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Haftung des Arztes bei verzögerter Ausstellung eines ärztlichen Zeugnisses

OLG Saarbrücken, Az: 1 U 147/15, Urteil vom 27.07.2016

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 22. Oktober 2015 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken, 16 O 82/15, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht Ansprüche infolge einer nicht rechtzeitigen Weiterleitung einer Bescheinigung durch den Beklagten geltend.

Haftung des Arztes bei verzögerter Ausstellung eines ärztlichen ZeugnissesDer Beklagte, Chefarzt der Unfallchirurgie des Marienkrankenhauses in … pp., versorgte am 14. März 2011 beim Kläger operativ eine Patellasehnenruptur. Der Kläger machte in der Folge aufgrund eines behaupteten Dauerschadens Ansprüche auf Invaliditätsleistungen gegen seine Unfallversicherung, die … pp. Versicherungs AG, geltend. Diese übersandte dem Kläger einen Vordruck „fachärztliche Bescheinigung zur privaten Unfallversicherung“, mit der Aufforderung, diesen bis spätestens 13. Dezember 2012 ausgefüllt an die Versicherung zurückzureichen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf Bl. 7 d.A. Bezug genommen.

Der Kläger suchte den Beklagten am 15. November 2012 in dessen Ambulanzsprechstunde auf. Der Beklagte fertigte die fachärztliche Bescheinigung unter dem Datum des 29. Dezember 2012 aus und übersandte diese an die … pp. Versicherungs AG, wo sie am 21. Januar 2013 einging. Mit Schreiben vom 4. Februar 2013 (Bl. 25 der beigezogenen Akte) lehnte die Versicherung eine Leistung ab. Die Frage, ob ein unfallbedingter Dauerschaden vorliege und wann dieser erstmalig ärztlich festgestellt wurde, habe vom Arzt leider nicht beantwortet werden können. Die Frist zur ärztlichen Feststellung des Dauerschadens sei inzwischen abgelaufen, so dass man deshalb nicht leisten könne. Eine vom Kläger vor dem Landgericht Bad Kreuznach gegen die Versicherung erhobene Klage wurde abgewiesen, da die Frist nicht eingehalten worden sei und es sich bei dieser um eine die Entschädigungspflicht des Versicherers begrenzende Anspruchsvoraussetzung handele.

Der Kläger hat behauptet, er habe dem Beklagten bei dem Termin am 15. November 2012 die fachärztliche Bescheinigung übergeben. Er habe darauf hingewiesen, dass die Bescheinigung bis spätestens 13. Dezember 2012 der Versicherung vorliegen müsse. Nach der Untersuchung habe der Beklagte ihm zugesagt, die Bescheinigung auszufüllen und fristgerecht an die Versicherung zu senden. Am 7. Dezember 2012 habe er, was der Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, telefonisch in der Praxis nachgefragt, ob die Bescheinigung bereits versandt worden sei. Dies sei verneint worden, woraufhin er nochmals auf die einzuhaltende Frist verwiesen habe. Die Patellasehnenruptur habe bei ihm zu einem Dauerschaden geführt, aufgrund dessen die Versicherung Invaliditätsleistungen in Höhe von 7.300 Euro hätte erbringen müssen.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 7.300 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn nicht festsetzbare Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 837,76 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, der Kläger habe sich in seiner ambulanten Sprechstunde vorgestellt und über Beschwerden im Bereich des Kniegelenks in Form von Instabilität und Krepitation geklagt. Er ist der Ansicht, der Kläger als Versicherungsnehmer sei verpflichtet, Fristen einzuhalten.

Das Landgericht Saarbrücken hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 1. Oktober 2015 (Bl. 46 d.A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 1. Oktober 2015 (Bl. 44 ff. d.A.) Bezug genommen.

Mit am 22. Oktober 2015 verkündetem Urteil (Bl. 57 ff. d.A.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht Saarbrücken die Klage abgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und ist der Ansicht, sein Anspruch sei kein Verzugsschadensersatzanspruch sondern unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung zu prüfen. Er habe den Beklagten am 15. November 2012 einzig und allein zu dem Zweck aufgesucht, dass dieser die von der Versicherung geforderte Bescheinigung erteile. Sein Vorbringen, wonach er dem Beklagten das Schreiben der Versicherung am 15. November 2012 überreicht habe, sei als unstreitig bzw. zugestanden anzusehen, da es dem Beklagten oblegen habe darzulegen, dass er auf andere Weise als vom Kläger vorgetragen in dessen Besitz gekommen sei. Aus § 25 Satz 2 der Musterberufsordnung – MBO-Ärzte – ergebe sich, dass der Arzt derartige Zeugnisse innerhalb einer angemessenen Frist abzugeben habe. Dies sei vorliegend nicht erfolgt, so dass auch hieraus ein vertragswidriges Verhalten folge.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteiles des LG Saarbrücken vom 22.10.2015, Az.: 16 O 82/15, den Beklagten nach den erstinstanzlichen Klägeranträgen zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und ist der Ansicht, es fehle an einem Nachweis dafür, dass der Beklagte rechtlich für die Einhaltung der Frist habe einstehen wollen.

Die Akten des Landgerichts Bad-Kreuznach, 3 O 147/13, waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrags im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschrift des Landgerichts Saarbrücken vom 1. Oktober 2015 (Bl. 44 ff. d.A.), des Senats vom 6. Juli 2016 (B. 127 f. d.A.) sowie das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 22. Oktober 2015 (Bl. 57 ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig, aber unbegründet.

I. Die Berufung des Klägers ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt sowie ordnungsgemäß begründet worden und daher gemäß den §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässig.

Obgleich auf dem durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers in Kopie vorgelegten Urteil erster Instanz der Datumsstempel 26. Oktober 2015 angebracht ist, wurde die Berufung fristgerecht erhoben. Das unterzeichnete Empfangsbekenntnis trägt das Datum 5. November 2015 (Bl. 68 d.A.). Hiervon ausgehend ist die am 4. Dezember 2015 eingegangene Berufung fristgemäß eingelegt. Der Klägervertreter hat auf entsprechenden Hinweis mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2015 (Bl. 79 d.A.) vorgetragen, er sei im Zeitraum 26. Oktober bis 2. November 2015 nicht in der Kanzlei gewesen und ihm sei das Urteil „wegen des vorhandenen Aktenstaus erst am 05.11.15 zur Kenntnis gelangt.“

Allein das Datum des an diesem Tag unterzeichneten Empfangsbekenntnisses, § 174 Abs. 1 ZPO, ist maßgebend. Die Zustellung nach § 174 Abs. 1 ZPO erfordert, dass der Rechtsanwalt das zuzustellende Schriftstück persönlich entgegennimmt, mit der Bereitschaft, dieses als zugestellt anzunehmen. Eine Ersatzzustellung ist nicht möglich (vgl. Tombrink, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 8. Aufl. 2016, § 174 Rn. 2). Im Falle der Zustellung eines Schriftstücks an den Prozessbevollmächtigten der Partei nach § 174 ZPO kommt es daher für den Fristbeginn darauf an, wann der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis unterzeichnet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 – VI ZB 64/09 – juris, Rn. 9).

II. In der Sache hat das Rechtmittel keinen Erfolg.

Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO noch rechtfertigen die von dem Senat nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.

Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB.

1. Ein Arzt kann jedoch nach Verzugsgesichtspunkten gegenüber einem Versicherungsnehmer haften, wenn er die Erstellung eines ärztlichen Zeugnisses verzögert (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2005 – VI ZR 126/04 -, juris Rn. 10, NJW 2006, S. 687; BGH, Urteil vom 19. Februar 1981 – IVa ZR 98/80 –, Rn. 18, juris; OLG München, Urteil vom 21. Juli 2011 – 1 U 2050/09 -, juris, Rn. 60; Leverenz in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2010, AUB Ziff 2.1, Rn. 82). Dabei kann vorliegend offen bleiben, ob die Pflicht zur Ausstellung eines Attestes, auch gegenüber einer Versicherung, eine vertragliche Nebenpflicht des Arztes darstellt (so Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl. 2014, A, Rn. 7; Lafontaine in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 630a BGB, Rn. 486) oder insoweit ein eigenständiger Werkvertrag geschlossen wird (so Schmidt-Recla, MedR 2006, S. 634). Auch die Nebenpflicht stellte auf jeden Fall eine Leistungspflicht dar, so dass sie von einer Verzugshaftung umfasst wird (vgl. hierzu Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 286 Rn. 6).

Da die vom Beklagten geforderte ärztliche Bescheinigung vorliegend zur Erlangung von Leistungen aus der Unfallversicherung diente, ist es nahe liegend, die wirtschaftlichen Interessen des Patienten in den Schutzbereich der vertraglichen Verpflichtung des Arztes einzubeziehen, das ärztliche Zeugnis innerhalb einer angemessenen Zeit zu erstellen (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2005 – VI ZR 126/04 -, juris Rn. 10, NJW 2006, S. 687). Zutreffend verweist der Kläger insoweit auf § 25 Satz 2 MBO-Ä, wonach der Arzt Gutachten und Zeugnisse, zu deren Ausstellung er verpflichtet ist oder die auszustellen er übernommen hat innerhalb einer angemessenen Frist abzugeben hat. Diese Standespflicht ist zugleich eine Rechtspflicht (vgl. BGH, a.a.O.; wohl noch a.A. OLG München, Urteil vom 29. Juli 2004 – 1 U 2965/04 -, juris Rn. 25, VersR 2005, S. 1535). Verletzt der Arzt diese in der Weise, dass er das ärztliche Zeugnis schuldhaft verzögert ausstellt, kann er dem Patienten nach Verzugsgesichtspunkten haften.

2. Die Verzugsvoraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht gegeben. Dabei kann offen bleiben, ob es – wie das Landgericht Saarbrücken angenommen hat – schon an einer Leistungspflicht des Beklagten fehlt (a.). Jedenfalls konnte der Kläger nicht das Vorliegen einer Mahnung bzw. deren Entbehrlichkeit beweisen (b.).

a. Entgegen der Ansicht des Landgerichts Saarbrücken spricht vorliegend vieles dafür, dass durchaus eine Leistungspflicht des Beklagten zur Ausstellung der ärztlichen Bescheinigung begründet wurde.

Im Rahmen der Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO dürfte es weit eher wahrscheinlich sein, dass der Beklagte die auszufüllende Bescheinigung von dem Kläger anlässlich dessen Termins am 15. November 2012 erhalten hat. Es spricht weniger dafür, dass das Schreiben der … pp. Versicherungs AG, das jedenfalls im Besitz des Beklagten war, postalisch oder außerhalb des Besprechungstermines oder anlässlich des Arzt-Patienten-Kontaktes nur formlos überreicht worden sein könnte. Der gesamte zeitliche Ablauf, sowie der Umstand, dass der Kläger ausweislich der beigezogenen Akte von dem Orthopäden Dr. D. wegen des Ausfüllens der Bescheinigung eigens zum Beklagten geschickt wurde, spricht dafür, dass der Kläger dem Beklagten die Bescheinigung durchaus am 15. November 2012 übergeben hat. Ausweislich der beigezogenen Akte suchte der Kläger den Orthopäden Dr. D. in B. am 13. November 2012 auf (so die Angabe in der Klageschrift, Bl. 3 der beigezogenen Akte). Zwei Tage später erschien er beim Beklagten. Es ist kein einleuchtender Grund ersichtlich, warum sich der Kläger, nachdem zuvor ein anderer Orthopäde einen Dauerschaden bei ihm festgestellt hat, beim Beklagten allein zur Durchführung einer medizinischen Untersuchung einfinden sollte. Hätte der Kläger den Beklagten lediglich aus derartigen medizinischen Gründen aufgesucht, wäre zu erwarten gewesen, dass nach der unstreitig durchgeführten Untersuchung Diagnosen erstellt und Therapieempfehlungen ausgesprochen worden wären. Hierüber hat der als Partei vernommene Beklagte aber nicht berichtet.

Zu einer Untersuchung war der Beklagte auch vor Erstellung der Bescheinigung verpflichtet. Gerade vor der Ausstellung des Zeugnisses für die Versicherung ist eine solche Untersuchung geboten, da ein Zeugnis, das ein Arzt ohne Untersuchung ausstellt, als Beweismittel wertlos ist und er sich ggf. nach § 278 StGB strafbar macht (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 08. November 2006 – 2 StR 384/06 – juris, Rn. 4, MedR 2007, S. 248).

b. Es fehlt jedoch an der notwendigen Mahnung, § 286 Abs. 1 BGB (aa.); diese ist auch nicht nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich (bb.).

aa. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger den von ihm behaupteten Telefonanruf am 7. Dezember 2012, der als Mahnung angesehen werden könnte, nicht habe beweisen können. Die entsprechende Beweiswürdigung ist im Prüfungsrahmen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht zu beanstanden.

Das in der Klageschrift diesbezüglich angeführte Beweisangebot „Zeuge N.N.“ ist unbeachtlich. Dies genügt einem hinreichenden Beweisantritt nach § 373 ZPO nicht. Hierauf musste der Kläger auch nicht hingewiesen werden. Nach dem Stand des Prozesses war für den anwaltlich vertretenen Kläger ersichtlich, dass es auf den Umstand einer in dem Telefonat liegenden Mahnung evident ankommt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 8. April 1987 – VIII 211/86 -, NJW 1987, S. 3077, 3080). Zudem wurde das Beweisangebot auch in der Berufungsbegründung nicht näher spezifiziert.

Die Voraussetzungen einer Parteivernehmung des Klägers, § 448 ZPO, liegen nicht vor. Hiernach muss eine gewisse, nicht notwendig hohe Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung erbracht sein, d.h. es muss bereits „einiger Beweis“ erbracht sein (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 448 Rn. 4). Dies ist nicht der Fall. Es spricht nicht mehr für die Durchführung dieses Telefonats als dagegen. Zudem verweist der Beklagte zutreffend darauf, dass es wenig wahrscheinlich ist, dass er sich nach Ansprache durch die Sekretärin angesichts der Vielzahl der Patienten konkret an den Namen des Klägers und den Vorgang erinnert haben sollte, wie es der Kläger vorbringt.

bb. Eine Mahnung war auch nicht nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB deshalb entbehrlich, weil eine Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt wurde. Dies könnte angenommen werden, wenn infolge eines klaren Hinweises des Klägers auf die Bedeutung der Frist und die Folgen eines Fristablaufs von einer, ggf. konkludenten, vertraglichen Vereinbarung (zu dieser Notwendigkeit vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl. 2016, § 286 Rn. 22) diesbezüglich ausgegangen werden könnte. Der Kläger hat jedoch nicht beweisen können, dass in einer solchen Form über die Frist gesprochen wurde.

(1.) Es ist grundsätzlich dessen Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Bescheinigungen, die zum Erhalt von Leistungen aus der Unfallversicherung geboten sind, rechtzeitig seiner Versicherung vorliegen. Den Beklagten trifft aus dem ärztlichen Behandlungsvertrag, § 630a BGB, keine generelle vertragliche Nebenpflicht von sich aus auf einzuhaltende Fristen zu achten oder diesbezüglich nachzufragen. Dies würde ihm letztlich eine Fristenkontrolle auferlegen. Diese ist zwar hinsichtlich der eigentlichen medizinischen Behandlung aus Gründen der Patientensicherheit, etwa bezüglich zu erwartender Befunde, geboten (vgl. hierzu Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl. 2014, B Rn. 138; OLG Frankfurt, Urteil vom 3. März 1995 – 24 U 311/93 -, juris Rn. 19; Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 30. Juni 2004 – 1 U 385/02 -, juris Rn. 64). Eine solche kann jedoch nicht generell auch bezüglich der Erstellung von Attesten angenommen werden. Diese nicht die Kernaufgaben ärztlicher Tätigkeit betreffende Pflicht kann nur dann bestehen, wenn der Patient auf die Eilbedürftigkeit und den drohenden Fristablauf hingewiesen hat (vgl. hierzu OLG München, Urteil vom 29. Juli 2004 – 1 U 2965/04 -, juris, Rn. 30, VersR 2005, S. 1535).

(2.) Ein solcher Hinweis ist jedoch wie ausgeführt nicht bewiesen. Der klägerseits als Beweismittel angebotene Beklagte hat diese Behauptung gerade nicht bestätigt.

(3.) Zur Erteilung dieses Hinweises wäre der Kläger auch in der Lage gewesen. Wie sich aus der beigezogenen Akte des Landgerichts Bad Kreuznach ergibt, wurde er seitens seiner Versicherung bereits mit Schreiben vom 12. April 2011 auf die Bedeutung der Frist hingewiesen. Hierin ist ausgeführt, dass Voraussetzung für eine Invaliditätsleistung sei, dass ein unfallbedingter Dauerschaden innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall eingetreten und nach weiteren sechs Monaten ärztlich festgestellt werden müsse. Um die fristgemäße ärztliche Feststellung müsse sich der Kläger selbst bemühen. Das Datum des 13. Dezember 2012 ist genannt und deutlich darauf hingewiesen, dass im Falle der Fristversäumung kein Anspruch auf Invaliditätsleistung bestehe (vgl. Bl. 22 f. der beigezogenen Akte).

Somit wusste der Kläger bereits im April 2011 um die Bedeutung der Einhaltung der Frist. Auf diese wurde nochmals im Schreiben der Versicherung vom 5. November 2012 – wenn auch ohne Angabe der Rechtsfolge – hingewiesen (Bl. 7 d.A.).

(4.) Es steht auch nicht fest, dass der Kläger dem Beklagten auch das Anschreiben der Versicherung an ihn vom 5. November 2012 (Bl. 7 d.A.), in welchem die Frist des 13. Dezember 2012 genannt ist, übergeben hat. Dies ist nicht bewiesen. Der Beklagte war nachweisbar nur im Besitz der ärztlichen Bescheinigung zur privaten Unfallversicherung (Bl. 51 d.A.), da er die dort aufgelisteten Fragen in seinem Schreiben vom 29. Dezember 2012 an die Versicherung (Bl. 53 ff. d.A.) beantwortet hat.

Aber selbst wenn ihm auch das Anschreiben der Versicherung vom 5. November 2012 vorgelegen hätte, kann aus der Fristüberschreitung keine schuldhafte Pflichtverletzung hergeleitet werden. In dem Anschreiben ist folgendes ausgeführt:

„Lassen Sie diese auch vom Facharzt ergänzen und schicken Sie sie bitte spätestens bis zum 13.12.2012 zurück, auch, wenn die Heilbehandlung noch andauert.“

Hieraus war für den Beklagten, der die versicherungsvertragsrechtlichen Verhältnisses zwischen dem Kläger und dessen Unfallversicherung nicht kannte, nicht ersichtlich, dass dieser Frist eine Bedeutung im Sinne einer Ausschlussfrist zukam. Dieses Schreiben der Versicherung weist hierauf nicht hin. Der Beklagte durfte, ohne dass weitere Hinweise erfolgen, welche gerade nicht bewiesen sind, davon ausgehen, dass die genannte Frist lediglich der beschleunigten Abwicklung des Versicherungsvorgangs dienen sollte.

Er war auch insoweit nicht zur Nachfrage beim Kläger verpflichtet. Es ist dessen Obliegenheit als Versicherungsnehmer dafür zu sorgen, dass Erklärungen fristgerecht vorgelegt werden. Danach muss der Patient Dritte, derer er sich zur Erfüllung seiner Obliegenheit bedient, gezielt auf die Frist hinweisen. Wie ausgeführt, ist ein solcher Hinweis nicht bewiesen.

3. Da vorliegend die Frage einer schuldhaften Leistungsverzögerung in Rede steht, bestimmt sich die Haftung des Beklagten allein nach Verzugsgesichtspunkten. Daneben ist für eine Anwendung der §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB kein Raum (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2005 – VI ZR 126/04 -, juris Rn. 14, NJW 2006, S. 687, 688; zur Abgrenzung des Verzugs zur Schlechtleistung vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2009 – V ZR 93/08 –, BGHZ 181, 317-328, juris, Rn. 17; Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, Vorbem vor § 275, Rn. 13).

Der Vorwurf an den Beklagten ist keine eigentliche Schlechtleistung, sondern hat ihren Schwerpunkt in der verzögerten Leistung. Gerade die Behandlung derartiger Ansprüche nach Verzugsgesichtspunkten trägt der wechselseitigen Interessen- und Pflichtenlage zwischen Arzt und Patient Rechnung. Dem Arzt wird, wie Eingangs dargestellt, durchaus die Rechtspflicht auferlegt, derartige Zeugnisse binnen einer angemessenen Frist zu erstellen. Da er jedoch dem Grunde nach nicht verpflichtet ist, insoweit eine Fristenkontrolle durchzuführen und ihm regelmäßig die Bedeutung derartiger Fristen, die auch von ihm nicht bekannten Einzelfallumständen abhängen können, nicht geläufig sein dürfte, muss der Arzt gemahnt werden, bzw. ein Fall der Entbehrlichkeit der Mahnung vorliegen. Erst hiernach ist dem Arzt Bedeutung und Tragweite der fristgebundenen Ausstellung bekannt, so dass er bei Überschreitung der Frist grundsätzlich haftet.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. § 713 ZPO ist anwendbar, da die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, für jede der Parteien unzweifelhaft nicht gegeben sind. Dies folgt daraus, dass die Revision nicht zugelassen ist und gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO die Nichtzulassungsbeschwerde für jede der Parteien unzulässig ist, da die Beschwer nicht mehr als 20.000 € beträgt.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

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