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Vorformulierte Abtretungserklärung zugunsten einer Verrechnungsstelle

AG Hannover – Az.: 421 C 11378/11 – Urteil vom 23.03.2012

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht mit der Klage ein Zahnarzthonorar aus abgetretenem Recht geltend.

Im März 2011 ließ sich der gesetzlich versicherte Beklagte durch Herrn … zahnärztlich behandeln. Am 7.3.2011 unterschrieb er eine vorformulierte Abtretungserklärung zu Gunsten der Klägerin (Bl. 29 d.A.), in der er sich mit der Weiterabtretung der Forderung an die in zum Zwecke der Refinanzierung einverstanden erklärte und seinen behandelnden Arzt von seiner ärztlichen Schweigepflicht entband, soweit dies für die Abtretung und Geltendmachung der Forderung erforderlich ist. Der Beklagte unterschrieb dem behandelnden Zahnarzt diverse Vergütungsvereinbarungen. Nach Durchführung der diagnostischen Behandlung rechnete die Klägerin gegenüber dem Beklagten die zahnärztliche Leistung mit 2.743,55 € ab, wobei eine Zahlung trotz Mahnungen der Klägerin ausblieb.

Die Klägerin behauptet, dass alle Leistungen ordnungsgemäß erbracht worden seien und der Beklagte zuvor auch in wirtschaftlicher Hinsicht über die streitgegenständlichen Leistungen aufgeklärt worden sei. Sie vertritt die Ansicht, dass sämtliche Vergütungsvereinbarungen wie auch die Abtretungserklärung wirksam seien und der Beklagte daher sowohl die Hauptforderung wie auch die durch die außergerichtliche anwaltliche Mahnung angefallenen Kosten schulde.

Die Klägerin beantragt, den Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.743,55 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 13.5.2011 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 265,70 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die von ihm unterschriebene Abtretungserklärung unwirksam sei und behauptet, von dem Zedenten lediglich eine zweite Meinung zu der Frage, ob Zähne des Oberkiefers gezogen werden müssen habe einholen wollen. Die Unterschriften unter die Vergütungsvereinbarungen habe der Beklagte geleistet, ohne die Dokumente lesen zu können, da ihm diese auf einem Klemmbrett zur Unterschrift vorgelegt worden seien mit dem ausdrücklichen Hinweis, diese seien nur für die Krankenkasse.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten aus §§ 611 ff, 398ff BGB, denn sie ist nicht aktivlegitimiert.

vorformulierte Abtretungserklärung zugunsten einer Verrechnungsstelle
Symbolfoto: Von sujit kantakat/Shutterstock.com

Die Klägerin, die sich mit der Finanzierung und Abrechnung von Honorarforderungen befasst, ist nicht aufgrund einer wirksamen Abtretung Inhaberin des hier geltend gemachten Zahnarzthonorars geworden. Die zu ihren Gunsten von dem behandelnden Arzt erklärte Abtretung ist gemäß § 134 ZPO nichtig, da der Arzt mit der Abtretung gegen das Gebot der ärztlichen Verschwiegenheit verstoßen hat (§ 203 Abs. 1 Ziffer 1 StGB), weil der Beklagte ihn nicht wirksam von seiner Verschwiegenheitspflicht befreite. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 1992, S. 2348ff) ist die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB in diesen Fällen nicht auf das Grundgeschäft beschränkt, sondern erfasst das Erfüllungsgeschäft der Abtretung, weil die die Verbotswidrigkeit des Kausalgeschäfts erfüllenden Umstände zugleich und unmittelbar das Erfüllungsgeschäft betreffen.

Ein wirksames Einverständnis i.S.v. § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt nach der Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 1992, S. 2348ff) voraus, dass der Einwilligende eine im wesentlichen zutreffende Vorstellung davon hat, worin er einwilligt und Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung zu überblicken vermag. Er muss deshalb wissen, aus welchem Anlass und mit welcher Zielsetzung er welche Personen von ihrer Schweigepflicht entbindet. Auch muss er über Art und Umfang der Einschaltung Dritter unterrichtet sein (OLG Frankfurt, NJW 1988, 2488). Für den Patienten macht es in der Regel einen Unterschied aus, ob externe und durch den Arzt nicht kontrollierbare Dritte eingeschaltet werden. Es muss für ihn eindeutig und zweifelsfrei zu entnehmen sein, dass dem Zessionär zu diesem Zweck sämtliche zur Erstellung der Abrechnung erforderlichen Behandlungsdaten vom behandelnden Arzt zu überlassen sind, also der Umfang der Datenübermittlung, zu der sich der behandelnde Arzt aufgrund des mit der Klägerin geschlossenen Vertrages verpflichtete. Zu einer im wesentlichen zutreffende Vorstellung von der Tragweite der Einwilligung hätte nach der oben zitierten Entscheidung des BGH schließlich gehört, dass der Beklagte die nach dem Abrechnungs- und Vorfinanzierungssystem vorgesehene Weitergabe von Patientendaten durch die Klägerin an ein Finanzierungsinstitut und die sich daraus ergebenden Konsequenzen erkennbar gewesen wären.

Zwar ist nach dem Wortlaut der Erklärung für den Patienten erkennbar, dass der Schweigepflicht unterliegende Daten an die Klägerin weitergegeben werden, die Klägerin Forderungsinhaberin wird und dass im Falle eines Prozesses gegen den Patienten der abtretende Arzt der Klägerin als Zeuge zur Verfügung steht. Auch wird ihm die refinanzierende Bank benannt und ein Einverständnis mit einer Weiterabtretung durch die Klägerin an diese erklärt.

Den sich aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergebenden Anforderungen genügt dann allerdings nicht mehr die Entbindungserklärung von der Schweigepflicht, denn diese beinhaltet dem Wortlaut und auch inhaltlich nach ausdrücklich nur eine Entbindung des Arztes von seiner ärztlichen Schweigepflicht.

Was die weitere Abtretung an das refinanzierende Institut angeht, fehlt es aber nicht nur an einer entsprechenden ausdrücklichen Entbindungserklärung der Klägerin, die nach zutreffender Ansicht entsprechend des Schutzzweckes der Norm auch als gewerbliche Verrechnungsstelle gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB einer Schweigepflicht unterliegt (s. Fischer, StGB, 59. Auflage, § 203, Rn. 18 m.w.N.; Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage, Band 6, § 203, Rn. 70 m.w.N.).

Vielmehr bleibt nach der Formulierung des Einverständnisses zur Weiterabtretung an die refinanzierende Bank unklar, in welchem Umfang vertrauliche Daten weitergegeben werden. In der Formulierung heißt es, dass in jedem Fall die Vertraulichkeit der Patientendaten gewährleistet ist. Völlig offen bleibt, was damit konkret gemeint ist und mit der Weitergabe welcher Daten der Patient zu rechnen hat. Damit ergibt sich für den Patienten gerade nicht, dass die sensiblen Patientendaten und Unterlagen zum Zwecke der Forderungsbeitreibung auch an die Bank weitergegeben werden können. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Klägerin mit der Bank Absprachen zur Sicherung der ärztlichen Schweigepflicht getroffen hat, denn – wie die Klägerin selbst einräumt – wäre sie aufgrund der Formulierungen der abgegebenen Erklärung tatsächlich in der Lage, der Schweigepflicht unterliegende Daten weiterzugeben, nachdem die Erklärung selbst entsprechende Begrenzungen gerade nicht enthält. Für den nicht Rechtskundigen bleibt entgegen § 402 BGB unklar, in welchem Umfang vertrauliche Daten auch dem refinanzierenden Institut zugänglich gemacht werden, denn nach § 402 BGB ist die Klägerin grundsätzlich verpflichtet, der Bank als neuer Gläubigerin die zur Geltendmachung der Forderung nötigen Auskünfte zu erteilen und damit Daten, die der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, weiterzugeben. Bereits diese Unklarheiten führen dazu, dass der Patient – entgegen der Rechtsprechung des BGH – keine im Wesentlichen zutreffende Vorstellung von Bedeutung und Tragweite der von ihm abgegebenen Erklärung hat.

Über diese bereits der abgegebenen Erklärung anhaftenden Unklarheiten hinaus bedeutet die Möglichkeit der Weiterabtretung an ein refinanzierendes Institut aber auch, dass der Kreis derjenigen, die mit der Forderung und den zu ihrer Betreibung erforderlichen Daten in Berührung kommen uferlos wird, denn ist die Bank erst einmal Inhaberin der Forderung geworden, kann diese die erworbene Forderung ohne Einschränkungen weiter abtreten. Anders als der Arzt und die Verrechnungsstelle, die nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 6 StGB einer Verschwiegenheitspflicht unter Strafandrohung unterliegen, gilt dies für die Bank nicht. Diese kann also – ohne Zustimmung des Patienten – im strafrechtsfreien Raum die erworbene Forderung weiter abtreten. Diese Rechtsfolge ist für den Rechtsunkundigen und damit für die Mehrzahl der Patienten in keiner Weise erkennbar. Auch unter diesem Gesichtspunkt genügt die vorformulierte Erklärung den Anforderungen des BGH an die Erkennbarkeit der Tragweite der abgegebenen Erklärung nicht.

Bereits die Weitergabe der Daten an die Klägerin bedeutet einen massiven Eingriff in das Grundrecht des Beklagten auf informationelle Selbstbestimmung. Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Klägerin um eine Institution mit zahlreichen Angestellten handelt. Jeder Mitarbeiter, der mit der Bearbeitung der Abrechnungsangelegenheit zu tun hat, hat demnach auch – zumindest potentiell – Zugriff auf die Patientendaten des Beklagten und damit auch auf Einzelheiten aus der Vorgeschichte und der Behandlung, was einem Patienten grundsätzlich nicht zumutbar ist. Bei der Abtretung an eine refinanzierende Bank erweitert sich dieser Personenkreis erheblich, wobei im Übrigen auch Bedenken bestehen, ob bei einer Handelsgeschäfte finanzierenden Bank die hinreichende Sensibilität sicher gewährleistet ist zum Schutz der Patientendaten. Dies gilt umso mehr, als die Bank im Umgang mit den Daten – wie bereits dargelegt – nicht der Strafandrohung des § 203 StGB unterliegt, weil sie nicht zur Gruppe derjenigen gehört, denen das Gesetz im Umgang mit den Patientendaten eine Schweigepflicht auferlegt. Mit dem informationellen Selbstbestimmungsrecht ist aber unvereinbar, dass aufgrund der der Bank ohne weiteres gegebenen Möglichkeit zur Weiterabtretung der Kreis derjenigen, der mit den sensiblen Daten in Berührung kommt, nicht mehr eingrenzbar ist und es damit auch an einer ausreichenden Unterrichtung des Patienten über Art und Umfang der möglichen Einschaltung Dritter fehlt. Daran ändern auch mögliche Abreden mit dem refinanzierenden Institut zum Schutz der der Schweigepflicht unterliegenden Daten des Patienten nichts, denn diese sind für ihn weder erkennbar, noch hat er Einfluss auf deren rechtliche Ausgestaltung. Im Übrigen dürfte für den Rechtsunkundigen auch kaum überschaubar sein, inwieweit derartige Absprachen rechtlichen Bestand haben und ihn im Ergebnis wirklich schützen.

Nach alledem ist die vorliegende Abtretungserklärung unwirksam, da sie dem Beklagten nicht hinreichend deutlich Umfang und Folgen der von ihm abgegebenen Erklärung vor Augen führt. Zu keiner anderen Bewertung führt der Umstand, dass die Zustimmung zur Weiterabtretung an die refinanzierende Bank nur geschieht, soweit rechtlich zulässig, denn die zutreffende Bewertung der rechtlichen Zulässigkeit und damit das Erkennen können des Umfanges der gegebenen Einwilligung kann von einem durchschnittlichen Patienten ohne rechtliche Bildung nicht erwartet werden.

Auf den Umstand, dass die Klägerin tatsächlich die Forderung nicht an das refinanzierende Institut weiter abgetreten hat, kommt es entscheidungserheblich nicht an (AG Mannheim, 10 C 102/11 vom 21.9.2011 m.w.N.), da von diesem Umstand nicht die Wirksamkeit der abgegebenen Erklärung abhängen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Ziffer 11,711 ZPO.

 

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