Medizinische Behandlungsfehler und Schmerzensgeld: Ein komplexer Rechtsstreit um stationäre Versorgung und Patientensicherheit
In einem besonders komplexen und emotional aufgeladenen Fall hat das Landgericht Köln entschieden, dass der Kläger, der Sohn der verstorbenen Patientin, keinen Anspruch auf Schmerzensgeld hat. Der Fall dreht sich um die stationäre Behandlung der Mutter des Klägers in einer medizinischen Einrichtung, die von der Beklagten betrieben wird. Die Patientin verstarb nach mehreren Operationen und Komplikationen, darunter eine generalisierte Sepsis und Multiorganversagen. Der Kläger behauptete, dass mehrere Behandlungsfehler, darunter auch mangelnde Aufklärung über Operationsrisiken, zum Tod seiner Mutter geführt hätten.
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Übersicht
Die Vorwürfe gegen die medizinische Einrichtung
Der Kläger warf der Einrichtung vor, seine Mutter in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft behandelt zu haben. Er kritisierte insbesondere die initiale Blinddarmoperation, die seiner Meinung nach nicht lege artis, also nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst, durchgeführt wurde. Er argumentierte, dass aufgrund des Übergewichts seiner Mutter eine offene Operation hätte durchgeführt werden müssen und dass die Nähte vorhersehbar nicht halten würden. Darüber hinaus kritisierte er die nachfolgende Behandlung und die Entscheidung, seine Mutter trotz erhöhter Entzündungswerte und Beschwerden zu entlassen.
Die Sicht der Beklagten
Die Beklagte wies alle Vorwürfe zurück und argumentierte, dass die Behandlung der Patientin in ihrer Einrichtung vollumfänglich lege artis erfolgt sei. Sie bestritt die Kausalität eines etwaigen Behandlungsfehlers für den weiteren Krankheitsverlauf und behauptete, dieser sei schicksalhaft und nicht beeinflussbar gewesen. Zudem wurde die ordnungsgemäße Aufklärung der Patientin über die Risiken und Alternativen der Behandlung betont.
Beweisaufnahme und Sachverständigengutachten
Das Gericht zog mehrere Sachverständigengutachten heran, um die Behauptungen beider Parteien zu prüfen. Diese Gutachten stützten im Wesentlichen die Position der Beklagten. Sie konnten keine gravierenden Behandlungsfehler feststellen, die den Tod der Patientin verursacht hätten.
Das Urteil und seine Konsequenzen
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Kläger keine Ansprüche gegen die Beklagte hat. Es wurde festgestellt, dass die Behandlung der Patientin nicht fehlerhaft war und dass die Beklagte nicht für den Tod der Patientin verantwortlich ist. Die Klage wurde abgewiesen, und der Kläger muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.
Dieser Fall zeigt die Komplexität und die emotionalen Herausforderungen, die mit medizinischen Behandlungsfehlern und Patientensicherheit verbunden sind. Er unterstreicht auch die Bedeutung einer sorgfältigen juristischen Prüfung und der Einbeziehung medizinischer Expertise in solchen Fällen.
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Das vorliegende Urteil
Landgericht Köln – Az.: 25 O 388/13 – Urteil vom 25.05.2016
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Mutter des Klägers, Frau H (im folgenden: Patientin), befand sich vor ihrem Tod in der Zeit vom 26.02.2010 bis zum 30.03.2010 im Haus der Beklagten in stationärer Behandlung. Am 26.02.2010 wurde eine perforierte Blinddarmentzündung diagnostiziert und eine laparoskopische Appendektomie durchgeführt. Es trat eine kurzfristige Passagestörung auf. Am 04.03.2010 wurde die Patientin aus der stationären Behandlung entlassen, musste aber am 11.03.2010 mit abdominellen Beschwerden, Übelkeit und Erbrechen erneut notfallmäßig stationär aufgenommen werden. In der Nacht zum 12.03.2010 wurde die Patientin erneut operiert. Intraoperativ zeigte eine Perforation des Dünndarms. Die perforierte Stelle wurde gesäubert und gespült. Nachfolgend wurde die Patientin auf der Intensivstation aufgenommen, wo ihr ein zentraler Venenkatheter gelegt wurde. Sie entwickelte eine generalisierte Sepsis. Ab dem 14.03.2010 wurde sie künstlich beatmet. Am 14.03.2010 wurde erneut ein operativer Eingriff vorgenommen und der Bauchraum gespült. Aufgrund einer zunehmenden Verschlechterung der Atemsituation wurde die Patientin am 20.03.2010 tracheotomiert, am 22.03.2010 eine Bronchoskopie durchgeführt. Am 23.03.2010 wurde eine Laparostomaanlage eingesetzt. Am 24.03.2010 kam es zu einer kurzzeitigen Verbesserung des Gesundheitszustandes der Patientin. Sie wurde daraufhin extubiert. Zur Atmungsunterstützung fand eine Atemmaske Verwendung. Am 26.03.2010 kam es zu einem Herzstillstand, woraufhin die Patientin erneut intubiert werden musste. Im Anschluss daran trat eine zunehmende Verschlechterung des Allgemeinzustands der Patientin ein. Sie verstarb am 30.03.2010 im Kontext eines Multiorganversagens.
Unter dem Aktenzeichen 34 Js 157/10 StA Köln wurde von dem Kläger ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen die Beklagten eingeleitet. Die Patientin wurde obduziert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte nebst den in ihr befindlichen gutachterlichen Stellungnahmen Bezug genommen.
Der Kläger hält sich für aktivlegitmiert und behauptet, er sei Alleinerbe nach seiner Mutter. Er behauptet, die Patientin sei im Haus der Beklagten in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft behandelt worden. Diese Behandlungsfehler hätten zu ihrem Tod geführt. Bereits die initiale Blinddarmoperation sei nicht lege artis durchgeführt worden. Aufgrund der Adipositas der Patientin habe primär offen operiert werden müssen, da vorhersehbar gewesen sei, dass die Nähte nicht halten würden. Außerdem sei die Dünndarmschlinge an der Naht eingenäht oder eingeklemmt worden, weshalb es zu einem Darmverschluss gekommen sei mit der weiteren Folge der Perforation. Zumindest intraoperativ sei es zwingend geboten gewesen, von der laparoskopischen auf die offene Vorgehensweise umzusteigen, da sich eine Peritonitis und eine trübe Flüssigkeitsansammlung gezeigt hätten. In dieser Situation sei es geboten gewesen, die Ausbreitung und Ursache der eitrigen Entzündung im Bauchraum offen abzuklären. Dann hätte gespült und antibiotisch behandelt und die weiteren Komplikationen vermieden werden können. Die Operation sei zudem nicht von einem hinreichend qualifizierten Arzt oder unter der Aufsicht eines solchen durchgeführt worden.
Auch die weitere Behandlung der Patientin im Haus der Beklagten sei fehlerhaft gewesen. Die Patientin sei am 04.03.2010 verfrüht aus der stationären Behandlung entlassen worden, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch erhöhte Entzündungswerte sowie Beschwerden in Form von Übelkeit und Erbrechen vorgelegen hätten. Bei der notfallmäßigen Wiederaufnahme am 11.03.2010 sei es versäumt worden, die Beschwerdesymptomatik unverzüglich abzuklären und sofort zu operieren. Stattdessen habe die Patientin stundenlang warten müssen, bis man sich um sie gekümmert habe. Bei sofortiger Operation wäre der Darm noch nicht perforiert gewesen. Die Perforation habe verhindert werden können, wodurch auch eine Sepsis vermieden worden wäre. Nach der 2. Operation in der Nacht auf den 12.03.2010 sei trotz festgestellter Peritonitis fehlerhaft erst ab dem 17.03.2010 eine Antibiose erfolgt. Dies habe zu einem septischen Schock geführt. Ebenfalls fehlerhaft sei die Patientin in der Folge verfrüht extubiert worden. Die nachfolgende künstliche Beatmung mittels einer Maske habe zu einer Sauerstoffunterversorgung geführt, was möglicherweise auf einen Defekt des Gerätes bzw. der Maske oder aber einen Bedienfehler zurückzuführen sei. Bei der nachfolgenden erneuten Intubation sei der verwendete Intubationsschlauch infolge von Hygienemängeln keimbelastet gewesen, was zu einer neuerlichen Lungenentzündung geführt und letztlich den Tod der Patientin verursacht habe. Bis zu ihrem Tod habe die Patientin Schmerzen erleiden müssen. Zwar sei sie überwiegend sediert gewesen, es habe jedoch tägliche Sedierungspausen gegeben, in denen sie wiederholt das Bewusstsein wieder erlangt und Schmerzbekundungen von sich gegeben habe. In Anbetracht der Beeinträchtigungen und Leiden der Patientin bis zu ihrem Tod hält der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 100.000 € für angemessen.
Er erhebt zudem die Aufklärungsrüge mit der Behauptung, es sei keine ordnungsgemäße Aufklärung über die Alternative einer offenen Blinddarmoperation und die bestehenden Risiken erfolgt.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und hierbei von einem Betrag nicht unter 100.000 € ausgegangen werden soll,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 3.600,94 € nebst 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers sowie den Behandlungsfehlervorwurf nach Maßgabe der Klageerwiderung. Sie behauptet, die Behandlung der Patientin in ihrem Haus sei vollumfänglich lege artis erfolgt. Sie bestreitet des weiteren die Kausalität eines etwaigen Behandlungsfehlers für den weiteren Krankheitsverlauf und behauptet, dieser sei nicht Folge von Versäumnissen im Haus der Beklagten, sondern schicksalhaft und nicht beeinflussbar gewesen. Sie hält das geltend gemachte Schmerzensgeld für übersetzt.
Im Hinblick auf die Aufklärungsrüge behauptet sie, die Patientin sei ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Eine Aufklärung über die Alternative einer offenen Operation sei nicht erfolgt, aber auch nicht erforderlich gewesen. Die Laparoskopie sei in der gegebenen Situation vielmehr gegenüber einem offenen Vorgehen vorteilhaft gewesen. Sie beruft sich zudem auf eine hypothetische Einwilligung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.
Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß dem Beschluss vom 21.08.2014 in Verbindung mit den Beschlüssen vom 28.01.2015 und vom 17.02.2015 durch Verwertung der in dem Verfahren StA Köln 34 Js 157/10 eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachten sowie Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nebst mündlicher Gutachtenerläuterung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S vom 27.04.2011, des Sachverständigen Prof. Dr. M vom 13.09.2011, des Sachverständigen Prof. Dr. C vom 22.07.2015 sowie die Protokolle der Sitzungen vom 28.01.2015 und vom 20.04.2016 Bezug genommen.
Die Akte 34 Js 157/10 StA Köln hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keine Ansprüche gegen die Beklagte aus den zwischen der Patientin und der Beklagten geschlossenen beiden Behandlungsverträgen in Verbindung mit §§ 1922, 280, 253 II BGB bzw. aus §§ 1922, 823, 253 II BGB.
Zwar geht die Kammer auf der Grundlage und in Ansehung des vorgelegten Erbscheines von der Aktivlegitimation des Klägers aus. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme hat der Kläger jedoch nicht zur Überzeugung der Kammer beweisen können, dass die Patientin im Haus der Beklagten zu irgendeinem Zeitpunkt im Rahmen der beiden streitgegenständlichen stationären Behandlungszeiträume fehlerhaft behandelt wurde, § 286 ZPO.
1.
In Bezug auf den ersten stationären Aufenthalt der Patientin im Haus der Beklagten vom 26.02.2010 bis zum 04.03.2010 und die initiale Blinddarmoperation hat der im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren tätig gewordene Sachverständige Prof. Dr. S in seinem Gutachten vom 27.04.2011 im Gegenteil überzeugend und nachvollziehbar einen Behandlungsfehler verneint. Insoweit hat er in Ansehung der von ihm im Rahmen der durchgeführten Obduktion gewonnenen Untersuchungsergebnisse sowie unter Auswertung der Behandlungsdokumentation ausgeführt, nach allgemeiner medizinischer Beurteilung sei zwanglos nachvollziehbar, dass die Ursache für die zweite Operation und die Bauchhöhlenentzündung in der Einklemmung bzw. Verklebung einer Dünndarmschlinge in einem Trokarkanal zu sehen sei, der im Zuge der ersten Operation entstanden sei. Auf der Grundlage des Operationsprotokolls vom 11.03.2010 könne hingegen nicht davon ausgegangen werden, dass die Dünndarmschlinge in einen Trokarkanal eingenäht worden sei. Für ein derartiges Einnähen ergäben sich keine Hinweise. Vielmehr handele es sich bei der mutmaßlich erfolgten Einklemmung oder Verwachsung/Verklebung um ein endoskopischen Operationen immanentes gängiges Risiko, das auch bei fachgerecht durchgeführten Operationen auftreten könne und für sich genommen nicht beweisend für ein fehlerhaftes Vorgehen sei. Der Sachverständige Prof. Dr. S hat weiter ausgeführt, auch der weitere Krankheitsverlauf mit der dokumentierten zeitlichen Abfolge der Geschehnisse spreche nicht dafür, dass die Rissbildung des Dünndarmes bereits im Zuge der Operation am 26.02.2010 entstanden sei. Der Austritt von Darminhalt in die freie Bauchhöhle stelle sich vielmehr als akutes Ereignis dar. Eine Latenz von mehreren Tagen bis zum Auftreten erster Krankheitssymptome sei medizinisch nicht nachvollziehbar. Aus der Sicht ex post müsse der Krankheitsverlauf als schicksalhaft bezeichnet werden. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S ist überzeugend und schlüssig, dabei fundiert. Substantiierte inhaltliche Einwendungen gegen das Gutachten, die eine mündliche Anhörung des Sachverständigen erforderlich gemacht hätten, sind nicht erhoben worden. Die Fachkunde des Sachverständigen, der seit vielen Jahren Leiter der renommierten Kölner Rechtsmedizin ist, steht außer Zweifel.
Auch der im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren weiter tätig gewordene allgemein- und abdominalchirurgische Sachverständige Prof. Dr. M hat für sein Fachgebiet einen Behandlungsfehler eindeutig verneint. Er hat sich dabei eingehend mit dem auch im hiesigen Verfahren erhobenen Vorwurf auseinandergesetzt, es habe in Ansehung der erheblichen Adipositas der Patientin primär laparotomisch vorgegangen werden müssen. Er hat aus allgemein- und abdominalchirurgischer Sicht die vorliegend stattgehabte laparoskopische Blinddarmentfernung als dem fachärztlichen Standard entsprechend bezeichnet. Gerade bei übergewichtigen Patienten wie der Patientin sei diese Methode in den Händen des geübten Operateurs gegenüber der offenen Vorgehensweise vorzugswürdig, da das Infektionsrisiko deutlich niedriger sei. Auch Wundheilungsstörungen seien bei einem offenen Vorgehen wegen des hierfür erforderlichen Schnitts mit einer Länge von ca. 15-20 cm deutlich häufiger anzutreffen. Somit sei das laparoskopische Verfahren in vielen Kliniken heutzutage Standard und werde dem konventionellen offenen Vorgehen vorgezogen. Dieses Verfahren sei standardisiert und als Routineeingriff anzusehen. Dennoch gebe es auch bei Routineeingriffen Komplikationsmöglichkeiten, deren Häufigkeit gerade bei übergewichtigen Patienten deutlich erhöht sei. So stelle die Einklemmung des Dünndarms in einem Endoskopiezugangsweg eine zwar sehr seltene, aber typische Komplikation dar. Ihre Häufigkeit sei bei übergewichtigen Patienten, bei denen der Verschluss der Zugangswege technisch nicht möglich ist, mit unter 1,5 % zu beziffern. An diesen Feststellungen hat der bereits an dem schriftlichen Gutachten beteiligte weitere Sachverständige Privatdozent Dr. I in der mündlichen Gutachtenergänzung in Ansehung der klägerseits erhobenen Einwendungen und des klägerseits vorgelegten Privatgutachtens in vollem Umfang festgehalten. Er hat hierbei bekräftigt, dass gerade in der gegebenen Situation der hier in Rede stehenden konkreten Patientin nichts für eine offene, dafür vieles für eine endoskopische Operation gesprochen habe. Diese sei bei unklarer Diagnose und geringerer Komplikationsträchtigkeit als eindeutig überlegen anzusehen, insbesondere in Ansehung des aufgrund der Adipositas der Patientin sonst erforderlichen überdimensionalen Schnittes. Aus diesem Grund sei die offene Operation seinerzeit bereits keine echte Behandlungsalternative und Standard vielmehr das endoskopische Vorgehen gewesen, das entgegen der Annahme der Klägerseite auch intraoperativ etwa erforderlich werdende Spülungsmaßnahmen zulasse, dies sogar eher besser als das offene Vorgehen. Der Sachverständige hat des weiteren ausgeführt, auch die letztlich bei der Patientin eingetretene Darmproblematik mit Einklemmung oder Verklebung sei nicht im Zusammenhang mit der endoskopischen Vorgehensweise zu sehen, sondern könne auch bei einem offenen Vorgehen auftreten. Schließlich hat der Sachverständige auch den von dem Kläger monierten Zeitpunkt der Entlassung der Patientin aus der stationären Behandlung nach der Blinddarmoperation nicht beanstandet trotz der dokumentierten erhöhten Entzündungswerte. Dies hat er damit begründet, erhöhte Entzündungswerte stünden der Entlassung eines Patienten aus der stationären Behandlung nicht per se entgegen. Entscheidend sei der (regrediente) Verlauf der Entzündungswerte, der vorliegend dokumentiert sei. Diese Feststellungen decken sich mit den übereinstimmenden Feststellungen anderer Gutachter, die der auf Arzthaftungssachen spezialisierten Kammer aus einer Vielzahl anderer Rechtsstreitigkeiten bekannt sind.
Das Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. M und Privatdozent Dr. I ist inhaltlich überzeugend, dabei eingehend und fundiert begründet. Sie decken sich – soweit fachlich überschneidend – mit den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. Die Fachkunde dieser beiden Sachverständigen steht außer Zweifel.
Die Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. S und Prof. Dr. M sind im Wege des Urkundsbeweises im hiesigen Rechtsstreit zu verwerten. Gemäß § 411 a ZPO kann die schriftliche Begutachtung durch die Verwertung eines gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden. Die Ersetzung steht im Ermessen des Gerichts, wobei die Gleichwertigkeit, insbesondere die Identität der Beweisfrage feststehen muss (vgl. Zöller-Greger, ZPO, § 411a Rn. 3). Vorliegend erscheint der Kammer die Verwertung der im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten sachgerecht. Insoweit ist zu sehen, dass das Ermittlungsverfahren unter dem Vorwurf einer fahrlässigen Tötung infolge eines oder mehrerer Behandlungsfehler geführt wurde. Die sich insoweit stellenden Fragen decken sich daher mit den im hiesigen Rechtsstreit entscheidungserheblichen Fragestellungen. Die im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten sind von renommierten neutralen Sachverständigen erstellt worden, an deren Kompetenz und Fachkunde die Kammer keine Zweifel hat. Die Verwertung dieser Gutachten im hiesigen Rechtsstreit führt zu einer deutlichen Verfahrensbeschleunigung bei gleichzeitiger Kostenersparnis, ohne dass die Qualität der Beweiserhebung leiden würde. Der erhebliche Aufwand, der seitens der Staatsanwaltschaft zur Ermittlung der Todesursache und Beurteilung der Qualität der Behandlung der Patientin betrieben wurde, kann durch die Verwertung der Gutachten genutzt werden. Die gegen eine Verwertung von Klägerseite angeführten Einwendungen erscheinen demgegenüber nicht durchgreifend. Substantiierte Einwendungen gegen das Gutachten von Prof. S sind bereits nicht erhoben worden. Dem klägerseits geltend gemachten Ergänzungsbedarf im Hinblick auf das allgemein- und abdominalchirurgische Gutachten von Prof. Dr. M hat die Kammer durch eine mündliche Gutachtenerläuterung durch den weiteren Sachverständigen Privatdozent Dr. I, in der Gelegenheit zur ergänzenden Befragung bestand, Rechnung getragen. Zu den weitergehenden Behandlungsfehlervorwürfen betreffend die Behandlung der Patientin auf der Intensivstation im Haus der Beklagten hat die Kammer schließlich ergänzend ein weiteres intensivmedizinisches Gutachten eingeholt.
2.
Auch im Hinblick auf den zweiten Aufenthalt der Patientin im Haus der Beklagten ab dem 11.03.2010 ist ein Behandlungsfehler nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von dem Kläger nicht bewiesen worden, § 286 ZPO. Insoweit hat der bereits im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren tätig gewordene Sachverständige Prof. Dr. M zu der von Klägerseite monierten zeitlichen Abfolge der Diagnostik am 11.03.2010 ausgeführt, die Patientin sei um 17.35 Uhr in das Haus der Beklagten eingeliefert worden. Bei der Aufnahme sei sie wach und orientiert gewesen. Die Kreislauffunktion sei stabil gewesen, die Aufnahmediagnostik habe neben einer Laboruntersuchung auch eine Sonographie und eine Röntgenuntersuchung des Bauchraumes umfasst. Letztere habe keine Anzeichen für eine Perforation oder einen Darmverschluss gezeigt. Allerdings habe sich freie Flüssigkeit gefunden. Die erhobenen Laborwerte hätten auf eine Infektion hingedeutet. Die normwertigen Leukozytenwerte hätten die Beurteilung der Situation verkompliziert und der Annahme einer schweren Infektion entgegen gestanden. Entscheidend sei in derartigen Situationen der klinische Eindruck. Denn auch eine CT-Untersuchung lasse nicht immer eine eindeutige Diagnosestellung zu. Aufgrund der unklaren Befundlage sei die Patientin richtigerweise zur Überwachung im Haus der Beklagten stationär aufgenommen worden. Da die Darmpassage klinisch im Vordergrund gestanden habe, seien zunächst stuhlabführende Maßnahmen veranlasst worden. Im Verlauf des Abends sei es dann zu einer dokumentierten zunehmenden Verschlechterung der Kreislaufsituation mit Auftreten von Fieber gekommen. Diese Verschlechterung der Kreislauffunktion habe letztlich den entscheidenden Grund für die Indikationsstellung und die Durchführung der Operation gegeben. In Anbetracht des intraoperativ vorgefundenen Befundes und der dokumentierten Ausprägung der Stuhlverschmutzung der Bauchhöhle sei nicht davon auszugehen, dass die Perforation des Darmes durch einen wenige Stunden früheren Eingriff hätte verhindert werden können. Es sei auch sehr unwahrscheinlich, dass durch einen früheren Eingriff der Krankheitsverlauf maßgeblich verändert worden wäre. Die Stuhlverschmutzung der Bauchhöhle mit der daraus resultierenden Bauchfellentzündung stelle eine potentiell lebensbedrohliche Situation dar. Das in dieser Situation im Haus der Beklagten gewählte Vorgehen entspreche der Schwere des Krankheitsbildes und sei aus sachverständiger Sicht als adäquat und richtig einzuschätzen. Ausweislich der Operationsberichte sei es im Verlauf der durchgeführten Spültherapien auch zu einer kontinuierlichen Besserung des Befundes gekommen, wenngleich dies die Intensivtherapie mit Beatmung nicht entbehrlich gemacht habe. Letzteres sei aber keine Seltenheit, sondern bei dem hier stattgehabten Krankheitsbild häufig zu beobachten. Die stuhlige Bauchfellentzündung habe ein hohes Sterblichkeitsrisiko, das auch bei optimaler chirurgischer und intensivmedizinischer Behandlung bei etwa 30 % liege. In der konkreten Person der Patientin hätten zudem als Risikofaktoren für einen negativen Verlauf das fortgeschrittene Alter, das Übergewicht und die weiteren Grunderkrankungen wie beispielsweise die Diabeteserkrankung vorgelegen. Auch die Dauer der Bauchfellentzündung habe sicherlich einen negativen Einfluss auf den Ausgang der Erkrankung gehabt. Aus chirurgischer Sicht erscheine die der Patientin im Haus der Beklagten zuteil gewordene Behandlung, soweit sein Fachgebiet betroffen sei, angemessen und korrekt.
An diesen Feststellungen betreffend den zweiten Aufenthalt der Patientin im Haus der Beklagten hat der weitere Sachverständigen Privatdozent Dr. I auch in der mündlichen Gutachtenerläuterung festgehalten und die im Haus der Beklagten initial betriebene Diagnostik als lege artis bezeichnet. Er hat dabei ausgeführt, die Befunde hätten für die Behandler ex ante keinen Hinweis auf eine wie auch immer geartete schwere Komplikation der Blinddarmoperation gegeben. Die im Haus der Beklagten eingeleitete stuhlabführende Therapie sei aus sachverständiger Sicht adäquat und auf der Grundlage des seinerzeitigen Kenntnisstandes gut nachvollziehbar gewesen. Auch eine frühzeitige antibiotische Abdeckung sei nicht versäumt worden. Sowohl für den 11.3.2010 als auch für den 12.03.2010 sei dokumentiert, dass antibiotisch vorgegangen worden sei. Der weitere Verlauf in den Tagen nach dem 11.3.2010 spreche für eine Fortsetzung der eingeleiteten antibiotischen Therapie.
Die im Schriftsatz des Klägers vom 21.10.2015 erneut thematisierten Einwendungen gegen die Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. M und Privatdozent Dr. I geben keine Veranlassung für eine erneute mündliche Gutachtenergänzung. Der Sachverständige Privantdozent Dr. I ist von der Kammer im Termin am 28.01.2015 mündlich angehört worden. Nach seiner Anhörung sind allseits keine weiteren Fragen mehr gestellt worden. Vor diesem Hintergrund sind die innerhalb der Stellungnahmefrist zu dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. C erneut erhobenen Einwendungen und Ergänzungsfragen, die das Fachgebiet der Sachverständigen Prof. Dr. M und Privatdozent Dr. I betreffen, verspätet. Es handelt sich auch nicht um Fragen, die durch die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. C neu entstanden sind, sondern ausnahmslos um solche, die unabhängig von der intensivmedizinischen Begutachtung zu sehen sind und bereits im Rahmen der seinerzeitigen mündlichen Gutachtenerläuterung hätten formuliert und an den Sachverständigen gerichtet werden können. Dies ist nicht geschehen.
3.
Schließlich ist auch ein Fehler im Rahmen der nachfolgenden Behandlung der Patientin auf der Intensivstation im Haus der Beklagten von dem Kläger nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung der Kammer bewiesen worden, § 286 ZPO. Der insoweit von der Kammer ergänzend beauftragte intensivmedizinische Sachverständige Prof. Dr. C ist im Gegenteil in seinem Gutachten vom 22.07.2015 überzeugend und nachvollziehbar, dabei denkbar eindeutig zu dem Ergebnis gelangt, dass Fehler nicht festzustellen seien. Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, die Patientin sei zu früh extubiert worden, hat der Sachverständige dies zurückgewiesen und ausgeführt, generell sei eine frühzeitige Extubation anzustreben, weil eine zu lange invasive Beatmungszeit stets mit dem Risiko einer ventilator-assoziierten Pneumonie verbunden sei, die ihrerseits ein vital gefährdendes Krankheitsbild darstelle. Der Zeitpunkt der Extubation am 24.03.2010 sei deshalb gewählt worden, weil die Patientin zuvor 2 Stunden spontan geatmet gehabt habe. Dies sei das gängige Kriterium für einen Extubationsversuch. Es komme hinzu, dass die Patientin ausweislich der Dokumentation zu diesem Zeitpunkt ansprechbar, kontaktfähig und kreislaufstabil gewesen sei, seit Tagen gute Blutgaswerte und auch am Tag der Extubation selbst eine gute Sauerstoffkonzentration aufgewiesen habe. Zudem sei der pH-Wert im Blut seit Tagen stabil und die Infektparameter rückläufig gewesen. Vor diesem Hintergrund sei die Extubation definitiv geboten gewesen. Dass diese nicht dauerhaft erfolgreich sein würde, sei für die Behandler ex ante nicht absehbar gewesen. Der Extubationszeitpunkt habe auch keinen Einfluß auf den weiteren Krankheitsverlauf gehabt. Insoweit hat der Sachverständige ausgeführt, der weitere fulminante Verlauf sei letztlich durch die Schwere der Infektion verursacht worden, die für den bei der Patientin nachgewiesenen Keim E. coli typisch sei. Diese Infektion sei letztlich der Grund für das ab dem 26.03.2010 zu beobachtende Multiorganversagen gewesen. An diesen Feststellungen hat der Sachverständige in seiner mündlichen Gutachtenerläuterung festgehalten. Angesprochen auf die klägerseits behaupteten Hygienemängel hat er ausgeführt, die Verunreinigung des Tracheostomas mit dem nachgewiesenen Keim sei aus seiner sachverständigen Sicht mutmaßlich erst nach der Entfernung des Tracheostomas erfolgt. Derartiges sei in der klinischen Praxis nicht selten zu beobachten. Dieser Keim sei aber aus seiner sachverständigen Sicht auch nicht der Auslöser für die zum Tod der Patientin führende Sepsis gewesen. Für letztere zeichne vielmehr aller Wahrscheinlichkeit nach der Keim E. coli verantwortlich. Sein Nachweis sei weder ein Indiz noch ein Beleg für Hygienemängel. Anhaltspunkte für Hygienemängel habe er auf der Grundlage der Behandlungsdokumentation nicht. Auch das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. C überzeugt aus Sicht der Kammer. Es ist nachvollziehbar, dabei eingehend und fundiert begründet. An der Fachkunde dieses Sachverständigen hat die Kammer wiederum keinen Zweifel. Die hiernach verbleibenden Zweifel gehen nach allgemeinen Regeln zu Lasten des für den Behandlungsfehler beweisbelasteten Klägers.
4.
Schließlich geht auch die von dem Kläger erhobene Aufklärungsrüge fehl. Die Kammer geht auf der Basis der vorliegenden Sachverständigengutachten sicher davon aus, dass die Blinddarmoperation mit wirksamer Einwilligung der Patientin auf der Grundlage einer ausreichenden Aufklärung erfolgte und damit rechtmäßig war. Insoweit haben die Sachverständigen Prof. Dr. M und Privatdozent Dr. I sich eindeutig dahingehend geäußert, dass zu einer Operation in der gegebenen Situation keine Alternative bestand. Sie haben weiter ausgeführt, die endoskopische Vorgehensweise entspreche – auch und gerade bezogen auf die konkrete Patientin mit der bei ihr vorliegenden Adipositas – dem standardmäßigen Vorgehen. Eine offene Operation habe demgegenüber aufgrund ihrer deutlich höheren Komplikationsträchtigkeit bereits keine aufklärungspflichtige echte Behandlungsalternative dargestellt. Im übrigen hat sich nach dem Ergebnis der Begutachtung auch gar kein Risiko der gewählten endoskopischen Vorgehensweise verwirklicht. Der Sachverständige Privatdozent Dr. I hat insoweit eindeutig ausgeführt, diese Komplikation sei nicht spezifisch für die gewählte Vorgehensweise, sondern gleichermaßen auch mit der offenen Vorgehensweise assoziiert. Weitere inhaltliche Mängel der Aufklärung sind von Klägerseite bereits nicht substantiiert gerügt worden. Es kommt hinzu, dass in Anbetracht der eindeutigen Indikation der konkret durchgeführten Operation und ihrer Alternativlosigkeit auch von einer hypothetischen Einwilligung der Patientin auszugehen ist.
5.
Die Nebenforderungen teilen das rechtliche Schicksal der Hauptforderung.
6.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 1, 2 ZPO.
Streitwert: 100.000 €