie dem Behandlungsvertrag) oder aus dem Gesetz nicht oder schlecht erfüllt. Im Arzthaftungsrecht ist dies oft ein Behandlungsfehler oder, wie hier vom Kläger behauptet, eine unterlassene notwendige Untersuchung (Befunderhebung). Der Kläger warf der Klinik vor, ihre ärztliche Pflicht zur Abklärung seiner Kopfschmerzen verletzt zu haben. Eine Pflichtverletzung ist eine notwendige Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch, aber sie allein reicht nicht aus – es müssen weitere Bedingungen wie ein Schaden und ein ursächlicher Zusammenhang im Rahmen des Schutzzwecks erfüllt sein.
Schutzzweck der Norm
Der Schutzzweck der Norm ist ein wichtiger Grundsatz im Schadensersatzrecht, der die Haftung begrenzt. Er besagt, dass man nur für solche Schäden haftet, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, vor denen die verletzte Pflicht (z.B. aus dem Behandlungsvertrag) oder das verletzte Gesetz schützen sollte. Es reicht nicht aus, dass irgendein Schaden durch eine Pflichtverletzung verursacht wurde; der Schaden muss gerade die Art von Nachteil sein, den die verletzte Regel verhindern wollte. Im konkreten Fall argumentierte das OLG: Die ärztliche Pflicht zur Diagnose von Krankheiten (Befunderhebung) soll die Gesundheit des Patienten schützen, aber nicht dessen finanzielle Ansprüche gegenüber einer privaten Unfallversicherung sichern.
Beispiel: Eine Geschwindigkeitsbegrenzung soll Unfälle und daraus resultierende Personen- und Sachschäden verhindern. Verursacht ein Raser einen Unfall, haftet er für die Unfallfolgen. Verpasst jedoch jemand wegen des Rasers (der z.B. eine Straße blockiert) einen wichtigen Geschäftstermin und erleidet dadurch einen finanziellen Verlust, fällt dieser Schaden nicht unter den Schutzzweck der Geschwindigkeitsbegrenzung.
Reiner Vermögensschaden
Ein reiner Vermögensschaden ist ein finanzieller Nachteil, der nicht unmittelbar auf der Verletzung einer Person (Gesundheit, Körper), einer Sache oder eines sonstigen absolut geschützten Rechts (wie Eigentum) beruht. Es handelt sich um einen „bloßen“ finanziellen Verlust, der nur das Vermögen als Ganzes mindert. Im Gegensatz dazu stehen direkte Schäden wie Behandlungskosten nach einer Körperverletzung oder Reparaturkosten für ein beschädigtes Auto. Im vorliegenden Fall waren die entgangene Versicherungsleistung und die Prozesskosten des Klägers reine Vermögensschäden, da die Klinik weder seine Gesundheit noch sein Eigentum direkt geschädigt hatte. Solche reinen Vermögensschäden werden rechtlich oft nur unter strengeren Voraussetzungen ersetzt als Personen- oder Sachschäden, insbesondere muss die verletzte Pflicht gerade auch den Schutz vor solchen finanziellen Einbußen bezweckt haben (siehe Schutzzweck der Norm).
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Behandlungsvertrag (§§ 630a ff. BGB): Regelt die Rechte und Pflichten zwischen Arzt und Patient. Er verpflichtet den Arzt zur sorgfältigen Behandlung nach dem aktuellen medizinischen Standard und den Patienten zur Mitwirkung und Zahlung der Vergütung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Behandlungsvertrag bildet die Grundlage für die Beziehung zwischen dem Kläger und der Augenklinik. Der Kläger leitet aus diesem Vertrag Schadensersatzansprüche ab, weil er eine Verletzung vertraglicher Pflichten durch die Klinik sieht.
- Schadensersatz wegen Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB): Ein zentraler Anspruch im Zivilrecht. Er ermöglicht es, Schadensersatz zu fordern, wenn eine Vertragspartei ihre Pflichten aus einem Vertrag verletzt und dadurch einem anderen ein Schaden entsteht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger macht einen Schadensersatzanspruch geltend, da er argumentiert, dass die Klinik ihre Pflichten aus dem Behandlungsvertrag verletzt hat, indem sie seine Kopfschmerzen nicht ausreichend untersuchte und dies seiner Unfallversicherung nicht mitteilte, wodurch ihm ein finanzieller Schaden entstanden sei.
- Schutzzweck der Norm (im Schadensersatzrecht): Ein Rechtsprinzip, das die Haftung im Schadensersatzrecht begrenzt. Es besagt, dass Schadensersatz nur für solche Schäden geleistet werden muss, die gerade durch die verletzte Norm oder Pflicht verhindert werden sollten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht argumentiert, dass die Pflicht der Klinik zur Befunderhebung und gegebenenfalls Weiterleitung an Spezialisten dem Schutz der Gesundheit des Patienten dient, nicht aber der Sicherstellung von Versicherungsleistungen. Der vom Kläger geltend gemachte Vermögensschaden (entgangene Versicherungsleistung, Prozesskosten) fällt nach Ansicht des Gerichts nicht unter den Schutzzweck dieser ärztlichen Pflichten.
Hinweise und Tipps
Praxistipps für Patienten zum Thema Haftung des Arztes für nicht abgeklärte Nebensymptome
Sie sind wegen eines bestimmten Leidens in ärztlicher Behandlung, erwähnen aber im Gespräch auch andere Beschwerden, wie zum Beispiel Kopfschmerzen? Was passiert, wenn der Arzt diese Nebensymptome nicht weiter untersucht? Ein aktueller Fall zeigt, dass die Haftung des Arztes hier an Grenzen stoßen kann.
Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.
Tipp 1: Klären Sie den Behandlungsauftrag genau ab
Machen Sie deutlich, weswegen Sie den Arzt aufsuchen und was genau behandelt werden soll. Wenn Sie während einer Behandlung (z. B. am Auge) über andere, gravierende Beschwerden (z. B. starke Kopfschmerzen) berichten, fragen Sie aktiv nach, ob diese ebenfalls untersucht werden oder ob dies einer gesonderten Abklärung bedarf. Gehen Sie nicht automatisch davon aus, dass jede beiläufige Erwähnung Teil des aktuellen Behandlungsauftrags wird.
⚠️ ACHTUNG: Ein Arzt, der Sie wegen einer spezifischen Erkrankung behandelt, haftet nicht automatisch für Schäden aus einer anderen, nicht untersuchten Erkrankung, selbst wenn Sie diese erwähnt haben. Entscheidend ist, ob die Abklärung der Nebensymptome vom Schutzzweck des ursprünglichen Behandlungsvertrages umfasst war.
Tipp 2: Dokumentieren Sie wichtige Gespräche und Beschwerden
Notieren Sie sich, wann Sie welche Beschwerden gegenüber dem Arzt geäußert haben, insbesondere wenn es sich um neue oder besorgniserregende Symptome handelt. Halten Sie auch die Reaktion des Arztes fest. Eine solche Dokumentation kann später helfen, den Gesprächsverlauf nachzuvollziehen.
Beispiel: Sie sind wegen einer Augenentzündung in Behandlung und erwähnen beim Kontrolltermin neu aufgetretene, heftige Kopfschmerzen. Notieren Sie Datum, den genauen Wortlaut Ihrer Schilderung und die Antwort des Arztes (z. B. „Das beobachten wir“ oder „Dafür müssen Sie zum Neurologen“).
Tipp 3: Verstehen Sie den „Schutzzweck“ des Behandlungsvertrags
Ein Behandlungsvertrag soll Sie vor Schäden schützen, die unmittelbar aus Fehlern bei der vereinbarten Behandlung resultieren. Wenn Sie Schadensersatz fordern, weil ein Nebensymptom (wie Kopfschmerzen bei einer Augenbehandlung) nicht abgeklärt wurde, müssen Sie darlegen, dass gerade dieser Schutz vom ursprünglichen Vertrag umfasst war. Das Gericht prüft, ob der erlittene Schaden in einem direkten Zusammenhang mit der Pflichtverletzung im Rahmen des konkreten Behandlungsvertrags steht.
⚠️ ACHTUNG: Selbst wenn der Arzt verpflichtet gewesen wäre, einem Nebensymptom nachzugehen, bedeutet eine Verletzung dieser Pflicht nicht automatisch, dass er für alle daraus entstehenden gesundheitlichen Folgen im Rahmen des ursprünglichen Behandlungsvertrags haftet. Die Haftung kann auf den Bereich beschränkt sein, für den der Arzt beauftragt wurde.
Tipp 4: Suchen Sie bei Unklarheit eine Zweitmeinung oder separate Behandlung
Wenn Sie das Gefühl haben, dass wichtige Symptome – auch wenn sie nicht den Hauptgrund Ihres Arztbesuches darstellen – nicht ausreichend ernst genommen oder abgeklärt werden, suchen Sie aktiv das Gespräch. Bitten Sie um eine Überweisung an einen Facharzt oder holen Sie eine Zweitmeinung ein. Behandeln Sie gravierende Nebensymptome gegebenenfalls als eigenständiges gesundheitliches Problem.
✅ Checkliste: Arztbesuch und mögliche Haftung
- Wurde der Grund für den Arztbesuch klar kommuniziert?
- Habe ich alle relevanten Symptome klar und deutlich geschildert?
- Habe ich bei ernsten Nebensymptomen aktiv nach Abklärung gefragt?
- Wurde mir erklärt, ob Nebensymptome Teil der aktuellen Behandlung sind oder separat behandelt werden müssen?
- Habe ich wichtige Gesprächsinhalte und meine Beschwerden dokumentiert?
Das vorliegende Urteil
OLG Köln – Az.: I-5 U 107/24 – Beschluss vom 19.02.2025
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