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Zahnarztvertrag – Voraussetzungen für ein Entfallen des Honoraranspruchs

OLG Dresden – Az.: 4 U 252/18 – Beschluss vom 23.05.2018

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 5.847,66 EUR festzusetzen.

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Beklagten bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung der Beklagten greifen nicht durch. Denn durch diese werden keine konkreten Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründet, die deshalb eine erneute oder auch nur ergänzende Feststellung gebieten könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Der Klägerin stehen aus abgetretenem Recht die zugesprochenen Honoraransprüche des abtretenden Zeugen Dr. M. gegen die Beklagte zu.

Zahnarztvertrag - Voraussetzungen für ein Entfallen des Honoraranspruchs
(Symbolfoto: Mr.Music/Shutterstock.com)

Der auf die zahnprothetische Behandlung gerichtete Vertrag zwischen einem Patienten und einem Zahnarzt ist – auch wenn aus Sicht des Patienten zahnprothetische Leistungen durchaus erfolgsbezogen erscheinen – ein Dienstvertrag (vgl. § 630b BGB), zu dessen Hauptpflichten neben der zahnärztlichen Behandlung, der Diagnose und Therapie auch die Behandlungsaufklärung des Patienten sowie die sachgerechte Organisation des Behandlungsablaufes gehören (statt vieler: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 23.06.2014, juris Rz. 4; vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 22.04.2010, 22 U 153/08). Wie bei jedem Vertrag schuldet die Behandlerseite dem Patienten daneben auch die Einhaltung sämtlicher vertragstypischer Neben- und Schutzpflichten, bezogen auf die Rechtsgüter des Patienten. Verletzt ein Arzt eine oder mehrere seiner Pflichten aus dem Behandlungsvertrag, so kann der Patient als Gläubiger der aus dem Behandlungsvertrag geschuldeten Pflichten Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen, sofern dem Arzt eine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, § 280 Abs. 1 BGB. Dies bedeutet, dass bei – wie hier behauptet – mangelhafter Leistung des Zahnarztes nicht automatisch ganz oder teilweise der Honoraranspruch entfällt. Vielmehr muss der Patient, wenn er Schadensersatz verlangen möchte, diesen beziffern und ggf. im Wege der Aufrechnungserklärung geltend machen. Ein Anspruch auf Honorarerlass bzw. ein Entfallen des Honoraranspruchs kommt dagegen nur dann in Betracht, wenn die prothetische Leistung völlig unbrauchbar ist (zahlr. Rspr.-nachw. z.B. bei OLG Köln, Urteil vom 27.10.2015, 3 U 381/13, juris Rz. 45). Die völlige Unbrauchbarkeit der Leistung ist allerdings nur dann zu bejahen, wenn das Interesse des Patienten an der Leistung komplett weggefallen ist, was regelmäßig dann nicht der Fall ist, wenn der Patient die Leistungen tatsächlich und gleichwohl nutzt (BGH, Urteil vom 29.03.2011, VI ZR 133/10, juris Rz. 12; 18, jeweils m.w.N.; OLG Köln, Beschluss vom 30.03.2015, I-5U 139/14, juris, Orientierungssatz 2 und Rz. 8). Vorliegend kommt es indes auf die subjektive Werthaltigkeit der prothetischen Versorgung, welche regelmäßig durch Nutzung dokumentiert wird, noch nicht einmal an, weil der Sachverständige klar die objektive Brauchbarkeit der Leistung mit nachvollziehbarer Begründung bejaht hat. Die Beklagte hat den Ausführungen des Sachverständigen in erster Instanz auch nur ihre subjektive Meinung entgegengehalten, und die ergänzende Anhörung des Sachverständigen hierzu nicht beantragt. Hierzu bestand aber auch unabhängig davon kein Anlass, denn der Sachverständige hat im Gutachten plausibel erläutert, dass die gewählte prothetische Versorgung ihren Zweck erfüllt, trotz ihrer Ausgestaltung mit einem leichten Kronenüberstand an einer Stelle auch keine Schäden, beispielsweise in Form von Karies verursacht hat und letztlich vor allem optisch unbefriedigend sein mag, medizinisch-funktional aber letztlich als „befriedigend“ anzusehen ist.

Die unterhalb der Schwelle der völligen Unbrauchbarkeit liegenden diversen Mängel, die die Beklagte rügt, namentlich der 1 mm starke Versatz an einem der Kronenränder und die Größenverhältnisse sowie die optisch unbefriedigende Farbgebung, hat die Beklagte nicht im Wege der Aufrechnung oder des Zurückbehaltungsrechts geltend gemacht. Hinzu kommt, dass sie für die behaupteten Beratungs- und Aufklärungsfehler den ihr nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB obliegenden Beweis der objektiven Pflichtwidrigkeit schon nicht geführt hat. Ihre Behauptung, die vom Zedenten beauftragten Zahntechniker hätten ihr eine optisch unbefriedigende Lösung praktisch aufgedrängt, sie aber jedenfalls nicht hinreichend eindringlich vor zu großen Farbunterschieden „gewarnt“, hat sich durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt. Dem gleichlautenden Vorwurf gegenüber dem Zedenten ist dieser ausdrücklich entgegengetreten (z.B. im Schriftsatz vom 11.04.2017, S. 2 f.), ohne dass die Beklagte hier entsprechend Beweis angeboten hätte. Eine vertiefte Befragung des Zedenten oder seiner Arzthelferin hat die Beklagte statt dessen durch die Verweigerung einer Schweigepflichtentbindung verhindert.

Schließlich entfällt der Honoraranspruch auch nicht deshalb, weil der Zedent Teile der prothetischen Leistungserbringung durch ein Labor hat erbringen lassen. Zwar gilt, dass nach § 630a BGB i.V.m. § 613 Satz 1 BGB der Behandelnde die Leistung im Zweifel grundsätzlich in Person zu erbringen hat (Ausnahme: § 630e Abs. 2 Nr. 1 BGB für die Aufklärung). Dies bedeutet aber nicht, dass der Arzt grundsätzlich alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung selbst erbringen muss. Bei § 613 Satz 1 BGB handelt es sich um eine Auslegungsregel (juris Praxiskommentar BGB, § 630b Rz. 28 m.w.N.). Der Arzt kann sich in diesem Rahmen im Wege der Delegation grundsätzlich zur Erbringung einzelner Teile seiner Leistung der Hilfe Dritter bedienen (juris, Praxiskommentar, aaO., Rz. 64 ff. m.w.N.). Die Delegationsfähigkeit einzelner Leistungen definiert sich nach dem allgemein anerkannten fachlichen Standard. Soweit nun die Beklagte moniert, dass die Anprobe und die Farbwahlberatung im zahntechnischen Labor und nicht durch den Zedenten persönlich erfolgte, ist die Klägerin dem entgegengetreten, indem sie ihrerseits vorgetragen hat, der Zedent habe ihr persönlich zur Farbe „A1“ geraten und schon ein dazu passenden Bleaching der unteren Zahnreihe vorgenommen, die Beklagte aber habe sich dann eine noch hellere Zahnfarbe gewünscht. Ebenso hat die Klägerin vorgetragen, der Zedent selbst habe den Zahnersatz insgesamt geplant und mit Hilfe eines Vorab-Modells, nämlich des sogenannten „Wax-ups“ auch vorläufig umgesetzt, sowie mit der Beklagten auch einen vorläufigen Einprobetermin, nämlich den 24.02. 2015 persönlich durchgeführt. Dieser Termin sei nur deshalb zum endgültigen Termin geworden, weil die Beklagte von dem Zahnersatz so begeistert gewesen sei, dass sie entgegen der vorherigen Planung ein sofortiges festes Einsetzen gewünscht habe, und zwar in Ansehung des Umstandes, dass der Zedent sie über die damit einhergehende Unabänderlichkeit des Ersatzes aufgeklärt habe (S. 2 und 3 des Schriftsatzes vom 11.4.2017). Die Beklagte hat zu alldem keinen Gegenbeweis angeboten. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Zedent die Hoheit über das gesamte Behandlungskonzept hatte, und es spricht nichts dafür, dass er hierbei seinen Anweisungs-, Überwachungs- oder Kontrollpflichten nicht genügt hätte. Nur dann aber, wenn bereits die prägende Kernleistung der ärztlichen Behandlung nicht mehr vom Arzt selbst erbracht wird, wäre u.U. an ein Entfallen des Honoraranspruchs überhaupt zu denken (juris Praxiskommentar, aaO., Rz. 92). Hierfür ist aber nichts ersichtlich.

Nach alledem rät der Senat zu einer Berufungsrücknahme, die zwei Gerichtsgebühren spart.

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