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Krankenhaushaftung – Sprung eines verwirrten Patienten aus einem Fenster

OLG Koblenz – Az.: 5 U 1030/13 – Beschluss vom 30.12.2013

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 12. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil und dieser Beschluss sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf 36.205,66 € festgesetzt.

Gründe

I.

Krankenhaushaftung - Sprung eines verwirrten Patienten aus einem Fenster
Symbolfoto: Von hxdbzxy /Shutterstock.com

Der Kläger wurde am 11.03.2010 wegen eines entgleisten Hypertonus, akuter Verwirrtheit und starker Unruhe in das M. – Krankenhaus in N. aufgenommen, dessen Trägerin die Beklagte ist. Er wurde zunächst in der Inneren, später in der Geriatrischen Station medikamentös behandelt.

Am frühen Morgen des 14.03.2010, gegen 3.45 Uhr informierte ein Patient (Bettnachbar) den diensthabenden Pfleger darüber, dass der Kläger aus dem Fenster gesprungen sei. Dieser wurde sodann außerhalb des Zimmers, 5 m tiefer auf dem Asphalt liegend verletzt aufgefunden.

Hierfür macht der Kläger die Beklagte verantwortlich. Die Ärzte und das Pflegepersonal hätten auf sein Verhalten, die Ausfallerscheinungen und die Halluzinationen nicht adäquat reagiert. Die Medikation sei nicht ordnungsgemäß gewesen und die gebotenen Sicherheitsmaßnahmen seien unterlassen worden.

Vor diesem Hintergrund hat er in erster Instanz, jeweils verzinslich die Zahlung eines Schmerzensgeldes (20.000,00 €), eines Haushaltsführungsschadens (9.120,00 €), eines weiteren Schadensersatzes (2.085,66 €), außergerichtlicher Rechtsanwalts- kosten (1.505,35 €) sowie die Feststellung der Ersatzpflicht von in die Zukunft gerichteter materieller und immaterieller Ansprüche begehrt.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Das Verhalten ihrer Mitarbeiter sei korrekt, der Unfall nicht vermeidbar gewesen.

Das Landgericht hat die Klage sachverständig beraten abgewiesen. Die Medikation sei zutreffend gewählt und dosiert, der Sturz des Klägers aus dem Fenster sei weder vorwerfbar noch vermeidbar gewesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein Begehren uneingeschränkt weiter verfolgt und sein Vorbringen wiederholt und vertieft.

Es könne offen bleiben, ob die Medikation zu beanstanden sei. Die Beklagte habe ihre (Verkehrssicherungs-) Pflicht verletzt, ihn vor der eingetretenen Selbstschädigung zu bewahren. Der Sachverhalt habe durch Vernehmung von Zeugen weiter aufgeklärt werden müssen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze.

II.

Die zulässige Berufung ist ohne jede Aussicht auf Erfolg. Darauf hat der Senat mit der Verfügung des Vorsitzenden vom 20.12.2012 hingewiesen und ausgeführt:

1. Das Landgericht hat überzeugend festgestellt, dass die Medikation des Klägers vom 11. bis zum 14.03.2010 fehlerfrei gewesen ist. Die Berufung nimmt das hin. Sie wiederholt auch nicht den in erster Instanz erhobenen Vorwurf, entsprechend der Bitte seiner Ehefrau sei eine Fixierung des Klägers erforderlich gewesen. Dazu hat der Sachverständige unmissverständlich ausgeführt, dass weder die Erkrankung noch der Behandlungsverlauf eine medikamentöse Ruhigstellung oder gar mechanische Fixierung erlaubt habe.

Der Senat ist sich sicher, dass die Beklagte vom zuständigen Amtsgericht eine richterliche Erlaubnis zu einer derartigen freiheitsentziehenden Maßnahme nicht erlangt hätte.

2.1 Für das Verfahren zweiter Instanz ist daher nur relevant, dass der Kläger meint, der Beklagten hätten geeignete Überwachungsmaßnahmen, zumindest aber regelmäßige Kontrollen des Krankenzimmers in 15 minütigen Abständen oblegen. Das sieht der Senat nicht so.

Die von der Berufung herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 2005,1937) postuliert die Selbstverständlichkeit, dass ein Pflegewohnheim den Schutz seiner Patienten vor Gefährdungen zu gewährleisten hat. Obgleich es dort um ein nur begrenzt vergleichbares Geschehen ging, lässt sich aber auch aus dieser Entscheidung erkennen, dass nur notwendige und zumutbare Maßnehmen geschuldet sind.

Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus mit offenen Stationen. Für Patienten, die dort in einem Delirium eingeliefert werden, gibt es zu ihrer Sicherung weder technische noch medizinische Standards. Insbesondere kann – auch wegen anderer Patienten – nicht verlangt werden, dass Türen und Fenster verschlossen werden (LG Rostock, MedR 2005, 410). Der Kläger wurde in der Inneren Medizin aufgenommen und dann in die geriatrische Abteilung verlegt. Die Beklagte hat (zuletzt nicht widersprochen) vorgetragen, dass dort – abgesehen davon, ob ein Verschließen zulässig wäre – spezielle Fenstersicherungen nicht vorhanden sind. Ein Einschließen des Klägers in einem Einzelzimmer war nicht geboten, wäre aber auch nicht erlaubt gewesen.

2.2 So bleibt die Forderung des Klägers, er habe zeitnah und beständig (Kontrolle alle 15 Minuten, Sitzwache) kontrolliert werden müssen.

Zu seinen Gunsten hat das Landgericht unterstellt, dass er bereits am 11., 12, und 13.03.2010 verwirrt gewesen sei und Psychosen gehabt habe, wie dies in der Klageschrift dargestellt worden war. Die entsprechenden Ausführungen im Beschluss vom 29.01.2013 hat das Landgericht dem Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich vorgehalten. Er ist bei seiner Einschätzung geblieben. Die Rüge der Berufung, der Sachverständige sei nicht vom vorgetragenen Sachverhalt ausgegangen, die Zeugen seien zu vernehmen gewesen, trifft daher nicht zu.

Entscheidend ist, dass der Behandlungsverlauf, insbesondere das für die Nacht vom 13. auf den 14.03.2010 dokumentierte Geschehen, auch der Streit mit dem Zimmernachbarn und dessen erfolgreiche Schlichtung, dem Personal der Beklagten den Eindruck vermitteln durfte, man habe den Verlauf des Deliriums unter Kontrolle. Unter der eingesetzten Medikation war es zu einer Beruhigung gekommen, für eine abstrakte oder konkrete Eigengefährdung gab es keinen akuten Anhalt, die Notwendigkeit einer engmaschigen Überwachung hat der Sachverständige deshalb verneint. Letztlich wären aber auch eine „Sitzwache“ vor dem Zimmer oder eine Kontrolle in Abständen von 15 Minuten – wenn überhaupt möglich und zumutbar in einem „normalen“ Krankenhaus – letztlich nicht geeignet gewesen, zu verhindern, dass der Kläger in einem unbewachten Augenblick plötzlich aus dem Fenster sprang (Vgl. OLG München, MedR1998, 366).“

Hieran hält der Senat nach erneuter Beratung fest. Die (weitgehend wiederholenden) Ausführungen des Klägers vom 18.12.2013 veranlassen nur zu folgenden Ergänzungen:

Entgegen der (erneuten) Behauptung hat der Sachverständige das unter Zeugenbeweis gestellte Vorbringen des Klägers zu dem Geschehen bis zur Unfallnacht berücksichtigt. Für sein Verhalten in dieser Nacht hat sich der Kläger nur auf die Pflegedokumentation und das Zeugnis seines Bettnachbarn berufen. Die Dokumentation hat der Sachverständige ausgewertet, weshalb und wozu genau der Zeuge hätte vernommen werden müssen (der Streit und dessen Schlichtung wurden berücksichtigt), machen weder die Berufungsbegründung noch der Schriftsatz vom 18.2.2013 deutlich.

Richtig ist, dass die Beklagte für ihren Einwand, eine engmaschigere Kontrolle hätte den Sturz nicht verhindert, beweisführungspflichtig ist. Die diesbezüglichen Ausführungen des Senats im Hinweis vom 22.11.2013 waren erkennbar als eine das Ergebnis nicht tragende, sondern nur bestätigende Erwägung gemeint.

Entscheidend ist, dass der Sachverständige aus dem dokumentierten Geschehen überzeugend ableitete, dass die Mitarbeiter der Beklagten davon ausgehen konnten, der Verlauf des Deliriums sei unter Kontrolle und deshalb eine engmaschigere Überwachung für entbehrlich halten durften.

III.

Da alle Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen, ist die Berufung mit den Nebenentscheidungen aus §§ 97Abs. 1, 708 Nr. 10,711 ZPO zurückzuweisen.

Der Sachverhalt ist vom Landgericht umfassend geklärt, eine ergänzende Beweisaufnahme nicht erforderlich. Neue Erkenntnisse sind von einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht zu erwarten. Die Zurückweisung durch Beschluss verkürzt den Rechtsweg nicht (§ 522 Abs. 3 ZPO).

Die Streitwertbemessung entspricht dem Berufungsantrag.

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