OLG Koblenz – Az.: 5 U 1372/10 – Beschluss vom 03.06.2011
1. Der Senat beabsichtigt nach vorläufiger Beratung, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 27.10.2010, Az. 10 O 163/09, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen
2. Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, zu dem gerichtlichen Hinweis bis zum 27.06.2011 Stellung zu nehmen
Gründe
Die Berufung hat aus den nachstehend dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg. Eine Entscheidung des Berufungsgerichtes nach § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 ZPO ist nicht erforderlich.
I.
Das Landgericht geht zu Recht davon aus, dass dem Kläger weder aufgrund eines Behandlungsfehlers noch wegen einer fehlenden oder fehlerhaften Aufklärung ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zusteht, so dass die Klage der Abweisung unterliegen musste. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Die dagegen erhobenen Angriffe der Berufung vermögen nicht zu überzeugen. Hierzu Folgendes:
1.
Mit der Berufung macht der Kläger geltend, dass die komplette Stimmlippenparese links auf einen den Beklagten zuzurechnenden Behandlungsfehler zurückgehe. Dieser sei darin zu sehen, dass der Beklagte zu 2) bei der Operation des Klägers kein Neuromonitoringgerät eingesetzt habe. Den Beklagten sei es entgegen der nicht erschöpfenden Beweiswürdigung des Landegerichtes nicht gelungen, den Einsatz des Gerätes zu beweisen. Der Verzicht darauf verletzte den zum Operationszeitpunkt maßgeblichen ärztlichen Standard. Das habe das hier sich realisierende Risiko einer Nervenverletzung verdreifacht.
Dem kann der Senat nicht folgen. Die Berufungsbegründung beruht in diesem Punkt auf einer Verkennung der Beweislast. Jede Partei trägt grundsätzlich die Beweislast für die tatsächlichen Vorrausetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm, so dass der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen zu beweisen hat. Für den Arzthaftungsprozess gilt nichts anderes (BGH NJW 1991, 1540; BGH NJW 1994, 1594). Es obliegt deshalb dem Kläger das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, dessen Ursächlichkeit für den geltend gemachten Körper- und Gesundheitsschaden und das Verschulden des Schädigers zu beweisen. Gegen die nach umfänglicher Beweisaufnahme begründete Annahme des Landgerichtes, dass dieser Nachweis nicht geführt ist, ist nichts zu erinnern. Beweiserleichterungen kommen dem Kläger nicht zugute.
Der Umstand, dass die Verwendung des Neuromonitoringgerätes im Operationsprotokoll nicht aufgeführt ist, vermag den Nachweis nicht zu führen. Der Sachverständige hat nachvollziehbar begründet, dass es einer Aufnahme nicht bedurfte, da das Operationsprotokoll der Abrechnung dient und die Verwendung des Neuromonitoringgerätes keine zusätzliche Vergütung auslöst. Dass das Operationsprotokoll der Abrechnung dient, ist unstreitig geblieben (Bl. 49 GA). Insoweit liegt auch kein Dokumentationsversäumnis vor, das zur Beweislastumkehr führen könnte.
Die Verwendung des Neuromonitoring ist im Operationsbericht dokumentiert, der die tatsächliche Behandlung nachzeichnet und dem deshalb eine höhere Bedeutung zukommt. Dies ergibt sich auch aus den vom Kläger zitierten Literaturstellen (vgl. Bl. 97, 115 GA – Prof. Dr. …[A]). Für die Behauptung, dass der Operationsbericht nicht zeitnah erstellt wurde oder gar bewusst wahrheitswidrig abgefasst wurde (Bl. 93 GA), fehlt es an einer tatsächlichen Grundlage. Insbesondere ist auch nicht ersichtlich, auf welchen Erkenntnissen die Behauptung beruht, er sei erst „Monate nach der Operation“ gefertigt worden (Bl. 123 GA). Der Bericht trägt das Datum vom 12.10.2007 (Anlage B 3). Der Umstand, dass die Krankenakte zunächst nicht gefunden wurde, begründet nicht die Vermutung, der Bericht sei erst nachträglich erstellt worden.
Die vernommenen Zeugen (BL. 159 – 163 GA) konnten sich nicht erinnern, dass die Operation ohne den Einsatz des Neuromonitoringgerätes erfolgte. Der Beklagte hat den Einsatz explizit bestätigt (Bl. 163/164 GA). Der vom Kläger aus dem vermeintlichen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Lieferung des Gerätes und der Operation begründete Zweifel an den Zeugenaussagen, überzeugt nicht, weil das Gerät bereits mehr als drei Monate vor der Operation geliefert wurde. Mit den Zeugenaussagen konnte der Nachweis des unterlassenen Einsatzes des Gerätes nicht geführt werden.
Ein Dokumentationsversäumnis mit der Folge von Beweiserleichterungen liegt auch nicht darin begründet, dass der Operationsbericht nach Auffassung des Klägers keinen Hinweis darauf enthält, warum die Präparation des Nervus recurrens unterblieben ist. Der Operationsbericht lässt deutlich erkennen, dass der Nerv nicht gefunden wurde und auch auf weiteres Suchen und unter Einsatz des Neuromonitorings nicht darstellbar war. Mehr kann an Dokumentation nicht verlangt werden. Wie soll der Arzt wissen, warum er den Nerv nicht gefunden hat? Dies kann in seiner Lage begründet sein, wie in der Möglichkeit, dass er in diesem Zeitpunkt – trotz regelrechter Operation – bereits geschädigt war. Mit dem Sachverständigen (Bl. 129 GA) ist der Senat der Auffassung, dass der Versuch des Auffindens sowie die dazu getroffenen Maßnahmen zu dokumentieren sind. Dies ist geschehen.
Der Kläger ist mit dem Nachweis eines Behandlungsfehlers beweisfällig geblieben. Auf die mit der Berufung weiter aufgeworfenen Fragen, ob das Landgericht davon ausging, dass der Einsatz eines solchen Gerätes nicht dem medizinischen Standard entsprach und ob diese Annahme richtig ist, kommt es so nicht mehr an.
2.
Der Kläger macht mit seiner Berufung weiter geltend, dass er nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei und die Voraussetzungen für die vom Landgericht angenommene mutmaßliche Einwilligung nicht vorgelegen hätten. Er ist der Auffassung, die Beklagten hätten eine Aufklärung dahin geschuldet, das es möglich ist, dass der Nervus recurrens nicht gefunden wird, sich damit das Risiko seiner Verletzung und insoweit letztlich eines Stimmverlustes erhöht. Wäre er hierüber aufgeklärt worden, hätte er sich in einem Entscheidungskonflikt befunden, ob er sich von dem ihm bis dahin unbekannten Beklagten zu 2) und zu dieser Zeit hätte operieren lassen.
Nach Auffassung des Senates ist die Aufklärung wie sie vom Kläger geschildert wurde, nicht zu beanstanden.
Dem Arzt obliegt die Eingriffs- und Risikoaufklärung gegenüber dem Patienten. Hierbei handelt es sich um eine Hauptpflicht aus dem Behandlungsvertrag (BGH NJW 1984, 1807; OLG Karlsruhe VersR 1989, 1053; Frahm/Nixdorf/Walter, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl. 2009, Rn. 186). Sie beruht auf dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Geschuldet ist dabei eine Aufklärung über die Risiken einer ordnungsgemäßen Behandlung (BGH NJW 1992, 1558; BGH VersR 1988, 179; BGH NJW 1988, 1516). Dem Patienten müssen die Risiken der Behandlung nicht medizinisch exakt beschrieben und auch nicht in allen denkbaren Erscheinungsformen dargestellt werden. Nach der Rechtsprechung muss der Patient nur „im Großen und Ganzen“ wissen, worin er einwilligt. Dazu muss er über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Dies bedeutet nicht, dass die Risiken in allen erdenkbaren Erscheinungsformen aufgezählt werden müssen. Es muss aber eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern (vgl. BGH VersR 2009, 257; BGH VersR 2000, 725; BGH NJW 1984, 1397). Mit dieser Aufklärung „im Großen und Ganzen“ kann der Arzt sich in der Regel begnügen und Näheres der Fragestellung durch den Patienten überlassen. Zumindest intelligenten und gebildeten Patienten ist es nach Ansicht des Bundesgerichtshofes zuzumuten, durch Nachfragen eine ihnen noch nicht umfassend erscheinende Aufklärung einzufordern (BGH VersR 1976, 293 = NJW 1976, 363).
Gemessen an diesen Kriterien ist die Aufklärung des Klägers ausreichend gewesen.
Der Kläger räumt selbst ein, dass ihm das einer Schilddrüsenoperation immanente Risiko einer Verletzung der Stimmbandnerven ebenso bekannt war wie der Umstand, dass das Risiko auch bei fehlerfreiem ärztlichen Vorgehen nicht sicher vermeidbar ist (Bl. 4, 48 GA). Im Arztbericht vom 26.09.2007 (Anlage B 1) ist dokumentiert, dass der Kläger schon bei der Vorbesprechung der Operation über das Risiko der Verletzung des Nervus recurrens aufgeklärt wurde. Im Aufklärungsbogen vom 11.10.2007, dem Vortag der Operation ist handschriftlich unter den „Ärztlichen Anmerkungen zum Aufklärungsgespräch“ die Möglichkeit von Nervverletzungen aufgeführt. Das Wort Stimmbandnerv“ ist unterstrichen, Pfeile machen die Problematik deutlich (hierzu auch der Sachverständige Bl. 73, 76 GA). Der Kläger hat im Anschluss daran unterschrieben, dass er keine weitere Fragen hat, sich genügend informiert sieht und auch ausreichende Bedenkzeit hatte (S. 4 der Anlage B 2). Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass allein die schriftliche Aufklärung aber nicht genügt, sondern das Gespräch zwischen Arzt und Patient den Mittelpunkt der Aufklärung bilden muss. Dass dies der Fall war und eine hinreichende Erörterung der Möglichkeit des Stimmverlustes als Folge einer Nervenverletzung stattgefunden hat, ergibt sich für den Senat aus den handschriftlichen Eintragungen und Zeichnungen im Aufklärungsbogen (Anlage B 2). Letztlich ist dieser Sachverhalt insgesamt unstreitig.
Anders als der Kläger meint, musste er nicht darüber aufgeklärt werden, dass die Möglichkeit besteht, dass ein Nerv nicht dargestellt und deshalb verletzt werden kann bzw. dass aufgrund der fehlenden Darstellung ein erhöhtes Verletzungsrisiko besteht. Ausreichend ist es vielmehr, wenn der Arzt dem Patienten verdeutlicht, dass es unter der Operation zu Nervschädigungen kommen kann, die ihrerseits zu Heiserkeit bis zum Stimmverlust führen können (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, Fallgruppenkommentar, 3. Aufl. 2010, A226, A857, A2562). Da sich die konkrete Situation nach den unbestrittenen Ausführungen des Sachverständigen erst während der Operation zeigt, ist es dem Arzt auch gar nicht möglich, dieses Risiko abzuschätzen und damit zur Grundlage einer sachgerechten Aufklärung zu machen. So ist es auch möglich, dass sich der Nerv zwischen zwei Knoten befindet und deshalb gar nicht ohne Risiko der Verletzung freigelegt werden kann (Bl. 129 GA).
Eine Aufklärung über eine Möglichkeit des Abbruches der Operation war nicht geschuldet, da eine solche Möglichkeit nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen war. Insbesondere muss in Rechnung gestellt werden, dass im Zeitpunkt des Abbruches die Nervenverletzung schon erfolgt sein kann, so dass ein Abbruch ohne Wert für die Wahrung des Selbstbestimmungsrechtes ist. Medizinisch fehlt einem Abbruch die Sinnhaftigkeit (Bl. 76 GA).
Nachdem der Inhalt der Aufklärung, soweit sie erforderlich war, unstreitig ist, bedurfte es in verfahrensrechtlicher Hinsicht hierzu keiner Anhörung des Klägers.
Auf die Frage, ob die Voraussetzungen für eine mutmaßliche Einwilligung vorliegen, kommt es daneben nicht an. Es bleibt deshalb auch unerheblich, ob die Berufungsbegründung neuen Sachvortrag enthält, der nach §§ 529, 531 ZPO unberücksichtigt bleiben muss. Offen bleiben kann deshalb auch, ob die in der Berufungserwiderung dargestellten Aspekte gegen einen Entscheidungskonflikt des Klägers tatsächlich überzeugen können (zweifelnd: Senat, Beschluss v. 08.02.2011, 5 U 1081/10)
II.
Nach den vorstehenden Ausführungen bietet die Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Eine Entscheidung des Berufungsgerichtes ist nach Auffassung des Senates unter Berücksichtigung der in § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 ZPO genannten Gründe nicht erforderlich. Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall auf der Grundlage einer gesicherten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Vor diesem Hintergrund beabsichtigt der Senat die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Zuvor wird dem Kläger Gelegenheit gegeben zu den vorstehenden Ausführungen bis zum 27.06.2011 Stellung zu nehmen. Ihm wird empfohlen unter Kostengesichtspunkten aus dem Hinweis prozessuale Konsequenzen zu ziehen und die Berufung zurückzunehmen.