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Wahlarztvertrag: Wirksamkeit einer Stellvertretervereinbarung

AG Hamburg, Az.: 8a C 342/12

Urteil vom 31.07.2013

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, so nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Wahlarztvertrag: Wirksamkeit einer Stellvertretervereinbarung
Foto: flippo/Bigstock

Mit der Klage begehrt der Kläger als liquidationsberechtigter Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf das Honorar für eine stationäre Behandlung der Beklagten. Hierzu schloss das Universitätsklinikum mit der Beklagten am 03. Januar 2012 eine Wahlleistungsvereinbarung, auf die ergänzend Bezug genommen wird (vgl. Anlage K 1, Bl. 11 f. d. A.). Ebenfalls am 03.01.2012 erfolgte eine schriftliche Fixierung der sog. Stellvertretervereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten. In dieser wurde die Beklagte darüber aufgeklärt, dass der Kläger wegen Abwesenheit persönlich nicht verfügbar sei und die Operation durch den Oberarzt Dr. durchgeführt werden soll. In diesem Formular standen verschiedene Ankreuzoptionen auch hinsichtlich eines Verlegungsoperationstermins. Es wird ergänzend Bezug genommen auf die Anlage K 3 (Bl. 15 d. A.).

Hintergrund der Verhinderung des Klägers war eine bereits seit langem geplante anderweitige Operation.

Die Beklagte befand sich vom 03.01.2012 bis 08.01.2012 in stationärer Behandlung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Hinsichtlich des Operationsberichts wird ergänzend Bezug genommen auf die Anlage K 4 (Bl. 16 ff. d. A.). Hierfür stellte der Kläger der Beklagten ausweislich der Anlage K 2, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 13 f. d. A.), insgesamt 2.747,96 € in Rechnung.

In der Folgezeit kam es zu einem längeren Schriftwechsel zwischen dem Kläger bzw. seinem Abrechnungsbüro und der Versicherung der Beklagten. Es wird insoweit ergänzend Bezug genommen auf die Anlagen B 7 bis B 13 (Bl. 65 bis 75 d. A.).

Der Kläger ist der Auffassung, dass auch bei einer bereits bei Aufnahme des Patienten feststehenden Nichtverfügbarkeit des Chefarztes durch individuelle Vereinbarung mit dem Patienten eine Stellvertretervereinbarung wirksam geschlossen werden kann. Der Kläger meint, dass eine solche Vereinbarung in der Anlage K 3 liegt. Darüber hinaus ist der Kläger der Auffassung, die von ihm in der Anlage K 2 abgerechneten GOÄ-Ziffern ohne Verstoß gegen das sog. Zielleistungsprinzip abrechnen zu können.

Der Kläger stellt den Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.747,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 29.06.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass eine Stellvertretervereinbarung nur dann möglich ist, wenn bereits bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung nicht feststeht, dass der vereinbarte Operateur verhindert ist. Insoweit beruft sich die Beklagte auf ein Zurückbehaltungsrecht, da der Kläger ihrer Auffassung nach die Gründe seiner Nichtverfügbarkeit darlegen müsste. Ferner ist die Beklagte der Auffassung, dass die Abrechnung 3 und 7 der GOÄ am 03.01.2012, der Gebührenziffer 614 GOÄ am 03.01.2012 und 07.01.2012, der Gebührenziffer 5 GOÄ am 04.01.2012, der Gebührenziffer 5298 GOÄ analog am 04.01.2012, die Gebührenziffer 3149 GOÄ analog am 04.01.2012, die Gebührenziffer 3171 GOÄ am 04.01.2012, die Gebührenziffer 2583 GOÄ am 04.01.2012, die Gebührenziffer 3144 GOÄ analog am 04.01.2012, die Gebührenziffer 2032 GOÄ analog am 04.01.2012 und die Gebührenziffer 1 GOÄ am 04.01.2012 vom Kläger nicht abgerechnet werden können, da die entsprechende Abrechnung gegen das Zielleistungsprinzip verstoße. Darüber hinaus ist die Beklagte der Auffassung, dass keinesfalls eine Überschreitung des 2,3-fachen Gebührensatzes gerechtfertigt gewesen sei.

Ergänzend wird Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Einem vertraglichen Anspruch des Klägers steht entgegen, dass dieser die ihm obliegende Leistung nach der Wahlleistungsvereinbarung nicht erbracht hat. Nach dem Inhalt dieser Wahlleistungsvereinbarung, die insoweit zwischen den Parteien auch unstreitig ist, ist die Beklagte berechtigt gewesen, für die operativen, prä- und postoperativen Leistungen das persönliche tätig werden des Klägers zu verlangen. Die Voraussetzungen einer wirksamen Stellvertretervereinbarung liegen nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers, die sich auf die Entscheidung des BGH NJW 2008, 987 ff. stützt, handelt es sich nicht um eine wirksame Individualvereinbarung.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Wahlleistungsvereinbarung und die Stellvertretervereinbarung beide am 03.01.2012 geschlossen worden sind. Soweit auf der 2. Seite Anlage K 1 das Datum 03.01.2011 möglicherweise angegeben werden sollte, handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler. Bereits aus dem auf der Vereinbarung angebrachten Aufkleber mit dem Namen und dem Aufnahmedatum der Beklagten ist zu ersehen, dass es sich um eine Wahlleistungsvereinbarung bei Aufnahme der Patientin am 03.01.2012 gehandelt hat. Zudem handelt es sich um eine Version der Wahlleistungsvereinbarung aus dem Februar 2011, so dass diese nicht bereits im Januar 2011 geschlossen worden sein kann.

Entsprechend der auch vom Kläger zitierten BGH-Entscheidung aus dem Dezember 2007 ist davon auszugehen, dass eine Stellvertretervereinbarung im Wege der Individualabrede wirksam geschlossen werden kann, wobei der Patient so früh wie möglich über die Verhinderung des Wahlarztes zu unterrichten ist und ihm das Angebot zu unterbreiten ist, dass an dessen Stelle ein bestimmter Vertreter zu den vereinbarten Bedingungen die wahlärztlichen Leistungen erbringt. Vorliegend genügt die Anlage K 3 wohl der in der Entscheidung vorgegebenen Schriftform, wie auch den in der Entscheidung dem Patienten darzulegenden Behandlungsalternativen.

Jedoch ist die Vereinbarung unwirksam, weil es sich nicht um eine wirksame Individualvereinbarung, sondern eine unwirksame formularvertragliche Vereinbarung handelt. Es ergibt sich bereits aus der Erscheinungsform des Textes der streitgegenständlichen Stellvertretervereinbarung ein erster Anschein für das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Dies zeigt sich etwa daran, dass die Angaben zum Patienten in ein vorgefertigtes Formular mit einem Aufkleber eingefügt werden, wie sich aus dem äußeren Erscheinungsbild der Angaben in der Anlage K 3 ergibt. Darüber hinaus enthält die Vereinbarung an verschiedenen Stellen mit Pünktchen gekennzeichnete Bereiche, die ausgefüllt werden sollen. Die Verhaltensalternativen einer Verschiebung der Operation sind allgemein formuliert und nicht auf den Einzelfall zugeschnitten und dem äußeren Anschein nach vorgedruckt. Nach der Rechtsprechung hat der Verwender diesen ersten Anschein einer formularvertraglichen Regelung zu widerlegen (vgl. BGH, Beschluss vom 20.11.2012 zum Az.: VIII ZR 137/12). Den Verwender trifft insoweit die Darlegungs- und Beweislast, dass der Vertrag oder einzelne Vertragsbedingungen entgegen dem ersten Anschein individuell ausgehandelt worden sind. An die substantiierte Darlegung der ernsthaften Verhandlungsbereitschaft des Verwenders und der weiteren Merkmale für ein Aushandeln sind strenge Anforderungen zu stellen. Ein solches Aushandeln bedeutet mehr als verhandeln. Es genügt insbesondere nicht, dass das gestellte Formular dem Vertragspartner bekannt ist und nicht auf Bedenken stößt, dass der Inhalt lediglich erläutert oder erörtert wird und den Vorstellungen des Partners entspricht (BGH a.a.O.). Für die Annahme Allgemeiner Geschäftsbedingungen spielt im Übrigen keine Rolle, ob es sich um eine Vertragsänderung oder eine einseitige rechtsgeschäftliche Erklärung handelt (BGH, Urteil vom 23.01.2013 zum Az.: VIII ZR 143/12, Rn. 17). Ohne Bedeutung ist auch, ob dem anderen Vertragspartner die Wahl zwischen bestimmten, vom Verwender vorgegebenen Alternativen eingeräumt wird (BGH, Urteil vom 23.01.2013 zum Az.: VIII ZR 143/12 sowie BGH, Urteil vom 27.01.2000 zum Az.: I ZR 241/97). Es ist insoweit ohne Belang, ob die vorbereitete Erklärung dabei Wahlmöglichkeiten aufzeigt und es dem Patienten überlässt, ob er sich vom Kläger oder dem Oberarzt Dr. M. operieren lässt. Der Sache nach gibt es eine solche Wahlmöglichkeit ohnehin nicht, da bereits bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung nach dem nunmehr unstreitigen Parteivortrag auch des Klägers festgestanden hat, dass der Kläger keinesfalls die Operation durchführt, da er bereits aufgrund einer seit längerem geplanten anderweitigen Operation verhindert gewesen ist.

Insoweit kann dahinstehen, ob ein Anspruch des Klägers an der fehlenden Leistungserbringung oder wegen unzulässiger Rechtsausübung (so BGH NJW 2008, 987) ausgeschlossen ist.

Das Gericht verkennt nicht, dass die hier vorliegende Klausel durchaus den Anforderungen der Entscheidung des BGH vom 20.12.2007, abgedruckt in NJW 2008, 987 genügt. Sie genügt jedoch nicht den Anforderungen der ebenfalls zitierten neueren BGH-Rechtsprechung zu der Annahme von Individualvereinbarungen. Für den operationsbedürftigen und -willigen, aus diesem Grund erschienenen Patienten gibt es nur die Wahl, entweder auf die von ihm gewünschte Qualitätssicherung durch einen besonders qualifizierten Operateur zu verzichten oder aber die Operation durch einen Stellvertreter durchführen zu lassen, nachdem das Krankenhaus den Patienten zu einem bestimmten Operationstermin einbestellt hat, obwohl bereits feststand, dass die Operation nicht von dem geplanten Operateur durchgeführt werden kann. Das Krankenhaus bzw. der Kläger bietet so eine Leistung an, die von vornherein nicht wie angeboten erbracht werden soll. Gelöst wird dieses Problem durch vorbereitete formularvertragliche Erklärungen, die nur in wenigen Punkten stichwortartig ergänzt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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