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Notarzthaftung – Behandlung von Patienten mit akutem Schlaganfallverdacht

OLG Karlsruhe – Az.: 13 U 103/13 – Urteil vom 13.05.2016

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 06.06.2013 – 6 O 207/12 C – wird unter Abweisung der Klage im Übrigen zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin.

3. Das Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten oder die Streithelferin Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als Erbin ihres zwischenzeitlich verstorbenen Ehemannes J.H… (nachfolgend als Kläger bezeichnet) von den Beklagten als Gesamtschuldner materiellen und immateriellen Schadensersatz.

Notarzthaftung - Behandlung von Patienten mit akutem Schlaganfallverdacht
(Symbolfoto: KaKrue/Shutterstock.com)

Am 24.02.2011 gegen 11 Uhr erlitt der 1941 geborene Kläger im Fahrstuhl des evangelischen Altenheims in S. einen Schlaganfall (Mediahauptstammverschluss rechts mit konsekutivem Mediateilinfarkt rechts). Um 11.04 Uhr erreichte den Beklagten Ziffer 2, der als Leitender Notarzt tätig war, der Alarm, der eine „bewusstlose Person“ meldete. Um 11.07 Uhr traf der Beklagte Ziffer 2 mit einem Rettungssanitäter beim Kläger ein. Um 11.08 Uhr war der Rettungswagen vor Ort. Der Kläger war wach und ansprechbar, konnte sich aber nicht verständlich machen. Der Beklagte Ziffer 2 notierte hierzu in der Einsatzdokumentation unter anderem „Puls regelmäßig, gut palpabel, Facialisparese rechts, Hemiparese li. Bein + Arm, bek. Diabetiker“. Als Diagnose erfasste er in der Einsatzdokumentation (AS. I 157 – 159) „Synkope Df Apoplex-> CT Diagnostik“ und wies den Kläger in das ca. 690 m entfernte Krankenhaus S. der Beklagten Ziffer 1 ein, in welchem er selbst Chefarzt für Anästhesie war. 21 km entfernt lag das H. K. mit einer Stroke Unit Abteilung. Im Krankenhaus S. wurde der Kläger um 11.21 Uhr aufgenommen. Die Assistenzärztin stellte eine Hemiparese links, Facialisparese links und Dysarthrie fest. Nach Hinzuziehung der Chefärztin K. wurde um 11.30 Uhr ein craniales CT angeordnet. Während des CT erlitt der Kläger einen epileptischen Krampfanfall. Um 11.40 Uhr lag das CT vor. Nach weiteren Untersuchungen (Klinik, Echokardiographie, Dopplersono, EKG, Labor) veranlasste die Chefärztin die Verbringung in die ca. 23 km entfernte Klinik der Streithelferin in A. . Um 12.01 Uhr wurde der Rettungswagen gerufen, der um 12.04 Uhr eintraf und den Kläger um 12.41 Uhr der Streithelferin in A. übergab. Die dortigen Ärzte fertigten ein MRT des Schädels an. Ab 14.15 Uhr führten sie eine Thrombolyse-Behandlung durch.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (AS. I 179 – 191).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat eine Haftung des Beklagen Ziffer 2 verneint, weil er als Notarzt hoheitlich gehandelt habe und deshalb anstelle der persönlichen Haftung die staatliche Haftung nach den Grundsätzen der Amtshaftung trete. Hinsichtlich der Beklagten Ziffer 1 hat das Landgericht entschieden, eine Haftung sei nicht gegeben, weil der Vorwurf fehlerhafter Behandlung nicht daraus hergeleitet werden könne, dass die behandelnden Ärzte der Beklagten Ziffer 1 den Kläger gar nicht hätten aufnehmen dürfen, sondern sogleich einen Weitertransport in die Schlaganfall-Abteilung des Krankenhauses S. hätten veranlassen müssen. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (S. 10 – 18 des Urteils, AS. I 192 – 209).

Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie das angefochtene Urteil in vollem Umfang zur Überprüfung durch das Berufungsgericht stellt.

Hinsichtlich des Beklagten Ziffer 2 habe das Gericht zu Unrecht den Notarzt als medizinisch hoheitlich Handelnden eingestuft und ihn damit unzutreffend unter das Haftungsprivileg des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gestellt. Soweit in Teilen der Rechtsprechung und Literatur ein hoheitliches Handeln von Notärzten bejaht werde, würden diese Ansichten die Grundrechte des Patienten aus Art. 2 Abs. 2 GG verkennen; ein hoheitlich verordneter und durchgeführter Heileingriff durch den Arzt sei diesem Grundrecht selbst in einer evtl. vermeintlichen Notlage heraus fremd. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Patienten werde auch in den entsprechenden Entscheidungen/Aufsätzen nicht diskutiert. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit schütze jedoch vor allen Einwirkungen, die die menschliche Gesundheit beeinträchtigten, worunter insbesondere und unzweifelhaft ärztliche Heileingriffe fielen. Ein solcher sei auch der notärztliche Einsatz mit zusätzlicher ärztlicher Transportüberwachung. Nicht die Gefahrenabwehr, sondern der lebensrettende Heileingriff und damit Art. 2 GG stehe im Vordergrund des notärztlichen Handelns. Es unterscheide sich nur unwesentlich vom Heileingriff im Krankenhaus oder Behandlungszimmer. Die Berufung meint, aus der hoheitlichen Aufgabe des Rettungsdienstes nach § 1 Abs. 1 RDG-BW ergebe sich nichts für die Rechtsform, in der diese Aufgabe wahrgenommen werde, wie sich schon daran zeige, dass die privatrechtliche Ausgestaltung des in gleicher Sphäre wirkenden Krankentransports in Baden-Württemberg außer Frage stehe. So habe der Bundesgerichtshof die Durchführung des Rettungsdienstes in Baden-Württemberg lange einheitlich als privatrechtliche Tätigkeit angesehen (BGHZ 118, 304, 306). Ausdrücklich allein die Lenkungstätigkeit der Rettungsleitstelle nach § 6 RDG-BW sei vom Bundesgerichtshof der öffentlich-rechtlichen Tätigkeit zugeordnet worden. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs mache jedoch gleichzeitig deutlich, dass er der Zuordnung des Notarztes in Baden-Württemberg zur privatrechtlichen Tätigkeit zugeneigt sei.

Für den Notarzt eröffne das RDG-Baden-Württemberg keine solche öffentlich-rechtliche, durch Gesetz erst geschaffene Handlungs- und Entscheidungsbefugnis.

§ 10 Abs. 1 RDG-BW ordne lediglich an, dass geeignete Ärzte im Rettungsdienst „mitwirken“ und die Krankenhausträger diese gegen Kostenerstattung zur Verfügung stellen. Darin sei nun gerade keine ausdrückliche besondere Befugnis zu sehen, mit hoheitlicher Entscheidungs- oder Handlungsbefugnis dem Patienten gegenüber Heileingriffe vorzunehmen. Aus dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes ergebe sich nichts anderes, wie auch die privatrechtliche Gestaltung des Krankentransports zeige.

Der Notarzt übe im Rettungsdienst seine originäre ärztliche Tätigkeit gegenüber dem Patienten vielmehr dem RDG-BW entsprechend nach rein medizinischen Gesichtspunkten unter Beachtung des Patientenwillens und in dessen Interesse aus, ohne dass darüber hinausgehende hoheitliche Befugnisse laut RDG-BW im Sinne eines Über-/Unterordnungsverhältnisses hinzukämen.

Gerade in vermeintlich lebensbedrohlichen Situationen könnten falsche Entscheidungen erhebliche nicht erwünschte Folgen haben. Deshalb sei gerade die Notarzttätigkeit als ärztlicher Heileingriff zu werten, der bei einem hoheitlichen Eingriff rechtswidrig sei, weil dieser den Willen des Patienten, eine solche Fehlbehandlung zu vermeiden oder gar sich zu schädigen, unberücksichtigt lassen würde. Dem Patienten müsse, selbst wenn er schwer krank sei, das Recht zugestanden werden, sich nicht behandeln zu lassen. Dieser Anspruch müsse dem Recht der Patientenverfügung entsprechend gewahrt bleiben. Diesem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit würde ein hoheitlich handelnder Arzt, der auf ein (mutmaßliches) Einverständnis/Ablehnung des Patienten nicht angewiesen wäre, entgegenstehen.

Aus objektiver Sicht werde der Notarzt ausschließlich im Interesse des individuellen Patienten und nicht im übergeordneten Interesse des Staates tätig. Das dieses bürgerlich-rechtliche Rechtsverhältnis im Rettungsdienst von öffentlich-rechtlichen Vorschriften überlagert werde, ändere hieran nichts. Lediglich für den nicht behandelnden leitenden Notarzt werde im RDG-BW explizit bestimmt, dass dieser die übrigen Ärzte zu koordinieren habe. Solcher Art besondere gesetzliche Handlungs- und Entscheidungsbefugnisse habe der behandelnde Notarzt insbesondere gegenüber seinen Patienten nicht, da er nur im Rettungsdienst „mitwirke“. Wegen der weiteren Ausführungen zur rechtlichen Einordnung der Tätigkeit des Notarztes wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.

Hinsichtlich der Haftung der Beklagten Ziffer 1 rügt die Berufung eine unzureichende Tatsachenfeststellung des Gerichts. Das Landgericht habe es verfahrensfehlerhaft versäumt, Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben, so wie es der Bundesgerichtshof nahezu immer in Arzthaftungssachen fordere. Die nicht spezialisierte Arzthaftungskammer des Landgerichts Konstanz stelle aus eigener, nicht vorhandener Sachkunde fest, dass die behandelnden Ärzte nicht schuldhaft gegen die Regeln der ärztlichen Kunst verstoßen hätten. Hierzu werte es Seite 14 „Leitlinien für Schlaganfallpatienten“ (welche?) aus, um festzustellen, dass diese auf Schlaganfallstationen aufgenommen werden „sollen“, ohne hieraus eine Pflicht abzuleiten. Dabei definierten selbst S 3-Leitlinien den Rahmen ärztlichen Handelns nicht, sondern eröffneten und begrenzten einen Handlungskorridor, der letztlich vom Sachverständigen erläutert werden müsse. Schon aus diesem Grunde sei ein Sachverständiger hinzuzuziehen. Mithin hätten nach den Leitlinien nicht nur Schlaganfallpatienten, sondern auch alle Verdachtsfälle auf einer Stroke-Unit aufgenommen werden sollen, damit man sie ggf. schnell diagnostizieren und lysieren könne. Ein solcher Verdachtsfall sei der Kläger unstreitig ohne jeden Zweifel gewesen, was das Landgericht pflichtwidrig übersehen habe. Sodann beschränke sich die Kammer fehlerhaft auf den gesicherten Schlaganfall und beurteile aus vermeintlich eigener Sachkunde, dass ein Schlaganfall nicht gesichert vorgelegen habe. Die gegenteilige Dokumentation im Notarztprotokoll werte es aus eigener nicht vorhandener Sachkunde dahingehend aus, dass ein Schlaganfall nicht unbedingt vorgelegen haben müsse. Dabei habe es die typischen Symptome Gesichts- und Seitenlähmung übersehen. Es habe auch nicht beachtet, dass eine Erkrankung des zentralen Nervensystems in Form eines Schlaganfalls (TIA/Insult/Blutung) vom Notarzt definitiv erkannt und dokumentiert worden sei. Zudem habe das Landgericht nicht erkannt, dass „Synkope DD Apoplex“ nicht in einem Alternativ-, sondern in einem Kumulativverhältnis stünden, weil eine Synkope mit Gesichts- und Körperlähmungen unvereinbar sei. Dies sei mithin medizinisches Wissen, welches eines Sachverständigengutachtens bedurft hätte und das Urteil angreifbar mache. Stattdessen greife das Landgericht allein die Ausführungen des beklagten Notarztes aus der mündlichen Verhandlung auf, dass diese Diagnosen alternativ vorgelegen hätten.

Zwar hätten diese Diagnosen weiter abgeklärt werden müssen, aber in einer Klinik, in dem beide Diagnosen gleichzeitig und möglichst optimal zeitnah hätten behandelt werden können. Nur so habe kostbare Zeit gesichert werden können. Selbst wenn der Schlaganfall nicht wie vorliegend klinisch gesichert, sondern nur als Verdachtsdiagnose im Raum gestanden hätte und nur noch eine Blutung für die Lyse auszuschließen gewesen sei, hätte ein CT durchgeführt und danach der Kläger lysiert werden müssen. Eine Lyse und kurzfristige neurologische Beurteilung sowie eine optimale Allgemeinbehandlung sei im Haus der Beklagten Ziffer 1 nicht möglich gewesen. Deshalb hätte sie ihn nicht aufnehmen dürfen, weil sie den Patienten zwar teilweise diagnostizieren, aber nicht fachgerecht habe behandeln können. Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts beruhe auf Feststellungen, die medizinische Sachkunde erfordert hätte und daher mangels sachverständiger Beratung unbeachtlich sei.

Unzutreffend seien auch die aus vermeintlich eigener Sachkunde getroffenen Feststellungen des Landgerichts, Schlaganfälle mit Blutung könnten nur in Villingen-Schwenningen behandelt werden, nicht aber in der nahen, vom Kläger favorisierten Stroke Unit in S. . Denn am Klinikum S. führten die neurochirurgischen Belegärzte Dr. H. und Dr. B. genau solche Operationen bei Hirnblutungen aus. Mithin sei die die Stroke Unit in S. als solche zertifiziert und habe das entsprechende Leistungsspektrum anzubieten.

Medizinisch fehlerhaft stelle das Landgericht nur darauf ab, ob die Lyse trotz des Umwegs über das Krankenhaus S. noch im hierfür in Frage kommenden Zeitfenster habe erfolgen können. Das habe sie zweifelsfrei, weil der Kläger noch lysiert worden sei. Darauf komme es jedoch nicht an, denn die Lyse sei absolut zeitkritisch. Je eher sie erfolge, desto besser, wobei es auf Minuten ankomme. Durch die verschuldete Aufnahme im Krankenhaus S. sei wertvolle Zeit ins Land gegangen, schon allein deshalb, weil eine zweite Aufnahme in A. habe durchgeführt werden müssen, der Patient abgeladen, übergeben, transportiert, aufgeladen, abgeladen wieder übergeben und transportiert werden musste und die Stroke Unit in S. schneller bodengebunden zu erreichen gewesen sei als das Klinikum der Streithelferin in A. . Die Zwischenstation im Klinikum S. habe keinen einzigen medizinischen Grund gehabt.

Soweit das Landgericht sein Urteil darauf stütze, dass die Chefärztin des Klinikums der Beklagten Ziffer 1 in S. vorab im Klinikum der Streithelferin in A. angerufen habe, um die erforderlichen Vorbereitungsmaßnahmen in die Wege zu leiten, werde die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt, weil dieser Aspekt noch nicht einmal von den Parteien vorgetragen worden und überraschend sei.

Mit seinen Ausführungen, ein Behandlungsfehler sei nicht dargelegt, weil nicht nachweisbar sei, dass der Kläger in S. schneller habe lysiert werden können, verwechsele das Landgericht Fehler und Wirkung. Der Fehler der Beklagten sei der, dass es dem gesicherten medizinischen Standard entsprochen hätte, den Schlaganfallpatienten wie den Verdachtsfall primär auf eine Stroke Unit aufzunehmen, weil diese zertifiziert nachgewiesen, besser ausgestattet und organisiert, in der Regel schneller und besser therapieren könne. Schon die Aufnahme des Klägers durch das beklagte Krankenhaus ohne Lysemöglichkeit bei gegebenen Therapiemöglichkeiten in der Nachbarschaft sei aufgrund der zeitkritischen Behandlung der zu rügende Fehler. Dass es durch den Umweg auch zu Zeitverzögerungen gekommen sei, sei aufgrund zweier Krankenhausaufenthalte offensichtlich und vom Kläger auch dargelegt worden. Auch habe der Kläger sich nicht dazu erklärt, ob das CT-Gerät (von denen es im Klinikum in S. aber zwei gebe) belegt gewesen sei, wie das Gericht meine. Er habe aber ausgeführt, dass notfalls das belegte CT für ihn zu räumen gewesen wäre, so dass entgegen der Annahme des Landgerichts eine sofortige Untersuchung gewährleistet gewesen wäre. Mithin hätte nicht der Radiologe (Prof. Z. ) extern angerufen werden müssen, weil die Radiologie in S. über einen eigenen Chefarzt und CT verfüge.

Weiterhin rügt die Berufung fehlendes rechtliches Gehör, da die Klage auch auf Behandlungsfehler der beklagten Klinik gestützt sei. Auf Seite 8 der Klagschrift sei ausgeführt worden, dass der Kläger die Allgemeintherapie der beklagten Klinik für unzureichend halte. Dies habe das erkennende Gericht im erstinstanzlichen Urteil übersehen.

Insgesamt kranke das Urteil an fehlender ärztlicher Sachkunde, die nur durch Hinzuziehung eines Sachverständigen geheilt werden könne. Da es zumindest möglich sei, dass ein Sachverständiger die Ansichten des Klägers bestätige oder darüber hinausgehende Fehler, ein Übernahmeverschulden und/oder Therapiefehler feststelle und anhand von Beweiserleichterungen die Ansprüche der Klägerin festzustellen seien, wirke sich der Fehler auf die Entscheidung des Landgerichts aus.

Der Kläger hat zunächst unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils beantragt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger, beginnend am 01.10.2012, im Voraus bis zum 3. Tag des Monats eine monatliche Schadensersatzrente in Höhe von EUR 1.473,34 bis zum 31.12.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vierteljährlich, beginnend am 01.01.2017 im Voraus jeweils einen Betrag von EUR 2.200,02 zu zahlen.

3. Die Beklagten werden ferner verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger einen Betrag in Höhe von EUR 30.054,17 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

4. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger einen Schmerzensgeld-Kapitalbetrag, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch EUR 300.000,00 nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag bis EUR 75.000,00 seit dem 13.01.2011, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf den EUR 75.000,00 übersteigenden Betrag ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

5. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen materiellen und, sofern nicht vorhersehbar, künftigen immateriellen Schaden aus Anlass der verzögerten Behandlung des Schlaganfalls des Klägers vom 24.02.2011 zu ersetzen, soweit ein öffentlich-rechtlicher Forderungsübergang nicht stattfindet.

6. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EUR 5.371,66 an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger ist am 17.05.2015 gestorben. Die Klägerin hat für ihn als seine Erbin den Rechtsstreit aufgenommen.

Die Klägerin beantragt zuletzt unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin EUR 46.410,21 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung dieser Klageerweiterung zu zahlen.

(2. erledigt)

3. Die Beklagten werden ferner verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 30.054,17 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und weitere EUR 21.165,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung dieser Klageerweiterung zu zahlen.

4. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen Schmerzensgeld-Kapitalbetrag, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch EUR 300.000,00 nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag bis EUR 75.000,00 seit dem 13.01.2011, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf den EUR 75.000,00 übersteigenden Betrag ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

(5. entfallen)

6. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin EUR 5.371,66 an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin beantragt ferner die Zulassung der Revision, insbesondere im Hinblick auf die Frage der Amtshaftungsprivilegierung des Notarztes.

Die Klägerin hat der Streithelferin den Streit verkündet (AS. II 412), die dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten Ziffer 1 beigetreten ist (AS. II 417).

Die Beklagten und die Streithelferin beantragen, die Berufung zurückzuweisen und die erweiterte Klage abzuweisen.

Die Beklagten und die Streithelferin verteidigen das landgerichtliche Urteil unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Der Beklagte Ziffer 2 verweist darauf, auch Leitender Notarzt im Sinne des § 10 Abs. 2 RDG-BW zu sein und deshalb hoheitlich gehandelt zu haben.

Die Beklagten behaupten, die Symptome seien für den Beklagten Ziffer 2 keinesfalls für einen Schlaganfall eindeutig richtungsweisend gewesen. Wie lange der Mundwinkel des Klägers herabgehangen habe, sei dem Beklagten Ziffer 2 nicht bekannt gewesen. Als Ursache einer Gesichtslähmung seien auch Tumorerkrankungen oder Multiple Sklerose in Betracht gekommen. Auch für die Halbseitensymptomatik habe es unterschiedliche mögliche Ursachen wie eine Entzündung, einen Gehirntumor, eine Verletzung, eine Stoffwechselstörung oder Unterzuckerung gegeben. Da das Schenkelblockbild des vom Beklagten Ziffer 2 vorgenommenen EKG auch für das Vorliegen eines akuten Herzinfarkts gesprochen habe, sei die unmittelbare Verbringung des Klägers in das nahegelegene Krankenhaus S. zur Verhinderung weiterer Schäden erforderlich gewesen. Die dortige Versorgung habe sich auch im Hinblick auf das vom Kläger während des CT erlittenen Krampfgeschehens als günstig erwiesen. Der Kläger wäre auch bei sofortiger Einweisung in das Klinikum in S. nicht schneller diagnostiziert und behandelt worden. Zwar existierten Kooperationsvereinbarungen der Klinik in S. mit den neurochirurgischen Belegärzten Dr. H. und Dr. B. (Anlage II B 2), allerdings hätte der vorliegende Mediahauptstammverschluss im Falle einer Blutung eine Neurochirurgie der Maximalversorgung, etwa am Klinikum Villingen-Schwenningen, erfordert. Schließlich habe die Lyse bei der Streithelferin unmittelbar nach den vorbereitenden Untersuchungen der Beklagten Ziffer 1 durchgeführt werden können. Die Chefärztin Dr. K. habe im Vorfeld bereits Kontakt mit der Streithelferin aufgenommen, um die Vorbereitungsarbeiten in die Wege zu leiten.

Die Beklagten und die Streithelferin behaupten, die vom Kläger beklagten Gesundheitsfolgen seien durch den erlittenen Schlaganfall eingetreten und wären auch bei sofortiger Einweisung in die Stroke Unit in S. nicht verhindert worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf den Inhalt der zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Aufgrund Beweisbeschlusses vom 18.02.2014 (AS. II 145) und Beschlusses vom 07.10.2014 (AS. II 363 ff.) und vom 18.05.2015 (AS. II 511 ff.) hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung gerichtlicher Sachverständigengutachten. Auf das schriftliche neurologische Gutachten des Prof. Dr. W. vom 12.08.2014 (AS. II 289 ff.) und das schriftliche Sachverständigengutachten des Prof. Dr. P. (AS. II 539 ff.) sowie dessen mündliche Erläuterung im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.04.2016 (AS. II 815 ff.) wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die in zweiter Instanz erweiterte Klage ist zulässig, aber ebenfalls nicht begründet.

I. Die Klage ist zulässig. Die in zweiter Instanz über die Bezifferung der rückständigen Ansprüche hinausgehende Klageerweiterung (AS. II 721 f.) ist nach § 533 Nr. 1 ZPO zulässig.

II. Der Klage ist jedoch der Erfolg versagt. Die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten Ziffer 2 scheitern zwar nicht daran, dass der Beklagte Ziffer 2 hoheitlich gehandelt habe. Vielmehr ist die rettungsdienstliche Tätigkeit in Baden-Württemberg privatrechtlich zu beurteilen. Die Klägerin hat jedoch nicht nachzuweisen vermocht, dass der Beklagte Ziffer 2 behandlungsfehlerhaft handelte (vgl. II. 1). Auch hat die Klägerin nicht den Nachweis erbracht, dass den verantwortlichen Ärzten der Klinik der Beklagten Ziffer 1 ein Übernahmeverschulden zur Last fällt oder sie Behandlungsfehler begangen haben (vgl. II. 2).

II.1. Die gegen den Beklagten Ziffer 2 erhobene Klage ist unbegründet. Zwar haftet der Beklagte Ziffer 2 privatrechtlich, Behandlungsfehler hat die Klägerin jedoch nicht bewiesen.

1. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts nicht, wonach sich die Haftung des Beklagten Ziffer 2 nach Art. 34 GG, § 839 BGB bestimme, weil der Beklagte Ziffer 2 als Notarzt in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt habe. Die rettungsdienstliche Tätigkeit in Baden-Württemberg nach den Bestimmungen des RDG-BW ist vielmehr privatrechtlich zu beurteilen.

a) Ob ein bestimmtes Verhalten einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes anzusehen ist, bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn die Person tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob bejahendenfalls zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls noch als dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss (BGH, Urteil vom 21. März 1991 – III ZR 77/90 – BGHR GG Art. 34 Satz 1 – Rettungsdienst 1 = VersR 1991, 1053, 1054 m.w.N.; s. auch Beschluss vom 4. Juli 1991 – III ZR 119/90). Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, d.h. auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (BGH, Urteil vom 04. Juni 1992 – III ZR 93/91 –, BGHZ 118, 304-311, Rn. 7).

b) Zum Rettungsdienst nach dem Rettungsdienstgesetz – RDG-BW – i.d.F. vom 1. September 1983 (GBl. S. 573) hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dieser liege in Baden-Württemberg grundsätzlich in Händen nichtstaatlicher, privatrechtlich organisierter Leistungsträger (§ 3 Abs. 1 RDG BW i.d.F. vom 1. September 1983). Nur soweit die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Einrichtungen des Rettungsdienstes nicht nach § 3 Abs. 1 RDG-BW a.F. sichergestellt ist, ist die Versorgung Pflichtaufgabe der Land- und Stadtkreise (§ 3 Abs. 2 RDG BW). Hiernach stellt sich die Durchführung des Rettungsdienstes nur in den Fällen des § 3 Abs. 2 RDG-BW a.F. als Ausübung eines öffentlichen Amtes dar, weshalb eine Amtshaftung des Staates grundsätzlich nicht besteht, soweit sich diese nicht – wie im dortigen Fall eines Zivildienstleistenden – aus anderen Gründen ergibt (BGH, Urteil vom 04. Juni 1992 – III ZR 93/91 –, BGHZ 118, 304-311, Rn. 10).

c) Auch aus der neuen gesetzlichen Grundlage des Rettungsdienstgesetzes vom 08.02.2010 (GBl. 2010, 285) folgt keine andere Qualifizierung der Tätigkeit des Rettungsdiensts in Baden-Württemberg (vgl. OLG Stuttgart, NJW 2004, 2987 zur Fassung des RDG-BW vom 16.07.1998, GBl. S. 437).

Es liegen keine erheblichen Gründe vor, die Rechtslage nach der Neufassung des RDG-BW durch Gesetz vom 08.02.2010 (GBl. S. 285) anders zu beurteilen als zu der vorhergehenden Fassung des RDG-BW. Die Neufassung hat zwar in Teilbereichen Erweiterungen und Ergänzungen der gesetzlichen Regelung mit sich gebracht (vgl. §§ 15 ff. RDG-BW über das Genehmigungsverfahren, § 30 a RDG-BW betreffend die Aufsicht der Regierungspräsidien über die privaten Leistungsträger). Die Organisationsstrukturen sind aber dieselben geblieben, wie ein Vergleich des früheren § 3 RDG-BW mit der jetzigen Regelung des § 2 RDG-BW zeigt. Danach sind auch nach neuer Fassung vorrangig die in § 2 Abs. 1 RDG-BW genannten privaten Organisationen, zu denen der Beklagte Ziffer 2 zählt, aufgrund entsprechender Verträge mit dem Land Träger des Rettungsdienstes, die öffentliche Hand hingegen nur subsidiär nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 RDG-BW. Demgegenüber sind etwa nach Art. 18 und 19 des Bayerischen Gesetzes über den Rettungsdienst in erster Linie die Landkreise und kreisfreien Gemeinden zuständig. Dieser grundsätzlichen privatrechtlichen Ausgestaltung in Baden-Württemberg stehen weder die öffentliche Förderung (§ 26 RDG-BW, früher § 12) noch die Regelung über Benutzungsentgelte (§ 28 RDG-BW, früher § 14) entgegen. Auch kann aus der Verpflichtung der Krankenhäuser zur Bereitstellung von Ärzten (§ 10 RDG-BW) nichts Gegenteiliges abgeleitet werden, weil diese nicht die Tätigkeit des Rettungsdienstes, sondern die – vorgelagerte – Bereitstellung der „Mittel“ betrifft, die durchaus unterschiedlicher Einordnung zugänglich ist (zum Charakter der Sicherstellungspflicht BGH, Urteil v. 12.11.1992 – III ZR 178/91 = BGHZ 120, 184 = NJW 1993, 1526). Entgegen steht auch nicht der Umstand staatlicher Aufsicht (§ 30 a RDG-BW), solange diese nicht zur weitgehenden „Eingliederung“ in die öffentliche Verwaltung führt und den privaten Träger gleichsam als ein „Werkzeug“ des Staates erscheinen lässt (BGH, Urteil v. 15.6.1967 – III ZR 23/65 = BGHZ 48, 98 (103); Urteil v. 21.1.1993 – III ZR 189/91 = BGHZ 121, 161; vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 02. Februar 2004 – 1 W 47/03 –, Rn. 16, juris).

d) Zwar schließt der Umstand, dass Trägerschaft und Durchführung des Rettungsdienstes grundsätzlich in den Händen Privater liegt – nämlich der in § 2 Abs. 1 RDG-BW genannten Rettungsdienstorganisatoren als Leistungsträger – es grundsätzlich nicht aus, dass sie gleichwohl öffentlich-rechtlich tätig werden. Anders als bei juristischen Personen des privaten Rechts streitet bei einer natürlichen und bei einer juristischen Person des privaten Rechts allerdings die Vermutung für privates Handeln auch dann, wenn sie öffentliche Aufgaben erfüllt und hierbei vom Staat überwacht wird. Tätigkeiten einer Person des Privatrechts schlagen erst dann in öffentlich-rechtliches Handeln um, wenn diese Person durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes mit öffentlich-rechtlichen Handlungs- und Entscheidungsbefugnissen ausgestattet ist. Hierzu bedarf es gesetzlicher Vorschriften, die ausdrücklich anordnen oder nach ihrem Zusammenhang ergeben, dass der Leistungsträger als Beliehener oder Verwaltungshelfer tätig wird (BGH, Urteil vom 25.09.2007, KZR 14/06 und KZR 48/05). Für den Rettungsdienst trifft das RDG-BW eine solche Anordnung nicht. Für dieses Verständnis spricht auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29.09.2009 (6 S 131/08), wonach zwar die Tätigkeit der Rettungsleitstelle (§ 6 RDG-BW), insbesondere die Vermittlung von Einsätzen in der Notfallrettung und im Krankentransport, eine hoheitliche Tätigkeit darstelle, die Notfallrettung und der Krankentransport in Baden-Württemberg jedoch den Handlungsformen des Privatrechts folge.

e) Nicht entscheidend ist, ob die Sicherstellung einer ärztlichen Notfallversorgung als Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge und der Gefahrenabwehr als eine dem Staat obliegende „Hoheitsaufgabe“ anzusehen ist (BGHZ 118, 304). Allein aus der Qualifizierung des jeweiligen Aufgabenbereiches lässt sich für die Frage der rechtlichen Ausgestaltung der Aufgabenerfüllung wenig herleiten, weil zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben die Heranziehung von Privatpersonen unter privatrechtlicher Ausgestaltung anerkanntermaßen möglich ist (BGH aaO, st. Rechtsprechung) und dementsprechend auch der Rettungsdienst durchaus unterschiedlich (öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich) ausgestaltet werden kann (OLG Stuttgart, NJW 2004, 2987 m.w.N.). Hinzu kommt, dass zwar die Sicherstellung einer ärztlichen Notfallversorgung als Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge und zur Gefahrenabwehr als hoheitliche Tätigkeit unter Berücksichtigung der §§ 2 Abs. 3, 10 Abs. 1, 2 RDG-BW angesehen werden mag, die eigentliche Zielsetzung der Durchführung der Notfallbehandlung des Patienten ihrem Schwerpunkt nach im ärztlichen Heileingriff liegt, der als solcher dem Privatrecht angehörend angesehen werden muss. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die ärztliche Heilbehandlung regelmäßig nicht in Ausübung eines öffentlichen Amts erfolgt (BGH VersR 2014, 374). Der vom Landgericht in diesem Zusammenhang angeführte Wertungsgleichlauf bei der Einschaltung Privater zur Gefahrenabwehr überzeugt insofern nicht. Eine andere Beurteilung vermögen auch etwaige Interessen des einzelnen Patienten, im Falle der Haftung den Staat als Haftungsschuldner in Anspruch nehmen zu können, nicht zu rechtfertigen. Inwieweit den Interessen der Patienten ohnehin durch eine entsprechende Notarzthaftpflichtversicherung entsprochen wird, kann dabei offen bleiben.

f) Hat die Einordnung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs danach zu erfolgen, in welcher Rechtsform der Rettungsdienst in Baden-Württemberg allgemein ausgestaltet ist, also ob er privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich organisiert ist, stellt sich vorliegend die Tätigkeit des Beklagten Ziffer 2 als Notarzt für einen Leistungsträger gem. § 2 Abs. 1 RDG BW als privatrechtliche dar. Aus dem Notarztprotokoll ergibt sich, dass die Notfallrettung durch die Rettungsdienst GmbH des DRK im Landkreis Konstanz durchgeführt wurde. Die DRK Rettungsdienst GmbH hat mit Schreiben vom 06.03.2014 den Parteivertretern mitgeteilt, dass der Rettungsdienst im Landkreis Konstanz nach § 2 Abs. 1 RDG-BW durchgeführt wird (Anlage BK 12, AS. II 193, Anlage II B 6, AS. II 203). Für eine privatrechtliche Tätigkeit spricht schließlich, dass vorliegend auch die Notarzthaftpflichtversicherung über das DRK erfolgt (Anlage II B 8, AS. II 221).

g) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Beklagte Ziffer 2 am 16.11.2005 vom DRK, Kreisverband Konstanz e.V., Rettungsdienst GmbH, zum Leitenden Notarzt ernannt wurde (Bestellungsurkunde, Anlage II B 4; AS. II 169) und sich die aus der Bestellung ergebenden Rechte und Pflichten gemäß Vereinbarung mit dem Landkreis Konstanz (Anlage II B 8, AS. II 275) aus der Dienstordnung für die „Leitende Notarztgruppe“ des Rettungsdienstbereichs Landkreis Konstanz (Anlage II B 9, AS. II 277) ergeben. Soweit unter Ziff. IV.3 der Dienstordnung ausgeführt wird, dass der Leitende Notarzt hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, lässt sich hieraus für den vorliegenden Fall, in welchem der Beklagte Ziffer 2 gerade nicht nach § 10 Abs. 2 RDG-BW als Leitender Notarzt Koordinationspflichten zur ärztlichen Versorgung bei einer Vielzahl von Verletzten oder Erkrankten ausgeübt hat, nichts schließen.

2. Die Klägerin hat aber einen Behandlungsfehler des Beklagten Ziffer 2 in Ausübung seiner notärztlichen Tätigkeit nicht bewiesen. Die Auswahl des in unmittelbarer Nähe gelegenen Krankenhauses S. zum Zwecke frühestmöglicher Diagnostik begründet keinen Behandlungsfehler des Beklagten Ziffer 2.

a) Nach allgemeinen Grundsätzen hat der Kläger im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses zu beweisen, dass dem in Anspruch genommenen Arzt zumindest ein fahrlässiges Versäumnis bei der medizinischen Versorgung zur Last zu legen ist, das eine bestimmte gesundheitliche Beeinträchtigung hervorgerufen hat (st. Rspr., vgl. BGH NJW 1995, 1618). Diesen Beweis hat die Klägerin nach der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme nicht zu führen vermocht.

b) Eine Behandlung ist als Behandlungsfehler zu qualifizieren, wenn sie dem im Zeitpunkt der Behandlung bestehenden medizinischen Standard zuwiderlief (BGHZ 188, 29 Rn. 9, 12).

Der Standard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und der sich in der Erprobung bewährt hat (vgl. BGH, VersR 2014, 879 ff.; BGHZ 144, 296, 305 f.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Auflage, B Rn. 2 ff. m.w.N.). Die ärztliche Sorgfaltspflicht beurteilt sich dabei nach dem Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Durchführung der Behandlung (BGH Urteil vom 25.11.2003, Az. VI ZR 8/03, NJW 2004, 1452).

Nach diesen Kriterien hat das Gericht den Sorgfaltsmaßstab des Arztes mit Hilfe eines medizinischen Sachverständigen zu ermitteln. Es kann den Sorgfaltsmaßstab regelmäßig nicht allein aufgrund eigener Kenntnis oder aus eigener rechtlicher Beurteilung heraus festlegen (OLG Saarbrücken, NJW-RR 2001, 671). Zu Recht rügt die Klägerin daher die ohne Heranziehung eines gerichtlichen Sachverständigen getroffenen Feststellungen des Landgerichts.

Das Landgericht hat zudem nicht beachtet, dass Handlungsanweisungen in Leitlinien ärztlicher Fachgremien oder Verbände nicht unbesehen mit dem medizinischen Standard gleichgesetzt werden dürfen. Dies gilt in besonderem Maße für Leitlinien, die erst nach der zu beurteilenden medizinischen Behandlung veröffentlicht worden sind. Leitlinien ersetzen kein Sachverständigengutachten. Zwar können sie im Einzelfall den medizinischen Standard für den Zeitpunkt ihres Erlasses zutreffend beschreiben; sie können aber auch Standards ärztlicher Behandlung fortentwickeln oder ihrerseits veralten (BGH VersR 2014, 879 ff.; Martis/Winkhart-Martis, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., B 41 ff., 72, m.w.N).

c) Nach dem Ergebnis der deshalb vom Senat nachgeholten Beweisaufnahme steht aber entsprechend den dargestellten Grundsätzen nicht fest, dass dem Beklagten Ziffer 2 ein Behandlungsfehler unterlaufen ist. Nach dem überzeugenden und nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. P. , denen sich der Senat anschließt, war vorliegend aus der für das Handeln des Beklagten Ziffer 2 maßgebenden notfallmedizinischen Sicht die außergewöhnlich orts- und zeitnahe Zuführung des Klägers in das Krankenhaus der Beklagten Ziffer 1 zur überdurchschnittlich frühen CT-Diagnostik – auch wenn die Leitlinien eine direkte Verbringung in eine Stroke Unit vorsahen – nicht behandlungsfehlerhaft.

aa) Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. P. ist es anerkanntes notfallmedizinisches Wissen, dass es Krankheitsbilder (Herzinfarkt und Schlaganfall) gibt, welche möglichst in spezialisierten Einrichtungen behandelt werden sollten, da hier erwiesenermaßen das Behandlungsergebnis im Durchschnitt besser ist. Dem Notarzt stellt sich im Einzelfall die Frage, ob der Patient zunächst in einer nahegelegenen Einrichtung oder in einer für seine Verdachtsdiagnose vermeintlich passendere Klinik verbracht werden sollte. Faktor für die Entscheidung ist zunächst die Treffsicherheit der Diagnose. Je sicherer die Diagnose, desto eher können größere Fahrstrecken in Kauf genommen werden. Zudem ist entscheidend, ob es für die vorliegende Verdachtsdiagnose genau eine geeignete Klinik gibt. Schließlich ist die Entfernung zur spezialisierten Klinik und das Risiko zu berücksichtigen, ob sich durch eine längere Transportzeit weitere Risiken ergeben, etwa, ob diese die Wahrscheinlichkeit erhöht, Komplikationen präklinisch behandeln zu müssen.

bb) Nach dem vom Beklagten Ziffer 2 erstellten Notarztprotokoll („Facialisparese rechts, Hemiparese links, zentrale Lähmung ja, Erkrankung: ZNS -> TIA/Insult/Blutung, Diagnose: Synkope DD Apoplex“) erschien es aus sachverständiger Sicht des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. P. vorliegend klar, dass der Beklagte Ziffer 2 bei Zuführung des Klägers in das Krankenhaus S. den Verdacht auf einen Schlaganfall gestellt hatte. Zwar habe der Beklagte Ziffer 2 vorliegend, da der Kläger am Notfallort ohne Begleitung angetroffen wurde, nur eine eingeschränkte Eigen- und Fremdanamnese erheben können. Dennoch habe aus dem Umstand, dass sich der Kläger bis zur Notsituation ohne Hilfsmittel (Rollstuhl oder Rollator) fortbewegt hatte, geschlossen werden können, dass die dokumentierte Hemiparese von Arm und Bein wahrscheinlich nicht bereits vorbestanden habe. Der Arztbrief aus dem Krankenhaus S. weise als Befund bei der Ankunft um 11.21 Uhr eine hochgradige Parese (1/5 Kraftgrad) aus, also ein erhebliches Ausmaß, das bei vorbestehender Erkrankung entsprechende Hilfsmittel erwarten ließ.

Dem überzeugenden Sachverständigengutachten des Prof. Dr. P. folgend ergibt sich aus dem Notarzt-Protokoll des Beklagten Ziffer 2 kein Hinweis auf eine präklinische Verdachtsdiagnose Herzinfarkt. Im Feld „Herz-Kreislauf“ ist weder der „Herzinfarkt“ noch „Angina Pectoris“ gekennzeichnet. Im Feld „Schmerz“ ist „kein“ angekreuzt. Im Feld „Monitoring“ ist das 12KanalEKGs nicht markiert, was jedoch nach den Leitlinien bei Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom klar empfohlen gewesen wäre. Wenn ein Schenkelblock, wie vom Beklagten Ziffer 2 im Rahmen seiner Anhörung angegeben, vorgelegen hätte, wäre dieser zu dokumentieren gewesen. Nach der vorliegenden Dokumentation des Beklagten Ziffer 2 ist daher davon auszugehen, dass der Herzinfarkt ex ante keine wahrscheinliche Differentialdiagnose war.

Aus der Verdachtsdiagnose des Beklagten Ziffer 2 „TIA“ bzw. „Apoplex“ folgt jedoch weder, dass damit von vornherein klar war, dass beim Kläger keine Hirnblutung vorlag, noch dass ohne weiteres eine Thrombolysetherapie möglich war. Wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat, war vor Durchführung einer Lyse vor allem durch Bildgebung mittels CT zu klären, ob eine – die Lysetherapie ausschließende – Hirnblutung vorlag. Dies konnte durch eine klinische Untersuchung nämlich nicht festgestellt werden. Zudem waren bis zur Entscheidung, ob der Kläger lysegeeignet war, weitere Befunde wie die Bestimmung der Blutgerinnungswerte und eine fachneurologische Beurteilung erforderlich.

cc) Im Ansatz zutreffend geht die Klägerin davon aus, dass die Leitlinien grundsätzlich eine direkte Verbringung des Patienten mit einem akuten Schlaganfallverdacht in eine Stroke Unit vorsehen.

Beim Verdacht auf einen Schlaganfall sollte nach den überzeugenden Darlegungen des Prof. Dr. P. , denen sich der Senat anschließt, die Wahl der Zielklinik grundsätzlich basierend auf Empfehlungen getroffen werden. Mit der Etablierung von Schlaganfallstationen in den vergangenen 10 Jahren ist die Regelmäßigkeit der direkten Einweisung gewachsen und im Durchschnitt die Versorgung verbessert worden. Das Schlaganfallkonzept des Landes Baden-Württemberg in der Fassung von 2005 sah vor, dass die Schlaganfallstationen durch entsprechende Vereinbarungen mit dem Rettungsdienst dafür sorgen müssen, dass Verdachtsfälle auf Schlaganfall ausschließlich der krankenhausplanerisch ausgewiesenen Schlaganfalleinheit zugeführt werden. Die Revision aus dem Jahre 2011 lautet: Alle Schlaganfallpatienten sollen notfallmäßig in die nächstgelegene Schlaganfalleinheit eingewiesen und dort umgehend diagnostiziert werden. Nach der – auch von der Klägerin angeführten (AS. II 590/591) – Fachliteratur aus der hier maßgeblichen Zeit folgt, dass bei Patienten mit bis zu 6 Stunden seit Symptombeginn höchste Dringlichkeit besteht und sie immer in eine Stroke Unit zu bringen sind. Es wird sogar auch vertreten, dass idealerweise nach derzeitiger Evidenzlage jeder Schlaganfall einer Behandlung in einer Stroke Unit zugeführt werden soll. Soweit dies noch nicht flächendeckend möglich ist und keine Stroke Unit zur Verfügung steht, ist eine Klinik mit verfügbarer CT-Diagnostik zu wählen. Soweit präklinisch zu erkennen ist, dass die therapeutischen Möglichkeiten einer lokalen Schlaganfallstation nicht ausreichen, ist nach der Schlaganfallkonzeption Baden-Württemberg vom 21.03.2011 der Patient direkt in einen regionalen Schlaganfallschwerpunkt (Regionales Stroke Unit bzw. in ein Schlaganfallzentrum (Überregionales Stroke Unit) einzuweisen. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wurde vom Kläger nicht behauptet, dass im Zeitpunkt der Behandlung des Klägers die Stroke Unit in S. diese Qualifikation hatte. Hiervon ausgehend hat sich der Sachverständige Prof. Dr. P. durchaus mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt, dass sowohl nach den Leitlinien der DGN 2008, aktualisiert im Mai 2009, als auch nach den Leitlinien zum Management von Patienten mit akutem Hirninfarkt oder TIA 2008 der Europäischen Schlaganfall Organisation (ESO), als auch nach der DEGAM-Leitlinie Nr. 8, Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin 2012, sowie nach der im Deutschen Ärzteblatt 2011, S. 585 ff. veröffentlichten Übersichtsarbeit „Standardisiertes Vorgehen in der Prähospitalphase des Schlaganfalls“ Patienten mit Schlaganfallsverdacht notfallmäßig der nächstgelegenen Stroke Unit zugeführt werden sollen, um dem Grundsatz „time-is-brain“ entsprechend eine möglichst zeitnahe Therapie zu gewährleisten.

Dass das Klinikum in S. im Zeitpunkt der Behandlung des Klägers im Februar 2011 Regionale Stroke Unit bzw. Schlaganfallzentrum war, hat die Klägerin auch nicht mit nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichtem Schriftsatz des Klägervertreters vom 09.05.2016 behauptet, der sich in der Wiedergabe des Internetauftritts der Praxis für Neurochirurgie am 09.05.2016 erschöpft, jedenfalls hat sie hierzu keinen Beweis angeboten. Der Schriftsatz bietet daher keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO).

dd) Der Senat ist aber aufgrund der weiteren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. auch davon überzeugt, dass die Besonderheiten des vorliegenden Falles, wonach der Kläger in einer Entfernung von weniger als 1 km Entfernung von dem Krankenhaus der Beklagten Ziffer 1, deren überdurchschnittlich schnelle CT-Diagnostik dem dort als Chefarzt tätigen Beklagten Ziffer 2 vertraut war, angetroffen wurde, ausnahmsweise eine von den Leitlinien und Empfehlungen abweichende Handhabung rechtfertigten. Würde man demgegenüber diese Umstände, wie von der Klägerin gefordert, unberücksichtigt lassen, würden die Leitlinien unbesehen mit dem medizinischen Standard gleichgesetzt werden, was der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entspräche (BGH VersR 2014, 879 ff.).

Aus der für die Beurteilung der Haftung des Beklagten Ziffer 2 relevanten notfallmedizinischen Sicht ist – wie der Sachverständige Prof. Dr. P. in nachvollziehbarer und überzeugender Weise ausgeführt hat – das Verbringen ins Krankenhaus der Beklagten Ziffer 1 statt in die 21 km entfernte Stroke Unit in S. zwar, weil es formal den Empfehlungen wie der Schlaganfallkonzeption oder den Leitlinien widersprach, nicht dem Ideal entsprechend, aber auch nicht behandlungsfehlerhaft.

Die Leitlinien formulierten nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. zwar das Ziel, den Patienten direkt in ein Krankenhaus mit Stroke Unit zu verbringen. Bei der Interpretation und dem Transfer von Leitlinien und Konzepten auf einzelne Behandlungen sei aber stets zu bedenken, dass es deren zentrales Anliegen sei, einem möglichst breiten Patientenkollektiv zu helfen. Der Durchschnitt (oder Median) verschiedener Gruppen sei häufig das statistische Maß. Der Einzelfall könne hiervon abweichen.

Zwar setzen die vorliegend einschlägigen Leitlinien für die Wahl des richtigen Krankenhauses von vornherein voraus, dass mehrere Krankenhäuser alternativ in Betracht kommen und grundsätzlich Umwege zugunsten der höheren Spezialisierung der Stroke Unit in Kauf zu nehmen seien. Dass die Leitlinien jedoch auch die äußerst ungewöhnlichen Umstände des vorliegenden Falles abbilden, ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht anzunehmen, ebenso wenig, dass es sich hier um einen Regelfall handelte.

Vorliegend war es so, dass nach Antreffen des Klägers 7 Minuten nach Symptombeginn im nicht einmal 1 km entfernten und dem Beklagten Ziffer 2 als Chefarzt vertrauten Krankenhaus S. in erwartbar sehr kurzer Zeit abgeklärt werden konnte, ob es sich tatsächlich um einen Schlaganfall handelte und ob eine Hirnblutung vorlag oder nicht. Ähnlich wäre es nach den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. in einem Fall, in dem ein Patient innerhalb eines Klinikums mit CT, aber ohne Stroke Unit, einen Schlaganfall erleide. Auch in diesem Fall würde – abweichend von den Leitlinien – zunächst vor Ort die Diagnostik betrieben und ausgehend von diesen Erkenntnissen die richtige Therapie eingeleitet werden. Die vorliegende Eintreffzeit des Notarztes beim Kläger von 7 Minuten in Kombination mit einer CT-Möglichkeit im Abstand von ca. 1 km ist nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen äußerst außergewöhnlich, demnach gerade nicht nur durchschnittlich und nicht dem Regelfall entsprechend.

Auch der tatsächliche Zeitverlauf bis zur Aufnahme des Klägers im Klinikum der Beklagten Ziffer 1 um 11.21 Uhr, das Anfordern eines CT um 11.30 Uhr und das vorliegende CT-Ergebnis um 11.40 Uhr sind nach den Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. P. viel kürzer, als die Zeiten, die in den angeführten Leitlinien (45 Minuten) vorgesehen sind. Dass eine Computertomographie 19 Minuten nach Einweisung in ein Klinikum abgeschlossen ist, ist sogar im Vergleich zu einem Universitätsklinikum unter Studienbedingungen, bei dem die Zeit durchschnittlich 22 Minuten beträgt, überdurchschnittlich gut. Insofern handelt es sich vorliegend, so der Sachverständige, um einen Grenzfall, der so nicht in den Leitlinien abgebildet ist. Im Hinblick auf die Möglichkeit zur überdurchschnittlich schnellen Diagnostik im nächstgelegenen Krankenhaus hatte der Beklagte Ziffer 2, ex ante betrachtet, in nicht zu beanstandender Ausübung seiner Behandlungs- und Therapiefreiheit den Kläger in das Krankenhaus S. zur frühzeitigen Diagnostik gebracht.

Hinzu kommt, dass durch die zeitnahe Vornahme des CTs ausgeschlossen werden konnte, dass beim Kläger eine Hirnblutung vorliegt, wofür statistisch eine Wahrscheinlichkeit von 20 % bestanden hatte. Denn in diesem Fall hätte bei einem primären Transport in die Stroke Unit nach S. die neurochirurgische Interventionsnotwendigkeit einen Sekundärtransport erfordern können. Die Hälfte solcher Hirnblutungen bedarf der neurochirurgischen Versorgung. Aus der Sicht des Beklagten Ziffer 2 konnte – die Kooperationsvereinbarung der Stroke Unit in S. mit den neurochirurgischen Belegärzten unterstellt – nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. auch zweifelhaft sein, ob im Falle einer Hirnblutung in S. eine ausreichende Behandlungsmöglichkeit bestanden hätte. Typischerweise werden Patienten in diesem Fall einem Maximalversorger mit neurochirurgischer Abteilung zugeführt. Dass das Klinikum in S. im Zeitpunkt der Behandlung des Klägers im Februar 2011 diese Voraussetzung erfüllt hätte, hat die Klägerin auch mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 09.05.2016 weder behauptet noch unter Beweis gestellt.

Angesichts der frühzeitigen Ergebnisse von CT und Blutuntersuchung zur Ermittlung der Blutgerinnungswerte war die durch den Umweg über das Krankenhaus der Beklagten Ziffer 1 in S. verbrauchte Zeit auch nicht völlig verloren. Vielmehr hätte man auf Basis dieser Untersuchungen, die das Vorliegen einer Hirnblutung und eines Hirntumors ausschlossen und die Blutgerinnungsgeschwindigkeit bestimmten, nach Beurteilung durch einen Fachneurologen, ob der Patient lysegeeignet ist, mit der Lysetherapie beginnen können. Im Hinblick auf das frühzeitige Vorliegen der Untersuchungsergebnisse im Krankenhaus S. durfte der Beklagte Ziffer 2 daher nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. auch einen Sekundärtransport in Kauf nehmen. Denn aufgrund der angestrebten und umgesetzten frühzeitigen Befundung hätte noch ausreichend Zeit zur Verlegung und Einleitung einer Lyse bzw. einer Operation bestanden und das Vorgehen des Beklagten Ziffer 2 auch positiv ausgehen können. Bei einer raumfordernden Blutung mit neurochirurgischer Indikation, für die die Stroke Unit in S. zum damaligen Zeitpunkt gegebenenfalls nicht geeignet gewesen wäre, hätte die schnelle Diagnostik im Krankenhaus S. einen Behandlungsvorteil induzieren können. Zu Unrecht führt die Klägerin daher an, die Einweisung ins Krankenhaus S. habe, ex ante betrachtet, keinerlei Vorteil, sondern von vornherein nur Nachteile gebracht. Sie lässt dabei insbesondere außer Acht, dass die tatsächlich eingetretene zeitliche Verzögerung bis zur Vornahme der Lyse in A. um 14.15 Uhr aus Sicht des Beklagten Ziffer 2 keineswegs vorhersehbar war.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Naumburg (Urteil vom 01.06.2010 – 4 U 498/07), wonach es sich bei einer S3-Leitlinie, wie vorliegend, um eine evidenzbasierte Konsensusleitlinie mit Erfassung der systematischen Entwicklung (sog. Clearingverfahren) handelt, die dem Arzt einen Behandlungskorridor eröffnet, innerhalb dem sich der Arzt in seinem therapeutischen Ermessen bewegen sollte (also eine Leitlinie mit starkem Empfehlungscharakter). Denn nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. war vorliegender Grenzfall gerade nicht mit dem von den Leitlinien vorausgesetzten Regelfall zu vergleichen.

ee) Diese am vorliegenden Einzelfall vorgenommene Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. P. überzeugt, zumal die Frage nach einem Behandlungsfehler des Beklagten Ziffer 2 in das eigentliche Fachgebiet des als Leiter der Sektion Notfallmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg überaus erfahrenen Sachverständigen fällt. Grundsätzlich hat das Gericht einen Sachverständigen aus dem betreffenden medizinischen Fachgebiet des beklagten Arztes auszuwählen, was sich nach dem Fachgebiet richtet, zu dem die vom Arzt konkret vorgenommene Behandlung zu zählen ist (OLG Naumburg, Urteil vom 13.03.2003, Az. 1 U 34/02).

Für die Beantwortung der Frage nach dem medizinischen Standard der Notfallbehandlung des Klägers ist daher in erster Linie die Fachkunde des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. P. und weniger die neurologische Fachkunde des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. W. maßgebend. Unzutreffend führt die Klägerin mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 15.04.2016 an, im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.04.2016 sei festgestellt worden, dass Notarztmedizin interdisziplinär ausgeübt werde und daher das neurologische Sachverständigengutachten als gleichberechtigt neben dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. P. stehe. Der Sachverständige Prof. Dr. P. hat vielmehr während der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläutert, dass für das Gebiet der Notfallmedizin keine eigene Facharztausbildung existiere, vielmehr auf unterschiedlichen Facharztausbildungen aufbauend eine Zusatzausbildung für Notfallmedizin vorgesehen sei. So könne etwa ein Facharzt für Innere Medizin, für Neurologie oder für Anästhesie die Zusatzqualifikation Notfallmedizin haben. Die Frage wurde vorliegend insbesondere deshalb nicht relevant, da das Fachgebiet des Sachverständigen als Leiter der Sektion Notfallmedizin der Klinik für Anästhesiologie des Universitätsklinikums Heidelberg sich mit dem Fachgebiet des Beklagten Ziffer 2 deckt. Eine Gleichwertigkeit der neurologischen Fachkunde mit der Fachkunde eines Notarztes war demgegenüber nicht Gegenstand der Erörterungen. Die entsprechenden Behauptungen der Klägerin geben auch im Übrigen keinen Anlass, die mündliche Verhandlung nach § 156 ZPO wieder zu eröffnen.

Im Ausgangspunkt decken sich auch die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. mit den Feststellungen im schriftlichen Gutachten von Prof. Dr. W. . Prof. Dr. W. hat in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, der Patient müsse so schnell wie möglich in ein Zentrum verbracht werden, in dem sowohl die Durchführung eines Blutungsausschlusses (CT/MRT) als auch eine Thrombolyse-Therapie möglich sei, da die Akutversorgung der zerebralen Ischämie zeitkritisch sei. Äußere der Notarzt den Verdacht auf eine frische zerebrale Ischämie, sollte er in jedem Fall Kontakt mit der nächsten Stroke Unit aufnehmen, um die weitere Versorgung des Patienten zusammen mit der Stroke Unit zu planen. Das Unterlassen einer entsprechenden Kontaktaufnahme sei ein ärztlicher Fehler (AS. II 301). Dem entsprechen die Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. , der ausgeführt hat, die Empfehlungen und Leitlinien gingen davon aus, dass bei einem Patienten, bei dem die Thrombolyse in zeitlicher Hinsicht nach den Empfehlungen und Leitlinien noch in Betracht kommt, direkt in eine Stroke Unit zu verbringen sei.

Das Gutachten von Prof. Dr. W. hat aber gerade die Besonderheiten des vorliegenden Falls, also des überdurchschnittlich schnellen Eintreffens des Notarztes, des überdurchschnittlichen schnellen Einweisens in das Krankenhaus S. und der überdurchschnittlich schnellen Bildgebung nicht in der Weise in seine Beurteilung miteinbezogen, wie es Prof. Dr. P. in überaus überzeugender Weise vorgenommen hat. Da sich Prof. Dr. W. daher gerade mit diesen Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls nicht vertieft auseinandergesetzt hat, ist das von ihm erstattete neurologische Sachverständigengutachten auch nicht geeignet, Zweifel an dem überzeugenden Sachverständigengutachten des Prof. Dr. P. zu begründen.

Der Sachverständige Prof. Dr. W. überzeugt auch insoweit nicht, als er aus dem letztlich tatsächlich eingetretenen Zeitverlust durch die Verlegung vom Krankenhaus S. zur Klinik der Streithelferin geschlossen hat, der Versuch des Beklagten Ziffer 2, durch Einweisung in das Krankenhaus in S. eine frühzeitige Diagnostik und zeitnah eine entsprechende Therapie zu veranlassen, sei nicht „stichhaltig“ gewesen. Dass der Umweg über das Krankenhaus S. auch bei üblichem Verlauf zwangsläufig mit einem Zeitverlust verbunden gewesen sei, ergibt sich hieraus gerade nicht. Schließlich hat der Sachverständige Prof. Dr. W. selbst ausgeführt, die Versorgung am Krankenhaus S. sei sehr rasch und zielgerichtet erfolgt. Die dortigen Ärzte hätten zielgerichtet und äußerst schnell gearbeitet, indem sie die klinische Untersuchung, Durchführung einer Computertomographie und Organisation der Weiterbehandlung innerhalb von 20 Minuten durchgeführt hätten.

Der Sachverständige Prof. Dr. P. hat der Beurteilung von Prof. Dr. W. aus notfallmedizinischer Sicht in nachvollziehbarer Weise widersprochen. Der von dem neurologischen Sachverständigen erhobene Vorwurf gehe letztlich dahin, dass der Kläger zu spät lysiert worden sei. Dieser Umstand liege aber gerade nicht im Verantwortungsbereich des Notarztes, für den der tatsächliche Ablauf, insbesondere eine door-toneedle-time in der Klinik der Streithelferin von 94 Minuten so nicht vorhersehbar gewesen sei.

ff) Im Hinblick darauf sind die Voraussetzungen für die Einholung eines Obergutachtens nach § 412 ZPO, wie von der Klägerin mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 15.04.2016 beantragt, nicht gegeben. Das Gericht darf und muss nach der Rechtsprechung eine neue Begutachtung anordnen, wenn das Gericht trotz Ergänzung und/oder Anhörung des Sachverständigen keine sichere Überzeugung gewinnen kann, es ausnahmsweise ungewöhnliche Schwierigkeiten bei der Beweisfrage gibt, grobe Mängel des Gutachtens vorliegen, die nicht anderweitig zu beseitigen sind, die Sachkunde des Gutachters zweifelhaft ist, das Gutachten nicht weiter aufklärbare Widersprüche enthält, ein neuer Gutachter über überlegene Forschungsmittel verfügt oder die Partei Einwendungen erhoben hat, die durch ergänzende Befragung des Gutachters nicht widerlegt bzw. aufgeklärt werden können (BGH NJW 1991, 1778). Nachdem all diese Voraussetzungen nicht gegeben sind und auch nicht ersichtlich ist, dass ein weiterer Sachverständiger über überlegene Forschungsmittel verfügen oder aufgrund der vorhandenen Anknüpfungstatsachen zu weitergehenden Erkenntnissen kommen könnte, ist die Einholung eines Obergutachtens nicht geboten. Im Hinblick darauf bietet der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägervertreters vom 15.04.2016 keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO).

gg) Darauf, dass das Landgericht einerseits zu Unrecht als unstreitig angenommen hat, dass CT und MRT in S. zu Kernarbeitszeiten immer ausgelastet gewesen seien und andererseits nicht berücksichtigt hat, dass akute Schlaganfallpatienten als Notfälle stets vorrangig zu behandeln sind, kommt es nach den angeführten überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nicht an.

II.2. Eine Haftung der Beklagten Ziffer 1 gem. §§ 611, 280, 278, 823, 831, 249, 253 BGB liegt nicht vor. Die Klägerin hat auch nicht bewiesen, dass eine der Beklagten Ziffer 1 zuzurechnende Pflichtverletzung der den Kläger behandelnden Ärzte vorliegt.

1. Da der Beklagte Ziffer 2 als Notarzt weder Erfüllungs- noch Verrichtungsgehilfe der Beklagten Ziffer 1 war, liegen die Voraussetzungen einer Zurechnung schuldhaften Verhaltens des Beklagten Ziffer 2 nach §§ 278, 831 BGB von vornherein nicht vor.

2. Auch fällt den Ärzten der Beklagten Ziffer 1 kein Übernahmeverschulden zur Last.

a) Der Senat ist nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass sich die Frage eines Auswahlverschuldens des Beklagten Ziffer 2 durch Einweisung in das Krankenhaus S. und die Frage eines Übernahmeverschuldens der Ärzte der Beklagten Ziffer 1 vorliegend nur einheitlich beantworten lässt.

aa) Ein Behandlungsfehler ist unter dem Gesichtspunkt des Übernahmeverschuldens denkbar, wenn der Arzt vor Durchführung der Behandlung oder des Eingriffs hätte erkennen müssen, dass die Behandlung die Grenzen seines Fachbereichs, seiner persönlichen Fähigkeiten oder der ihm zur Verfügung stehenden technisch-apparativen Ausstattung überschreitet und/oder er durch die vorgesehene Behandlung möglicherweise überfordert ist. Der behandelnde Arzt ist zudem zur Überweisung an ein spezialisiertes Krankenhaus verpflichtet, wenn ein Eingriff nur dort ohne bzw. mit erheblich vermindertem Komplikationsrisiko vorgenommen werden kann (BGH, Urteil vom 07.12.2004 – VI ZR 212/03, juris; BGH, Urteil vom 30. Mai 1989 – VI ZR 200/88 –, Rn. 9, juris; OLG Köln, Urteil vom 13. August 2014 – I-5 U 104/13, 5 U 104/13 –, Rn. 30, juris). Das Unterlassen einer Überweisung in ein nach seiner personellen und apparativen Ausstattung den Standard nicht gewährleistendes Krankenhaus ist ein Behandlungsfehler, wenn ein sorgfältiger und gewissenhafter Arzt die Behandlung der Klägerin angesichts nicht ausreichender Therapiemöglichkeiten im Krankenhaus hätte ablehnen müssen (BGH, Urteil vom 30. Mai 1989 – VI ZR 200/88 –, Rn. 9, juris).

bb) In der Rechtsprechung ist dementsprechend ein Übernahmeverschulden der Ärzte im Falle der Aufnahme eines Schlaganfallpatienten zur Behandlung angenommen worden, wenn der mit der Übernahme des Patienten der für den Verdacht auf Schlaganfall geschuldete fachärztliche Standard nicht gewährleistet war. Insoweit seien an den Facharztstandard keine anderen Maßstäbe anzulegen als bei einer Stroke-Unit oder bei einer sogenannten Schlaganfalleinheit (OLG München, Urteil vom 08. August 2013 – 1 U 4124/12 –, Rn. 91, juris).

cc) Die Ärzte der Beklagten Ziffer 1 haben den Kläger vorliegend jedoch nicht übernommen, um nach entsprechender Diagnose selbst die Therapie durchzuführen, vielmehr war von vornherein klar, dass Ziel der Einweisung durch den Beklagten Ziffer 2 und die Aufnahme des nur 1 km vom Krankenhaus entfernt angetroffenen Klägers in erster Linie eine möglichst frühzeitige Diagnostik und gegebenenfalls eine dem Ergebnis der Befunderhebung entsprechende zeitnahe Überweisung in ein für die aufgrund der Diagnose erforderlichen Behandlung geeignetes Krankenhaus war.

Der neurologische Sachverständige Prof. Dr. W. hat zwar in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, der Aufnahmearzt im Krankenhaus S. hätte bei der telefonischen Ankündigung des Klägers mit dem Verdacht auf einen akuten Schlaganfall im Lyse-Zeitfenster auf eine Kontaktaufnahme mit einer lokalen Stroke Unit verweisen müssen, weshalb ein Übernahmeverschulden des Krankenhauses S. vorliege.

Er hat dabei aber – wie bereits ausgeführt – nicht in der erforderlichen Weise die Besonderheiten des vorliegenden Falls berücksichtigt, wonach der Kläger mit 7 Minuten äußerst zeitnah vom Notarzt angetroffen wurde und unverzüglich dem nicht einmal 1 km entfernten Klinikum der Beklagten Ziffer 1 in erster Linie zur Diagnostik zugeführt wurde, weshalb er dort bereits um 11.21 Uhr aufgenommen werden konnte.

Sowohl dem Beklagten Ziffer 2 als auch den behandelnden Ärzten bei der Beklagten Ziffer 1 war daran gelegen, möglichst rasch eine Diagnostik durch klinische Untersuchung, Labor und Bildgebung mittels CT herbeizuführen, ohne zugleich zwingend die Behandlung zu übernehmen.

Nach dem überzeugenden und nachvollziehbaren Sachverständigengutachten von Prof. Dr. P. ist ihnen die überdurchschnittlich schnelle Diagnostik auch gelungen, da bis zum Ergebnis der Bildgebung nur 19 Minuten vergangen sind. Demgegenüber sehen die Leitlinien der DGN 2008, aktualisiert 2009, einen anzustrebenden Zeitraum von 45 Minuten bis zum Ergebnis der Bildgebung vor. Auch der neurologische Sachverständige Prof. Dr. W. hat dargestellt, dass die ärztlichen Kollegen im Krankenhaus S. zielgerichtet und äußerst schnell gearbeitet hätten, indem innerhalb von 20 Minuten die klinische Untersuchung, die Durchführung der Computertomographie und die Organisation der Weiterbehandlung vorlag. Den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. P. folgend hätte dieses Vorgehen auch im Hinblick auf die sich anschließende Therapie auch positiv ausgehen können, weil gerade durch den zeitlichen Vorteil der frühzeitigen Diagnostik ausreichend Zeit für eine der Diagnose entsprechende Weiterüberweisung des Klägers blieb.

Der Sachverständige Prof. Dr. P. hat ferner überzeugend ausgeführt, dem Grunde nach sei gemäß § 28 LKHG auch von einer Aufnahmepflicht des Krankenhauses für Akutpatienten auszugehen, der sich ein Krankenhaus nur dann widersetzen könne, wenn hierfür gute Argumente vorlägen. Hier bestand eine Vorlaufzeit von wenigen Minuten seit der Anmeldung des Klägers. Es lagen keine Befunde vor, um zu beurteilen, ob man den Patienten aufnehmen muss oder ihn ablehnen kann. Die Vorgehensweise der Ärzte der Beklagten Ziffer 1, eine Ausschlussdiagnostik durch CT und Blutuntersuchung im nahegelegenen Krankenhaus zu machen, sei daher schlüssig gewesen, wenn auch von vornherein klar gewesen sei, dass das Krankenhaus der Beklagten Ziffer 1 nicht alle Krankheiten, auf die sich die Verdachtsdiagnose bezog, wie etwa einen Schlaganfall, hätte behandeln können. Im Krankenhaus der Beklagten Ziffer 1 hätten aber durchaus verschiedene andere mögliche Ursachen, wie eine Toddsche Parese oder eine Sepsis, behandelt werden können. Nachdem vorliegend keine gesicherte Diagnose des Notarztes vorlag, liege kein Übernahmeverschulden des Krankenhauses der Beklagten Ziffer 1 vor. Diesen überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. schließt sich der Senat an.

3. Die Klägerin hat auch im Übrigen keine sonstigen Behandlungsfehler der Ärzte des Krankenhauses S. nachgewiesen.

a) Der Sachverständige Prof. Dr. W. hat hierzu vielmehr nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dort sei zielgerichtet und äußerst schnell gearbeitet worden. Wenn der Sachverständige auch zur Qualität des Monitorings während des Aufenthalts des Klägers im Krankenhaus S. keine Aussage treffen konnte, da hierzu lediglich ein kurzer Verlegungsbericht vorliegt, hat er doch überzeugend ausgeführt, dass es hierdurch jedenfalls zu keinen weiteren Komplikationen gekommen ist, welche durch eine intensivere Überwachung des Klägers hätten verhindert werden können.

Das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W. ist weiterhin verwertbar, da die Umstände, die die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen begründeten und zu einer Beauftragung von Prof. Dr. P. führten (§§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 1 ZPO), erst nach Gutachtenserstattung 12.08.2014 durch Streitverkündung mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 07.11.2014 und anschließendem Beitritt der Streithelferin auftraten (Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 406 Rn. 15 m.w.N.). Es besteht auch kein Anlass zu der Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt war (vgl. BGH MDR 2007, 1213).

b) Auch ist den Ärzten der Beklagten Ziffer 1 nicht zur Last zu legen, dass sie keine Lyse telefonisch angefordert hatten oder dass sie das notwendige Medikament für eine Lyse (Thrombolytikum) vorhielten, ohne die Applikation auf Behandlungsempfehlung einer Stroke Unit durchzuführen. Der Sachverständige Prof. Dr. P. hat hierzu vielmehr im Rahmen der mündlichen Gutachtenserläuterung klargestellt, dass die Durchführung einer Thrombolyse nur durch einen Akutneurologen möglich gewesen wäre, der vorab durch Erhebung weiterer Befunde hätte klären müssen, ob der Kläger überhaupt lysegeeignet ist. Da die Beklagte Ziffer 1 selbst jedoch über keinen Akutneurologen verfügte, wäre ein entsprechendes Vorgehen von den Ärzten der Beklagten Ziffer 1 auch nicht zu fordern gewesen.

4. Die Klägerin hat auch nicht nachgewiesen, dass die Überweisung des Klägers von der Beklagten Ziffer 1 in die Klinik der Streithelferin in A. einen Behandlungsfehler darstellte.

a) Prof. Dr. P. hat hierzu ausgeführt, sofern keinerlei Kenntnisse über die tatsächliche Qualifikation der für eine Weiterüberweisung in Betracht kommenden Kliniken und ihre Ärzte vorlägen, sei grundsätzlich ein entsprechender Patient wie der Kläger mit Schlaganfalldiagnose ohne Hirnblutung in eine Stroke Unit, vorliegend also die Stroke Unit in S. , zu überweisen. In der Regel verfüge ein Arzt jedoch über die erforderlichen Informationen darüber, wie ein Patient in welchem Krankenhaus tatsächlich versorgt werde.

Hierzu hat der Beklagte Ziffer 2 im Rahmen seiner informatorischen Anhörung vor dem Senat (§ 141 ZPO) angegeben, er hätte den Kläger für die Weiterbehandlung nach seiner damaligen Erfahrung nicht in die Stroke Unit nach S. , sondern in die Klinik der Streithelferin verbracht. Damals sei in S. und A. der gleiche Chefarzt zuständig gewesen. Die Versorgung sei in A. aber besser gewesen. Die Kollegin Dr. K. , die zuvor Leiterin der Stroke Unit in Künzelsau gewesen sei, habe zudem gute Kontakte zur Klinik der Streithelferin gehabt.

Dazu hat der Sachverständige Prof. Dr. P. in überzeugender Weise ausgeführt, dass es unter Berücksichtigung dieser Umstände dem ärztlichen Standard entspreche, wenn der Patient in eine Klinik verbracht werde, mit der der behandelnde Arzt in fachlicher Sicht gute Erfahrungen gemacht habe. Soweit die Klinik der Streithelferin über eine Akutneurologie verfügte, komme die entsprechende Versorgung einer Stroke Unit nahe.

b) Die Klägerin hat dieses Vorbringen des Beklagten Ziffer 2 zur damaligen Qualifikation der Klinik in S. und der Klinik der Streithelferin zwar bestritten, aber keinen Beweis dazu angeboten, dass diese fachliche Erfahrung der behandelnden Ärzte der Beklagten Ziffer 1 mit der ärztlichen Versorgung von Patienten in der Stroke Unit in S. und in der Klinik der Streithelferin nicht bestanden habe. Hierzu verhält sich auch der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägervertreters vom 09.05.2016 nicht. Damit hat sie den ihr obliegenden Nachweis, dass die Weiterüberweisung in die Klinik der Streithelferin ein Behandlungsfehler war, nicht erbracht.

c) Auch der Sachverständige Prof. Dr. W. hat hierzu in seinem schriftlichen Gutachten überzeugend ausgeführt, dass dieses Vorgehen der Ärzte der Beklagten Ziffer 1 nicht unbedingt falsch war, da in der Klinik der Streithelferin alle Voraussetzungen zur Behandlung einer akuten zerebralen Ischämie erfüllt waren.

II.3 Da hiernach zurechenbare Behandlungsfehler der Beklagten Ziffer 1 und 2 nicht nachgewiesen sind, kann die Frage dahingestellt bleiben, ob durch die von der Klägerin beanstandeten Verhaltensweisen der den Kläger behandelnden Ärzte überhaupt eine zeitliche Verzögerung des Thrombolysebeginns verursacht wurde und hierdurch gesundheitliche Schäden beim Kläger aufgetreten bzw. verblieben sind, die andernfalls verhindert worden wären.

Keiner ergänzenden Beweisaufnahme bedarf daher, dass nach den eingeholten Sachverständigengutachten fraglich erscheint, ob der Kläger von einer frühzeitigen Lyse profitiert hätte. Der neurologische Sachverständige Prof. Dr. W. hat ausgeführt, die Chance keine oder keine beeinträchtigende Behinderung davon zu tragen, hätte bei einer Behandlung im ersten Zeitfenster (0 – 90 Minuten) nur bei 23 % gelegen. Auch der Sachverständige Prof. Dr. P. hat im Rahmen der Gutachtenserläuterung dargelegt, dass 50 % bis 60 % der Patienten von einer Lyse überhaupt nicht profitierten. Zwar gelte die generelle Annahme, je früher ein Patient lysiert werde, desto besser sei das Ergebnis. Es existierten aber auch Untersuchungen, wonach der Erfolg der Lyse nicht davon abhängig war, wie früh der Patient lysiert worden war.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO gestützt.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, §§ 543 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO. Die angewandten Grundsätze, ob ein bestimmtes Verhalten einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amts anzusehen ist, entsprechen ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Zum Rettungsdienst nach dem Rettungsdienstgesetz in der Fassung vom 01.09.1983 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass dieser in Baden-Württemberg grundsätzlich in Händen nichtstaatlicher, privatrechtlich organisierter Leistungsträger liegt. Die Neufassung des Rettungsdienstgesetzes berührt die in diesem Zusammenhang relevanten Fragen nicht, weshalb es einer Revisionszulassung nicht bedarf. Schließlich ist der Umstand der privatrechtlichen Haftung im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, da die Klägerin Behandlungsfehler der Beklagten Ziffer 1 und 2 nicht nachgewiesen hat.

 

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