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Verkehrssicherungspflicht eines Krankenhausbetreibers

Keine Haftung bei Sturz in Krankenhaus: Berufung offensichtlich unbegründet.

Das Landgericht hat entschieden: Eine Frau, die in einem Krankenhaus gestürzt war, hat keinen Anspruch auf Schadenersatz. Weder die Reinigungsfirma noch das Krankenhaus selbst haften für den Sturz. Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts ist nach vorläufiger Ansicht der Kammer offensichtlich unbegründet. Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass die Reinigungsfirma ihre Pflichten verletzt hat. Es gab auch keine konkreten Hinweise darauf, dass der Bereich, in dem der Unfall passiert ist, als besondere Gefahrenquelle angesehen werden musste. Das Krankenhaus hat sich an die gebotene Verkehrssicherung gehalten und Vorkehrungen getroffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Eine engmaschige Reinigung und Kontrolle sämtlicher öffentlich zugänglicher Bereiche kann von einem Krankenhausbetreiber nicht verlangt werden, solange keine erhöhte Gefahrenquelle besteht. Eine Rücknahme der Berufung könnte zu einer Reduzierung der Gerichtskosten führen. Das Gericht beabsichtigt, den Streitwert auf 3.438,82 € festzusetzen.

LG Berlin – Az.: 39 S 10/22 – Beschluss vom 29.08.2022

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 19.04.2022, Az. 206 C 157/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Verkehrssicherungspflicht eines Krankenhausbetreibers
(Symbolfoto: hxdbzxy/Shutterstock.com)

Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor, die Berufung ist offensichtlich unbegründet, die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine aufgrund mündlicher Verhandlung ergehende Entscheidung der Kammer ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich oder aus sonstigen Gründen geboten.

Das Rechtsmittel hat nach vorläufiger Ansicht der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zur Recht abgewiesen. Das Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO noch rechtfertigen die der zweitinstanzlichen Entscheidung nach Maßgabe von § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung:

1. Ansprüche gegen die Beklagte zu 2. bestehen nicht. Die Kammer folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung. Die Beklagte war auf Grundlage des als Anlage B1 vorgelegten Vertrages mit Reinigungsleistungen beauftragt. Eine Übertragung der Verkehrssicherungspflicht ist nicht erfolgt. Welche konkreten Pflichten aus dem Reinigungsvertrag verletzt sein sollen, hat die Klägerin weder konkret dargelegt noch unter Beweis gestellt. Insbesondere macht sie nicht geltend, dass der Boden infolge der Arbeiten insgesamt feucht und rutschig gewesen sei, sie dahingehend nicht gewarnt worden und deshalb zu Fall gekommen sei. Vielmehr soll eine auf den Boden verschüttet gelblich Flüssigkeit für den Sturz ursächlich gewesen sein. Dass und inwieweit die von der Beklagten zu 2. in den frühen Morgenstunden durchzuführende Unterhaltsreinigung damit im Zusammenhang stehen soll, ist weder konkret dargetan noch ersichtlich.

2. Die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten zu 1. wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht gem. § 823 Abs. 1 BGB liegen nicht vor.

2.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2012 – VI ZR 311/11 –, BGHZ 195, 30-42, Rn.6, 7). Dem hat die Beklagte zu 1. genügt.

2.2 Nach Maßgabe des unstreitigen Tatbestandes des angefochtenen Urteils, ist zugrunde zu legen, dass die Beklagte zu 1. die Beklagte zu 2. mit der Unterhaltsreinigung beauftragt hatte und die Durchführung der Reinigungsleistungen durch die zuständige Serviceleitung der Beklagten zu 1. (mehrfach täglich) kontrolliert wurde. Darüber hinaus bestand die Anweisung an das Personal der Beklagten zu 1. darauf zu achten, ob Verunreinigungen mit Gefährdungspotential vorliegen. Mehr bedurfte es nicht.

Dem steht nicht entgegen, dass der Betreiber eines Krankenhauses grundsätzlich Vorkehrungen dafür zu treffen hat, dass Patienten oder Besucher nicht infolge von Reinigungsarbeiten und dadurch verursachten Bodenfeuchte zu Schaden kommen, etwa durch Warnschilder oder Absperren von einzelnen Bereichen (vergl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. Dezember 1991 – 22 U 117/91 –, Rn. 6, juris). Denn die Klägerin macht nicht geltend, in Folge eines insgesamt feuchten Bodens wegen einer kurz zuvor erfolgten Reinigung, sondern wegen einer verschütteten, gelblichen Flüssigkeit zu Fall gekommen zu sein.

Für die Annahme einer Verkehrssicherungspflichtverletzung könnte daher allenfalls dann Raum sein, wenn der streitgegenständliche Bereich des Sturzes durch die Beklagte engmaschig konkret zu reinigen bzw. zu kontrollieren gewesen wäre. Für eine Reinigung und Kontrolle in regelmäßigen und konkreten Zeitabständen besteht indessen nur Anlass, wenn besondere Umstände eine erhöhte Gefahrenquelle gerade in einem Bereich schaffen, wie etwa in der Obst- und Gemüseabteilung eines Warenhauses (vergl. OLG Köln, Urteil vom 24. Juli 2008 – 12 U 8/08 –, Rn. 6, juris). Solche besonderen Umstände, wonach gerade der hier betroffene Bereich als besondere Gefahrenquelle angesehen werden könnte, sind weder dargetan noch ersichtlich. Nicht ausreichend ist insoweit, dass es sich um einen Eingangsbereich gehandelt haben mag (OLG Köln, a.a.O).

Dass es in einem Krankenhaus im Einzelfall dazu kommen kann, dass durch Besucher, Patienten oder Personal eine Flüssigkeit verschüttet wird, dies dem Betreiber nicht unmittelbar in den Blick gerät und ein Besucher hierdurch stürzt, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko. Eine engmaschige Reinigung und Kontrolle sämtlicher öffentlich zugänglicher Bereiche eines Krankenhauses kann – soweit nicht konkrete erhöhte Gefahrenquellen bestehen – vom Betreiber nicht verlangt werden.

II.

Es wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass eine Rücknahme der Berufung gegenüber einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO zu einer Reduzierung der Gerichtskosten um zwei Gebühren führen würde (vgl. Ziffern 1220, 1222 des Kostenverzeichnisses zu § 3 Abs. 2 GKG).

III.

Die Kammer beabsichtigt, den Streitwert für den Berufungsrechtszug auf 3.438,82 € festzusetzen.

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